Rainer ECKERT ZU EINIGEN PERSPEKTIVEN DER WEITEREN ERFORSCHUNG DES ALTPREUSSISCHEN

Ähnliche Dokumente
Zu den undeudſchen (baltischen) Fassungen des Kleinen. Katechismus von Martin Luther im 16. Jahrhundert

Russische Philosophen in Berlin

Pietro U. DINI Universität Pisa

HIMMELFAHRT bis TRINITATIS

Phraseologismen im Wörterbuch und im deutschen und tschechischen Sprachgebrauch

GEDENKTAG. 18. Oktober - Evangelist Lukas

Wie die Wiener Tschechen den Verbalaspekt entdeckten

ZU APR. pobanginnons (ENCH. 69,1 2) ALS LEHNSCHÖPFUNG* On OPr. pobanginnons (Ench. 69,1 2) as loan-rendition

Einführung in die Literaturrecherche

Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennam en

StaBi macht Schule. Fachteil Geschichte. Belinda Jopp Fachreferentin für Geschichte

Internationalismen bei den Elementen der Chemie

Aristoteles Definition der Seele in "De Anima II", 1-5

Es müsste gnädiger zugehen Predigt am Reformationstag 2017

Tag für Tag an deiner Hand

3. Sonntag der Fastenzeit B 8. März 2015 Oculi - Lesejahr B - Lektionar II/B, 76: Ex 20,1 17 (oder 20, ); 1 Kor 1,22 25; Joh 2,13 25

Bernhard Koch. Christen sollen Sieger sein! Aus Schwachheit in Kraft gelangen

ENDE des KIRCHENJAHRES

23. März Zur Geschichte und Gegenwart der litauischen Sprache in Deutschland

Zehn Gebote Die Geschichte

DAS INTERESSE DER LITAUISCHEN FORSCHUNG AN OSTPREUßEN

1.1 Die Entstehung der Bibel

M e i n N a m e i s t E m i n a. I c h w u r d e a m g e b o r e n. I c h b i n n i c h t g u t i m T e x t e s c h r e i b e n, w e i l

Prof. Dr. Dr. Helmut Jenkis

Zur Kirche, die geprägt ist durch die frohe Botschaft des Evangeliums. Wie wird es sein, wenn Du stirbst und Du mußt vor Gottes Gericht erscheinen?

Mariae Aufnahme in den Himmel - LJ C 15. August 2013

Mariae Aufnahme in den Himmel Lj A 15. August 2017 Lektionar I/A, 399: Offb 11,19a; 12,1 6a.10ab 1 Kor 15,20 27a Lk 1,39 56

So benutzen Sie die Internetseite

Literaturverzeichnis zum Litauen-Handbuch Teil 1, 2005

Balten - Slaven - Deutsche: Aspekte und Perspektiven kultureller Kontakte

Predigten zum Mitnehmen

Kritischer Nikolaus bei der Adventsfeier des Forums

Einführung in die Literaturrecherche. Literaturrecherche 1

Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen

GEDENKTAG. 28. Oktober - Apostel Simon und Judas

Leseprobe Lukas Verlag

Sibylle Reinhardt Didaktik der Sozialwissenschaften

Entlehnungen und Fremdwörter: Quantitative Aspekte

Zehn Gebote Die Geschichte

ENDE des KIRCHENJAHRES

'Satz' und 'Periode' in den Beethovenschen Klaviersonaten

IEVA SIMONAITYTE ( )

Allerheiligen im Jahreskreis - LJ C 1. November 2013

Ewiges Leben ein gegenwärtiger Besitz

Was versteht die Heilige Schrift unter Ewigkeit?

Biblische Sätze, die sich als Taufspruch eignen:

TRINITATIS IV Mittwoch nach dem 20. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 119

Ergonomie, mehr als nur die Arbeitsumgebung!

Herzlich willkommen im. Immanuel - Haus EV. LUTH. KIRCHENGEMEINDE NIENDORF

Matthäus 4, Leichte Sprache

Sehr ausführlich daher im Originaldruck beschäftigt sich Friedrich Grünhagen in der «Alpreußischen Geschlechterkunde», 13.

Usbekistan/GUS. Moldova/GUS. Kyrgysstan/GUS. Belorußland/GUS. Kasachstan/GUS 1,.'1,

Die Grundlagen des christlichen Glaubens Interaktiver Bibelkurs Teil 5. So wird das Leben neu. Die wichtigste Entscheidung

Liturgievorschlag für Weihnachten 2010

Die Sectio caesarea aus historischer Sicht

Bibliotheca Zelteriana

Die Baukostenrechnung über eine Schmelz-Hütte bei Oberkleen

METZLER LITERATUR CHRONIK

Predigt am (Matthäus 22, 35-40)

Besonderheiten im Text der Heiligen Schrift Vergeben

Baltisches Textmaterial in der TITUS-Datenbank

32. Sonntag im Jahreskreis - LJ C 10. November 2013

EINLEITUNG IN DAS NEUE TESTAMENT

Menschenrechte. und Freiheit. Imam Sayyid Ali Chamene i

Die Fabel im Unterricht

Verzeichniss sämmtlicher Ausgaben und Uebersetzungen der Werke Friedrichs des Grossen, Königs von Preussen

TRINITATIS IV Dienstag nach dem 19. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 32

1. Grundlagen 1.1 Was ist ein Kreuzzug?

Findbuch Zugang 454 NL Prof. Dr. Herber Bräuer. Universität zu Köln

13. Sonntag im Jahreskreis - LJ B 21. Juni 2015 Lektionar II/B, 297: Weish 1,13 15; 2,23 24; 2 Kor 8, ; Mk 5,21 43 (oder 5,21 24.

Die Gemeinde versammelt sich und feiert Gottesdienst

REALIENBüCHER ZUR LITERATUR ABT 0: LITERATURGESCHICHTE

TITUS DAS PROJEKT EINES INDOGERMANISTISCHEN THESAURUS

INHALTSVERZEICHNIS. Inhaltsverzeichnis 2 Impressum 4 Einleitung 5

Kleine deutsche Sprachgeschichte

2. Sonntag der Osterzeit Lj A 23. April 2017 Lektionar I/A, 176: Apg 2, Petr 1,3 9 Joh 20,19 31

Versöhnung - die Liebe Christi drängt uns (vgl. 2 Korinther 5,14)

ARBEITSBLATT CARTER ARCHÄOLOGIE

Welcher Platz gebührt der Geschichte der Mathematik in einer Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften?

Die Sprache des Parlamentarismus

Mariae Himmelfahrt A 15. August 2014

20. Sonntag im Jahreskreis - LJ C 18. August 2013

Im Bundesland Baden - Württemberg : Datensammlung zur Heimatgeschichte Haßmersheim am Neckar. Das Haßmersheimer Wappen:

The New Grove Die großen Komponisten. Wagner

BIBLIOTHECA TEUBNERIANA LATINA (BTL) &

Gott und das Glück. Predigttext: Psalm 73,28. Datum: München, den

Joh 1, Leichte Sprache. Einmal lebte ein Mann. Der Mann hieß Johannes der Täufer. Oder einfach Johannes. Viele Leute waren bei Johannes.

Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft.

Lukas 19,1-10. Leichte Sprache. Jesus und Zachäus.

Dreißig Verse im Neuen Testament sagen Jesus ist nicht Gott, aber ein Gesandter Gottes. Luther (1912)

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

Joh 10,1-10. Leichte Sprache

Hermann Niebaum /Jürgen Macha. Einführung in die Dialektologie des Deutschen

Johannes Nowak. Apollinaris Sammelmann ( )

TRINITATIS I Mittwoch nach dem 3. Sonntag nach Trinitatis Eröffnung Psalm 119

Unbefleckte Empfängnis Advent 8. Dezember 2015 Lektionar IV, 403: Gen 3, ; Eph 1, ; Lk 1,26 38

OSTERMONTAG BEGLEITGESANG ZUM EINZUG ERÖFFNUNGSGESANG ANTWORTPSALM RUF VOR DEM EVANGELIUM ZUR GABENBEREITUNG ZUR KOMMUNION DANKGESANG

Herzlich willkommen in der. Kirche am Markt EV. LUTH. KIRCHENGEMEINDE NIENDORF

Gerhard Schmied Sterben und Trauern in der modemen Gesellschaft

Bertolt Brechts frühe Liebeslyrik im teilweisen Spiegel seiner frühen Jugendlieben - "Erinnerung an die Marie A." und "Terzinen über die Liebe"

Transkript:

B A L T I S T I C A X LV (1) 2 0 1 0 129 135 Rainer ECKERT ZU EINIGEN PERSPEKTIVEN DER WEITEREN ERFORSCHUNG DES ALTPREUSSISCHEN Meinen Beitrag widme ich dem unvergessenen litauischen Sprachforscher Prof. Dr. Jonas Kazlauskas. Nur wenige Male hatte ich das Glück mit ihm zusammenzutreffen, ein Mal auch bei ihm zuhause mit seiner lieben Frau und den damals noch kleinen beiden Töchtern. Von Beginn an verband uns ein herzliches, freundschaftliches Verhältnis, dem sehr bald sein tragischer Tod ein jähes Ende bereitete. Zeitlebens bewahre ich ihn in Erinnerung als einen wunderbaren Menschen, der immer freundlich und aufgeschlossen war, der ganz in seiner wissenschaftlichen Arbeit aufging und Bleibendes für die Baltistik geleistet hat. Auf der 107. Konferenz des Baltistenkreises zu Berlin e.v. am 30. April 2010 hatte Prof. Dr. Pietro U. Dini von der Universität Pisa einen Vortrag zum Thema «Ins undeudsche gebracht». Zu den baltischen Fassungen des Kleinen Katechismus von Martin Luther im 16. Jahrhundert. Er führte aus, dass von den Übersetzungen des Kleinen Katechismus von Martin Luther ins Altpreußische, Altlitauische und Altlettische neue Einsichten über die alten baltischen Sprachen zu erwarten sind. Bisher wurde höchstens ein Sprachenpaar in dieser Hinsicht untersucht, so z.b. das Altpreußische und Altlitauische. Das Altlettische wurde kaum hinzugezogen. Welche Art von Erkenntniszuwachs durch den Vergleich der frühen Übersetzungen des Lutherschen Kleinen Katechismus in alle drei baltischen Sprachen zu gewinnen ist, demonstrierte er an zwei Beispielen, auf die ich im Folgenden kurz eingehe: 1. In der Beichte (III. Katechismus, 66 67; D 50 51) lautet die Stelle im Lutherschen Katechismus: Aber ich diene leyder vntrewlich meinem Herrn Apr. Adder / Deiwa engraudīs as schlūſini isarwi maiaſinu Rikijan (Mažiulis PKP 1, 178 179). Es handelt sich hier um die Widergabe des dtsch. leyder ( leider ) durch apr. Deiwa engraudīs. Nach Ausführungen von P. Dini taucht in entsprechenden Textstellen des Altlitauischen hier eine Auslassung auf, während im altlettischen Enchiridion aus dem Jahre 1586 dews ßeelo (ent- 129

spricht heutigem lett. Dievs žēlo Dievs steht im Vokativ, während žēlo eine Imperativform ist) steht, das mit dem Apr. völlig übereinstimmt. Nach ME 1, 486; 2, 805, heißt lett. dievam žēl leider (Gottes). Daraus ist dann lett. diemžēl leider, bedauerlicherweise (LVV, 183) entstanden. Im Wörterbuch von Langius (Fennell 1991, 84, 436) steht noch Dee=wam schäl Gott erbarme sich, was natürlich lat. Dominus miserere bzw. gr. kyrie eleison entspricht. 1 Es ist von nicht geringem Interesse, dass in der Sprache der lettischen Volkslieder auch noch die volle Form Dievam žēl vorkommt, vgl. (1) Ai, Dieviņ(i), Dievam žēl, Oh, Dievs (Dim.), leider (Gottes) Kalpam skaista līgaviņa! Dem Knechte eine schöne Braut (Dim.)! I man tāda piederetu Saimenieka dēliņam. Und mir sollte doch eine solche gehören Dem Sohn (Dim.) eines (reichen) Hofbauern. (BW Nr. 21160) 2. (III. Katechismus /Enchiridion/, 105,2 3): / wenn du Schwanger wirſt / apr. / kantou ſen brendeker=mnen poſtāſei / (Mažiulis PKP 2, 203). P. Dini führt die verschiedenen Interpretationen von ſen brendekermnen an die alle von einer Segmentierung ausgehen: mit Frucht-leib (Trautmann, Schmalstieg); mit geschwelltem Leib (Endzelin); mit geschwelltem (schweren) Leib (Eckert); mit Schwer-leib (Mažiulis) und mit schwerem Leib (Smoczyński). Für diese apr. Textstelle schlägt nun Dini eine neue Segmentierung vor, nämlich: wenn Du mit Gebärleib empfängen wirst oder mit Emendation: *en brendekermnen poſtāſei in Mutterleibe empfangen ward (mit Blick auf die Vulgata-Revision 1529, Lukas 2,21: in utero conciperetur). Er vergleicht noch mit der litauischen Bibelübersetzung von 1739: tu nėßcʒa busi ywate und mit der lettischen Bibelübersetzung von Glück aus dem Jahre 1685: tu tapſi apgruhtinata tawâs Meeſâs. Das Ganze hat er in seinem überzeugenden Artikel Zur vergleichend-kontrastiven Analyse der baltischen Fassungen von Luthers Kleinem Katechismus : zu apr. 105,2 5 6 ſen brendekermnen in der Zeitschrift Baltistica (s. D i n i 2009c) ausführlich dargelegt. Im Grunde genommen geht es Dini darum, zur Analyse des Altpreußischen die entsprechenden altlitauischen und altlettischen Texte heranzuzie- 1 Siehe dazu: D i n i 2009b. 130

hen und gleichzeitig die verschiedenen Vorlagen (frühneuhochdeutsche, lateinische und griechische) zu berücksichtigen. Schließlich sieht er eine weitere Perspektive der Erforschung des Apr. darin, dass auch alle Sprachbelege für das Fortleben des Apr. nach 1600 (vor allem verschiedene Vaterunser- Versionen u.a.), die er unter dem Namen Spät-Altpreußisch zusammenfasst, zu mobilisieren sind für die umfassende Beschreibung des für das Baltische insgesamt so relevanten Altpreußischen. Man vgl. hierzu den im selben Heft der Zeitschrift Baltistica veröffentlichten Artikel Spät-Altpreußisch. Zur Definition eines möglichen spät-altpreußischen corpus (s. Dini 2009a) von ihm. In der sich anschließenden Diskussion, an der sich Helmut Schaller (Marburg-Gröbenzell), Reinhard Grunenberg und Rainer Eckert (beide Berlin) beteiligten, wurden diese Fragen aufgegriffen und in mehreren Richtungen weiter vorangetrieben. Dabei ging man davon aus, dass wissenschaftlicher Fortschritt vor allem in zweierlei Hinsicht erfolgt: 1) durch die Einführung neuer Materialien und 2) durch die Reinterpretation bereits bekannter Materialien. Was das erste anbelangt, so scheinen für die Klein-Korpus-Sprache (Terminus von M. Mayrhofer) Altpreußisch die Ressourcen weitgehend erschöpft. Obgleich mit der Auffindung größerer neuer Texte kaum zu rechnen ist, ist für das Altpreußische als Wörtersprache ( Sprache mit einem hypertrophierten Lexikon ) (V. N. Toporov) und als Namen-Sprache (s. Ecker t 2009a, 224ff.) ein gewisser Zuwachs an Wörtern (in Form von Glossen, Restwörtern etc.) und vor allem Namen ziemlich sicher. Das wird überzeugend durch die Monographien von Grasilda Blažienė (2000; 2005) demonstriert. Das meiste neue Material für das Altpreußische kommt gegenwärtig und wohl auch in Zukunft aus dem proprialen Bereich, wobei gleichzeitig zahlreiche Lücken im appellativischen Bereich geschlossen werden können. Aus Dini s Arbeiten geht hervor, dass ein weiteres neues Sprachmaterial (wenngleich in geringerem Maße) aus späten Überlieferungen des Altpreußischen, aus dem Spät-Altpreußischen, zu erwarten ist. Die zweite Magistrale der weiteren perspektivischen Erforschung des Altpreußischen, die mit der Reinterpretation des bereits bekannten Materials zusammenhängt, erfährt neue Impulse in mehreren Richtungen: 1) durch einen ausgeweiteten Vergleich der aus den altpreußischen Sprachdenkmälern bekannten Fakten mit den altlitauischen und vor allem altlettischen Entsprechungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Vorlagen der bibli- 131

schen Texte (man vgl. die eingangs von P. Dini vorgenommenen Neuinterpretationen); 2) die Berücksichtigung des syntagmatischen Aspekts bei den zahlreichen Zusammensetzungen im appellativischen und proprialen Wortschatz, wie sie konsequent in dem leider unvollendeten Thesaurus des Altpreußischen von V. N. Toporov vorgenommen wurde (man vgl. z.b. *lauk- & *med- in Laukemedien 1326 und *med- & *lauk- in Medelauke 1371); 3) die Beachtung der phraseologischen Problematik (vgl. Toporov PJ; sowie Ecker t 1992). Nach der Renaissance der Prussistik seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, die durch die Neuedition der altpreußischen Sprachdenkmäler (PKP) und das Altpreußische etymologische Wörterbuch (PKEŽ) von V. Mažiulis; durch den Thesaurus Prusskij jazyk (PJ) von V. N. Toporov; die Monographien von W. R. Schmalstieg (1974; 1976); die Colloquia zum Altpreußischen, organisiert von W. Smoczyński (1992 und 1998); die Arbeiten von F. Kortland, Tozhikazu Inoue und weitere gewichtige prussizistische Veröffentlichungen charakterisiert wird, hatte es den Anschein, als hätte sich die Prussistik in einer gewissen Weise erschöpft. Dass dem bei weitem nicht so ist, zeigen beredt die zahlreichen neuen Ansätze, von denen ich nur einige wenige im Zusammenhang mit der Diskussion auf der 107. Baltistenkonferenz im April 2010 in Berlin erwähnt habe, die sich aber leicht vermehren lassen, denken wir nur an die im letzten Jahrzehnt so gewichtigen Arbeiten von W. Smoczyński (2000; 2005) und an die umfassende Arbeit von W. R. Schmalstieg über die Forschungen zum Altpreußischen (die Fortsetzung seiner Studies in Old Prussian), auf die alle Prussisten und Baltisten mit großer Spannung warten. Es wäre äußerst wichtig, wenn sie bald erscheinen könnte (Vielleicht ist sie schon im Druck?)! Ein besonderes Desideratum stellt die Vollendung des altpreußischen Thesaurus von V. N. Toporov auf der Grundlage der nachgelassenen Materialien dar. Dazu fand vor mehr als einem Jahr im Anschluß an die Eröffnung des Zentrums für balto-slawische Forschungen 2 am 17. Juni 2009 in Moskau im Baltrušaitis-Haus eine vielversprechende Beratung einer Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung von AM Prof. Dr. Vjač. Vs. Ivanov statt, der G. Blažienė, J. Budraitis (Litauen), T. V. Civ jan (Russische Föderation), P. U. Dini (Italien), R. Eckert (Deutschland), B. Stundžia (Litauen) und 2 Siehe meinen Bericht (E c k e r t 2009b). 132

M. V. Zav jalova (Russische Föderation) angehören. Dieses Gremium sollte die Arbeit mit den erwähnten Materialien fördern, koordinieren und auf eine baldige Veröffentlichung derselben hinwirken und dabei auch die notwendige Redaktionsarbeit leisten. Leider kam es bereits in den Herbstmonaten 2009 zu einem unerfreulichen Stillstand dieser Bemühungen, der leider bis zur Gegenwart anhält und meines Erachtens schnellstens überwunden werden sollte. Auch neue Funde aus der Prussistik des 19. Jahrhunderts gelangen zur Veröffentlichung, wie die vor wenigen Wochen erschienenen Beiträge zur Kunde der altpreußischen Sprache von Anton Matzenauer, die die im April verstorbene tschechische Slawistin und Komparativistin Eva Havlová im Jahre 2002 in der Mährischen Landesbibliothek (Moravská zemská knihovna) in Brünn entdeckt hatte und die nun 2009 von ihr veröffentlicht wurden. Die Edition dieses altpreußischen etymologischen Wörterbuches enthält ein Vorwort (S. 7 8) und einen Abriss über Leben und Werk von Anton Matzenauer (S. 9 11) in tschechischer Sprache von E. Havlová, das Deutsch geschriebene etymologische Wörterbuch, das mit Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln (S. 17-150) überschrieben ist, ein Literaturverzeichnis (S. 151 154), ein Verzeichnis der Abkürzungen für die einzelnen Sprachen und andere Abkürzungen (S. 155-156) und das sehr informative Wörterverzeichnis (S. 157 203). Wie E. Havlová dargelegt hat, war G. H. F. Nesselmanns Thesaurus linguae prussicae. Der preußische Vokabelvorrath (1873) der Impuls für Matzenauers Arbeit, die er ebenfalls 1873 begann und in der er Nesselmann wesentlich ergänzte. Havlová schreibt, dass es schade war, dass Matzenauers Arbeit nicht erschien; denn sie enthält Erklärungen, die damals neu waren und z.t. auch heute noch anerkannt sind. Ein großer Vorzug der Arbeit bestand sicher darin, dass Matzenauer die slawischen Sprachen in einem Maße zum Vergleich heranzog, wie es damals ein Novum war. Die Renaissance der Prussistik hält auch im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts und Jahrtausends an, was uns mit Zuversicht und Optimismus in die Zukunft blicken läßt. 3 3 Zu dem hier behandelten Thema vgl. D i n i (im Druck). 133

DĖL KAI KURIŲ TOLIMESNIO PRŪSŲ KALBOS TYRIMO PERSPEKTYVŲ Santrauka 2010 m. balandžio 3 d. vykusioje 107-ojoje Berlyno baltistų ratelio konferencijoje, kurioje prof. P. U. Dinis perskaitė pranešimą apie M. Liuterio mažojo katekizmo vertimus į senąsias prūsų, lietuvių ir latvių kalbas, įvyko diskusija dėl kai kurių prūsistikos perspektyvų. Buvo kalbama apie naują jau žinomų prūsų kalbos faktų interpretaciją lyginant prūsiškus vertimus su vertimais į senąją lietuvių ir ypač senąją latvių kalbą ir tuo pat metu atsižvelgiant į ankstyvosios naujosios vokiečių aukštaičių, lotynų bei graikų kalbų duomenis (Dinis šiuo požiūriu nagrinėjo pr. Deiwa engraudīs ankst. n. v. a. leyder; pr. kantou ſen brendekermnen poſtāſei ankst. n. v. a. wenn du Schwanger wirſt). Be to, Dinis atkreipė dėmesį ir į vėlyvosios prūsų kalbos išteklius. Ta proga buvo taip pat pastebėta, kad naujos medžiagos šiuo metu ir artimiausioje ateityje visų pirma teiks prūsiški vardai ordino dokumentuose ir kituose rašytiniuose šaltiniuose. Perspektyvus yra ir tikrinės bei bendrinės prūsų kalbos leksikos dūrinių sintagminio, taip pat su juo susijusio frazeologinio, aspekto tyrimas. Aptartas buvo ir naujas XIX a. prūsistikos radinys E. Havlovos išleisti Antono Matzenauerio (1823 1893) Prūsų kalbos tyrimai (Beiträge zur Kunde der altpreußischen Sprache) taip pat V. Toporovo prūsų kalbos tezauro dalies, likusios nepaskelbtõs po autoriaus mirties, prieinamumo visuomenei svarba. BIBLIOGRAPHIE Blažienė, Grasilda 2000, Die baltischen Ortsnamen im Samland, Stuttgart: F. Steiner. Blažienė, Grasilda 2005, Baltische Ortsnamen in Ostpreußen, Stuttgart: F. Steiner. Dini, Pietro U. 2009a, Spät-Altpreußisch. Zur Definition eines möglichen spät-altpreußischen corpus, Blt 44(2), 325 333. Dini, Pietro U. 2009b, Zur vergleichend-kontrastiven Analyse der baltischen Fassungen von Luthers Kleinem Katechismus : Dt. «leyder» und seine Entsprechungen, BSI 18, 210 221. Dini, Pietro U. 2009c, Zur vergleichend-kontrastiven Analyse der baltischen Fassungen von Luthers Kleinem Katechismus : zu apr. 105,2 5 6 ſen brendekermnen, Blt 44(2), 297 320. Dini Pietro U. (im Druck), Aktual noe sostojanie i perspektivy prutenističeskich issledovanij (Vortrag, gehalten am 16. Juni 2009 anläßlich der Eröffnung des Zentrums für balto-slawische Forschungen in Moskau). 134

Eckert, Rainer 1992, Gibt es eine altpreußische Phraseologie?, in Wojciech Smoczyński, Axel Holvoet, Colloquium pruthenicum primum, Warszawa: Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 1992, 7 11. Eckert, Rainer 2009a, Čto nam govorjat imena sobstvennye o žizni drevnich prussov?, BSI 18, 222 234. Eckert, Rainer 2009b, Eröffnung eines Zentrums für balto-slawische Forschungen in Moskau, ZSl 54(4), 481 482. Fennell, Trevor G. 1991, An alphabetical re-organization of Johannes Langius Lettisch-deutsches Lexicon (1685), Melbourne: Latvian Tertiary Committee. LVV Dainuvīte Guļevska (atb. red.), Latviešu valodas vārdnīca, Rīga: Avots, 1987 1, 1998 2. Matzenauer, Anton 2009, Beiträge zur Kunde der altpreußischen Sprache (ed. E. Havlová), Praha: Nakladatelství Lidové noviny. Mažiulis PKEŽ Vytautas Mažiulis, Prūsų kalbos etimologijos žodynas 1 4, Vilnius, 1988 1997. Mažiulis PKP Vytautas Mažiulis, Prūsų kalbos paminklai 1 2, Vilnius, 1966 1981. ME K. Mǖlenbacha Latviešu valodas vārdnīca, rediģējis, papildinājis, turpinājis (/nobeidzis 4) J. Endzelīns, Rīga, 1923 1932. Nesselmann, Georg H. F. 1873, Thesaurus linguae prussicae. Der preußische Vokabelvorrath, Berlin: Harrwitz & Gossmann. Schmalstieg, William R. 1974, An Old Prussian grammar. The phonology and morphology of the three catechisms, University Park and London: The Pennsylvania State University Press. Schmalstieg, William R. 1976, Studies in Old Prussian. A critical review of the relevant literature in the field since 1945, University Park and London: The Pennsylvania State University Press. Smoczyński, Wojciech 2000, Untersuchungen zum deutschen Lehngut im Altpreußischen, Kraków: Wydawnictwo Uniwersytetu Jagiellońskiego. Smoczyński, Wojciech 2005, Lexikon der altpreußischen Verben, Innsbruck. Toporov PJ Vladimir N. Toporov, Prusskij jazyk 1 5, Moskva: Nauka, 1975 1990. Rainer ECKERT Murtzaner Ring 16 D-12681 Berlin Germany [rainer_eckert@gmx.net] 135