Erfolgreich gegen Rechtsextremismus im Internet



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Transkript:

jugendschutz in telemedien: Erfolgreich gegen Rechtsextremismus im Internet Ergebnisse der Arbeit des entimon-projekts von jugendschutz.net im Jahr 2006 gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Aktionsprogramms Entimon Gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus

Dem Hass im Netz mehrdimensional entgegentreten Der heutige Rechtsextremismus nutzt die virtuelle Welt als zeitgemäßes Medium. Parteien, Kameradschaften, Bands machen mit Mitteln des Internets Jugendliche auf sich aufmerksam und versuchen sie mit multimedialen Präsentationen für ihr neonazistisches und rassistisches Gedankengut zu gewinnen. Inzwischen sind auch auf Angeboten aus dem so genannten Web2.0 rechtsextreme Inhalte zu finden, z.b. auf der Video-Plattform YouTube oder dem Social Network MySpace. Die erfolgreiche Doppelstrategie aus effektiven Maßnahmen gegen Web-Aktivitäten von Rechtsextremen und pädagogischer Auseinandersetzung und Prävention wurde 2006 fortgeführt. Der vorliegende Bericht beschreibt aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus im Internet und die Projektaktivitäten von jugendschutz.net im letzten Jahr. Rechtsextreme Web-Propaganda dauerhaft beobachten Um dem Phänomen effektiv entgegentreten und auf aktuelle Tendenzen zeitnah und adäquat reagieren zu können, ist ein kontinuierliches Monitoring der Web-Szene wichtig. Gesamtzahl rechtsextremer Web-Angebote erneut gestiegen Im Projektzeitraum erfasste jugendschutz.net 1.161 neue URL (Web-Adressen), über die 884 rechtsextreme Angebote (Websites) verfügbar waren. Insgesamt wurden im gesamten Jahr 1.563 rechtsextreme Angebote unter 2.355 URL beobachtet, zum Ende 2006 waren davon noch 1.218 Angebote unter 1.569 URL online abrufbar (Ende 2005: 1.033 Websites unter 1.304 URLs). Der Anstieg des Gesamtangebotes ist unter anderem auf intensive Zusatzrecherchen in den Bereichen rechtsextremer Kameradschaften, Versandhändler und Musik zurückzuführen. Insbesondere im Frühjahr und Herbst des Jahres verzeichnete das Projektteam außerdem verstärkte Upload-Frequenzen von Szene-Angeboten. Neuerfassungen 2003-2006 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 2003 2004 2005 2006 Gesamt 736 1230 1033 1161 Deutsch 434 876 692 859 Ausland 302 354 337 302 Rechtsextreme agitieren im Netz immer professioneller Web-Dienste werden von Rechtsextremen weiterhin breit genutzt. Mehr als die Hälfte der 1.218 Angebote wurden unter einer eigenen Domain (.de,.net,.com oder.org) betrieben. In 2

330 Fällen nutzten Rechtsextreme kostenlose Hosting-Dienste, 73% davon bei deutschen Firmen. 170 verfügten über zusätzliche Adressen bei so genannten Weiterleitungsdiensten (Adress-Providern) und vereinfachten damit die Auffindbarkeit ihres Angebotes. Multimediale und interaktive Elemente spielen nach wie vor eine wichtige Rolle und erhöhen die Attraktivität eines Web-Auftritts. 130 Betreiber integrierten Musik, Flash-Animationen oder Videos. 84 Rechtsextreme hatten ein Forum eingebunden, 171 ein eigenes Gästebuch. Kommunikationsmöglichkeiten steigern den Grad der Vernetzung mit anderen Szene- Angeboten erheblich, gleichzeitig wird über den Zugang zu einem Angebot der Zugriff auf das komplette Spektrum an rechtsextremen Inhalten im Web möglich. Rechtsextreme missbrauchen Angebote des Web2.0 Im so genannten Web2.0 werden die User selbst zunehmend zu Inhaltslieferanten. Im Berichtsjahr dokumentierte das Projektteam zahlreiche Aktivitäten von Rechtsextremen in Social Networks. Eine oftmals anonyme und kostenlose Registrierung bei entsprechenden Plattformen erlaubt die Präsentation von Propagandamaterialien wie Musik, Videos und Texten im Handumdrehen sowie die Interaktion mit anderen Nutzern. Communities wie MySpace und Video-Plattformen werden von vielen Jugendlichen genutzt und entfalten eine besondere Jugendschutzrelevanz. Das Projektteam dokumentierte im Verlauf des zweiten Halbjahres mehr als 50 unzulässige rechtsextreme Musik- und Propaganda-Videos beim US-amerikanischen Dienst YouTube. Im Gegensatz zu MySpace und dem deutschen Anbieter MyVideo, die Hate Speech nach einem entsprechenden Hinweis umgehend entfernen, zeigt sich YouTube gegenüber solchen Inhalten wenig sensibel und entfernte bislang nur sporadisch von jugendschutz.net gemeldete Videos. Neonazi-Kameradschaften rekrutieren im Internet Neonazistische Kameradschaften zählen zu den aktivsten rechtsextremen Gruppierungen im Internet. Im Berichtszeitraum baute die Szene ihr Wirkungsfeld im Internet aus und professionalisierte die Web-Angebote in Gestaltung und Aktualität. Vor allem für Jugendliche bieten sie eine niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit zur Szene. Den Inhalten auf Websites von rechtsextremen Kameradschaften liegt rassistisches und neonazistisches Gedankengut zu Grunde, die Angebote sind jedoch straf- und medienrechtlich in vielen Fällen nicht zu belangen. Web-Angebote von Kameradschaften 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2003 2004 2005 2006 Anzahl an Sites 67 110 150 187 3

Insgesamt waren 2006 187 Kameradschaften mit einem Angebot online und nutzten es zur Werbung für Aktionen und zur Rekrutierung. Die Anzahl dieser Websites hat sich damit in den letzten drei Jahren verdreifacht. Die aktivsten Kameradschaften im Web kamen 2006 aus Nordrhein-Westfalen (38), Niedersachsen (18), Baden-Württemberg (15), Rheinland- Pfalz (13), Brandenburg (13), Thüringen (13), Bayern (12) und Hessen (12). Auf 16 Angeboten recherchierte jugendschutz.net unzulässige Inhalte und leitete Gegenmaßnahmen im Inund Ausland ein. In zwölf Fällen erreichte das Projektteam eine Sperrung der Website bzw. die Entfernung der Inhalte durch den Provider. Zwei Fälle wurden an die Medienaufsicht weitergegeben, damit Verfahren gegen die Täter eingeleitet werden können. Neonazis tarnen sich als Bürgerinitiativen Die Verschleierung rechtsextremer Propaganda durch die Aneignung und Verwendung von Sprache, Symbolen und Aktionsformen aus anderen Bereichen und Szenen dokumentierte das Projektteam im Berichtszeitraum mehrfach in Form so genannter Bürgerinitiativen im Netz. Die betreffenden Websites widmen sich meist sozialen Fragestellungen und geben sich als zivilgesellschaftliche Bürgerbewegung mit einem legitimen, demokratischen Anliegen aus. Meist werden diese Sites aus dem Umfeld neonazistischer Kameradschaften betrieben. Der rechtsextreme Hintergrund solcher Angebote ist nicht immer sofort deutlich. Erst bei genauerer Analyse der verbreiteten Texte wird deutlich, dass rassistische Stereotype (z.b. über "die Ausländer") und nationalsozialistische Leitbilder (z.b. Volksgemeinschaft) propagiert werden. Durch ihre zwar rechtsextrem motivierte aber im "Tarnkleid" vorgebrachte Kritik an der sozialen Situation machen Neonazis ihre Angebote anschlussfähig an Unzufriedenheiten und Zukunftsängste in vielen Alters- und Bevölkerungsgruppen. Solche Angebote sind durch die subtile, rassistische Propaganda besonders problematisch. Dieser neuen Dimension der Jugendschutzrelevanz muss künftig erhöhte Aufmerksamkeit zukommen. Jugendschutzrelevanz von NPD-Angebote nimmt weiter zu 2006 nahm mit der Zahl von NPD-Websites und ihrer zunehmend jugendaffinen Gestaltung auch deren Jugendschutzrelevanz zu. Insgesamt wurden im Berichtszeitraum 131 NPD- Verbände (Vorjahr:120) aus der gesamten Republik mit Online-Auftritten dokumentiert. Die meisten Websites stammten auch hier aus NRW (30), gefolgt von Bayern (18), Sachsen (14) und Niedersachsen (10). Auf einigen Seiten wurden strafbare oder jugendgefährdende Inhalte festgestellt, gegen die jugendschutz.net Maßnahmen einleitete. Die NPD setzt in ihrer Propaganda weiterhin auf multimediale Elemente. Anlässlich der Landtagswahlen 2006 legte die Partei ihre Schulhof-CD "Der Schrecken aller Pauker und Spießer" neu auf und bietet sie seither über ihren "MedienServer" zum Download an. Im September startete die NPD eine eigene Nachrichtensendung. Die "Kritischen Nachrichten der Woche" wurden aus dem Umfeld der NPD Hessen ins Leben gerufen und als Videodatei im Netz verbreitet. Erhebliche Breitenwirkung erzielten die Macher, indem sie die Sendung auch bei YouTube einstellten. 4

Blanker Hass in rechtsextremen Szene-Foren Foren stellen für die rechtsextreme Szene ein interaktives Element zur Vernetzung von Aktivitäten und zur Bündelung von Informationen dar. Gleichwohl sind sie jugendaffiner Ort für thematische Diskussionen und bieten niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten. Im Rahmen des Monitorings beobachtete jugendschutz.net die bedeutendsten Foren aus der rechtsextreme Kameradschafts-, Musik- und Versandhandelsszene sowie die wichtigsten internationalen Neonazi-Foren mit deutscher Beteiligung. 2006 stieg die Beteiligung von angemeldeten Nutzern erheblich. Insbesondere in zentralen Musik- und Versandhandelsforen hat sich in diesem Zeitraum die Anzahl der Beiträge mehr als verdoppelt. Das Team erfasste außerdem 42 neue Foren, die in einzelne rechtsextreme Angebote eingebunden waren. Beiträge in zentralen deutschen Szeneforen 120000 100000 80000 60000 40000 20000 0 Kameradschaften Versand Musik Ende 2005 27000 30000 59000 Ende 2006 32000 81000 125000 Die Autoren hetzten gegen Fremde, Juden, Sinti und Roma oder Homosexuelle und verbreiteten geschichtsklitternde Thesen über den Nationalsozialismus. Ebenso wurden zentrale Aktionen der Szene beworben. In 15 Foren stellte jugendschtz.net strafbare oder jugendgefährdende Inhalte fest, in 10 Fällen erreichte das Team deren Entfernung. Absolut unzulässige Inhalte waren vor allem in den internationalen Foren zu finden. Die Verstöße bezogen sich auf die Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, volksverhetzenden Inhalten sowie Gewaltaufrufen gegen Minderheiten. Die Handlungsmöglichkeiten sind derzeit noch beschränkt, 2007 sollen jedoch Strategien entwickelt und erprobt werden, um auch diesen Angeboten die Web-Plattform zu entziehen. Mit rechtsextremer Musik Jugendliche ködern Musik spielt für die rechtsextreme Szene eine große Rolle. Das Spektrum an Musikangeboten ist entsprechend breit gefächert. Neben Musik-Communities, Magazinen und Fansites (55 Angebote) sowie Versandhändlern (126 Angebote) dokumentierte das Projektteam vermehrt Websites von Szene-Bands (93 Angebote). Sie nutzen ihre Seiten, um Jugendliche mit Hörbeispielen und kostenlosen Downloads zu ködern. Rassistische, antisemitische und gewaltverherrlichende Texte sind dabei keine Seltenheit. 2006 stellte jugendschutz.net auf 14 Angeboten von deutschen Bands unzulässige Inhalte fest. In den meisten Fällen handelte es sich um Websites bei ausländischen Providern. In insgesamt sieben Fällen fand das Team Ansatzpunkte und sorgte durch einen Kontakt zu den Providern dafür, dass die Angebote aus dem Netz entfernt wurden. 5

Unzulässige Inhalte effektiv bekämpfen Das Team dokumentierte im Berichtsjahr 365 Verstöße (320 Neufälle, 45 Altfälle) gegen Jugendschutz- bzw. Strafrechtsbestimmungen. Sie bezogen sich hauptsächlich auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (65%), die Verbreitung volksverhetzender Aussagen (23%) sowie die Leugnung des Holocaust (5%). 7% der Angebote stufte das Projektteam aufgrund von geschichtsfälschenden, rassistischen oder demokratiefeindlichen Aussagen als einfach jugendgefährdend ein. Knapp 60% der unzulässigen Inhalte wurde auf deutschen Angeboten festgestellt. Erneute Steigerung der Erfolgsquote 17 unzulässige Angebote waren kurz nach der Erfassung offline, so dass jugendschutz.net hier keine Maßnahmen ergreifen musste. In 328 der verbleibenden 348 Fälle nutzte das Team Ansatzpunkte für ein Vorgehen und erreichte bei 275 Angeboten, dass die unzulässigen Inhalte aus dem Netz entfernt wurden. Insgesamt lässt sich somit auch für das Jahr 2006 eine Steigerung der Erfolgsquote feststellen. jugendschutz.net entfaltete in 79% aller unzulässigen Fälle (Vorjahr: 72%) erfolgreiche Gegenaktivitäten. unzulässige deutsche Fälle unzulässige ausländische Fälle Gesamt Altfälle Vorjahre Neufälle 2006 Altfälle Vorjahre Neufälle 2006 Nach Aktivität offline oder relevante Teile entfernt 24 160 8 83 275 Nach Aktivität unverändert online 10 10 3 30 53 Aktivitäten gesamt 204 124 328 Effiziente Kooperation mit Providern Werden unzulässige Inhalte über einen Anbieter von kostenlosem Speicherplatz eingestellt und kann kein unmittelbar verantwortlicher Content-Anbieter ermittelt werden, kontaktiert das Team die betreffenden Provider im In- und Ausland. 2006 erreichte jugendschutz.net auf diesem Weg in 92% aller unzulässigen Fälle die Entfernung der betreffenden Inhalte. Auch im Ausland gelingt es jugendschutz.net erfolgreich, Provider mit Verweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Entfernung von Hate Speech auf ihren Servern zu bewegen. Internationale Kooperation dauerhaft stärken Die Zusammenarbeit mit wichtigen deutschen und internationalen Akteuren ist unerlässlich, wenn die Eindämmung rechtsextremer Propaganda im Web gelingen soll. jugendschutz.net kooperiert daher nicht nur mit Medienaufsicht, Strafverfolgung, Initiativen und Dienste- Anbietern, sondern sucht auch Partner im Ausland und pflegt mit ihnen einen intensiven Austausch. Das International Network Against Cyber Hate (INACH) nimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle ein. Der Verbund konnte 2006 konsolidiert und um neue Mitglieder erweitert werden. Um Partnerorganisationen in ihrer praktischen Arbeit zu unterstüt- 6

zen, führte das Team Workshops durch. Im Berichtsjahr schulte jugendschutz.net z.b. Kolleginnen und Kollegen des slovakischen INACH-Partners People Against Racism (PAR). 2006 veröffentlichte INACH seinen ersten Annual Report. Der Bericht erschien in einer Auflagenhöhe von 2.000 Exemplaren, enthält Informationen über die Arbeit der Mitglieder sowie aktuelle Einschätzungen über Cyber-Hate in den einzelnen Staaten. Der Report wurde auf der INACH-Jahreskonferenz in Warschau parallel zum Human Dimension Implementation Meeting (HDIM) der OSZE einem breiteren Publikum vorgestellt und an alle Vertreter der OSZE-Staaten verteilt. Die Konferenz selbst diente der Diskussion über die internationale Vernetzung der Neonazi-Szene und möglichen Gegenstrategien mit Experten aus Russland, Lettland, Polen, den USA, Deutschland und den Niederlanden. 2007 soll die Jahreskonferenz aus Anlass des fünfjährigen Bestehens des Netzwerks von jugendschutz.net ausgerichtet werden. Sie wird vom 08. bis 09.November 2007 in der Neuen Synagoge in Berlin stattfinden und sich dem internationalen Austausch über pädagogische Ansätze zur Bekämpfung von Hate Speech und zur Förderung von Toleranz und Demokratie widmen. Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus fördern Ein maßgeblicher Ansatzpunkt im Kampf gegen Rechtsextremismus im Internet ist es, Jugendliche und Erwachsene für die Problematik rechtsextremer Web-Propaganda zu sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten der Auseinandersetzung aufzuzeigen. Die Durchführung von medienpädagogischen Workshops sowie die Erarbeitung und Erprobung von Praxismodulen bildet daher seit 2001 einen Arbeitsschwerpunkt. Im Jahr 2006 führte das Team insgesamt 28 medienpädagogische Veranstaltungen mit Jugendlichen und Pädagogen sowie Polizei und Strafverfolgung durch. Leider konnte das Team nicht alle Anfragen bewältigen, denn der Bedarf nach Informationen und Weiterbildung zum Themenbereich Rechtsextremismus im Internet ist nach wie vor sehr groß. Deshalb setzt jugendschutz.net verstärkt darauf, Wege aufzuzeigen, wie das Thema in den Ausbildungskanon von Pädagoginnen und Pädagogen integriert werden kann. Im Berichtszeitraum organisierte jugendschutz.net gemeinsam mit dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen den letzten Durchlauf einer Seminarreihe für Pädagoginnen und Pädagogen. Im Rahmen der viertägigen Fortbildung vermittelten die Kooperationspartner angehenden Pädagoginnen und Pädagogen praxisrelevantes, inhaltliches und methodisches Wis- 7

sen. Von den etwa 60 Teilnehmenden der Fortbildungen führte im Anschluss mehr als die Hälfte Projekte an Schulen durch. Die Ergebnisse der Seminarreihe sind inzwischen in Form einer Buchpublikation zusammengefasst, die unter dem Titel "Erlebniswelt Rechtsextremismus" im Wochenschau-Verlag erschienen ist. Arbeit gegen Hass im Netz nachhaltig sichern Neonazistische, rassistische und antisemitische Inhalte im Netz bilden kein vorübergehendes Phänomen. Rechtsextreme werden auch in den kommenden Jahren versuchen, das Internet zur Verbreitung ihrer menschenverachtenden Thesen zu missbrauchen und zu Gewalt gegen Minderheiten aufzurufen. Gleichwohl zeigt die Projektarbeit von jugendschutz.net, dass Gegenaktivitäten auf mehreren Ebenen Erfolg versprechend sind und dazu beitragen, Hass im Netz einzudämmen. Das Team erreichte in den vergangenen Jahren die Sperrung von mehr als 1.000 rechtsextremen Web-Angeboten im In- und Ausland, führte mehr als 200 Veranstaltungen durch und veröffentlichte Handreichungen für die schulische und außerschulische Praxis. Mit Auslaufen des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" endete auch die Förderung der Projektarbeit von jugendschutz.net durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen von "entimon Gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus". Um die erfolgreiche Doppelstrategie aus effektiven Gegenmaßnahmen und der Förderung von Medienkompetenz vorläufig zu sichern, wird die Projektarbeit ab 2007 für zunächst zwei Jahre von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) finanziert. 8