Die Türkei, Israel und Syrien zwischen Kooperation und Konflikt

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Transkript:

r " Beiträge zur Politikwissenschaft,,,'- Robert Staudigl Die Türkei, Israel und Syrien zwischen Kooperation und Konflikt UTZ Herbert Utz Verlag. Wissenschaft München

"r'" " ~~ Beiträge zur Politikwissenschaft Band 2 ("',., :-' Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ / dnb.ddb.de abrufbar, Zugleich: Dissertation, MÜnchen, Vniv., 2003 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten. Copyright @ Herbert Vtz Verlag GmbH 2004 ISBN 3-8316-0348-0 Printed in Germany Herbert Vtz Verlag GmbH, MÜnchen Tel: 089/2ffl91-OO -Fax: 089/2ffl91-01 _li.

';;'-' Inhalt Einleitung. 1 A. Forschungsgegenstand und Hypothesen. 1 B. Quellen und Forschungsstand. 14 1. Die Türkei, Israel und Syrien -Regionalpolitische Dimensionen und landeskundliche Daten. 18 2. Theoretische Vorüberlegungen 32 2.1. Der Begriff "Konflikt" in der Internationalen Politik...32 2.2. Das Drei-Ebenen-Modell von Peter Billing 35 3. Israel und Syrien: Feindschaft im Zeichen des Nahost-Ionflikts. 45 3.1. Die Ursprünge der Auseinandersetzung. 45 3.2. Die Konfliktgegenstände. 52 3.2.1.DieGolan-Höhen 53 3.2.2. Sicherheitsproblematik und Friedensstruktur. 68 3.2.3.DieWasserfrage 73 3.2.4. Die syrische Präsenz im Libanon. 75 3.3. Israelisch-syrische Perzeptionen: Gegenseitiges Unverständnis und die Debatte des "Democratic peace" 80 4. Die Türkei und Syrien: K:onflikt Tor dem Hintergrund des türkischarabischen Gegensatzes. 93 4.1. Historische Vorbelastungen: Gegenseitige Unterdrückungs- und Verratsvorwürfe 93 4.2. Die Konfliktobjekte: Die Provinz Hatay, die Wasserressourcen und der Terrorismus 97 5. Zwischenbi1anz: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Ionflikte.110 6. Die Türkei und Israel: "LoTe affair" nach dem Ende des (alten Irieges 114 6.1. Das historische Einvernehmen zwischen Türken und Juden...114 6.2. Die Kooperation der 1950er Jahre: "Gizli ili~kiler"..., 121 6.3. Die Partnerschaft mit den USA als Basis der türkisch-israelischen Verständigung. 127 6.4. Etappen, Inhalte und Ergebnisse der Kooperation. 143 6.4.1. Erste Annäherung unter Rabin und Peres 1992-1996..144 6.4.2. Die Türkeipolitik der Regierung Netanyahu 1996-1999. 156 6.4.3. Die türkisch-israelische Freundschaft unter Barak 1999-2001 169 6.4.4. Das erste Kabinett Sharon und die Türkei 2001-2003.177 6.5. Türkische und israelische Interessen. 182

.. ',,"' 7. Ionsequenzen der türkisch-israelischen Iooperationsachse ] 7.1. Reaktionen der islamischen Staatenwelt. ] 7.2. Fallbeispiel Öcalan-Krise: Türkisch-israelische Kooperation gegen Syrien? ; 7.3. Regionale Konfrontation: "BarJ.~ ü~geni" Türkei/Israel/USA vs.syrien/iran ; Perspektiven: ZUsaIIIDenfassung Die Türkei, Israel und Syrien nach dem ll.september200l ' 2 An-.rkungen 2 Abkürzungen. 2 Verzeichnis türkischer Textsteilen. 2 Zeittafel 2: Iurzbiographien 2: Quellen. 2' Literatur. 3. 1 11

-1 -.;~ Einleitung A. Forschungsgegenstand und Hypothesen Die Beilegung des Ost-West-Konflikts, der zweite Golfkrieg 1991 und der Beginn der arabisch-israelischen Friedensgespräche im gleichen Jahr in Madrid stellen für den Nahen Osten zweifellos die tiefgreifendsten Einschnitte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dar. Die seit Jahrzehnten bestehenden traditionellen Konfliktlinien gerieten 1990/1991 in Bewegung. Eine Neuordnung des Vorderen Orients unter dem Vorzeichen des Friedens entwickelte sich erstmals zu einer realistischen Option. Infolge der Anschläge vom 11. September 2001 und der amerikanischen Invasion des Irak (2003) erfahren jedoch die konfrontativen Politikmodelle der Vergangenheit unter veränderten Vorzeichen eine Wiederbelebung. Israels politische Nähe zu den Vereinigten Staaten erreicht unter Premierminister Ariel Sharon und Präsident George W. Bush gegenwärtig einen neuen Höhepunkt. In Konfrontation zu den USA und Israel befindet sich nach wie vor die Arabische Republik Syrien. Deren Ablehnung des Irak-Krieges und angebliche Verwicklung in den internationalen Terrorismus erweiterte das amerikanische Potential an Anklagen gegen Damaskus. Seit den Attacken gegen die Istanbuler Synagogen Neve Shalom und Beit Israel am 15. November 2003 befindet sich die Türkei deutlicher als jemals zuvor im Lager der vom Terrorismus bedrohten Nationalstaaten. Die besondere Brisanz jener Ereignisse für die vorliegende Thematik liegt in der Tatsache, dass nicht allein der türkische Staat oder die Juden das Ziel der Angriffe waren, sondern speziell die freundschaftlichen Beziehungen der Republik Türkei zu Israel. So erlebt das Kooperationsdreieck zwischen Washington, Jerusalem und Ankara im Zuge der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine Neuausrichtung bzw. Intensivierung. Gleichzeitig

~ -2 - ist eine Verschärfung der Konfliktlinie zwischen den USA und Israel auf der einen und der arabischen Welt auf der anderen Seite zu beobachten. Spä~estens mit dem Entstehen des Staates Israel 1948 war der Nahost-Konflikt in und um Palästina in vollem Umfang ausgebrochen. Entsprechend der Formel "Ein Land -zwei Völker" begann die Auseinandersetzung, die sich in diversen Teilkonflikten entfaltete. Die zentrale Konfrontation besteht zwischen Israel und den Palästinensern, aber auch der Disput Syriens mit Israel erlangte eine hohe Eigendynamik. Bis zur Entschärfung des globalen Ost-West-Konflikts fand der Staat der Juden allein mit Ägypten zu einem friedlichen Arrangement. Das nach intensiver US-amerikanischer Vermittlung von Präsident Anwar al-sadat und Premierminister Menachem Begin 1979 paraphierte Vertragswerk stellte allerdings nur einen bilateralen Separat frieden dar, der den Kern des Konflikts im Vorderen Orient unbearbeitet ließ.l In der Folge des militärischen Sieges über den Irak und Saddam Husseins Rückzug aus dem Emirat Kuwait initiierten die Vereinigten Staaten im Herbst 1991 die bislang Erfolg versprechendsten diplomatischen Bemühungen zu einer Regelung der Dauerkrise. Der damalige US-Präsident George Bush lud die Streitparteien Israel, Syrien, Libanon und eine jordanisch-palästinensische Delegation zu einer internationalen Konferenz nach Madrid ein.2 Diese fand ihre Fortsetzung in bilateralen Verhandlungen. Die USA wurden in dieser historischen Situation sowohl von den Arabern als auch von Israel als Vermittler akzeptiert. Denn Präsident George Bush hatte sich im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Ronald Reagan (1980-1988) um ein ausgewogenes Vorgehen im Nahen Osten bemüht. Nicht nur der Irak wurde gezwungen, internationales Recht in Form von UN-Resolutionen anzuerkennen, sondern auch Israel sollte entsprechend des Grundsatzes "Land for peace" seinen Teil zu einer gerechten und friedlichen Neuordnung der Region beitragen.

-3 -,;~ Seitdem hat sich der Nahe Osten auf vielfältige Weise verändert. Israels Premierminister Yitzhak Rabin unterzeichnete zwischen 1993 und 1995 mit den Palästinensern und Jordanien stufenweise bzw. endgültige Friedensabkommen3 und reduzierte damit schrittweise den Außenseiter status seines Landes. Aufgrund der zumindest partiellen Anerkennung der Existenz des jüdischen Gemeinwesens durch seine arabischen Nachbarn wurde es nahezu allen Regierungen möglich, offene Kontakte zu Jerusalem aufzunehmen oder die auf niedrigem Niveau bestehenden Beziehungen auszubauen. Nach der Unterzeichnung der palästinensisch-israelischen Prinzipienerklärung im September 1993 unternahm die Republik Türkei erste Schritte, um die sich nun ergebenden diplomatischen Chancen einer Annäherung an Israel zu nutzen. Solange die arabisch-israelische Konfrontation noch in vollem Umfang Bestand hatte und sich alle Staaten der Region in den weltweiten Ost-West-Konflikt einordneten, waren die Optionen Ankaras begrenzt gewesen. Nun strebte Präsident Turgut Özal eine Korrektur der seit der Staats gründung durch Mustafa Kemal Atatürk im Jahr 1923 praktizierten regionalpolitischen Passivität an. Schon durch das deutliche Engagement an der Seite Washingtons während der Golfkrise war das Bemühen Ankaras, im Nahen Osten eine größere Rolle zu übernehmen, offensichtlich geworden.. Seitdem die arabischen Führungen mit den Israelis konferierten und Moskau die diplomatischen Kontakte zu Jerusalem erneuerte, war es nun auch der Türkei möglich, die Beziehungen zu Israel auf ein bisher nicht praktizierbares Niveau anzuheben. Schon 1949 hatte die kemalistische Türkei den Staat Israel offiziell anerkannt4, konnte aber aus Rücksichtnahme auf ihre arabisch-muslimischen Nachbarn nur verdeckt Kontakte zu Jerusalem unterhalten. Der Verhandlungs beginn von Arabern und Israelis sowie die Beilegung der Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika sind somit als Voraussetzung für die seit 1992 erkennbare Anlehnung der Türkei an Israel

""",:,,~:. :;;!'.~. -4 -.:.. anzusehen. Die strategische Entscheidung der türkischen israelischen Staatsführungen, künftig in Regionalfragen zusammenzuarbeiten, deckte sich zeitlich mit dem weltpol: schen Wandel in der Endphase des Kalten Krieges. Beide I toren ebneten den Weg für eine Neuordnung im Nahen Ost Das friedenspolitische Engagement George Bushs, welc Araber und Israelis an den Verhandlungstisch geführt hat war dabei ebenso richtungsweisend wie die Abschwächung sowjetischen Bedrohung gegenüber der Türkei. Dieses Si8 der Entspannung folgte dem von KPdSU-Generalsekretär Mich Gorbatschow vollzogenen Kurswechsel der Außenpolitik M kaus.5 Das Bündnis zwischen Ankara und Jerusalem ist so als ein Ergebnis regionaler und internationaler Entwicklun linien zu interpretieren. Die Ubereinstimmung von türkischer und israelischer Außen[ litik ist aber zugleich ein aktiv gestaltendes Element Veränderungen im Nahen Osten. Bisher galt die israelisch-) lästinensische Feindschaft als Kern des Nahost-Konflikts. J dieser nach dem zweiten Golfkrieg 1991 einem Erfolg vers pr chenden Regelungsversuch zugeführt wurde, wich Ankara ~ seiner traditionellen Neutralität im Vorderen Orient a Durch die neue Israelpolitik gewann das von Atatürk geprä8 Land schrittweise den Status einer regionalen Großmacht. Ein Jahrzehnt nach der türkischen. Israel-Initiative sind d Folgeerscheinungen unübersehbar. Alle Staaten des Nahen 0 tens waren durch die Umgestaltung der Regionalordnung da aufgerufen, ihre Position gegenüber der Türkei neu zu b gründen und gegebenenfalls zu korrigieren. Als Ergebnis di, ser Standortbestimmung ist die Entstehung neuer markant, Trennlinien zwischen den nahöstlichen Nationalstaaten zu el kennen. Diese werden entsprechend der politischen Haltul zur Türkei und Israel gezogen. Als Hauptkritiker am neuen Bündnis von Ankara und JerusalE trat die arabische Welt auf. Die arabischen Präsidenten UD Monarchen befürchten eine noch weitreichendere Dominan des jüdischen Staates im Vorderen Orient.6 Da die entstehen ~.I

-5 - ;~ de israelisch-türkische Verbindung Syrien intensiver als jedes andere Land tangiert, artikulierte das Regime in Damaskus seine Bedenken gegen die sich anbahnende Neuordnung im Nahen Osten besonders deutlich. Die infolge der türkisch-israelischen Sicherheitspartnerschaft auftretenden Spannungen und die bislang unzureichenden Ergebnisse des Friedensprozesses7 lassen die Krisenregion Nahost auch über fünfzig Jahre nach der Proklamation des Staates Israel nicht zur Ruhe kommen. Der Stopp der syrischisraelischen Normalisierung und die vorläufig beende te Aussöhnung Israels mit dem palästinensischen Volk multiplizierte die in der arabischen Welt perzipierte Bedrohung durch die zunehmende Vernetzung der Interessen beider Partner Amerikas. Zur Eskalation dieser Negativtendenzen führten die Terroranschläge des 11. September 2001. Israels Premier Ariel Sharon legitimiert seine auf Konfrontation gründende Politik mit Hinweis auf den von US-Präsident George W. Bush propagierten "Krieg gegen den Terror". Vom amerikanischen Kriegseinsatz in Afghanistan und dem von Washington vollzogenen Regimewechsel in Bagdad kann kein Nahoststaat politisch unberührt bleiben. Anstelle einer wünschenswerten Anti-Terror- Koalition, welche außer Israel und der Türkei auch alle arabischen Länder und den Iran umfassen sollte, treten diver- I gierende Standpunkte über die richtige Antwort auf die Ge- I schehnisse des 11. September zutage. Unmittelbar nach den Anschlägen in New York und Washington positionierte sich die gesamte islamische Staatenwelt an der Seite der angegriffenen Amerikaner. Allein der irakische Präsident Saddam Hussein bekundete Genugtuung über den Terrorismus der al-qaida. Durch die Ausdehnung des Anti-Terror- Krieges auf den Irak erfuhr die arabische Politik der Solidarität gegenüber den USA jedoch ein abruptes Ende. Alle muslimischen Staaten des Nahen Ostens widersetzten sich der Strategie von US-Präsident George W. Bush, Saddam Hussein im Rahmen der Doktrin vorbeugender Militäreinsätze zu stürzen.

-6 -, ~ Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die politische Union der Republik Türkei mit Israel. Diese stellt sich als eine unmittelbare Folge der Konfliktlinien Syriens mit Ankara und Jerusalem dar. Weltpolitische Umbrüche der Jahre 1989 bis 1991 begünstigten und beschleunigten Ankaras Anlehnung an den jüdischen Staat. Eine Gegnerschaft der Arabischen Republik Syrien zur Türkei besteht bereits seit der Auflösung des Osmanischen Reiches und der Etablierung eines türkischen Nationalstaates im Jahr 1923. Mit dem aus der zionistischen Bewegung hervorgegangenen Israel befindet sich Damaskus seit 1948 im Kriegszustand.8 In den einzelnen Streitpunkten weisen die bei den Konfliktlinien signifikante Parallelen auf. Syriens Auseinandersetzungen mit den Nachbarn in Nord und Süd sind daher als historische Voraussetzung für die wachsende überschneidung der Zielsetzungen von türkischer und israelischer Außenpolitik anzusehen. Um sowohl die Struktur als auch die Motive der türkisch-israelischen Kooperation zu verstehen, ist es unerlässlich, den vergleichbaren Charakter bei der Krisenfälle als äußerst wichtig einzuschätzen. Der Interpretation des 1992 entstandenen Bündnisses wird daher die Untersuchung der Konfliktschienen zwischen Damaskus und Jerusalem sowie Damaskus und Ankara vorangestellt. In geographischer Hinsicht erfolgt zunächst eine Eingrenzung auf das Geflecht der Beziehungen zwischen Israel, Syrien und der Türkei. Da die Sicherheitsunion Ankaras mit Jerusalem nicht nur Damaskus tangiert, ist die Auswertung der Konsequenzen jener Verbindung auch auf die übrige islamische Welt auszudehnen. Die Betrachtung setzt in zeitlicher Perspektive mit dem Beginn der übereinstimmung israelischer und türkischer Interessen nach der überwindung des Kalten Krieges ein. Ein Rückblick auf die Entstehungsbedingungen der israelischsyrischen Feindschaft und die seit Anfang des 20. Jahrhunderts politisierte Gegnerschaft der Türkei zum arabischen Raum ist unentbehrlich, da die Grundlinien dieser Strukturen

-7 -.;~. bis in die Gegenwart konstant geblieben sind. Auch die Nähe Israels zur Türkei ist nicht als ein isoliertes Phänomen des abgelaufenen Jahrhunderts einzustufen. Vielmehr geht den neuesten Ereignissen eine seit dem ausgehenden Mittelalter gewachsene Verbundenheit beider Völker voraus, die sich bis in die aktuelle Politik auswirkt. Die angestrebte Untersuchung gliedert sich in sieben Abschnitte, wobei den verschiedenen Betrachtungen ein Modell der innenpolitischen, regionalen und internationalen Konfliktanalyse zugrunde gelegt wird. Als Basis dient die Theorie des Politologen Peter Billing, da diese gleichzeitig auf den drei genannten Ebenen ansetzt. Insofern die Beziehungen zwischen der Türkei, Israel und Syrien Elemente aller Ebenen enthalten und verbinden, erschien dieses Theoriesystem hilfreich. So ist beispielsweise eine Analyse des israelischtürkischen Verbundes ohne eine Berücksichtigung der Ähnlichkeiten der jeweiligen politischen Systeme nicht denkbar. Die historischen Rivalitäten zwischen Arabern und Türken sowie das daraus resultierende Konfliktpotential sind nicht zu vernachlässigen. Gleiches gilt für das Verhalten der Supermacht USA im internationalen System. Eingangs wird der Blick auf die geopolitische Umgebung der Türkei, Israels und Syriens gerichtet. Die genannten Staaten teilen in ihrer Sicht auf die jeweilige flachbarschaft sicherheitspolitische Defizite. Zu erwähnen ist auch, dass die laizistische Türkei im Umfeld der islamischen Staaten einen Außenseiterstatus einnimmt. Und Israel wird von der arabischen Welt als Fremdkörper betrachtet. Syrien wiederum sieht sich in seiner geographischen Lage zwischen diesen militärisch stärksten Nahoststaaten besonders bedroht. Gerade in dieser traditionell konfliktreichen Region ist das Verhalten der unmittelbar angrenzenden Länder in Rechnung zu stellen. Dementsprechend kann eine krisenhafte Eskalation erwartet oder vermieden werden. Mit Hilfe einer Analyse der syrisch-israelischen Feindschaft wird eine inhaltliche Basis für das spätere Verständnis der