Abb. 1 Würfelkapitell

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Das Würfelkapitell Definition Der Begriff Kapitell kommt aus dem Lateinischen capitulum bzw. capitellum und bedeutet übersetzt Köpfchen. 1 Das Kapitell beschreibt den Bereich zwischen einer Säule und einer darüber liegenden Wand oder einer Arkade. Damit bildet das Kapitell den Abschluss der Säulen. Das Würfelkapitell ist eine Unterform des Kapitells. Die verschiedenen Kapitellformen unterscheiden sich nicht in ihrer Funktion sondern in ihrem Aufbau und der dadurch entstehenden Wirkung. Würfelkapitelle waren vor allem in der Romanik weit verbreitet. Aufbau Abb. 1 Würfelkapitell Der Grundkörper des Würfelkapitells ist der Quader. Die Ecken des Quaders runden sich beim Würfelkapitell jedoch nach unten hin ab, sodass sich die Quaderstruktur nach unten hin auflöst. Hans Weigert sagt dazu, dass es das einzige Kapitell sei, dass es schaffe die Aufgabe einer Überleitung vom Quadrat zum Kreis zu schaffen. 2 Eine andere Möglichkeit den Aufbau zu verdeutlichen ist es, das Kapitell in zwei verschiedene Würfelarten einzuteilen. Die obere Hälfte beschreibt dabei einen normalen geometrischen Würfel mit scharfen Kanten. Die untere Hälfte entspricht einem Spielwürfel mit abgerundeten Kanten. 3 (Abb. 1) Die halbrunden Seiten des Kapitells nennt man Schilde. Das Aussehen eines Würfelkapitells kann je nach Ausprägung der Schilde unterschiedlich sein. 4 Die abgerundeten Kanten des Würfels werden als 1 HANS KOEPF, GÜNTHER BINDING, Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 2016, S. 271-275 2 HANS WEIGERT, Das Kapitell in der deutschen Baukunst des Mittelalters, Halle (Saale) 1943, S. 24 3 Ebd. 4 UWE LOBBEDEY, Kapitelle des Mittelalters. Ein Leitfaden, Münster 2004, S.43

Abläufe bezeichnet. Abläufe können unterschiedlich stark abgerundet sein und damit kann das Aussehen ebenfalls deutlich variieren. 5 Funktion Das Kapitell und damit auch das Würfelkapitell fungiert als Verbindungselement zwischen der Säule und dem Bogenfuß. 6 Durch diese Verbindung hat das Kapitell die Aufgabe, die Last der Gewölbe und Arkaden in die Säulen und damit in den Boden weiterzuleiten. Hans Weigert beschreibt das Kapitell dabei als ein Becken, das die Last auffängt. 7 Diese Erläuterung unterstützt damit die Auffassung der Romanik, die die schwere Masse betonte. Verbreitung und Entwicklung Die genaue Herkunft des Würfelkapitells ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es gibt verschiedene Regionen, die zur Entwicklung des Würfelkapitells beigetragen haben können. Laut Hans Weigert sind in der Lombardei und in Armenien (Byzanz) Ursprünge zu finden. Aber auch der Holzbau könnte seinen Beitrag dazu geleistet haben. Dort tritt das sogenannte Trapezkapitell (Abb.2) auf, welches als Vorlage für das Würfelkapitell gedient haben könnte. Für alle drei möglichen Einflüsse gibt es allerdings keine ausreichenden Belege. 8 Das Würfelkapitell entstand Ende des 10.Jahrhunderts, in der Romanik. Es ist zu diesem Zeitpunkt ohne Verzierungen oder Ornamente. Dies änderte sich Ende des 11.Jahrhunderts. Nun bildete das unverzierte Würfelkapitell nur die Grundform und wurde mit Ornamenten ausgeschmückt. Die Ornamente stellten menschliches Leben, Pflanzen oder Tiere dar. Auch Szenen aus der Heilligen Schrift wurden auf den Kapitellen abgebildet. 9 Ab ungefähr 1065 addierte man auch sogenannte Scheiben auf das Würfelkapitell. 10 Scheiben sind eine Art zweite Schicht, die auf jeder Seite des Kapitells addiert werden. Die Scheiben sind in ihrer horizontalen Länge kleiner, sodass ihre Schilde versetzt zum vorherigen liegen. So entsteht eine Treppenoptik. Eine andere Methode der Weiterentwicklung eines Würfelkapitells fand man in der Vermehrung der Seiten von vier auf sechs oder acht Seiten. 11 Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den davor aufgeführten Methoden um eine Änderung der Grundform. In der Spätromanik kommt dann wieder das ursprüngliche und unverzierte Würfelkapitell auf. 12 5 Ebd., S. 43 6 LOBBEDEY, S. 43 7 WEIGERT, S. 24 8 Ebd., S. 25 9 Ebd., S. 27 10 LOBBEDEY, S. 43 11 Ebd., S. 26 12 WEIGERT, S. 41

Das Würfelkapitell ist vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet, teilweise aber auch in Norditalien, Frankreich (Elsass und Lothringen) und England. In England existierten vermehrt Sonderformen des Würfelkapitells, ein Beispiel ist das Pfeifenkapitell. 13 (Abb.3) Abb. 2 Trapezkapitell Abb. 3 Pfeifenkapitell Das bekannteste Beispiel für die Verwendung von Würfelkapitellen ist die St. Michael Kirche in Hildesheim. In dieser Kirche entwickelte sich unter Bischof Bernward ein neuer Baustil. Bis dahin weit verbreitet war der rheinische Stützenwechsel. Dieser bestand aus dem Wechsel runder Säulen und kantigen Pfeilern. Nun wurde der niedersächsische Stützenwechsel verwendet: zwei Säulen und ein Pfeiler (Abb.4). Die Säulen im Mittelschiff werden mit Würfelkapitellen abgeschlossen. 14 Auf den Kapitellen sitzen die sogenannten Kämpfersteine. Diese sind mit ihrer hellen Farbe, ebenso wie die roten Kapitelle, farblich angepasst. Die Arkadenbögen beinhalten wechselnde rote und weiße Steine. 15 Abb. 4 St.Michael Hildesheim 13 LOBBEDEY, S. 43 44 14 ROLF TOMAN, Die Kunst der Romanik. Architektur- Skulptur- Malerei, Köln 1996, S. 40 41 15 THIES, S. 210 211

Regionales Beispiel: Mainzer Dom Der Mainzer Dom ist eine dreischiffige Basilika mit je einem Querschiff im Osten und einem im Westen. 16 Im Mainzer Dom sind in der Gotthard-Kapelle Würfelkapitelle vorzufinden. Die Gotthard-Kapelle (Abb.5) wurde 1137 fertiggestellt und ist an den Mainzer Dom angegliedert. 17 Im Untergeschoss befinden sich massive rechteckige Pfeiler. Sie bilden ein quadratisches Zentrum in der Mitte der Kapelle. Im Obergeschoss dagegen befinden sich Säulen mit Würfelkapitellen, welche die Rundbögen tragen. 18 Abb. 5 Gotthard Kapelle 16 RICHARD W. GASSEN, MICHAEL IMHOF, Romanik zwischen Speyer, Mainz und Heidelberg, Petersberg 2007, S. 89 17 Ebd., S. 87 88 18 Ebd., S. 99 100

Literaturverzeichnis ECKSTEIN, HANS, Die Romanische Architektur - Der Stil und seine Formen, Köln 1977. GASSEN, RICHARD W; IMHOF, MICHAEL, Romanik zwischen Speyer, Mainz und Heidelberg, Petersberg 2007. KOEPF, HANS; BINDING, GÜNTHER, Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart 2016. LOBBEDEY, UWE, Kapitelle des Mittelalters. Ein Leitfaden, Münster 2004. THIES, JÜRGEN, Die Symbole der Romanik und das Böse. Die Externsteine und die Werke Bernwards in Hildesheim im Fokus Band I 2007. TOMAN, ROLF, Die Kunst der Romanik. Architektur- Skulptur- Malerei, Köln 1996. WEIGERT, HANS, Das Kapitell in der deutschen Baukunst des Mittelalters, Halle (Saale) 1943. Abbildungsverzeichnis Die Rechte aller Abbildungen in diesem Text aus dem Jahre 2018 liegen bei der Autorin Sabrina Scholles.