ARBEITSPAPIERE DER NORDAKADEMIE



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Transkript:

ARBEITSPAPIERE DER NORDAKADEMIE ISSN 1860-0360 Nr. 2014-06 Stakeholder Value Management als Teil der ISO 9001 für das Qualitätsmanagement Prof. Dr.-Ing. Volker Ahrens November 2014 Eine elektronische Version dieses Arbeitspapiers ist verfügbar unter: www.nordakademie.de/de/arbeitspapiere/ Köllner Chaussee 11 25337 Elmshorn www.nordakademie.de

Stakeholder Value Management als Teil der neuen ISO 9001 für das Qualitätsmanagement Volker Ahrens NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn Die Berücksichtigung der Anforderungen aller interessierten Parteien soll in die Forderungskataloge der neuen ISO 9001 für das Qualitätsmanagement und der neuen ISO 14001 für das Umweltmanagement aufgenommen werden. Der Beitrag zeigt, dass es systematischer ist, diese Forderung quasi vor die Klammer zu ziehen und aus den einzelnen Managementsystemen herauszuhalten. Vor die Klammer lässt sich die ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung als Integrationsbasis aller Managementsysteme setzen. Ausgangssituation Der Entwurf der neuen ISO 9001 für das Qualitätsmanagement, der 2015 veröffentlicht werden soll, sieht vor, die Berücksichtigung der Interessen aller relevanten Anspruchsgruppen (Stakeholder) einer Organisation in den Forderungskatalog aufzunehmen (ISO/CD 9001, Kap. 4.2) [1]. Bisher richtet sich die ISO 9001:2008 vorrangig an Kunden (Kap 5.2), während die Ausrichtung auf alle interessierten Parteien der ISO 9004:2009 (Kap. 4.4) vorbehalten ist. Wenn im Folgenden erklärt wird, dass und warum eine explizite Berücksichtigung interessierter Parteien in keiner der beiden Normen sinnvoll ist, geschieht dies ausdrücklich nicht aus der Motivation heraus, den Aufwand zu minimieren. Tatsächlich kommt heute keine Organisation daran vorbei, die Ansprüche aller interessierten Parteien zu managen. Doch nicht alles, was sinnvoll ist, ist zugleich auch Aufgabe des Qualitätsmanagements [2]. Gerade weil mit der neuen ISO 9001 auch eine neue, übergeordnete Struktur für alle ISO-Managementsystem-Standards geschaffen werden soll, bietet es sich an, die Verhältnisse zwischen verschiedenen Managementsystemen zu systematisieren. Das würde deren Integration in ein umfassendes System fördern. Dieses bereits vor etwa 15 Jahren diskutierte Ziel [2, 3] war zwar lange von der Tagesordnung verschwunden, gewinnt angesichts der großen Zahl hinzukommender Managementsysteme aktuell aber wieder an Bedeutung [4]. Im Folgenden soll nun Schritt für Schritt demonstriert werden, welche Probleme bereits heute auftreten können und durch die Ausweitung des Stakeholder-Ansatzes innerhalb des Qualitätsmanagements noch verstärkt werden. Ausgangspunkt ist der hohe Abstraktionsgrad der Definition des Qualitätsbegriffs als Grad, in dem Merkmale Anforderungen erfüllen. In dieser allgemeinen Form können beispielsweise auch ökologische und soziale Anforderungen gemeint sein. Das bestätigen die Anmerkungen der ISO 9000:2005 zum Merkmalsbegriff, die unter anderem auch ergonomische Merkmale einbeziehen (Kap. 3.5.1, Anm. 3). Kundenorientierung Im ersten Schritt sei angenommen, dass auf der Basis einer Kundenorientierung im engeren Sinne nur Kunden Anforderungen stellen. Allerdings verhalten sich diese dabei oft altruistisch, indem sie zum Beispiel auch Wert darauf legen, dass die Produkte und Produktionsprozesse ökologisch verträglich sind und dass die Beschäftigten unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten. 1

Wählt man das Qualitätsmanagement nach ISO 9001 aufgrund der darin geforderten Kundenorientierung als Ausgangsbasis, so zeigt Bild 1, dass die ökologischen Anforderungen von dort an das Umweltmanagement und die sozialen Anforderungen an das Arbeitsschutzmanagement weitergeleitet werden müssen, wenn man unterstellt, dass deren Erfüllung Spezialisten erfordert. Nach der in Bild 1 skizzierten Variante erhalten die Kunden dann von dort Rückmeldungen über die getroffenen Umweltschutz- und Arbeitsschutzmaßnahmen. Zwischen Kunden und Qualitätsmanagement ergibt sich dadurch eine bidirektionale Beziehung; alle anderen Beziehungen sind monodirektional. Alternativ wäre auch eine in Bild 1 nicht dargestellte Variante denkbar, nach der die Rückmeldungen über das Qualitätsmanagementsystem an die Kunden kommuniziert werden. Diese Variante soll jedoch im Folgenden zur Vereinfachung vernachlässigt werden. Bild 1: Beziehungen, die aus der Berücksichtigung aller Kundenforderungen im Qualitätsmanagement resultieren In einem zweiten Schritt, der ebenso wie der erste bereits auf der Basis der aktuellen Norm möglich ist, soll zusätzlich zum Merkmalsbegriff die Definition des Anforderungsbegriffs einbezogen werden (ISO 9000:2005, Kap. 3.1.2). Darin werden Kunden zwar explizit genannt und erhalten dadurch eine herausgehobene Bedeutung, doch zugleich werden auch andere interessierte Parteien angesprochen. Exponentieller Komplexitätszuwachs Bild 2 zeigt die Konsequenzen: Das Qualitätsmanagement unterhält nun zu allen Anspruchsgruppen bidirektionale Beziehungen sowie monodirektionale Beziehungen zu den anderen Managementsystemen; hinzu kommen weitere monodirektionale Beziehungen zwischen den übrigen Managementsystemen und den Anspruchsgruppen, wobei Bild 2 nicht einmal alle theoretisch möglichen Beziehungen zeigt, sondern nur mehr oder weniger wahrscheinliche Beziehungen. Trotzdem wird deutlich, dass die Anzahl der Beziehungen, die beherrscht werden muss, signifikant gestiegen ist. Der dritte Schritt berücksichtigt nun, dass nicht nur das Qualitätsmanagementsystem auf alle Anspruchsgruppen ausgerichtet werden soll, sondern dass dies auch für andere Managementsysteme gilt. Als Beispiel wird hier das Umweltmanagement nach ISO 14001 herangezogen. Diese Norm fordert schon in der aktuellen Fassung die Ausrichtung auf alle interessierten Kreise (Kap. 3.13). Zwar wird dem Staat, der in der hier gewählten Begrifflichkeit der sozialen Umwelt zugerechnet werden kann, durch die besondere Betonung rechtlicher Verpflichtungen (Kap. 4.3.2) bisher noch eine herausgehobene Stellung beigemessen, doch die Zeitschrift für Qualität und Zuverlässigkeit (QZ) berichtet in ihrer letzten Ausgabe des Jahres 2013, dass die 2

Ausrichtung auf alle interessierten Kreise bei der laufenden Revision dieser Norm konsequent ausgebaut werden soll. Bild 2: Beziehungen, die aus der Berücksichtigung der Anforderungen aller interessierten Parteien im Qualitätsmanagement resultieren Das bedeutet, dass aus den monokausalen Beziehungen, die in Bild 2 zwischen dem Umweltmanagement und den Anspruchsgruppen dargestellt sind, nun bidirektionale Beziehungen werden. Nimmt man ferner an, dass auch andere interessierte Kreise Forderungen stellen, die aus Gründen der Spezialisierung nicht unmittelbar vom Umweltmanagement, sondern von anderen Managementsystemen erfüllt werden müssen, so ergeben sich auch zwischen den Managementsystemen nun bidirektionale Verbindungen. Die Anzahl der Beziehungen wächst mit zunehmender Anzahl der Anspruchsgruppen und mit zunehmender Anzahl von Managementsystemen exponentiell (Bild 3, rote Kurve), weil alles mit allem in Verbindung steht. Daraus resultieren zahlreiche Abgrenzungs- und Kompetenzkonflikte sowie Redundanzen, die viel zu komplexe und oft inkonsistente Managementsysteme zur Folge haben. Linearisierung des Komplexitätszuwachses Um diesen Problemen zu begegnen, soll im Folgenden ein Lösungsansatz entwickelt werden, der die exponentielle Zunahme der zu beherrschenden Beziehungen zwischen den Anspruchsgruppen und den Managementsystemen sowie zwischen den Managementsystemen untereinander auf eine lineare Zunahme reduziert (Bild 3, grüne Kurve). Dazu wird zwischen die Anspruchsgruppen und die spezifischen Managementsysteme ein zentrales Managementsystem zwischengeschaltet, das die übergeordnete Aufgabe hat, alle Anforderungen aller Anspruchsgruppen zu managen (Bild 4). Dieses Managementsystem unterhält zu jeder Anspruchsgruppe nur noch jeweils eine Beziehung und sortiert die Anforderungen nach Sachgebiet, um sie dann dorthin zu delegieren. Auch zu diesen Sachgebieten, also zu den unterschiedlichen Managementsystemen, ist jeweils nur eine Beziehung erforderlich. Dadurch multiplizieren sich die Beziehungen nicht mehr, sondern addieren sich nur noch, so dass die Anzahl aller Beziehungen mit zunehmender Anzahl an Anspruchsgruppen und an Managementsystemen nur noch linear steigt (Bild 3, grüne Kurve). 3

Zwar ließe sich einwenden, dass die Verbindung von allem mit allem innerhalb des zentralen Managementsystems erhalten bleibt, so dass eigentlich nichts gewonnen ist. Und auch die Einführung eines zusätzlichen Managementsystems könnte Einwände hervorrufen. Tatsächlich sind jedoch Effizienz- und Effektivitätsgewinne dadurch zu erwarten, dass innerhalb des zentralen Managementsystems eine Spezialisierung auf die Verteilung der Forderungen erfolgt und dass die Kommunikation mit den Anspruchsgruppen zielgruppenspezifischer möglich ist, als wenn jedes einzelne Managementsystem seine eigenen Beziehungen zu den jeweiligen Anspruchsgruppen pflegt. Anzahl Beziehungen zwischen Anspruchsgruppen und Managementsystemen Vergleichbare Effekte werden in der Logistik genutzt, indem man zwischen Absendern und Empfängen sogenannte Cross- Docks installiert. Die dadurch mögliche Bündelung der Transporte von Waren und die Spezialisierung auf deren Verteilung führen zu erheblichen Kosteneinsparungen (VDI-Richtlinie 4404, Kap. 3.2.1.2). In Bezug auf die Beziehungen zwischen den Anspruchsgruppen auf der einen und den spezifischen Managementsystemen auf der anderen Seite hat das zentrale Managementsystem also eine ähnliche Funktion wie das Cross-Dock in der Logistik. Stakeholder Value Management Insgesamt umfassen die Aufgaben des zentralen Managementsystems das, was üblicherweise als Stakeholder Value Management (SVM) bezeichnet und vom strategischen Management unterschieden wird [5]. Das strategische Management hat die Aufgabe, eigene Interessen durchzusetzen, um den privaten Nutzen zu maximieren. Die zugrunde liegende Motivation ist also Egoismus, und zulässig sind alle legalen Mittel. Allerdings steht die Maximierung privaten Nutzens stets unter dem Vorbehalt gesellschaftlicher Akzeptanz. Um diese sicherzustellen, ist es zwar notwendig, aber nicht hinreichend, Gesetze zu befolgen. Ergänzend müssen auch die Interessen Dritter angemessen berücksichtigt werden. Die zugrunde liegende Motivation ist also Altruismus, und zulässig sind nur legitime Mittel. Solche Interessen einzubeziehen ist Aufgabe des SVM. Der Unterschied zwischen Legalität und Legitimität besteht darin, dass sich Legalität auf das beschränkt, was auf der Grundlage von Gesetzen vor einem Gericht durchgesetzt werden kann, 120 100 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Anzahl Managementsysteme/Anspruchsgruppen ohne SVM mit SVM Bild 3: Abhängigkeit der Anzahl von Beziehungen von der Anzahl der Anspruchsgruppen 4

Bild 4: Stakeholder Value Management als Integrationsbasis für alle spezifischen Managementsysteme 5 während es für den Nachweis von Legitimität ausreicht, gute Gründe anzugeben, die vor Instanzen wie der Vernunft, dem Gewissen oder einem öffentlichen Diskurs bestehen können [5, 6]. Das Fehlen von Gesetzen und hierarchisch übergeordneten Instanzen wie z. B. Gerichten erfordert von Organisationen eine Selbstverpflichtung zur Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung im Allgemeinen und insbesondere zur Berücksichtigung der legitimen Interessen Dritter, die von den Auswirkungen der Entscheidungen und Aktivitäten von Organisationen betroffen sind, ohne diese selbst durchsetzen zu können. Seit dem Jahr 2011 liegt mit der ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung ein Leitfaden vor, der wertvolle Hinweise gibt, wie ein solches System im hier intendierten Sinne gestaltet werden kann. So werden darin die konkreten Aufgaben des SVM im Detail beschrieben (Kap. 5). Und auch die Anknüpfungspunkte zu den bereits etablierten Managementsystemen sind klar erkennbar: Kapitel 6.4 verweist mit dem Kernthema Arbeitspraktiken zum Beispiel auf den Arbeitsschutz, Kapitel 6.5 stellt mit dem Kernthema Umwelt die Verbindung zum Umweltmanagement her und das Qualitätsmanagement findet seine Entsprechung in Kapitel 6.7, in dem Konsumentenanliegen behandelt werden. Umgekehrt enthalten die etablierten Managementsysteme bereits heute Hinweise darauf, dass sie als Teil eines umfassenden SVM verstanden werden können. Dies gilt insbesondere für die große Bedeutung, die der Verantwortung zugemessen wird und die ihren konkreten Ausdruck darin findet, dass ihr beispielsweise in der ISO 9001 mit Kapitel 5 (Verantwortung der Leitung) ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Und auch die Selbstverpflichtung wird in Kapitel 5.1 der gleichen Norm angesprochen. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, die Ausrichtung des Managements auf Anspruchsgruppen quasi vor die Klammer zu ziehen und zum Gegenstand eines übergeordneten SVM-Systems zu machen, um die themenspezifischen Managementsysteme davon zu befreien und auf ihre eigentlichen Themen zu begrenzen. Dazu ist es nicht zwingend erforderlich, für das SVM-System eine neue Norm zu entwickeln und auf dieser Grundlage eine zusätzliche Zertifizierung zu verlangen. Tatsächlich bietet die ISO 26000 jeder Organisation schon heute die Möglichkeit, ein eigenes SVM-System zu entwickeln und an die eigenen Bedürfnisse und Erfordernisse anzupassen, um darauf aufbauend alle themenspezifischen Managementaspekte zu integrieren. Dazu wäre in den Normen der spezifischen Managementsysteme lediglich zu fordern, dass die jeweiligen Anforderungen in geeigneter Weise systematisch zu ermitteln sind. Literatur [1] Dahl, C.: Zum aktuellen Committee Draft der ISO 9001:2015 Was bringt die neue ISO 9001? QZ Qualität und Zuverlässigkeit 58 (2013) 12, S. 14-15

[2] Ahrens, V.; Kleinfeld, A.: Nach bestem Wissen und Gewissen Ein unternehmensethischer Ansatz zur Integration von Managementsystemen. QZ Qualität und Zuverlässigkeit 44 (1999) 1, S. 64-68 [3] Ahrens, V.; Hofmann-Kamensky, M. (Hrsg.): Integration von Managementsystemen Ansätze für die Praxis. Verlag Franz Vahlen, München 2000 [4] Taucher, F.: Alter Hut mit neuem Band. QZ Qualität und Zuverlässigkeit 58 (2013) 12, S. 3 [5] Göbel, E.: Unternehmensethik. 2. Aufl. Lucius & Lucius (UTB), Stuttgart 2010 [6] Ahrens, V.: Business Excellence durch Stakeholder Value Management. In: Ahrens, V.; Hofmann-Kamensky, M. (Hrsg.): Integration von Managementsystemen Ansätze für die Praxis. Verlag Franz Vahlen, München 2000 6