Möglichkeiten der Polymerdiagnostik zur Produktcharakterisierung

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Transkript:

Möglichkeiten der Polymerdiagnostik zur Produktcharakterisierung W. Grellmann 1, B. Langer, C. Bierögel 1, T. Mecklenburg 1 Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Werkstoffwissenschaft Institut für Polymerwerkstoffe e.v., Basell Polyolefins GmbH, Frankfurt 1. Einleitung Polymerwerkstoffe haben sich bei einem Umsatzvolumen von 66 Mrd. pro Jahr zu einer "modernen" Werkstoffgruppe mit einem großem Wachstumspotenzial entwickelt, die als Konstruktions-, Bau- und Verpackungswerkstoff ihr Haupteinsatzgebiet findet. Vorteilhaft sind sowohl die günstigen technologischen, ökonomischen und ökologischen Eigenschaften [1] als auch die Möglichkeiten, das Eigenschaftsniveau durch Modifizierung und/oder durch Zusatz von Füll-, Verstärkungs- und Hilfsstoffen gezielt zu verändern (Tabelle 1). Einen besonderen Platz nehmen dabei Polypropylen(PP)-Werkstoffe ein, da sie sich neben einer vielseitigen Verwendbarkeit durch ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnen. Durch das komplexe Zusammenspiel von Zusatzstoff und Matrix, ist es jedoch nicht immer möglich das Eigenschaftsniveau sicher vorauszusagen und eine umfassende Werkstoff- bzw. Bauteilprüfung auf der Basis moderner diagnostischer Methoden wird unerlässlich. Dabei hat sich die Anwendung von bruchmechanischen Zähigkeitskennwerten bewährt, da diese besonders empfindlich auf strukturelle Änderungen reagieren []. Tabelle 1: Möglichkeiten der Eigenschaftsänderungen von Kunststoffen durch Zusatzstoffe Technologie Zusatzstoff Gewünschte Eigenschaftsänderung Modifizierung Elastomere, Schlagzähmodifikatoren Zähigkeitsverbesserung Verstärkung Langfasern, Kurzfasern Festigkeits- und Steifigkeitserhöhung Zusatz von Hilfsstoffen Mineralische, biologische Füllstoffe Farbstoffe Nukleierungsmittel Haftvermittler Stabilisatoren Positive ökonomische Effekte Farbigkeit, Glanz Höhere Kristallinität, günstigere Verarbeitbarkeit Verbesserung der Wirksamkeit von Füllung und Verstärkung Verminderung unerwünschter Effekte

. Experimentelles Ausgangspunkt der Untersuchungen waren kommerzielle Polypropylen- Werkstoffe, die mit einer entsprechenden Modifizierung bzw. Verstärkung beispielsweise als Stoßfänger im Automobilbau oder als Laugenbehälter in Haushaltswaschmaschinen einsatzfähig sind. Zur gezielten Anpassung des Eigenschaftsniveaus an die Einsatzbedingungen sowie zur Bestimmung optimaler Zusatzstoffgehalte wurde eine umfassende Werkstoffcharakterisierung vorgenommen. Die Anwendung der Methoden der Polymerdiagnostik zur Werkstoff- und Rezepturoptimierung erfolgte dabei mit folgenden Schwerpunkten: Optimierung von PP/Elastomer-Blends Bewertung der Grenzflächenhaftung Charakterisierung der kombinierten Wirkung von Fasern und Nukleierungsmitteln Die experimentelle Basis der Untersuchungen bildeten mechanische und bruchmechanische Werkstoffprüfverfahren im Zusammenhang mit werkstoffanalytischen Methoden, mit dem Ziel des Aufstellens von quantitativen Struktur-Eigenschafts-Korrelationen. Die bruchmechanische Zähigkeitscharakterisierung erfolgte im instrumentierten Kerbschlagbiegeversuch, dessen Anwendung im Hinblick auf die Bestimmung von Geometrie unabhängigen Zähigkeitskennwerten von Vorteil ist []. Unter Verwendung bruchmechanischer Konzepte wurden Zähigkeitskenngrößen als Widerstand gegenüber instabiler und stabiler Rissausbreitung ermittelt.. Ergebnisse.1. Optimierung von PP/Elastomer-Blends Bei der Entwicklung von ternären PP/EPR-Blends wird insbesondere eine Erhöhung der Tieftemperaturzähigkeit dieser Werkstoffe angestrebt. Für diese anwendungsspezifische Schlagzähmodifizierung ist das, sich in Abhängigkeit vom Modifikatorgehalt und der Modifikatorart ändernde, mechanische Eigenschaftsniveau von Interesse, da in der Regel für eine Zähigkeitssteigerung eine entsprechende Einbuße in den Festigkeitseigenschaften in Kauf genommen werden muss.

In Bild 1 sind die sich mit steigendem Modifikatorgehalt (PE1, PE, EPR) vermindernden Festigkeitseigenschaften der untersuchten PP-Blends dargestellt. PP/EPR + 0 M-% EPR PP/EPR + 0 M.-% EPR Streckgrenze σ d (MPa) 105 90 75 60 45 PP/EPR+Modifikator T = -0 C PE 1 EPR PE J Id (N/mm) 1 PP/EPR+Modifikator 10 T = -0 C 8 6 4 EPR PE PE 1 0 0 5 10 15 0 Modifikatorgehalt (M.-%) 0 5 10 15 0 Modifikatorgehalt (M.-%) Bild 1: Einfluss des Modifikatorgehaltes auf die Streckgrenze Bild : Einfluss des Modifikatorgehaltes auf den Widerstand gegen instabile Rissausbreitung Die Zugabe des Modifikators PE führt dabei zur stärksten Verminderung der Streckgrenze. Im Vergleich dazu können die Zähigkeitskennwerte als Widerstand gegen instabile Rissausbreitung J Id durch die Zugabe von 0 M.-% PE um 50 % verbessert werden (Bild ). Die höchsten Zähigkeitseigenschaften und die geringste Festigkeitseinbuße bewirkt jedoch die Zugabe von EPR. Die dargestellten TEM-Aufnahmen der Blends verdeutlichen den günstigen Einfluss des EPR auf die charakteristische Phasenmorphologie des Systems PP/EPR+EPR.

4.. Bewertung der Grenzflächenhaftung Bei der Verstärkung von thermoplastischen Polymerwerkstoffen mit Kurzglasfasern kann das Festigkeits- und Steifigkeitsniveau in der Regel um ein Vielfaches verbessert werden [4]. Durch die Zugabe von Haftvermittlern (HV) wird die Wirksamkeit von Verstärkungsfasern weiter verbessert. Auf den Elastizitätsmodul hat die Verwendung von Haftvermittlern keinen Einfluss (Bild ). Die Ermittlung der bruchmechanischen Zähigkeitskennwerte J Id in Abhängigkeit vom Haftvermittlergehalt in Verbindung mit mikrofraktografischen Bruchflächenaufnahmen weist optimale Haftungsverhältnisse ab einem HV-Gehalt von ca. 0,4 M.-% nach (Bild 4). PP-Copolymer ohne HV PP-Copolymer mit 0,4 M.-% HV 5 10 M.-% GF 15 10 M.-% GF E-Modul (10³ MPa) 4 PP-Homopolymere PP-Copolymere J Id (N/mm) 1 9 6 PP-Copolymer PP-Homopolymer 1 0,0 0,4 0,8 1, 1,6 Haftvermittlergehalt (M.-%) 0 0,0 0,4 0,8 1, 1,6 Haftvermittlergehalt (M.-%) Bild : Elastizitätsmodul in Abhängigkeit vom Haftvermittlergehalt Bild 4: Einfluss des Haftvermittlergehaltes auf die Zähigkeitskennwerte

5 Besonders bei geringeren Anforderungen an das Steifigkeits- und Festigkeitsniveau der eingesetzten Verbunde, hat die Verwendung von PP- Werkstoffen mit niedrigeren Glasfasergehalten einen günstigen Einfluss auf die Werkstoffkosten. Um für diese PP/GF-Verbunde das erreichbare Zähigkeitsniveau zu optimieren, wurden vergleichende Untersuchungen mit unterschiedlichen Haftvermittlern (HV 1 und HV ) durchgeführt. Da bekanntermaßen die Zugabe von Haftvermittlern den Anteil an stabilem Risswachstum in PP/GF-Verbunden erhöht, wurde die Bestimmung von Risswiderstands(R)-Kurven notwendig. Bild 5a zeigt eine R-Kurve eines PP-Copolymer-Verbundes mit 10 M.-% GF und 0,4 M.-% HV 1. Aus dem Anstieg der Rissausbreitungsgerade (Gl. 1) wurde der Reiß- bzw. Tearing-Modul (Gl. ) als ein Maß für den Widerstand gegenüber stabiler Rissausbreitung bestimmt. J 1 + = c c a (1) T J = dj E d( a) σ () y Bild 5b zeigt, dass im Vergleich zu anderen bruchmechanischen Kennwerten bei der Verwendung des Haftvermittlers HV 1 der höchste Widerstand gegen stabile Rissausbreitung T J erreicht werden kann. 4 PP/GF + 0,4 M.-% HV 1 a min Rissausbreitungsgerade a a max Reißmodul T J 4, b J (N/mm) 1 J 0, J Id (N/mm) J0, (N/mm) 1,4 1,1 1,5 1,0,0 0 0,0 0,1 0, 0, 0,4 0,5 0,6 a (mm) HV 1 HV HV 1 HV HV 1 HV Bild 5: Nachweis der unterschiedlichen Wirksamkeit von Haftvermittlern: R-Kurve (a) und ausgewählte bruchmechanische Kennwerte (b)

6.. Charakterisierung der kombinierten Wirkung von Kurzglasfasern und Nukleierungsmitteln Für den speziellen Einsatz der untersuchten PP/GF-Verbunde als Laugenbehälterwerkstoff in Haushaltswaschmaschinen ist die Widerstandsfähigkeit gegenüber medialer und thermischer Beanspruchung zu optimieren. Eine Möglichkeit stellt dabei die Verwendung von Nukleierungsmitteln (NM) zur Erhöhung des Kristallinitätsgrades dar. Im Anschluss daran wird der Einsatz durch eine Laugenauslagerung der PP/GF-Verbunde in 90 C heißer Waschlauge simuliert und die Eigenschaftsminderung bewertet. Bild 6 zeigt an Hand der Rissöffnungsverschiebung, dass bei der Verwendung von Nukleierungsmitteln im Vergleich zum nicht nukleierten PP/GF-Verbund eine geringere Eigenschaftseinbuße durch die Laugenauslagerung auftritt. Im Vergleich dazu kann dieser Effekt mit der im Zugversuch ermittelten Bruchdehnung ε B nicht nachgewiesen werden (Bild 7) [5]. Die kombinierte Wirkung von Glasfasern und unterschiedlichen Nukleierungsmittelgehalten auf das Zähigkeitsniveau ist in den Bildern 8 und 9 dargestellt. Ein durch das Nukleierungsmittel veränderter Kristallisationsprozess führt zu unterschiedlichem Zähigkeitsverhalten. δ Id (normiert) 1,0 PP/GF 0,8 0,6 nukleiert nicht nukleiert ε (normiert) B 1,0 0,8 0,6 PP/GF nicht nukleiert PP/GF + NM A PP/GF + NM B PP/GF + NM C 0,4 0 00 400 600 800 1000 Mediale Beanspruchung (h) 0,4 0 00 400 600 800 1000 Mediale Beanspruchung (h) Bild 6: Einfluss von Nukleierungsmitteln auf die Rissöffnungsverschiebung bei medialer Beanspruchung Bild 7: Bruchdehnung unterschiedlich nukleierter PP/GF-Verbunde bei medialer Beanspruchung Während es im PP-Matrix-Werkstoff in Abhängigkeit vom Nukleierungsmittelzusatz zur Verminderung des Widerstandes gegenüber instabiler Rissausbreitung kommt, kann durch eine erhöhte Kristallinität in Verbunden mit 0 M.-% GF ein gleich bleibender und mit 10 M.-% GF ein deutlich erhöhter Widerstand gegenüber instabiler Rissausbreitung erzielt werden [6].

7 PP ohne NM PP/GF ohne NM PP+0,01 M.-% NM PP/GF+0,01 M.-% NM 0 µm Bild 8. Polarisationsmikroskopische Aufnahmen während der Kristallisation von nukleierten und nicht nukleierten PP-Werkstoffen 15 1 PP + 0 M.-% GF J Id (N/mm) 9 PP + 10 M.-% GF 6 PP unverstärkt 0 5 5 54 55 56 Kristallisationsgrad (%) Bild 9: Zusammenhang zwischen dem Widerstand gegenüber instabiler Rissausbreitung und dem Kristallisationsgrad

8 4. Zusammenfassung Das Eigenschaftsniveau von Kunststoffen kann durch eine Elastomermodifizierung und/oder durch den Zusatz von Füll-, Verstärkungs- und Hilfsstoffen gezielt verändert werden. Nur durch die Anwendung moderner Methoden der Polymerdiagnostik zur Werkstoff- bzw. Bauteilprüfung kann die entstehende komplexe Morphologie von Zusatzstoffen und Matrix charakterisiert werden. Dabei erweist sich die Anwendung der Bruchmechanik zur Zähigkeitscharakterisierung aufgrund der sensiblen Reaktion auf strukturelle Änderungen als geeignetes Instrumentarium zur Werkstoffcharakterisierung und Produktentwicklung. 5. Literatur [1] Krotkine G., Sondern, C., Purps, B., Marczinke,B.: Kunststoffe 10 (1999), S. 4-50 [] Grellmann, W.: In Grellmann, W., Seidler, S. (Eds.) Deformation and Fracture Behaviour of Polymers, Springer Berlin Heidelberg, (001), S. -6 [] Grellmann, W., Lach, R., Seidler, S.: Intern. Journal of Fracture, Letters in Fracture and Micromechanics 118 (00), S. L9-L14 [4] Langer, B., Bierögel, C., Grellmann, W., Fiebig, J., Aumayr, G.: Material Optimization of PP-Short Glass Fibre Compounds In: Grellmann, W., Seidler, S. (Eds.) Deformation and Fracture Behaviour of Polymers, Springer Berlin Heidelberg (001), S. 561-570 [5] Langer, B., Grellmann, W.: In Degischer, H.-P. (Hrsg.) Verbundwerkstoffe; Tagungsband 14. Symposium: Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde, Wien,.-4. Juli (00), S. 45-457 [6] Schröder, D., Langer, B., Bierögel, C., Grellmann, W., Mecklenburg, T.: Tagungsband 9. Problemseminar "Deformation und Bruchverhalten von Kunststoffen", Merseburg,.-5. Juni (00) ISBN-86010-710-0, Tagungsband S. 519