Gehirn und Umwelt - Funktionale Entwicklung der Feinstruktur des neuronalen und synaptischen Netzwerks Gehirn



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= i (V) = d 2. v = d! p! n da v 1 = v 2 gilt auch d 1 ÿ p ÿ n 1 = d 2 ÿ p ÿ n 2 (III) p kürzen (Division durch p) d 1 ÿ n 1 = d 2 ÿ n 2 (IV) oder

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Transkript:

16. Fuldaer Elektrotechnik-Kolloquium Vernetzte Welt 11.11. 2011 Gehirn und Umwelt - Funktionale Entwicklung der Feinstruktur des neuronalen und synaptischen Netzwerks Gehirn Jörg Bock, Institut für Biologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Das Gehirn Fakten und Zahlen Gewicht: ca. 1300g Energieverbrauch: 20% des Sauerstoffs, 25% der Glukose Rechenleistung: 10 13 10 16 analoge Rechenoperationen/s bei 15 20 Watt (chemischer) Leistung hohe Rechenleistung des Gehirns vor allem durch seine vielen parallelen Verbindungen (Konnektivität!) und nicht durch eine hohe Geschwindigkeit (10-100m/s) bei den einzelnen Rechenvorgängen! Nervenzellen und Verbindungen: ca. 100 Milliarden Nervenzellen (Neurone) Verbunden durch ca. 100 Billionen Synapsen (Kontaktstellen zwischen Neuronen)

Gehirn Funktionelle Gliederung Sekundärer motorischer Cortex Prämotorischer Cortex (Koordination komplexer Bewegungen) Präfrontaler Assoziationscortex (bewusstes Planen; Entscheidungsfindung, Persönlichkeitseigenschaften) Frontallappen Broca-Areal (Sprachbildung, motorisch) Primärer auditorischer Cortex Primärer motorischer Cortex (bewusste Bewegung) Sulcus centralis Somatosensorischer Cortex Posteriorer Parietalcortex (Integration somatosensorischer und visueller Informationen) Parietallappen Wernicke-Areal (Sprachverständnis) Parietal-temporaloccipitaler Assoziationscortex (Integration aller sensorischer Eingänge für Sprache) Okzipitallappen Limbischer Assoziations Cortex (Motivation, Emotion, Gedächtnis) Temporallappen Primärer visueller Cortex

The human connectome: a complex network Extraction of brain networks from empirical data follows along four steps: - (1) parcellation of the brain volume into coherent regions on the basis of structural or connectional features (MRI), or node assignment by placement of sensors and/or recording sites (EEG,MEG) - (2) structural or diffusion imaging to derive estimates of structural connectivity (left) or recording of time series data to estimate functional coupling (right) - (3) construction of a connection matrix representing a structural (left) or functional network (right) - (4) network analysis Sporns, O.; Ann. N.Y. Acad. Sci. 1224 (2011) 109 125

The human connectome: a complex network Sporns, O.; Ann. N.Y. Acad. Sci. 1224 (2011) 109 125

Beispiele für funktionelle Konnektivität im Netzwerk Gehirn Anatomie der Basalganglien

VO/LO IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL V1B CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR VO/LO IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL V1B CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR VO/LO IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL V1B CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR VO/LO IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL V1B CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR Beispiele für funktionelle Konnektivität im Netzwerk Gehirn Gehirnaktivität während Vermeidungslernen in Ratten 1 2 3 1 2 3 significant positive correlation (p < 0.05) positive correlation (0.05 p < 0.1) no correlation (0.1 p 1) negative correlation (0.05 p < 0.1) significant negative correlation (p < 0.05) 1 = cognitive/sensory-motor 2 = emotional-autonomic 3 = modulatory component VO/LO infant acquisition VO/LO adolescent acquisition IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS 1 CPdl CPdm CPvl PIR 2 M1 S1HL V1B IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS 1 CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL 2 Hipp rost Hipp caud Hipp rost Hipp caud V1B 3 Sub rost Subr ost CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR 1 2 3 Hipp rost Hipp caud Sub rost Hipp rost Hipp caud Sub rost CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR VO/LO infant retrieval VO/LO IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS 1 adolescent retrieval IL PL Cg1 Cg1/2 RSGb ACC ACS 1 CPdl CPdm CPvl PIR 1 2 CPdl CPdm CPvl PIR M1 S1HL V1B Hipp rost Hipp caud 2 M1 S1HL V1B Hipp rost Hipp caud 3 3 Hipp rost Hipp caud Sub rost Sub rost Hipp rost Hipp caud Sub rost Sub rost CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR 2 3 CeA MeA CPcaud LH VMH PAG VTA IP MR

Lern- und Erfahrungsprozesse modulieren die genetischen und molekularen Entwicklungsprogramme Stress Nach der Geburt Geburt Vor der Geburt Moleküle G e n e basic networks Umwelt Erfahrungen Emotionen Lernen fine-tuning Vorteil: Optimal an die Umweltbedingungen angepaßte Schaltkreise des Gehirns (sensorisch, motorisch und emotional) Nachteil: Vulnerabilität, d.h. Anpassung an negative oder fehlende Umweltstimulation ( funktionelle Narben ), die die intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten langfristig einschränken

Prä- und Postnatales Hirnwachstum

Postnatale Veränderungen synaptischer Verschaltungen Geburt 6 Jahre 14 Jahre Innerhalb der ersten drei Lebensjahre werden Synapsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit gebildet. Während der ersten 10 Lebensjahre besitzt das Kind doppelt so viele Synapsen wie ein Erwachsener. From Rethinking the Brain; New Insights into Early Development

Emotionale Lern- und Erfahrungsprozesse wirken als Bildhauer im Gehirn Synapsenselektionshypothese Wallhäußer & Scheich, 1987; Scheich, 1987; Bock & Braun, 1999

Postnatale Veränderungen synaptischer Verschaltungen aus Carlson, Physiologische Psychologie Prinzip Use it or lose it?

Emotionale Lern- und Erfahrungsprozesse wirken als Bildhauer im Gehirn Festlegung von Verschaltungsmustern und Denkkonzepten?

Neugier, Begeisterung, Interesse (emotional) Neuron im ventralen Tegmentum (Dopamin) starke Synapse Assoziatives Lernen Neuron im Präfrontalcortex die Worte des Lehrers (neutral) Neuron im Hörcortex schwache Synapse

Welchen Einfluß haben Störungen der sozioemotionalen Umwelt auf die Entwicklung des Gehirns?

Frühkindliche Erfahrungs-(Lern-)prozesse

Frühkindliche Lernprozesse Positive emotionale Erfahrungen (soziale Kontakte) Negative emotionale Erfahrungen (soziale Deprivation, Mißhandlung etc.) Entwicklung sozialer und intellektueller Fähigkeiten Lernstörungen und psychosoziale Erkrankungen

Kritischer Einfluß des Kind-Mutter Kontaktes auf die Verhaltensentwicklung: Tierexperimentelle Untersuchungen von Harlow & Harlow, Lorenz... und anderen...

Kaspar Hauser ca. 1811-1833

Gehirn Funktionelle Gliederung Sekundärer motorischer Cortex Prämotorischer Cortex (Koordination komplexer Bewegungen) Präfrontaler Assoziationscortex (bewusstes Planen; Entscheidungsfindung, Persönlichkeitseigenschaften) Frontallappen Broca-Areal (Sprachbildung, motorisch) Primärer auditorischer Cortex Primärer motorischer Cortex (bewusste Bewegung) Sulcus centralis Somatosensorischer Cortex Posteriorer Parietalcortex (Integration somatosensorischer und visueller Informationen) Parietallappen Wernicke-Areal (Sprachverständnis) Parietal-temporaloccipitaler Assoziationscortex (Integration aller sensorischer Eingänge für Sprache) Okzipitallappen Limbischer Assoziations Cortex (Motivation, Emotion, Gedächtnis) Temporallappen Primärer visueller Cortex

Das limbische System: System für Lernen, Gedächtnisbildung und emotionales Verhalten Cingulate gyrus Fornix Frontallappen Thalamus Hippocampus Temporallappen Amygdala Hypothalamus Bulbus olfactorius

Octodon degus (Degu, Strauchratte) Herkunft: Chile tagaktiv bei Geburt voll entwickelte sensorische Systeme, komplexe Verhaltensweisen (Motorik) starke Bindung an beide Elternteile

Ist Elternseparation Stress? Erhöhte Cortisolwerte im Blut während Trennungsstress 800 700 p<0.001 Cortisol (nmol/ l) 600 500 400 300 200 P1 P21: Zeitraum für Stresserfahrung 100 0 basal separation P1 P21 Gruss et al., 2006

? Was passiert im Gehirn, wenn man ein Jungtier erstmals von den Eltern und Geschwistern trennt? Akute Veränderungen Funktionelle Bildgebung (2-Fluoro-desoxyglucose-Methode)

Metabolische Aktivität während Elterndeprivation in Octodon degus 2-FDG-uptake ACd PrCm high Striatum low parents separation

Hypofunktion verschiedener Hirnareale nach frühen traumatischen Erfahrungen? normal/healthy deprived/abused UCLA, Center for Healthier Cchildren, Families & Communities

Hirnmorphologische Veränderungen

Strukturelle Veränderungen nach Elternseparation bei Octodon degus Zunahme der Dichte dendritischer Spines auf Pyramidenzellen des ACd (Helmeke et al., 2001; Poeggel et al., 2003)

Deprivationsinduzierte Verhaltensänderungen

Früher Trennungsstress in Octodon degus -> Hyperaktivität (PND 22) total running distance (m) center activity (% total) CON CON ES ES 30 * 25 20 control early stress 15 5 min total 30 * 25 20 15 5 min total

Früher Trennungsstress in Octodon degus -> verminderte Reaktivität gegenüber artspezifischen Vokalisationen (PND 22) tone quadrant activity (% total) CON ES CON 35 * 30 25 ES 20 15

erhöhte Aktivität (Exploration) verminderte Reaktivität gegenüber artspezifischen Vokalisationen Hyperaktivität? Aufmerksamkeitsdefizit? Dopaminerge Dysfunktionen? Symptome v. ADHD (ADHS) Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung Umkehrbar/Therapierbar durch Methylphenidat (MP)!

Synapsenveränderungen Vulnerable Zeitfenster?

Kritische Zeitfenster während der Hirnentwicklung menschliches Gehirn aus Carlson, Physiologische Psychologie Prinzip Use it or lose it

Kritische Zeitfenster während der Hirnentwicklung Limbisches System, Emotionale Entwicklung aus Kalat, Biological Psychology Unreife limbische Areale (während früher Entwicklungsphasen) sind experience-expectant critical period

Versuchsaufbau SHRP naive iso14-16 iso5-7 iso1-3 0 1 2 3 5 10 SHRP = stress hyporesponsive period of the hypothalamic-pituitary-adrenal (HPA) axis 14 15 16 21 Postnatal day Golgi-Cox staining/blood sampling social rearing maternal separation 1h

Frühe Stresserfahrungen führen zu Veränderungen der synaptischen Dichte auf Neuronen des Präfrontalcortex. Diese Veränderungen korrelieren mit spezifischen Entwicklungszeitfenstern. spine frequency [n/µm] SHRP 1 * * ACd 0.8 0.6 0.4 naive sep 1-3 sep 5-7 sep 14-16 naive sep 1-3 sep 5-7 sep 14-16 Bock et al. (2005) Cerebral Cortex

Was ist Stress? Stress Stress ist wenn unser Wohlbefinden bedroht ist (oder scheint) UND Wir versuchen uns vor dieser Bedrohung zu schützen bzw. zu verteidigen

Soziale Kontrolle der Stressantwort während der frühen Entwicklung 0.7 0.6 0.5 0.4 Crying 0.3 0.2 0.1 0 2 4 6 12 15 18 Age in Months Megan R. Gunnar, Institute of Child Development, University of Minnesota

Soziale Kontrolle der Stressantwort während der frühen Entwicklung Bsp. Betreuungseinrichtung Sensitive and Responsive Cold and Distant To Megan R. Gunnar, Institute of Child Development, University of Minnesota

Soziale Kontrolle der Stressantwort während der frühen Entwicklung Bsp. Betreuungseinrichtung 0.25 0.2 0.15 0.1 0.05 0-0.05-0.1 High Low Sensitive/Responsive Care Megan R. Gunnar, Institute of Child Development, University of Minnesota

Frühe Lern-/Erfahrungsprozesse Frühe Erfahrungen modulieren bzw. prägen das limbische System ( Emotionssystem ) des Gehirns. Defizite der emotionalen Umwelt führen zur fehlerhaften Entwicklung emotionaler Schaltkreise im Gehirn. Der Einfluss dieser Erfahrungen ist geschlechtssepzifisch Der Einfluss dieser Erfahrungen ist abhängig von spezifischen Entwicklungszeitfenstern (und spezifisch für jedes Gehirnareal). Durch Störungen oder inadäquate Förderung während dieser Entwicklungsphasen entstandene Defizite sind nach Ablauf der sensiblen Phasen nur noch bedingt korrigierbar, dies gilt sowohl für die Hirnentwicklung als auch für das Verhalten.

Positive Erfahrungen (z.b. Erfolge!) und Lernen verändern die Hirnfunktionen Sozio-emotionales und intellektuelles Umfeld (Familie, Schule) Lernleistungen, soziale Kompetenz, emotionale Stabilisierung, Optimale Entwicklung der Hirnfunktionen Limbisches System: kognitive und emotionale Interaktion mit der Umwelt?

Ein Teufelskreis... gestörtes sozioemotionales Umfeld (Familie, Schule) Verhaltensstörungen: (Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen, Angststörungen, Aggressivität) Lernstörungen reversibel? unter- oder fehlentwickelte Hirnfunktionen dejustierte limbische Funktionen: pathologische Wahrnehmung der Umwelt?

Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten Lese-Rechtschreib-Schwäche/Störung (LRS): Bezeichnung für alle Störungen, die dazu führen, dass Lesen und/oder Schreiben nicht oder nur schlecht erlernt werden kann. Hirnbiologische Ursachen? Dyslexie (Legasthenie): Entwicklungsstörung der Lese-Rechtschreib- Fertigkeiten bei normal entwickelter Intelligenz. Schwächen beim Erlernen von Lesen, Schreiben oder Rechtschreibung, die nicht durch körperliche Gebrechen (z.b. an Ohr oder Auge), allgemeine geistige Minderbegabung oder unzureichenden Unterricht verursacht sind. Dyskalkulie (Rechenschwäche): Entwicklungsverzögerung des mathematischen Denkens bei Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Dyslexie Sprachentwicklung und Legasthenie Die Entwicklung der Lesefähigkeiten ist eng mit der Sprachentwicklung verknüpft!!

Dyslexie Bei Legasthenie (Dsylexie) sind die Sinnesorgane intakt! Fischer, B., Gehirn & Geist, 5_2009

LRS Störungen der Blicksteuerung So sieht ein von (ADHS und) Legasthenie betroffenes Kind den Text:

Gehirn Funktionelle Gliederung Sekundärer motorischer Cortex Prämotorischer Cortex (Koordination komplexer Bewegungen) Präfrontaler Assoziationscortex (bewusstes Planen; Entscheidungsfindung, Persönlichkeitseigenschaften) Frontallappen Broca-Areal (Sprachbildung, motorisch) Primärer auditorischer Cortex Primärer motorischer Cortex (bewusste Bewegung) Sulcus centralis Somatosensorischer Cortex Posteriorer Parietalcortex (Integration somatosensorischer und visueller Informationen) Parietallappen Wernicke-Areal (Sprachverständnis) Parietal-temporaloccipitaler Assoziationscortex (Integration aller sensorischer Eingänge für Sprache) Okzipitallappen Limbischer Assoziations Cortex (Motivation, Emotion, Gedächtnis) Temporallappen Primärer visueller Cortex

Die neuronale Signatur für Dyslexie (Legasthenie) Shaywitz & Shaywitz, 2008 In Lesern mit Dyslexie finden sich charakteristische Funktionsänderungen in den leserelevanten Gehirnarealen: - leichte Überaktivierung im anterioren (vorderen) System (Broca Areal) - Unteraktivierung (fehlende Aktivierung) in den beiden posterioren (hinteren) Systeme => Neuronale Signatur für Dyslexie

Kompenstorische Systeme bei Dyslexie (Legasthenie) Das Gehirn von Legasthenikern arbeitet anders Shaywitz & Shaywitz, 2008 - Normale Leser aktiveren die drei leserelevanten Gehirnareale auf der linken (dominanten) Hemisphäre. - Bei Legastheniker sind die hinteren beiden Areale unteraktiviert. - Dies wird kompensiert durch eine höhere Aktivierung von vergleichbaren Arealen auf der kontralatralen Hemisphäre.

Dyskalkulie Developmental Dyscalculia "Diese Störung bezeichnet eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differential- und Integralrechnung benötigt werden". www.bvl-legasthenie.de

Dyskalkulie Reduzierte Gehirnaktivität bei bestimmten Rechenaufgaben (approximate calculation)

Hochbegabung Intelligenz(test) % 3 2 1 Hochbegabung 0 60 70 80 90 100 110 120 130 140 IQ

Hochbegabung Hirnsysteme Lee et al., 2006

Pränataler Stress - Faktor für die Entwicklung von Verhaltensstörungen (Angsterkrankungen, Depression, Schizophrenie; Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen). - Pränataler Stress in Ratten führt zu ähnlichen Verhaltensänderungen (erhöhte Ängstlichkeit, depressive Verhaltensweisen, gestörte Stressbewältigung). Weinstock, 2008, 2011 Veränderungen neuronaler Strukturen?

Nervenzellen im Hippocampus werden bei männlichen und weiblichen Ratten in unterschiedlicher Weise durch pränatalen Stress beeinflusst Dentate gyrus granular neurons Male Spines Female Length Complexity Bock et al., Neurosci., 2011

Nervenzellen im Hippocampus werden bei männlichen und weiblichen Ratten in unterschiedlicher Weise durch pränatalen Stress beeinflusst Umkehrbar/Therapierbar durch postnatale Behandlung! Dentate gyrus granular neurons Male Spines Female Length Complexity Bock et al., Neurosci., 2011

Strukturelle Veränderungen nach Elternseparation bei Octodon degus Veränderung der Dichte serotonerger und dopaminerger Fasersysteme (Braun et al., 2000; Poeggel et al., 2003; Gos et al., 2006)

Frühe Lern-/Erfahrungsprozesse Frühe Erfahrungen modulieren bzw. prägen das limbische System ( Emotionssystem ) des Gehirns. Defizite der emotionalen Umwelt führen zur fehlerhaften Entwicklung emotionaler Schaltkreise im Gehirn. Der Einfluss dieser Erfahrungen ist geschlechtsspezifisch Der Einfluss dieser Erfahrungen ist abhängig von spezifischen Entwicklungszeitfenstern (und spezifisch für jedes Gehirnareal). Defizite sind mit zunehmendem Alter nur langsam und nicht immer vollständig korrigierbar, da die Plastizität des Gehirns abnimmt. Was in den ersten Lebensjahren in kürzester Zeit erworben werden kann, erfordert mit zunehmendem Alter wesentlich längere Zeiträume.

Kritische Zeitfenster während der Hirnentwicklung nach Doherty, 1997 kritisches Zeitfenster Beendigung des kritischen Zeitfensters

LRS, Definition Legasthenie (Dsylexie) = Entwicklungsstörung!!! Developmental Dyslexia

Dyslexie Entwicklung der Lesefähigkeiten Defizit oder Entwicklungsverzögerung? Shaywitz & Shaywitz, 2005