Leitfaden für Projektentwickler für Energiespar-Contracting



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Transkript:

Leitfaden für Projektentwickler für Energiespar-Contracting European Energy Service Initiative EESI2020 IEE/12/686/SI2.644738 Juni 2014 Erstellt von Grazer Energieagentur und Berliner Energieagentur Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den Autoren. Es wird nicht unbedingt die Meinung der Europäischen Union wiedergegeben. Die Europäische Kommission übernimmt keine Haftung für die Verwendung der hier enthaltenen Informationen.

INHALT 1 Einleitung... 5 2 ESC Projektentwicklung... 6 2.1 Rollen und Aufgaben eines ESC-Projektentwicklers... 6 2.2 Kommunikation... 8 2.3 Wer kann ESC-Projektentwickler werden?... 9 3 Anfangsphase des ESC-Projekts... 10 3.1 SCHRITT 1: Identifikation von potenziellen ESC-Projektmöglichkeiten... 10 3.1.1 Mindestprojektgrößen und Gebäude-Pooling... 10 3.1.2 Geeignete und übliche Energieeffizienzmaßnahmen... 11 3.1.3 Berechnung der Opportunitätskosten... 13 3.1.4 Schätzung des Investitionsvolumens und Einsparpotenzials... 15 3.2 SCHRITT 2: Kundenpräsentationen von ESC-Projekten... 16 3.2.1 Kommunikation von Energieeffizienzfragen... 16 3.2.2 Wichtige Entscheidungsträger... 17 3.3 SCHRITT 3: Darstellung des Mehrwertes durch ESC im Vergleich zu internen Lösungen... 18 3.3.1 Risikoübernahme durch den Contractor... 18 3.3.2 Einheitliche Kundenansprache... 20 3.3.3 Gemeinsames Interesse und Erwartungen von Kunden und Contractor... 20 3.3.4 Maximierung der Einsparungen durch motivierte externe Lieferanten... 21 3.3.5 Der Kunde kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren... 21 3.3.6 Vermeidung von Rebound-Effekten... 22 3.3.7 ESC ergänzt Eigeninitiativen... 23 3.3.8 Vorteile des ESC für den Kunde... 23 3.3.9 Professionelle Unterstützung... 24 4 Das ESC-Projekt... 26 4.1 SCHRITT 4: ESC-Beschaffung: Ausschreibung und Auftragsvergabe... 26 4.1.1 Benötigtes Einverständnis für den Start einer öffentlichen Ausschreibung... 27 4.1.2 Zeitrahmen des Ausschreibungsvorgangs... 27 2

4.2 Ausschreibungsunterlagen... 28 4.2.1 Erforderliche Gebäudedaten... 28 4.2.2 Benötigte Bestandteile der Ausschreibungsunterlagen... 28 4.2.3 Energie-Baseline... 29 4.3 SCHRITT 5: Der ESC-Vertrag... 30 4.3.1 Hauptbestandteile eines Energieleistungsvertrags... 30 4.3.2 Spezifikation bestimmter Maßnahmen in den Ausschreibungsunterlagen... 32 4.4 SCHRITT 6: Finanzierung der ESC-Projekte... 32 5 Anhänge... 37 5.1 Anhang 1: Berechnung der Baseline... 37 5.1.1 Hauptkomponenten einer Baseline von Energiekosten... 37 5.1.2 Bestimmung der Energiekosten-Baseline... 38 5.1.3 Praktische Hinweise zur Erstellung der Energiekostenbasis... 40 5.2 Anhang 2: Wo finde ich relevante Dokumente?... 40 5.2.1 Einleitung... 40 5.2.2 Standard-ESC-Vertrag: EESI Projekt... 41 5.2.3 Weitere Quellen für Standardverträge... 41 5.2.4 Ausschreibungsunterlagen... 42 5.2.5 Finanzierungsdokumente... 42 5.2.6 Weitere Dokumente... 43 5.3 Anhang 3: Überblick Geschäftsmodelle von Energiedienstleistungen... 43 5.3.1 Energieliefer-Contracting (ELC)... 44 5.3.2 Energiespar-Contracting (ESC)... 44 5.3.3 Integriertes Energiespar-Contracting IEC)... 45 5.3.4 ESC mit umfassender Modernisierung (ESC+)... 47 5.3.5 ESC-light... 48 5.3.6 ESC mit Komfortleistungszielen... 49 3

Impressum Herausgeber: Berliner Energieagentur GmbH Im Rahmen von EESI 2020 Mit Unterstützung von Intelligent Energy Europe (IEE) Französische Straße 23 10117 Berlin Telefon: 030 19330-0 Internet: E-Mail: Konzeption: Fotos: www.b-e-a.de office@berliner-e-agentur.de Laurenz Hermann Berliner Energieagentur 4

1 Einleitung In Zeiten begrenzter öffentlicher Mittel hat sich der Modernisierungsstau bei öffentlichen Liegenschaften (lokal, sowie regional oder bundesstaatlich) immer weiter verschärft. Behörden haben Probleme ihre Gebäude zu unterhalten, was zu begrenzten Nutzungsmöglichkeiten, mangelndem Komfort, hohem Wartungsaufwand und steigenden Energiekosten führt. In diesem Zusammenhang gewinnt Energiespar-Contracting (ESC) seit 1990 immer mehr Bedeutung. Die Idee ist einfach und überzeugend: Die Investitionen in energiesparende Systeme werden durch zukünftige Einsparungen bei den Energiekosten finanziert. Dies wird durch Energiedienstleister (Contractoren) ermöglicht, die die erforderlichen Maßnahmen umsetzen, entsprechende Energiekosteneinsparungen garantieren und die Finanzierung sichern. Einige Fakten: Es gibt bereits verschiedene ESC-Hotspots in Europa, wo tausende öffentliche Gebäude erfolgreich nach dem ESC-Modell modernisiert wurden. Trotzdem konnte sich ESC in Europa noch nicht als Standardprozess etablieren. Aus diesem Grund müssen die Grenzen und Erfolgsfaktoren für ESC genauer analysiert werden. Ein Erfolgsfaktor für ESC-Projekte ist die Beteiligung von ausgebildeten, erfahrenen Projektentwicklern, die den Kunden, also z.b. den Gebäudeinhaber, bei der Vorbereitung und Umsetzung des Projekts unterstützen. Da die Rolle eines solchen Projektentwicklers in vielen europäischen Ländern noch neu ist, soll dieser Leitfaden nützliche Informationen zur Herangehensweise für Energieexperten bieten, die ESC in ihrem Kompetenzportfolio aufnehmen möchten. Der Leitfaden für ESC-Projektentwickler soll keine bereits existierenden ESC-Richtlinien ersetzen oder nachahmen, sondern die verfügbaren relevanten Informationen von erfahrenen Vermittlern ergänzen und zusammenfassen. Dieser Leitfaden bietet dem ESC-Projektentwickler alle Informationen, die für den Start eines ESC-Projekts notwendig sind. 5

2 ESC Projektentwicklung In der Literatur werden zwei Ebenen der ESC-Projektentwicklung unterschieden: Die Aufgabe des ESC-Marktentwicklers ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energiespar-Contracting. Dabei werden Schulungen (Trainings) für Contractoren und Kunden durchgeführt, Informationen (Richtlinien, Modellverträge) veröffentlicht, Informationen zu bewährten Verfahren ausgearbeitet/angepasst oder auf politischer Ebene Lobbyarbeit für die Verbesserung der Rahmenbedingungen geleistet. Der ESC-Projektentwickler unterstützt den Kunden bei der Umsetzung spezifischer ESC- Projekte. Diese Broschüre ist speziell für den ESC-Projektentwickler bestimmt. 2.1 Rollen und Aufgaben eines ESC-Projektentwicklers ESC-Projekte sind in vielen Aspekten komplex: Finanzierung, Ausschreibung, technische Umsetzung und Überwachung - all diese Aufgaben müssen gut vorbereitet und sorgfältig umgesetzt werden. Für Behörden ist die Vorbereitung und Umsetzung eines ESC-Projekts ohne vorherige ESC- Erfahrung eine große Herausforderung, da sich ESC in vielen Aspekten von herkömmlichen Strategien zur Gebäudemodernisierung unterscheidet. Der ESC-Projektentwickler bietet das nötige Fachwissen und die Erfahrung, um den Kunden bei allen Schritten zu unterstützen, die für die erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung eines ESC-Projekts notwendig sind. Aber das ist nicht alles: Der ESC-Projektentwickler agiert als Vermittler zwischen Kunden und Contractor und schafft eine nachhaltige Beziehung und Vertrauen zwischen den zukünftigen Vertragspartnern. Aus diesem Grund sollte der Projektentwickler ein Verständnis hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Projekts beim Contractor schaffen. Innerhalb des Lebenszyklus eines ESC-Projekts umfassen die typischen Projektentwickler- Aktivitäten in der Projektentwicklungsphase folgendes: Grobe Finanzanalysen hinsichtlich des wirtschaftlichen Einsparpotenzials. Technische Grobanalysen. Vergleich verschiedener Effizienz- oder Versorgungsoptionen auf der Basis von Lebenszykluskostenanalysen, Amortisationszeiten und anderen wirtschaftlichen Bewertungsmethoden. Unterstützung des Kunden bei der Make-or-Buy Entscheidung. Workshops mit Kunden und ihren Stakeholdern. Projektvorstrukturierung und Geschäftsmodell: Projektziele, Auswahl der Gebäude oder Liegenschaften, Dienstleistungen und Schnittstellen. 6

Auswahl und Ausgestaltung des Contracting-Modells Vorstrukturierung der Finanzierung Interdisziplinäre Machbarkeitsstudien, um die technische, wirtschaftliche, finanzielle, organisatorische und rechtliche Durchführbarkeit eines zukünftigen Projekts zu bewerten. Dies bereitet die Entscheidung darüber vor, ob ein ESC-Projekt gestartet wird oder nicht. Während der Vergabephase übernehmen Projektentwickler das Projektmanagement des Vergabeprozesses im Auftrag des Kunden, inklusive Auswahl eines Vergabeverfahrens. Festlegung der von den Contractoren zu erfüllenden Teilnahmebedingungen (Mindest-Qualifikationen) sowie der zur Bewertung genutzten Auswahlkriterien. Entwurf der Ausschreibungsunterlagen (Leistungsbeschreibung). Gestaltung des Energiespar-Contracting-Vertrags. Im Falle eines Verhandlungsverfahrens oder eines wettbewerblichen Dialogs werden zwei oder drei Verhandlungsrunden mit den teilnehmenden Contractoren organisiert und durchgeführt. Unterstützung bei der Auswahl des bevorzugten Anbieters. In der Bauphase kann der Projektentwickler die Vertretung des Kunden und Projektmanagementaufgaben zur Umsetzung, Betreuung und Inbetriebnahme des Projekts übernehmen bzw. unterstützend tätig werden. Während der Einsparphase werden die Verfahrensabläufe zur Überprüfung der Einsparungen durch den Projektentwickler unterstützt oder koordiniert. Zudem können durch den Projektentwickler Rechnungsprüfungen vorgenommen werden und er kann als Vermittler zwischen Kunden und Energiedienstleistern/Contractoren tätig werden. Um die oben genannten Aufgaben zu erfüllen, müssen die Mitarbeiter des Projektentwicklers Erfahrung in verschiedenen Bereichen aufweisen, wie z. B.: Technisches Fachwissen (Gebäudetechnik- und Ausrüstung, Energiesysteme, Energieeffizienz). Wirtschaftliches Fachwissen (Berechnung des Einsparpotenzials, Kapitalwertberechnung der zukünftigen Einsparungen, Opportunitätskostenberechnung) Finanzielles Fachwissen (Finanzierungsmodelle, Eigenkapital- und Drittfinanzierung, Fördermittel). Juristisches Fachwissen (Vertragsgestaltung im Bereich Energiespar-Contracting). 7

Natürlich kann nicht erwartet werden, dass all diese Qualifikationen in einer Person vereint werden. Der Projektentwickler sollte aber ein gutes Verständnis aller erwähnten Aufgaben haben, sodass er die besten Lösungen entwickeln und kommunizieren kann. Wenn nötig können externe Experten zur Unterstützung bei bestimmten Problemen herangezogen werden. 2.2 Kommunikation Eine Sache ist von Anfang an wichtig: Ein ESC-Projektentwickler ist mehr als ein Berater für organisatorische, rechtliche oder technische Fragen. Er ist tatsächlich ein Vermittler zwischen verschiedenen Gruppen und Interessen. Neben all den Bereichen, in denen der Projektentwickler tätig wird, ist die vielleicht wichtigste Kompetenz die Kommunikation. Der Vermittler ist die Verbindung zwischen verschiedenen Interessenvertretern der Kundenseite und externen Dienstleistern, welche für die Umsetzung eines ESC-Projekts benötigt werden: Kundenseite, z. B. Baudezernat/ Liegenschaftsamt Beschaffungsstelle/ Finanzreferent Techniker/ Hausmeister Nutzer/ Mieter Politische Interessenvertreter Externe Dienstleister, z. B. Contractoren Finanzinstitutionen Techniker, Berater, Architekten Hersteller, Technologielieferanten Um eine Partnerschaft wie ESC zu etablieren, muss der Unterschied zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor unbedingt berücksichtigt werden. Es ist die Aufgabe des Projektentwicklers zwischen diesen Kulturen zu vermitteln und in diesem Rahmen auch auf unrealistische Erwartungen aufmerksam zu machen. Der Projektentwickler trägt zur Etablierung von Transparenz und fairen Vertragsbedingungen zwischen den Vertragspartnern bei. Der Projektentwickler sollte dem Kunden erklären, wie private Unternehmen arbeiten, denken und rechnen und ggf. ein Verständnis dafür schaffen, dass die wirtschaftliche Rentabilität des Projekts für ein privates Unternehmen oberste Priorität hat (besonders dann, wenn Contractoren die Einsparungen garantieren und den Großteil der Projektrisiken 8

tragen). Außerdem sollte er die Rechte und Interessen des Kunden klar definieren und Sorge tragen, dass diese im ESC-Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen geregelt werden. Zudem kommuniziert der Vermittler mit den Contractoren: z.b. Darlegung der Vorgänge und Termine der öffentlichen Auftragsvergabe. Er sollte den Bewerbern vermitteln, dass ihre Dienste geschätzt werden, auch wenn der Aufwand für die Projektvorbereitung und Koordination zwischen den verschiedenen Interessenvertretern höher ist als im privaten Sektor. Die Gründe für gescheiterte ESC-Projekte sind oft eher in persönlichen Zweifeln und institutioneller Inflexibilität als in rechtlichen, technischen oder finanziellen Restriktionen. Umso wichtiger die Rolle, welche die Projektentwickler spielen: Sie müssen gut erklären, sich Zweifel anhören, mit allen Interessenvertretern kommunizieren, gegenseitiges Verständnis schaffen und zu persönlichen Gesprächen einladen. Der Vermittler sollte also der Brückenbauer zwischen den Anforderungen des Kunden (z.b. einer öffentlichen Behörde) und des Energiedienstleisters sein. Dies ist die Grundlage für eine Win-Win- Situation und des Erfolgs eines ESC-Projektes. 2.3 Wer kann ESC-Projektentwickler werden? Unter Berücksichtigung der aktuellen Situation in Europa sind es meistens Energieagenturen, die als ESC-Projektentwickler arbeiten. Es gibt Beispiele aus verschiedenen Ländern, wie die Berliner Energieagentur GmbH (Deutschland), Grazer Energieagentur (Österreich) oder SEVEn (Tschechische Republik). Da Energieagenturen oft enge Beziehungen - und damit gute Kenntnisse - von öffentlichen Verwaltungseinrichtungen haben, sind sie für die Arbeit als ESC-Projektentwickler sehr geeignet. Im Prinzip können alle Beratungseinrichtungen mit dem erforderlichen thematischen/technischen Hintergrund ESC-Projektentwickler werden. Voraussetzung ist, dass die Einrichtung unparteiisch ist und auf dem ESC-Markt als vertrauensvoll und renommiert gilt. 9

3 Anfangsphase des ESC-Projekts In diesem Abschnitt wird die Anfangsphase bis zur Entscheidung ESC umzusetzen behandelt. In dieser Phase ist es wichtig, einen nachvollziehbaren Business Case zu formulieren und den Entscheidungsträgern auf verständliche Weise zu vermitteln. Abbildung 1: Phasen eines ESC-Projektes Anfangsphase (Quelle: SEVEn) 3.1 SCHRITT 1: Identifikation von potenziellen ESC-Projektmöglichkeiten 3.1.1 Mindestprojektgrößen und Gebäude-Pooling Welche Voraussetzungen müssen für den Beginn eines ESC-Projekts erfüllt sein? Die Energiekosten sollten bei mindestens 100.000 /Jahr, vorzugsweise bei 300.000 /Jahr, liegen, um die Transaktionskosten für die Dienstleistung zu rechtfertigen. Manchmal ist Gebäude-Pooling oder die Kombination von Gebäuden und Straßenbeleuchtung notwendig, um dieses Volumen zu erreichen. In anderen Fällen ermöglichen Subventionen ein Projekt, welches anderenfalls zu klein und nicht realisierbar wäre. In einer ersten Einschätzung müssen der Projektentwickler und der Kunde die für ESC geeigneten Gebäude identifizieren. 10

Abbildung 2: Gebäude-Pooling Für ESC-Projekte geeignete Gebäude müssen folgende Bedingungen erfüllen: Der Kunde ist der Eigentümer des Gebäudes. Das Gebäude bzw. Objekt ist noch kein Teil eines bestehenden ESC-Projekts. Das Objekt wurde nicht innerhalb der letzten 3 Jahre erbaut oder saniert, sodass eine Verbesserung der Energieeffizienz möglich ist. In den nächsten 10 Jahren sind keine Nutzungsänderungen vorgesehen. Das Gebäude ist mit Heizungs- und/oder Lüftungs- und Klimasystemen ausgestattet und verbraucht elektrische Energie. Es liegen Daten vor, damit die Gebäudenutzung, die Baseline des Energieverbrauchs, die Betriebszeiten, die Klimaanforderungen innerhalb des Gebäudes, usw. definiert werden können. Der Energieverbrauch pro Gebäude (im Falle von Gebäude-Pools) ist höher als bei vergleichbaren Standardgebäuden, wobei die absoluten Energiekosten mindestens 20.000 /Jahr je Gebäude betragen müssen. 3.1.2 Geeignete und übliche Energieeffizienzmaßnahmen Natürlich gibt es eine große Anzahl von Energieeffizienzmaßnahmen, die häufig umgesetzt werden. Trotzdem müssen sie für jedes Gebäude stets auf ihre Eignung und Wirtschaftlichkeit geprüft werden. 11

Übliche Energieeffizienzmaßnahmen umfassen u.a.: a) Heizsystem und Wärmeverbrauch: Wechsel des Energieträgers Austausch von alten Kesseln oder Wärmepumpen, Isolierung von Heizungsrohren, Hydraulische Optimierung (Hydraulischer Abgleich), Austausch der Heizungssteuerung, Begrenzung der Raumtemperatur, z. B. durch Einbau von Thermostatventilen, Individuelle Raumregelung, Kontinuierliche Anpassung von Regelungsparametern (Zeiten, Temperaturen) Einführung eines Energieverbrauchs-Controllings, Nutzermotivation und -training Dämmung der obersten Geschossdecken und Kellerdecken. Abbildung 3: Übliche Energieeffizienzmaßnahmen Auch die Dämmung der Gebäudehülle und der Austausch der Fenster können in ein Projekt integriert werden. Diese umfassenden Modernisierungsmaßnahmen sind in den meisten Fällen insbesondere aufgrund der langen Refinanzierungslaufzeiten von > 15 Jahre 12

jedoch in der üblicherweise 10 bis 12-jährigen Vertragslaufzeit nicht wirtschaftlich darstellbar bzw. refinanzierbar. b) Elektrizität und Stromverbrauch: Austausch von Leuchtmitteln (z. B. durch LEDs) Beleuchtungssteuerung, Austausch von ineffizienten elektrischen Geräten (z.b. Kühlschränke, Gefrierschränke), Demontage von zusätzlichen, elektrischen Heizungen, Verwendung von neuen energieeffizienten Wärmepumpen. c) Belüftung und Klimaanlage: Installation von Wärmerückgewinnungsanlagen Installation von neuen Luftkanälen, Kontinuierliche Einstellung der Regelungsparameter (Zeiten, Temperaturen,...), Einrichtung eines Energiebuchhaltungssystems mit durchgehendem Controlling, Kontinuierliche Wartung (z. B. Reinigung/Wechsel von Filtern). 3.1.3 Berechnung der Opportunitätskosten Ein allgemeines und nützliches Instrument zur Einschätzung und Veranschaulichung des finanziellen Einsparpotenzials der einzelnen Gebäude ist das Opportunitätskostenmodell 1. Dies ist die Bewertung der Kosten, die aus ungenutzten Einsparpotenzialen entstehen: Zukünftige Energiekosteneinsparungen können zur Refinanzierung von Energieeffizienzinvestitionen genutzt werden. Wird dies nicht getan, sind die ungenutzten Einsparungen verloren bzw. als Verlust anzusehen. Der Vorteil dieser Berechnung, verglichen mit einer umfassenden Projekt- Lebenszykluskostenberechnung, besteht darin, dass sie mit ungefähren Zahlen (Schätzungen) vorgenommen werden kann, um das wirtschaftliche Potenzial von Energieeffizienzinvestitionen darzustellen. Benötigte Daten: Energieverbrauchskosten (pro genutzten Energieträger), Geschätztes Energieeinsparungspotenzial (mindestens, höchstens), Geschätzte Energiepreiserhöhung, Betriebs- und Wartungskosten inkl. Personalkosten, 1 Opportunitätskosten: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/opportunit%c3%a4tskosten/opportunit%c3%a4tskosten.htm 13

Projektlaufzeit, Investitionskosten (Schätzung), Finanzierungskonditionen (Abzinsungs- und Zinssätze, Inflationsraten), Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten. Abbildung 4: Opco-Tool Überblick über mögliche Ergebnisse: Einsparpotenzial, Investitionspotenzial, Kapitalwert bezüglich des minimalen bzw. maximalen Einsparpotenzials, Opportunitätskosten bis zur Umsetzung der Maßnahmen, Zusammenstellung und Entwicklung der Energiekosten, Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten, Amortisationszeiten der Investitionen (statisch, ohne Kapitalkosten), Vergleich der Gesamtenergiekosten mit und ohne Investitionen in Einsparmaßnahmen. Die Analyse kann als Standardprozess definiert werden, zudem sind Hilfsmittel auf dem Markt erhältlich 2. 2 z. B. Opco-Tool, entwickelt von der Grazer Energieagentur 14

3.1.4 Schätzung des Investitionsvolumens und Einsparpotenzials Die erste Prüfung der für ein ESC-Projekt geeigneten Gebäude ist relativ einfach (vgl. 3.1.1). Der nächste Schritt ist die Abschätzung des Einsparpotenzials und des Investitionsumfangs. Aus diesem Grund ist die Nutzung des Fachwissens eines erfahrenen Projektentwicklers empfehlenswert. Bei einem ersten Besuch kann der aktuelle Zustand der Gebäude erkannt und relevante Parameter für mögliche Maßnahmen untersucht werden. Mit diesen Daten kann eine Einschätzung des Einsparpotenzials und der Investitionen vorgenommen werden. Natürlich steht der Investitionsumfang mit dem Einsparpotenzial und der Vertragsdauer in Verbindung. Zu diesem Zeitpunkt ist auch ein Austausch der für den Pool ausgewählten Gebäude noch möglich. Einige Objekte können ein höheres oder geringeres Einsparpotenzial als zunächst angenommen haben. Beispiel: Überblick eines für das Pooling in Frage kommenden Gebäudes 3 Zusätzlicher Hinweis: Fördermittel reduzieren das erforderliche Kapital und können für Zusatzmaßnahmen verwendet werden. Sie sind mitunter für die Umsetzung eines ESC- Projekts unablässig und sollten daher bereits bei der Berechnung der Investitionskosten berücksichtigt werden. Andererseits sind die Fördermittel jedoch für den benötigten Zeitraum oft nicht verfügbar und hängen von bestehenden Budgets ab. Zudem hängt die Verwendbarkeit von nationalen 3 Eine Vorlage für diese Evaluation finden Sie unter www.eesi2020.eu 15

Fonds oder Fördermitteln oft von der Finanzierungsstruktur ab. Ist der Erhalt von Fördermitteln nicht sicher, dürfen sie in der ersten Bewertung der Gebäude nicht berücksichtigt werden. 3.2 SCHRITT 2: Kundenpräsentationen von ESC-Projekten Bei der Kundenpräsentation von Energiespar-Contracting für eine öffentliche Einrichtung muss zunächst ein Aspekt unbedingt verstanden werden: Die Herausforderungen liegen wahrscheinlich nicht auf organisatorischer, technischer oder rechtlicher Ebene, sondern im Management der notwendigen Veränderungen auf der Prozessebene. Die Umstellung von traditionellen Rollen und Verantwortlichkeiten kann für viele Personen eine große Herausforderung darstellen. Die Erstellung von Energiespar-Contracting erfordert viele Veränderungen in der Art und Weise, wie Modernisierungsmaßnahmen organisiert werden. Themen, die über Jahre in öffentlicher Verantwortung lagen, werden nun an ein Unternehmen übertragen. Dabei sind Zweifel und Ängste nicht selten und sollten respektiert und ernst genommen werden. 3.2.1 Kommunikation von Energieeffizienzfragen Zur Unterstützung des Projektentwicklers bei der Umsetzung von ESC werden nachfolgend mehrere typische Themen und Fragen, inklusive Argumenten und Erklärungen, Kommunikationstipps und organisatorische Informationen aufgeführt: 3.2.1.1 Vorstellung von Best-Practice Beispielen Wie so oft, kann ein gutes Beispiel den Unterschied ausmachen. Dies gilt auch für die ESC- Projektentwicklung. Abgestimmt auf Kunde und Gebäude(n) sollten Beispiele für den optimalen Projekt-Ablauf unter vergleichbaren Bedingungen präsentiert werden, um nachzuweisen, dass mit ESC hohe Energiekosten gesenkt werden können. Sind solche Beispiele auf nationaler Ebene nicht verfügbar, sollten Beispiele aus Nachbarländern mit ähnlichen ökonomischen Rahmenbedingungen verwendet werden. 3.2.1.2 Entwicklung eines ESC-Szenarios Es sollte ein ESC-Musterszenario erstellt werden, das die Einsparpotenziale für den Haushalt des Kunden über die angestrebte Vertragsdauer darstellt. Es ist empfehlenswert, den Kunden zunächst um Angaben zu seinem tatsächlichen Energieverbrauch bzw. den Energiekosten für die entsprechenden Gebäude zu bitten, sodass ein vorläufiger Benchmark erstellt werden kann. Auf diesem Weg können die Chancen für die Umsetzung eines ESC-Projekts eingeschätzt werden. 3.2.1.3 Modernisierungsbedürfnisse in Erfahrung bringen Fragen Sie den für die Technik verantwortlichen Vertreter des Kunden nach dessen Modernisierungsbedürfnissen, die bei den Gebäuden des Kunden bestehen. Illustrieren Sie die Möglichkeit, geplante Modernisierungsmaßnahmen in einem ESC-Projekt über einen 16

Contractor umzusetzen (Maßnahmen werden über die Energieeinsparungen finanziert und Investitionsbudgets bleiben verschont). 3.2.1.4 Umgang mit Personalfragen Die Personalsituation des Kunden in Erfahrung bringen: Gibt es ausreichend technisches Personal um regelmäßige Inspektionen, Wartungsarbeiten und (bei Bedarf) Reparaturen an den vorhandenen technischen Systemen vorzunehmen? Bestehen ausreichende institutionelle Kapazitäten, um Energieeffizienz- oder Einsparpotenziale zu erkennen, die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen und die Umsetzung zu überwachen? Falls nicht: dem Kunden die Möglichkeiten verdeutlichen, externe Experten eines Energiedienstleisters zu involvieren, um die benötigten Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen. 3.2.2 Wichtige Entscheidungsträger Auf Seiten des ESC-Kunden müssen die wichtigen Entscheidungsträger auf finanzieller und technischer Ebene identifiziert und ihnen Projektinformation in einer ihnen jeweils geläufigen Sprache zur Verfügung gestellt werden. 3.2.2.1 Wichtige Entscheidungsträger - was kann man ihnen bieten? Oft sind kommunale Behörden Kunden von ESC-Projekten. In derartigen Fällen trifft in der Regel der Bürgermeister die endgültigen Entscheidungen. Auch wenn der ESC-Vertrag im Normalfall dann vom Bürgermeister oder einem autorisierten Vertreter unterzeichnet wird, bedeutet dies nicht unbedingt, dass der Bürgermeister auch persönlich an der Projektentwicklung beteiligt ist. Aus diesem Grund ist es für ein erfolgreiches ESC-Projekt unentbehrlich, die beteiligten Abteilungen und Verantwortungsträger in der Verwaltung zu informieren und zu überzeugen, damit diese wiederum den Bürgermeister informieren und überzeugen können. Oft reichen die wirtschaftlichen Argumente dabei nicht aus, es sind auch Marketing-Argumente notwendig, um das Projekt auf politischer Ebene zu platzieren. In privaten oder öffentlichen Unternehmen ist die Situation ähnlich, nur dass hier die Verträge in der Regel vom Geschäftsführer oder einem Bevollmächtigten unterzeichnet werden. 3.2.2.2 Wichtige technische Entscheidungsträger - was kann man ihnen bieten? Auf der technischen Ebene legen die Experten der Immobilienabteilung die technischen Anforderungen für das ESC-Projekt fest. Es ist wichtig, ihr technisches Fachwissen hinsichtlich der betroffenen Gebäude zu beachten. Sie müssen überzeugt sein, dass die gewünschten Energieeinsparungen und die technischen Anforderungen an das oder die Gebäude am besten von einem Contractor über ein ESC-Projekt erreicht werden können. Da oft nur begrenzte Investitionsmittel und wenige technisch qualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind (besonders in öffentlichen Einrichtungen), kann ESC als eine mögliche Lösungsstrategie präsentiert werden. 17

Zudem ist es empfehlenswert, die Vor- und Nachteile eines ESC-Projekts mit dem technischen Personal zu diskutieren, um eventuelle Zweifel auszuräumen und Vorteile herausstellen zu können. 3.3 SCHRITT 3: Darstellung des Mehrwertes durch ESC im Vergleich zu internen Lösungen Energieeinsparmaßnahmen können mit eigenem Personal, über externe Lieferanten/ Dienstleister oder alternativ im Rahmen eines ESC-Projekts über einen Energiedienstleister umgesetzt werden. Bei der Make-or-buy -Entscheidung des Kunden sind verschiedene eindeutige Vorteile bezüglich eines Outsourcings von Energiedienstleistungen an einen Contractor zu berücksichtigen. 3.3.1 Risikoübernahme durch den Contractor Jedes Investitions- oder Modernisierungsprojekt birgt Risiken: Wurde das richtige Design ausgewählt, die Installation korrekt und in zeitlichem Rahmen ausgeführt, wird das System planmäßig funktionieren, bleiben die Kosten im Rahmen, werden die Einsparungen wirklich erreicht? Einer der größten Vorteile von Investitionen in Energieeinsparungen im Rahmen eines ESC- Projekts ist die Auslagerung der wichtigsten Risiken des Kunden an den Contractor. Die entscheidenden Aspekte in diesem Kontext sind die Auslagerung von technischen und finanziellen Risiken an den Contractor. Abbildung 5: Mehrwert des ESC im Vergleich zu internen Lösungen (Quelle: Grazer Energieagentur) 18

3.3.1.1 Auslagerung der technischen Risiken In einem ESC-Projekt ist der Contractor für die Gestaltung, den Bau und die (Teil-) Finanzierung der entsprechenden Maßnahmen verantwortlich. Der Contractor garantiert die technische Leistung und kann für das Verfehlen der Leistungs- und Einsparziele verantwortlich gemacht werden. Zudem gewährleistet der Contractor die Wartung und Reparaturen für die neuen Systeme, und falls dies erforderlich sein sollte sogar die Neuinstallation oder den Austausch von installierten Systemen, die nicht planmäßig funktionieren. Abbildung 6: Vergleich interne Lösung und ESC 3.3.1.2 Auslagerung des finanziellen Risikos Da der Contractor die technischen und unternehmerischen Risiken für die garantierten Energiesparmaßnahmen übernimmt, ist der Kunde von allen Kosten befreit, die durch technische Probleme an den vom Contractor installierten Systemen entstehen. Der Contractor hingegen ist sehr daran interessiert, die Energiesparmaßnahmen zu erfüllen und möglichst zu übertreffen und optimiert aus diesem Grund die Parametrierung und Wartung der Anlagen. Geringere Energieeinsparungen bedeuten geringere Einnahmen für den Contractor, da der Contractor die Einsparungen garantiert. 19

3.3.2 Einheitliche Kundenansprache Für die Planung, den Bau und die Wartung eines technischen Systems müsste der Kunde normalerweise verschiedene externe Dienstleister sowie eigenes Personal mit spezifischen Verantwortlichkeiten beauftragen. Im Fall eines Systemausfalls mit unklarem Garantiestatus können diese verteilten Verantwortlichkeiten dazu führen, dass Konflikte zwischen verschiedenen Akteuren (z. B. dem Planer, dem Installateur und dem Wartungsunternehmen) unter schwierigen Umständen und zeitaufwendig geklärt werden müssen. Das Ergebnis sind verzögerte Problemlösungen und finanzielle Verluste. Im Fall eines ESC-Vertrags unterliegen alle Fragen, die ein neues System betreffen, der Verantwortung des Contractors. Im Planungsprozess kann der Kunde sich an den Contractor wenden, der für die Gestaltung und die Umsetzung der Maßnahmen sowie deren Finanzierung verantwortlich ist. In der Betriebsphase muss der Contractor alle Probleme lösen, die bei neuen technischen Geräten entstehen, sowie das Erreichen der garantierten Einsparungen gewährleisten. Der Kunde profitiert also vom Contractor, der im Rahmen des ESC-Vertrags sein alleiniger Ansprechpartner für alle Fragen zur Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen ist. Abbildung 7: nur ein Ansprechpartner (Quelle: Faktor 4) 3.3.3 Gemeinsames Interesse und Erwartungen von Kunden und Contractor Energiespar-Contracting bietet eine klassische Win-Win-Situation, da sowohl der Kunde als auch der Contractor von den erreichten Einsparungen profitieren. Zudem haben Kunde und Contractor ein gemeinsames Interesse hinsichtlich der Art, wie die Einsparungen erreicht werden sollen: Die Konzentration auf die wirtschaftlichsten Maßnahmen garantiert das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis, Verwendung von modernen, hocheffizienten Geräten und Anlagen, Einhaltung von leistungsfähigen Überwachungsstandards, Stetige und zuverlässige Wartung der neuen Geräte über einen langen Zeitraum (Vertragsdauer). 20

Es gibt auch Bereiche, in denen der Kunde und Contractor unterschiedliche Interessen haben, z. B. beim Komfortniveau (z.b. Innenraumtemperaturen). Daher müssen derartige Fragen in der Ausschreibung und dem Vertrag klar definiert werden, sodass es im Anschluss nicht zu Konflikten kommen kann. 3.3.4 Maximierung der Einsparungen durch motivierte externe Lieferanten Alle Institutionen, ob öffentlich oder privat, können ihren Energieverbrauch auf verschiedene Weise senken. Gut ausgebildetes und motiviertes Personal kann einen großen Einfluss auf die Höhe der Energierechnungen haben. In der Praxis gestaltet es sich aus verschiedenen Gründen oft schwierig, das Personal (technisches aber auch nicht-technisches) auf Energieeffizienzfragen aufmerksam zu machen. 1. Energie betrifft oft nicht ihr Kerngeschäft. 2. Die institutionellen Normen für das Energiemanagement reichen nicht immer aus und werden nicht immer eingehalten. 3. Normalerweise gibt es keine Prämien für energieeffizientes Verhalten des Personals. Ein ESC-Projekt unterscheidet sich darin in folgenden Punkten: Ein Contractor ist auf Energieeffizienz absolut spezialisiert und weist umfangreiche Erfahrungen im Bereich des Energiemanagements auf. Da der Contractor für die zu erreichenden Einsparungen garantieren muss, ist er sehr bemüht, die garantierten Einsparungen zu erreichen und zu übertreffen, da dies sein Kerngeschäft darstellt, und Rebound-Effekte zu vermeiden. Energieverbrauch wird effizient überwacht, wobei der Contractor sofort reagiert, wenn die berechneten Einsparziele zu einem beliebigen Zeitpunkt der Vertragsdauer nicht erreicht werden. 3.3.5 Der Kunde kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren Es gibt Kunden mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitern, die sich hervorragend um die Gebäudetechnik kümmern. Dies ist oft der Fall bei Unternehmen oder Institutionen, deren Fokus oder Kerngeschäft im technischen Bereich liegt, sodass hier Synergien nutzbar sind. Bei Institutionen mit einem nicht-technischen Kerngeschäft, wie z. B. Bürogebäuden, Schulen und Kindergärten, sieht die Situation oft anders aus. Hier können der Aufwand und die Kosten für eine adäquate Weiterbildung des Personals - beispielsweise des Hausmeisters hinsichtlich der fachgerechten Bedienung eines neuen Systems erheblich sein. Im Fall des ESC-Vertrags muss kein Personal geschult werden, um die neuen technischen Installationen zu verstehen und zu erhalten, da die Wartungsaufgaben an den Contractor 21

übertragen werden können. So kann sich das Personal auf das Kerngeschäft oder, im Fall des Hausmeisters, auf den Systembetrieb, Sicherheit und technische Dienstleistungen konzentrieren. 3.3.6 Vermeidung von Rebound-Effekten Der Rebound-Effekt bezeichnet verhaltensbezogene oder andere Reaktionen auf neue Technologien, z. B. bei Energieeffizienztechnologien. Diese Reaktionen führen dazu, dass die vorteilhaften Effekte der vorgenommenen Effizienzmaßnahmen teilweise aufgewogen werden, sodass der mögliche Einspareffekt reduziert wird. So kann beispielsweise ein optimiertes Regelungssystem den Energieverbrauch und die Kosten senken. Andererseits könnten in Folge des Gefühls genug für die Umwelt getan zu haben im Gegenzug höhere Raumtemperaturen verlangt werden, sodass der Energieverbrauch wieder ansteigt. Während eines ESC-Projekts hat der Contractor ein unmittelbares Interesse daran, dass die eingeführten Energieeinsparmaßnahmen nachhaltig sind. Der Contractor überwacht daher den Energieverbrauch sowie die Betriebsparameter und unternimmt im Fall, dass sich die erreichten Energieeinsparungen verringern, Gegenmaßnahmen. Abbildung 8: Rebound Effekte bei ESC Projekt nicht möglich 22

3.3.7 ESC ergänzt Eigeninitiativen Im Allgemeinen sind ESC und Eigeninitiativen überhaupt nicht widersprüchlich. Energieeinsparungen können über eine Partnerschaft zwischen internem Energiemanagement und externen Contractoren optimiert werden. Dies wird auch am Ende eines ESC-Vertrags deutlich, wenn der Gebäudebesitzer nach einer Abschlussprüfung das System übernimmt und von allen zukünftigen Einsparungen alleinig profitieren kann. Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass Nachfolgeverträge oder sogar eine neue ESC-Auftragsvergabe zum Erreichen der Einsparungen oder sogar langfristig zur Erhöhung der Einsparungen des Kunden beitragen können, wobei der Rebound-Effekt vermieden wird. Im Jahr 2012 hat die Berliner Energieagentur GmbH zusammen mit der Bremer Energieagentur eine Vergleichsstudie über den Erfolg der Energieeinsparmaßnahmen im Rahmen eines ESC-Projekts und der Eigenumsetzung durchgeführt. Die Analyse umfasste 23 ESC-Projekte und 36 Eigenumsetzungen. 4 Der Vergleich der umgesetzten Maßnahmen zeigte auf, dass in allen Bereichen mehr Maßnahmen in ESC-Projekten umgesetzt werden. Anscheinend ist die interne Realisierung von Energieeffizienz-Maßnahmen eher durch einen anstehenden Erneuerungs- oder Reparaturbedarf motiviert als durch die systematische Erschließung des bestehenden Effizienz- und Optimierungspotenzials der Liegenschaften. Bei ESC-Projekten ist dagegen die ständige Verbesserung der Energieeffizienz der zentrale Antrieb für den Contractor, um die dem Kunden versprochenen Einsparungen zu erreichen. 3.3.8 Vorteile des ESC für den Kunde In der folgenden Tabelle werden die Vor- und Nachteile von ESC-Projekten denen der eigenen Umsetzung gegenübergestellt: Vorteile/ Nachteile ESC Eigene Umsetzung Einspargarantie Contractor garantiert im Keine garantierten Einsparungen ESC-Vertrag Energieeinsparungen Maximierung der Energieeinsparungen Contractor ist hoch motiviert die Energieeinsparungen zu maximieren Drohende Rebound-Effekte 4 Die Studie ist leider nur in deutscher Sprache, aber mit einer englischen Zusammenfassung auf Seite 7/8 hier verfügbar: http://www.kompetenzzentrum- contracting.de/fileadmin/uploads_redaktion/pdf/literatur_download/endbericht%20contracting%20vs%20eigenregie-2012-04- 25_final.pdf. 23

Maximierung der finanziellen Entlastung festgelegte Einspargarantie im ESC-Vertrag Monetäre Einsparungen können bei eigener Umsetzung höher sein, vorausgesetzt der Kunde verfügt über ausreichende Ressourcen/zieht Externe hinzu, um umfassende Energiesparmaßnahmen im Gebäuden vorzunehmen Technische Risiken Contractor Kunde Technische Verantwortlichkeiten für neue Systeme (Ersatzinvestition/ Garantie) Contractor über die gesamte Vertragsdauer (nur eine Schnittstelle) Externe Planer/ Installateure nur während Garantiedauer (normalerweise 2 Jahre); nach Ablauf der Garantie: Kunde verantwortlich Finanzielles Risiko Contractor Kunde Finanzierungskosten Könnten niedriger sein, vorausgesetzt der Kunde verfügt über die für die Maßnahmen nötigen Mittel bzw. günstigere Finanzierungsoptionen Komfortniveau für die Gebäudenutzer Energieoptimierung auf definiertem Komfortniveau Volle Flexibilität bezüglich des Komfort-niveaus Planungsvorgang Koordiniert durch Contractor Koordiniert durch Kunde und externe Planer Rebound-Effekte Contractor ist hoch motiviert, alle eventuellen Rebound-Effekte zu vermeiden Normalerweise wieder ansteigender Energieverbrauch nach Maßnahmen-Umsetzung beobachtbar (sog. Rebound-Effekt) 3.3.9 Professionelle Unterstützung In der heutigen Zeit sind die Planung, Umsetzung und Überwachung von komplexen Energiesparmaßnahmen zum großen Teil Aufgaben für technische Experten. Nur sehr wenige Kunden verfügen über das erforderliche Fachpersonal. Aus diesem Grund müssen zahlreiche technische Aufgaben ausgeschrieben, entsprechende Experten koordiniert, Schnittstellen definiert und mögliche Konflikte gelöst werden. Ein ESC-Projekt befreit den Kunden von der umfassenden Aufgabe, die Installationen zu planen und externe Installateure und Dienstleister zu koordinieren, da dies eine der Hauptaufgaben des Contractors ist. Der Kunde hat dabei den Vorteil, dass er nur eine Schnittstelle für die Planung, Umsetzung und den Betrieb bzw. die Wartung des neuen Systems hat. 24

Natürlich stimmt es, dass ein ESC-Projekt (bei öffentlichen Kunden) einen komplexen Ausschreibungsvorgang umfasst, welcher intensiv vorbereitet werden muss. Dabei ist es sehr empfehlenswert, einen erfahrenen ESC-Projektentwickler zur Unterstützung des Kunden bei der professionellen Vorbereitung und Umsetzung der ESC-Maßnahme einzubinden. 25

4 Das ESC-Projekt Ein ESC-Projekt ist ein anspruchsvoller Prozess, der aber mit der richtigen Strukturierung aus Kundensicht nicht übermäßig anspruchsvoll bzw. komplex sein sollte. Vor allem müssen bestimmte Arbeitsabläufe Schritt für Schritt befolgt werden. Im Rahmen dieser Arbeitsabläufe müssen bestimmte Dokumente bereitgestellt oder erstellt werden, um verschiedene Angebote vergleichen und das beste Angebot auswählen zu können. In diesem Kapitel geht es um die Auftragsvergabe des Projekts, den ESC-Vertrag und Finanzierungslösungen für ESC. Abbildung 9: Phasen eines ESC-Projektes Prozesse (Quelle: SEVEn) 4.1 SCHRITT 4: ESC-Beschaffung: Ausschreibung und Auftragsvergabe Solange sich ein ESC-Projekt in der Vorbereitungsphase befindet, haben alle Konzepte und Entscheidungen vorläufigen Charakter. Wird aber eine ESC-Entscheidung getroffen, wird die Theorie zur Praxis und der Projektentwickler muss seine Kompetenz beweisen. Es hängt von den Ressourcen und den Kompetenzen des öffentlichen Kunden ab, ob das Management des Auftragsvergabeverfahrens (z. B. Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog) vom Projektentwickler übernommen werden sollte. Reicht die 26

eigene Erfahrung nicht aus, ist es empfehlenswert, Projektentwickler einzubinden, die bereits Erfahrungen mit ESC-Projekten haben. 4.1.1 Benötigtes Einverständnis für den Start einer öffentlichen Ausschreibung In der Regel ist es notwendig, zunächst das Einverständnis des Besitzers einzuholen, um mit der Ausschreibung zu beginnen. Ein ESC-Experte kann dabei unterstützen, diesen vom Projekt zu überzeugen. Der Einkäufer hat zunächst folgende rechtliche Rahmenbedingungen zu prüfen 5 : Öffentliche Ausschreibung in Form eines Verhandlungsverfahrens mit Veröffentlichung normalerweise veröffentlicht im Amtsblatt für öffentliche Aufträge oder www.ted.europa.eu (Tenders Electronic Daily - TED). Öffentlicher Sektor (Regionen, Städte und Gemeinden): ein ESC-Projekt muss vom Kunden freigegeben werden, auch wenn der Vertrag von einer anderen rechtlichen Institution abgeschlossen wird. Öffentlicher Sektor (staatliche Institutionen und Organisationen): die direkte Liefer- Beziehung könnte im Fall einer Komplettfinanzierung über die Kosteneinsparungen gegebenenfalls als Lieferantenkredit klassifiziert werden, wodurch z.b. die Nutzung staatlicher Fördermittel einschränkt sein könnte (bzw. eine staatliche Genehmigung oder Registrierung des Vertrags erfordern könnte). 4.1.2 Zeitrahmen des Ausschreibungsvorgangs Abbildung 10: Zeitrahmen des Ausschreibungsvorgangs 5 kann je nach nationalen Beschaffungsgesetzen variieren 27

4.2 Ausschreibungsunterlagen 4.2.1 Erforderliche Gebäudedaten Der erste Schritt zur Erstellung der Ausschreibungsunterlagen ist die Recherche zum aktuellen Zustand der Gebäude und zu deren Energie- und Wasserverbräuchen. Von Beginn an muss eine Kurzbeschreibung des Gebäudes vorliegen, mit mindestens den folgenden Angaben: Baujahr Größe/ Maße des Gebäudes (m², wie viele Etagen, ) Nutzungsart, ggfs. verschiedene Nutzungstypen Wer ist der Besitzer, wer sind die Nutzer? Nutzungszeiten (Stunden pro Tag, im Wochenverlauf, im Jahresverlauf) Welche Renovierungsarbeiten wurden schon durchgeführt? Weitere wichtige zu erhebende Informationen: Gibt es Probleme, den erforderlichen Komfortstandard zu erreichen? Gibt es häufig Reparaturen? Wer ist für die Wartung (internes oder externes Personal) verantwortlich und was ist genau vertraglich vereinbart? Ist eine Änderung der Nutzungsart geplant bzw. absehbar? Hat der Kunde keine ausreichenden Kenntnisse bzgl. der Ausschreibungsvorbereitung, ist es empfehlenswert, bei der Bearbeitung der Ausschreibungsunterlagen einen Berater für die folgenden Aufgaben hinzuzuziehen: Erarbeitung der für die Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen benötigten relevanten Basisdaten und Dokumente Prüfung der Möglichkeit, ESC bei der Planung von Baumaßnahmen in Erwägung zu ziehen (z.b. bei der Fassadendämmung und Erneuerung von Fenstern) Ausschreibungsunterlagen müssen die Berechnungsgrundlagen für den zugrunde gelegten Referenzverbrauch enthalten 4.2.2 Benötigte Bestandteile der Ausschreibungsunterlagen Mit den gesammelten Daten können die Ausschreibungsunterlagen erstellt werden. Die Ausschreibungsdokumente sind ein weiterer und entscheidender Teil des gesamten Ausschreibungsvorgangs: je besser Qualität, Umfang und Genauigkeit der technischen und organisatorische Informationen, desto weniger Aufwand werden die Bewerber haben, um ihre Angebote inklusive Planung und Wartung zu kalkulieren und desto geringer ist das Risiko, dass der Contractor später Nachforderungen stellt. Die Ausschreibungsunterlagen umfassen normalerweise: Energieaudit/ESC-Check Daten zum Energieverbrauch (der letzten 2-3 Jahre) 28

Kopien der Energierechnungen (mindestens über den Zeitraum von einem Jahr) Detaillierte Beschreibung des aktuellen Zustands des Energiesystems und des Energiemanagements Technische Daten und Berechnungsgrundlage für einen Referenz-Energieverbrauch Vertragsentwurf. Um die Qualität der Angebote zu gewährleisten, ist im Rahmen der Ausschreibung ein Vor- Ort-Besuch wichtig und empfehlenswert. Ausschreibungsdokumente müssen folgendes definieren: Eindeutige Ziele (z. B. Mindesteinsparungen bei Energiekosten, Energieverbrauch oder CO2-Emissionen) Organisatorische Aspekte o Welche Aufgaben sollte der Contractor übernehmen? o Wie werden die Bewertungskriterien gewichtet? Technische Aspekte o Beschreibung der Gebäude o Energiestatistiken der letzten 2-3 Jahre (Baseline), Betriebszeiten, Liste der Geräte, Gebäudenutzung, benötigte Raumtemperatur (Temperatur, Belüftung,...) o Verbrauchswerte (als Basis) o Wünsche und Optionen Finanzielle Aspekte o Maximale Amortisationszeit o Finanzielle Organisation: wer ist verpflichtet zu investieren: Kunde, Contractor oder beide 4.2.3 Energie-Baseline Eine der wichtigsten Aspekte eines ESC-Projekts ist die so genannte Baseline, die Informationen zum Energieverbrauch und den Energiekosten bietet. Grundlage sind die Rechnungen der Energielieferanten (z. B. Elektrizität, Gas, Fernheizung). Der durchschnittliche Verbrauch und die Kosten der letzten 2-3 Jahre (empfohlen) sind ein guter Maßstab für die Berechnung zukünftiger Einsparungen. Informationen zur Witterungsbereinigung sowie zu Nutzungsänderungen während der zu Grunde gelegten Jahre müssen erwähnt werden. Eine Vorlage zur Baseline finden Sie hier (deutsch): http://eesi2020.eu/au/eesi-toolbox/leitfaeden-und-musterdokumente/ http://eesi2020.eu/au/wp-content/uploads/sites/5/2013/10/eesi_baselinedaten.pdf Eine detaillierte Beschreibung über das Erstellen einer Baseline finden Sie in Anhang 1: Berechnung der Baselineislinie 29

4.3 SCHRITT 5: Der ESC-Vertrag Um Kunden zu einer vertraglich ausgewogenen Partnerschaft mit Energiedienstleistern zu verhelfen wurde in Europa (und in anderen Ländern, wie den USA) eine Reihe von ESC- Standard-Verträgen entwickelt. Im Allgemeinen wurden diese Standarddokumente geprüft und von vielen Interessenvertretern, inklusive der Energiedienstleistungsbranche, verschiedenen Regierungsabteilungen sowie privaten und öffentlichen Anlagenbesitzern und -betreibern, gebilligt. Sie sind eine Standardvorlage für die Verhandlung und Umsetzung eines erfolgreichen Energiespar-Contracting Projektes. Da verschiedene europäische Modellverträge und verschiedene ESC-Ansätze bestehen, gibt es nicht DEN europäischen Modellvertrag, sondern verschiedene Modellverträge. Der Energiespar-Garantievertrag zwischen dem Contractor und dem Kunden umfasst mindestens die Garantien für Energie(kosten)einsparungen und regelt die Aufteilung der finanziellen und technischen Risiken bei der Umsetzung sowie den Betrieb über die gesamte Projektdauer von normalerweise 5 bis 15 Jahren (weitere Angaben finden im Kapitel 5.2.1). Ein ESC-Vertrag ist ein sog. typengemischter Vertrag, der Elemente aus verschiedenen Vertragstypen, etwa Verträge, die Lieferungen, (Dienst-)Leistungen und Bauleistungen regeln, kombiniert. Ein Modellvertrag ist normalerweise Teil der Ausschreibungsunterlagen, da nur anhand dieses Dokuments Angebote sinnvoll verglichen werden können (teilweise umfangreich, da der vollständige Vertrag unter Umständen 50 bis 100 Seiten umfasst). Es ist wichtig, bei der Beschaffung von verschiedenen Leistungen die diesbezüglichen Regelungen zu beachten und in die Ausschreibungsunterlagen einzuarbeiten. 4.3.1 Hauptbestandteile eines Energieleistungsvertrags 6 1) Definition eines Referenzszenarios (Baseline) für den Energieverbrauch und die Kosten. Das Referenzszenario des Energieverbrauchs muss eindeutig definiert werden. Es wird in physikalischen Einheiten beschrieben. Es basiert auf eindeutig definierten Spezifikationen zum Betrieb und der Verwendung im betroffenen Gebäude. Für alle finanziellen und wirtschaftlichen Zwecke wird das Referenzszenario mit aktuellen Preisen berechnet. 2) Einspargarantie der Energiedienstleister (Contractor) garantiert eine bestimmte jährliche Energie(kosten)einsparung, die während der Vertragslaufzeit erreicht werden muss. 3) Vergütung (Contracting-Rate) Im Vertrag wird genau geregelt, welcher Anteil an den erreichten Einsparungen an den Contractor für seine Leistungen gezahlt wird (inkl. 6 Quelle: http://www.european-energy-service-initiative.net/fileadmin/user_upload/gea/standard_documents/standard5_contracts.pdf 30

Investitionsanteil). Normalerweise wird diese Vergütung nach Vereinbarung an einem bestimmten Termin monatlich im Voraus gezahlt. Ist ein Vertragsjahr abgelaufen, werden die Zahlungen entsprechend der erzielten Einsparungen (siehe Punkt 9) verrechnet. Bei der Bestimmung der Einsparungen muss auch eindeutig definiert werden, was geschieht, wenn die garantierten Einsparungen nicht erreicht werden, z. B. muss eine klare Beschreibung vorliegen, wie der Contractor im Fall einer negativen Bilanz zwischen garantierten Einsparungen und tatsächlich erreichten Einsparungen vorgeht. Auch wenn die garantierten Einsparungen übertroffen werden, muss klar geregelt werden, wie die zusätzlichen Einsparungen zwischen dem Kunden und dem Contractor aufgeteilt werden. 4) Vertragslaufzeit die Laufzeit des Vertrags muss definiert werden und in eine Umsetzungsphase (Planung, Bau) und Betriebsphase (Erreichen der Sparziele) unterteilt werden. 5) Investitionsumfang der Energiesparmaßnahmen (und ein erster Entwurf des technischen Konzepts inklusive der wichtigsten Maßnahmen) 6) Verantwortung des Contractor für die korrekte Planung der Energiesparmaßnahmen und deren Umsetzung. 7) Verpflichtung des Kunden, geeignete Bedingungen für die Umsetzung der Energiesparmaßnahmen zu schaffen. Zudem müssen Komfortanforderungen (z. B. Raumtemperaturen) definiert werden. 8) Art des Eigentumsübergangs der installierten Energiespartechnologien auf den Kunden. 9) Verpflichtung des Contractors, einen Jahresbericht über die jährlichen Einsparungen zu erstellen. Der Contractor erstellt detaillierte Angaben über die Höhe der erreichten Einsparungen im betreffenden Jahr - in physischen als auch monetären Einheiten. Zudem muss die Methode der Neuberechnung der erreichten Einsparungen für den Fall definiert werden, dass die Eingabeparameter - von den im Referenzszenario (Baseline) des Energieverbrauchs bestimmten Werten - abweichen. 10) Definition des Prozesses, wie die Umsetzung der Maßnahmen zwischen Kunde und Contractor vereinbart wird. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten: 1. alle Maßnahmen werden während der Verhandlungsphase vereinbart: Nach Vertragszuschlag benötigt der Contractor keine weitere Bestätigung des Kunden für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen 2. Jede Maßnahme muss nach Abschluss der (Ausführungs-)Planung vom Contractor vor ihrer Umsetzung genehmigt bzw. abgezeichnet werden. Zudem kann der Vertrag folgendes enthalten 7 (z. B. in Anhängen): Detaillierte Beschreibung des Energiesystems, inkl. eines Referenzverbrauchs und der Referenzkosten Detaillierte Beschreibung der grundlegenden Energieeffizienzmaßnahmen Preisberechnung und Raten 7 Cf. http://www.rea.riga.lv/files/managenergy_workshop_riga_02-10-2013_vladimir_sochor.pdf 31

Zeitplan der Projektumsetzung Berechnungsmethode der erreichten Einsparungen Verhalten bei Nutzungsänderung (z. B. längere Nutzungsstunden eines Gebäudes) Eigenschaften des Energiemanagements Benennung kompetenter/zuständiger Personen Liste der Subunternehmer 4.3.2 Spezifikation bestimmter Maßnahmen in den Ausschreibungsunterlagen Zudem können zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen sinnvoll erscheinen, auch wenn dadurch die Amortisationszeit die Vertragslaufzeit übersteigt. Diese zusätzlichen Optionen müssen in den Ausschreibungsunterlagen genau definiert werden, da ein Contractor anderenfalls derartige Maßnahmen nicht freiwillig anbieten wird, da sie sich für ihn bei der wirtschaftlichen Angebotsbewertung negativ auswirken könnten. Gleichwohl sollte der Kunde nicht übermäßig viele spezifische Maßnahmen definieren, da dies den Umfang der optimierten Lösungen der Bewerber limitiert. Beispiel: Ein Heizkessel, der sich offensichtlich am Ende seiner Lebensdauer befindet, muss vom Contractor obligatorischerweise ausgetauscht werden. Die Erneuerung der Fenster hat eine längere Amortisationszeit, ist aber notwendig, da sich die Fenster am Ende ihrer Lebensdauer befinden. Das Angebot weiterer Maßnahmen liegt im Ermessen des Contractors: Begrenzung der Raumtemperatur zum Beispiel durch Austausch der Heizungsventile Austausch der Heizkessel, der Heizungsregelung oder anderer Teile des Heizsystems Einführung eines Energiemonitoring-Systems. 4.4 SCHRITT 6: Finanzierung der ESC-Projekte Die Finanzierung des ESC-Projekts hat bedeutenden Einfluss auf die Stakeholder-Struktur. In den letzten Jahren wurde eine Großzahl verschiedener Finanzierungssysteme entwickelt und umgesetzt, was zeigt, dass der Projektentwickler die Finanzierung an die Bedürfnisse und Finanzierungsmöglichkeiten des Kunden anpassen sollte. Hier ein Überblick über die gängigsten Finanzierungsmöglichkeiten: Finanzierung durch den Kunden (Kredit oder Leasing) Finanzierung durch den Contractor (Kredit oder Leasing) Finanzierung durch den Contractor über die Abtretung von Contracting-Raten, d.h. Forfaitierung Finanzierung durch Dritte Fördermittel Kombination aus diesen Methoden 32

Die verschiedenen oben genannten Pläne werden in den folgenden Grafiken dargestellt Abbildung 11: Finanzierungsmodelle 33

34

Dabei ist es normalerweise notwendig, eine Erklärung zu vereinbaren, die die Forderungen unanfechtbar macht. Bei der Finanzierungsentscheidung sollten folgende Punkte beachtet werden: 1. Direkte Finanzierungskosten (Finanzierungsbedingungen, Zinssätze, Gebühren, ) 2. Rechtliche Aspekte (Rechte und Pflichten, Eigentumsverhältnisse, Vertragsabbruch, Vertragsbeendigungsklauseln, ) 3. Von Finanzinstitution geforderte Sicherheiten 4. Steuerpflichten (Mehrwertsteuer, Körperschaftssteuer, Übernahme von Grundsteuern, ) 5. Bilanzielle und buchhalterische Implikationen (wer aktiviert die Investition, Bilanzeffekte wie Kreditlinien, Maastricht-Kriterium, ) 6. Geschäftsführungsaufwand (Transaktionskosten, umfassende Beratung) Es wird empfohlen, für jeden Kunden ein Profil seiner Bedürfnisse zu erstellen, um den Auswahlprozess bezüglich der geeigneten Finanzierungsoption zu standardisieren. Abbildung 12: Wer finanziert? 35

Weitere Informationen: http://www.grazerea.at/eesi/upload/download/standard%20documents/eesi_wp2_standarddocument_financ ing.pdf Detaillierte Angaben (nur in deutscher Sprache verfügbar): http://www.grazer-ea.at/eesi/upload/download/standard%20documents/geat16_finanzierungsmodelle_fuer_energiedienstleistungen_endbericht_080113.pdf 36

5 Anhänge 5.1 Anhang 1: Berechnung der Baseline Energie-Baseline wird in der Norm DIN EN 15900 8 als der Energieverbrauch, der über einen Zeitraum durch berechnete oder gemessene Gewichtungsfaktoren normiert wird definiert. Die Bestimmung der Baseline ist einer der ersten Schritte bei der Vorbereitung eines ESC- Projekts. In einigen Fällen hat der Kunde vielleicht bereits eine Machbarkeitsstudie oder ein Energieaudit vorgenommen (oft über einen Berater realisiert). Einfache Unterschiede in der Auslegung der Messdaten, Maßnahmen und Prüfungsmethoden können (manchmal) große finanzielle Konsequenzen haben. Die Durchführung von Audits oder Machbarkeitsstudien/ESC-Checks ist ein kosten- und ressourcenintensiver Vorgang. Dabei können eine Besichtigung der Anlage und eine Prüfung der Energierechnungen sehr hilfreich sein. Kann der Energieverbrauch des Gebäudes weder gemessen noch berechnet werden, muss die Eignung des Gebäudes für ein Energiespar-Contracting geprüft werden. 5.1.1 Hauptkomponenten einer Baseline von Energiekosten Die folgende Abbildung zeigt die Zeitschiene der Baseline-Bewertung: Die Baseline-Berechnung wird nach der Umsetzung eines Energieeffizienzprojektes erneut durchgeführt: die Energieeinsparungen werden über den Vergleich der Baseline mit dem 8 Energieeffizienzdienstleistungen Definitionen und Anforderungen Englische Übersetzung von EN 15900:2010 (E) 37

berechneten Energieverbrauch entsprechend der im ESC-Vertrag bestimmten Methodik abgeleitet. Während des EESI-Projekts wurde (auf Grundlage der Methoden und Erfahrungen der EESI- Partner) ein Dokument erstellt, das Grundlagen und Bemerkungen, Berechnungen und Buchhaltung von Einsparungen bei Energiekosten-Baselines im Rahmen von Energiespar- Contracting enthält: http://www.european-energy-serviceinitiative.net/fileadmin/user_upload/gea/standard_documents/standard4_baseline.pdf Innerhalb dieses Dokuments werden die vier Schritte des Baseline-Vorgangs erklärt, z. B. SCHRITT I Sammlung und Auflistung der Rechnungen, SCHRITT II Zeitkorrektur für das Baseline-Jahr SCHRITT III Preiskorrektur, SCHRITT IV Dokumentation der Baseline. Abbildung 13: Baseline - Schritt für Schritt 5.1.2 Bestimmung der Energiekosten-Baseline Zunächst ist zu beachten, dass es für einzelne ESC-Projekte empfehlenswert ist, zusätzlich zur Reduzierung von Energiekosten bzw. des Energieverbrauchs weitere Medien zu betrachten, insbesondere die Kosten für Frisch- und Abwasser. 38