Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins



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Berlin, im Dezember 2012 Stellungnahme Nr. 87/2012 abrufbar unter www.anwaltverein.de Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Elektronischer Rechtsverkehr zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Mitglieder des Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr: Rechtsanwalt und Notar Ulrich Volk, Wiesbaden (Vorsitzender und Berichterstatter) Rechtsanwalt Dr. Markus Burianski, Frankfurt am Main Rechtsanwalt Thomas Feil, Hannover Rechtsanwalt Dr. Helmut Redeker, Bonn Rechtsanwalt Martin Schafhausen, Frankfurt am Main Rechtsanwalt Dr. Rainer Spatscheck, München Zuständig in der DAV-Geschäftsführung: Rechtsanwalt Thomas Marx

Seite 2 von 11 Verteiler: Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz Justizministerien und -senate der Länder Landesjustizverwaltungen Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Arbeitsgruppe Recht Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Vorstand und Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende des FORUMs Junge Anwaltschaft Deutscher Richterbund Bund Deutscher Verwaltungsrichter Deutscher Steuerberaterverband GRUR BITKOM DGRI Bundesverband der Freien Berufe EDV-Gerichtstag Gemeinsame Kommission elektronischer Rechtsverkehr des Deutschen EDV-Gerichtstages Bundesrechtsanwaltskammer Bundesnotarkammer Deutscher Notarverein e. V. Redaktion NJW JUVE-Verlag ver.di Bundesverwaltung, Fachbereich Bund und Länder, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte

Seite 3 von 11 Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca. 67.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene I. Grundsätzliches Der DAV hat zum Diskussionsentwurf des Gesetzes die Stellungnahme Nr. 64/2012 abgegeben, abrufbar unter www.anwaltverein.de. Auf die Ausführungen in diesem Diskussionsentwurf wird Bezug genommen. Mit dieser Stellungnahme hat der DAV zum Regelungsgehalt des Entwurfes bereits inhaltlich Stellung genommen. Die hiermit vorgelegte Stellungnahme beschränkt sich daher auf die Vertiefung derjenigen Argumente, die aus anwaltlicher Sicht von besonderer Bedeutung sind. Der DAV dankt für die mit Schreiben vom 26.10.2012 eingeräumte Gelegenheit, auch zum Referentenentwurf noch einmal Position beziehen zu können. II. Zur zeitlichen Staffelung Zum 01.01.2014 sollen bereits einige Regelungen in Kraft treten. Von Bedeutung sind insbesondere die Regeln über die Beweiskraft gescannter öffentlicher Urkunden ( 371 b ZPO-E), die Einrichtung eines zentralen länderübergreifenden elektronischen Schutzschriftenregisters ( 945 a ZPO-E) und die Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen, arbeitsgerichtliche Mahnverfahren einem zentralen Mahnarbeitsgericht zuzuweisen. Artikel 19 E enthält eine Verordnungsermächtigung für die Länder, die durch Rechtsverordnungen bestimmen können, dass die Neuregelung im 130 a ZPO-E über die Eröffnung des ERV mittels sicherer Übermittlungswege noch nicht in Kraft treten soll (Optout-Lösung). Von dieser Verordnungsermächtigung können die Länder immer nur zum Ende eines Kalenderjahres und nur für alle Gerichtszweige Gebrauch machen. Im Ergebnis wird dies bedeuten, dass einzelne Bundesländer den elektronischen Zugang zu ihren Gerichten auch ab 01.01.2018 noch nicht eröffnen müssen. Der DAV lehnt diese Regelung ab. Sie wird weiterhin wenn auch nur über einen begrenzten Zeitraum zu einer föderalen Zersplitterung des elektronischen Rechtsverkehrs

Seite 4 von 11 führen. Nach Auffassung des DAV liegt gerade in dieser Zersplitterung ( Flickenteppich ) die Hauptursache für die bislang fehlende Akzeptanz des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV). Für den Fall, dass sich die Forderung des DAV nach einer einheitlichen bundesweiten Regelung nicht durchsetzen lässt, muss mindestens darauf geachtet werden, dass diejenigen Bundesländer, die von der Opt-out-Regelung Gebrauch machen, den elektronischen Zugang zu ihren Gerichten nur insgesamt und nur jeweils zum Beginn eines Kalenderjahres neu eröffnen. Dieser Mindestforderung genügt der Referentenentwurf. Wenn schon eine solche Opt-out-Regelung vorgesehen wird, dann muss verhindert werden, dass innerhalb eines Bundeslandes nur für einzelne Gerichte und/oder nur für einzelne Verfahrensarten der ERV zugelassen wird. Die Opt-out-Phase endet am 31.12.2021 und ab dem 01.01.2022 muss bundeseinheitlich der elektronische Zugang zu Gerichten ausnahmslos eröffnet sein. Die in 130 c ZPO-E normierte Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden tritt parallel hierzu am 01.01.2022 in Kraft. Damit trägt der Entwurf der vom DAV und von anderen Berufsverbänden erhobenen Forderung Rechnung, eine Nutzungspflicht für Rechtsanwälte frühestens zu dem Zeitpunkt zu installieren, zu dem bundesweit ausnahmslos bei allen Gerichten die technischen und personellen Voraussetzungen geschaffen sind, elektronische Eingänge aufzunehmen und zu verarbeiten. Der DAV sieht die Etablierung eines gesetzlichen Anschlusszwangs für Rechtsanwälte ausgesprochen kritisch. Wenn einmal unterstellt wird, dass eine große Anzahl der Bundesländer von der Opt-out-Regelung Gebrauch machen, dann kann das leicht dazu führen, dass in großen Teilen des Bundesgebietes die Voraussetzungen zur Teilnahme am ERV auf Seiten der Justiz erst zum 01.01.2022 geschaffen sind. Da zum selben Stichtag Einreichungen bei Gericht in Papierform nicht mehr formwahrend sind, kann die Situation eintreten, dass die für Rechtsanwälte obligatorische Wahrung der elektronischen Form, verbunden mit dem Anschlusszwang, in Kraft tritt, ohne dass justizseitig belastbare Erkenntnisse über die technische Zuverlässigkeit der Systeme vorliegen. Anschlusszwang und obligatorische elektronische Übermittlung sind nach Auffassung des DAV nur dann in Betracht zu ziehen, wenn justizseitig die einwandfreie Funktionalität der Systeme zu 100 % garantiert werden kann.

Seite 5 von 11 Eine solche Garantie werden die Justizverwaltungen der Länder schwerlich übernehmen können. Das im Referentenentwurf näher beschriebene besondere Anwaltspostfach, das in Kooperation zwischen der Bundesrechtsanwaltskammer und der Bundesnotarkammer eingerichtet werden soll, wird nach derzeitigem Kenntnisstand bereits im Jahre 2014 betriebsbereit sein. Der DAV regt deshalb dringend an, dass die Landesjustizverwaltungen ab diesem Zeitpunkt soweit wie möglich den ERV fakultativ eröffnen. Eine solche mehrjährige fakultative Zulassung des ERV bietet die Möglichkeit zu einem mehrjährigen Testbetrieb, der unbedingt erforderlich erscheint. Eine solche mehrjährige Testphase ist sowohl aus Sicht der Justiz als auch aus Sicht der Anwaltschaft erforderlich. Ab dem Zeitpunkt, ab dem jedenfalls in Anwaltsprozessen und in gerichtlichen Verfahren mit Behördenbeteiligung die elektronische Einreichung von Dokumenten obligatorisch ist, müssen die gesamten Übertragungsnetze und die Empfangseinrichtungen der Justiz darauf eingerichtet sein, das gesamte bisher in Papierform ankommende Datenvolumen elektronisch zu verarbeiten. Dies wird es nach unserer Einschätzung unerlässlich machen, Stresstests unter realistischen Bedingungen durchzuführen. In den Anwaltskanzleien muss die gesamte Infrastruktur für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr geschaffen werden. Bislang gewohnte organisatorische Abläufe müssen grundsätzlich überdacht und angepasst werden. Das Personal muss entsprechend geschult werden. Die Anbieter von anwaltlicher Fachsoftware müssen den elektronischen Rechtsverkehr in ihren Workflow integriert haben. All das setzt auch auf anwaltlicher Seite eine ausreichend lange Testphase voraus, bevor Nutzugszwang und obligatorische elektronische Einreichung in Kraft treten. Sollte sich während der hiermit geforderten ausreichend langen Testphase im fakultativen elektronischen Rechtsverkehr herausstellen, dass tatsächlich ein nennenswerter Mehrwert für die Anwaltschaft entsteht, dann wird ein Nutzungszwang überflüssig werden, da die Attraktivität des elektronischen Rechtsverkehrs in diesem Fall für jeden Anwalt genügend Motivation sein wird, sich am ERV zu beteiligen. III. Zum besonderen Anwaltspostfach Durch dieses besondere Anwaltspostfach wird ein neuer Kommunikationsweg in die Kanzlei eröffnet. Das Anwaltspostfach dient zum Empfang elektronischer gerichtlicher Schriftstücke und dient zur Versendung anwaltlicher Dokumente an Gerichte. Das im 130 a Abs. 4 Ziffer

Seite 6 von 11 2 ZPO-E in Verbindung mit 31 Abs. 4 BRAO-E erwähnte besondere elektronische Anwaltspostfach ist ausdrücklich als ein sicherer Übermittlungsweg bezeichnet. Dabei muss gewährleistet sein, dass dieses besondere elektronische Anwaltspostfach unterschiedliche Nutzungsberechtigungen erkennt. Das Personal muss in der Lage sein, gerichtliche Schriftstücke einzusehen, die in das elektronische Postfach eingelegt wurden und muss berechtigt sein, solche Schriftstücke aus dem elektronischen Anwaltspostfach zu entnehmen und in die kanzleiinternen Arbeitsabläufe einzuspeisen. Andererseits muss sichergestellt sein, dass nur solche Schriftstücke an das Gericht übermittelt werden, die der Anwalt autorisiert hat. Diese Autorisierung kann nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur erfolgen (hierzu später). Dieses mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach verbundene Berechtigungsmanagement muss softwareseitig abgebildet sein. Die Versendung von elektronischen Schriftstücken aus diesem besonderen elektronischen Anwaltspostfach erfordert lediglich einen Mausklick. Es besteht somit die Gefahr, dass durch einen solchen Mausklick versehentlich ein Schriftstück an das Gericht gelangt, das der Anwalt noch nicht autorisiert hat. Eine solche Fehlerquelle muss zuverlässig ausgeschlossen sein. IV. Zum neuen Zustellungsrecht Der Referentenentwurf sieht vor, dass ein Dokument, das seitens des Gerichtes dem Anwalt elektronisch zugestellt wird, im rechtlichen Sinne nach Ablauf einer Frist von drei Tagen als zugestellt gilt. Das Bestreben der Entwurfsverfasser ist darauf gerichtet, zukünftig das als zu kostenintensiv empfundene Handling des Empfangsbekenntnisses in Papierform zukünftig zu vermeiden. Diese Motivation ist nachvollziehbar, bedingt aber nicht die Einführung einer fiktiven Zustellungsfunktion. Der DAV hat bereits in seiner Stellungnahme zum Diskussionsentwurf darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Anwaltschaft nicht darauf verzichtet werden kann, eine Zustellung erst dann beim Anwalt als bewirkt anzusehen, wenn der Anwalt selbst (und nicht nur sein Personal) das vom Gericht eingegangene Schriftstück erfasst und zur Kenntnis genommen hat. Der DAV sieht durchaus technische Möglichkeiten, sowohl dem Interesse der Gerichte an einer Vereinfachung des Zustellungsverfahrens als auch dem Interesse der Anwaltschaft an der Beibehaltung des voluntativen Zustellungselementes gerecht zu werden. Das Empfangsbekenntnis erfüllt zwei unterschiedliche Funktionen: 1) Zunächst belegt das Empfangsbekenntnis den körperlichen Zugang des

Seite 7 von 11 Schriftstückes. Es ist mit dem EB nachgewiesen, dass das übersandte Schriftstück in der Kanzlei des betreffenden Anwaltes angekommen ist (und nicht etwa auf dem Postweg verlorengegangen ist). Im Fall der elektronischen Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke wird diese Funktion des Empfangsbekenntnisses erfüllt durch die elektronisch automatisch abgesetzte Eingangsbestätigung, wie sie etwa das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach kennt. Allein dies ist aus Justizsicht bereits ein deutlicher Vorteil gegenüber dem bisherigen papierenen Verfahren. In den zum Referentenentwurf geführten Diskussionen wird von Justizseite gelegentlich argumentiert, es gäbe immer wieder Fälle, in denen Rechtsanwälte ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgeben. Dies behindere in erheblichem Maße die gerichtsinternen Abläufe. Teilweise würde dann von Rechtsanwälten auf Nachfrage argumentiert, das betreffende Schriftstück sei gar nicht angekommen. Durch die automatisch übermittelte Eingangsbestätigung bei elektronischem Versand gerichtlicher Schriftstücke ist diese Besorgnis der Justiz entkräftet. 2) Die zweite Funktion des vom Rechtsanwalt in unterschriebener Form zurückzugebenden Empfangsbekenntnisses liegt in der Berechnung des Anfangs prozessualer Fristen. Nach der bisherigen Praxis ist der Zeitpunkt der Unterschrift des Anwaltes das maßgebliche Datum für den Fristenbeginn. Dieser Fristenbeginn wird in die bei Gericht eingeführten Fachverfahren übernommen und steuert für den Richter die weitere Prozessführung. Diese Funktion kann zwanglos auch elektronisch dargestellt werden. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Gerichte zusammen mit dem zu übermittelnden Schriftstück ein Dokument mit Strukturdaten mitschicken (Maske eines elektronischen Empfangsbekenntnisses). Dieses elektronische Empfangsbekenntnis sendet der Anwalt an das Gericht zurück. In den gerichtlichen Fachverfahren kann dann dieses mit Strukturdaten zurückkommende elektronische Empfangsbekenntnis eingelesen und weiterverarbeitet werden. Eine solche Verfahrensweise scheint technisch problemlos darstellbar. In berufsrechtlicher Hinsicht ändert sich gar nichts. Der Anwalt ist und bleibt verpflichtet, den Eingang gerichtlicher Schriftstücke zu bestätigen, sobald er sie erfasst und zur Kenntnis genommen hat. Verstöße gegen diese Verpflichtung sind berufsrechtlich sanktioniert. Für das Eingreifen dieser Sanktion spielt es keine Rolle, ob die erforderliche Erklärung des Anwaltes über den Empfang dieses Schriftstückes nun auf dem Papierweg oder in elektronischer Weise abgegeben wird. Der DAV weist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass eine Abschaffung des bisherigen Empfangsbekenntnisses mit voluntativem Element und dessen Ersetzung durch eine

Seite 8 von 11 fiktive Zustellungsfrist innerhalb der Anwaltschaft erhebliche Akzeptanzprobleme hervorrufen wird. Gegen die im Referentenentwurf vorgesehene Dreitagesfrist sprechen im Übrigen zumindest in der Übergangszeit weitere gewichtige Argumente. Vor der obligatorischen Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs wird es Situationen geben, bei denen in Prozessverfahren einige der Prozessbeteiligten elektronisch kommunizieren, andere noch auf dem herkömmlichen Weg. Wenn etwa auf Beklagtenseite zwei Parteien auf diese Weise unterschiedlich agieren, dann kommt es zu einem Auseinanderlaufen der Fristen. Dem in herkömmlicher Weise agierenden Anwalt wird ein gerichtliches Schriftstück in der Regel am Tag nach dessen Absendung bei Gericht zugestellt werden, bei der Verwendung von Gerichtsfächern möglicherweise noch am selben Tag. Dem elektronisch agierenden Anwalt wird das Schriftstück elektronisch am selben Tag zugestellt. Es ist nicht zu rechtfertigen, in dieser Situation dem elektronisch agierenden Anwalt eine drei Tage länger laufende Frist einzuräumen. V. Zur qualifizierten elektronischen Signatur In der Begründung des Referentenentwurfes wird die Auffassung vertreten, eine der Ursachen für die mangelnde Akzeptanz des elektronischen Rechtsverkehrs in der Anwaltschaft sei die qualifizierte elektronische Signatur. Aus diesem Grund formuliert 130 a Abs. 3 ZPO-E, dass ein elektronisches Dokument zukünftig entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein muss oder von dieser verantwortenden Person auf niedrigerem Niveau signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden kann. Der DAV sieht diese Neuregelung kritisch. Die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt die bislang erforderliche Unterschrift. Nur die Unterschrift des Anwaltes unter ein Papierdokument bietet Gewähr dafür, dass dieses Dokument mit diesem Inhalt mit Wissen und Wollen des Anwaltes die Kanzlei verlässt. Die Unterschrift eines Anwaltes unter einen Schriftsatz ist jederzeit auf ihre Echtheit hin überprüfbar, sofern in Einzelfällen Gericht oder gegnerische Partei die Echtheit der Unterschrift in Zweifel zieht. Diesen hohen Stellenwert der anwaltlichen Unterschrift spiegelt nur die qualifizierte elektronische Signatur wieder. Sie sollte aus diesem Grund jedenfalls für bestimmende Schriftsätze nach wie vor zwingend vorgeschrieben werden. Gegenüber dieser Forderung der Anwaltschaft wird seitens der Justiz eingewandt, dass die Signaturprüfung bei den Gerichten einen erheblichen Aufwand verursache, weil die Prüfung

Seite 9 von 11 bis zum Root-Zertifikat durchgeführt werden müsse. Nur bei herabgestuften Signaturerfordernissen sei eine so weitgehende Signaturprüfung nicht erforderlich. Dieses Argument überzeugt nicht. So wenig wie im bisherigen Papierprozess jede anwaltliche Unterschrift auf ihre Echtheit überprüft wird, so wenig muss dies auch bei der elektronischen Unterschrift erfolgen. Es reicht völlig aus, die Signaturprüfung nur dann vorzunehmen, wenn Zweifel an der Integrität und Authentizität des eingereichten Schriftstücks geäußert werden. Nur in diesem Fall scheint es erforderlich, eine Signaturprüfung mit der bisherigen Prüfungstiefe durchzuführen. V. Zu einzelnen Regelungen 1. 945 a ZPO-E führt das bereits angesprochene elektronische Schutzschriftenregister ein. Dieses elektronische Schutzschriftenregister kann seine Funktion nur dann erfüllen, wenn es nicht im Belieben der Gerichte steht, vor Erlass einer einstweiligen Verfügung in diesem elektronischen Schutzschriftenregister zu überprüfen, ob eine Schutzschrift hinterlegt ist. Es muss also für die Gerichte ein Kontrollzwang installiert werden. Ein solcher Kontrollzwang wird im Entwurf nicht vorgesehen. 945 a Abs. 3 ZPO-E regelt nur, dass die Gerichte Zugriff auf das Register erhalten. 945 a Abs. 4 ZPO-E enthält eine Verordnungsermächtigung, die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Führung des Registers, über die Einreichung von Schutzschriften zum Register, über den Abruf von Schutzschriften aus dem Register zu treffen. Mindestens in dieser Verordnungsermächtigung müsste geregelt werden, dass die zu erlassenden Rechtsverordnungen auch Regelungen über die Handhabung eines solchen Abrufzwanges vorsehen. Schutzschriften werden nicht nur in Verfahren nach der ZPO verwandt. Gerade bei Auseinandersetzungen zwischen Sozialversicherungsträgern untereinander oder Leistungserbringern und Sozialversicherungsträgern sind auch im sozialgerichtlichen Verfahren Schutzschriften eingeführt. Aus diesem Grund sollte auch im SGG ein Verweis auf 945 a ZPO erfolgen. Die Formulierung könnte etwa lauten: Eine im Schutzschriftenregister nach 945 a Abs. 1 ZPO eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Sozialgerichten und Landessozialgerichten der Länder als eingereicht. Die Erwähnung der Landessozialgerichte ist erforderlich, weil in bestimmten sozialrechtlichen Rechtsstreitigkeiten Landessozialgerichte erstinstanzliche Eingangsgerichte sind. 2. 130 a Abs. 4 ZPO-E führt die sicheren Übermittlungswege auf, die nach 130 a Abs. 3 ZPO-E verbunden mit einer herabgestuften Signatur das Formerfordernis bei

Seite 10 von 11 elektronischen Dokumenten erfüllen. Namentlich genannt ist der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos sowie das besondere elektronische Anwaltspostfach nach 31 Abs. 4 BRAO. Es steht zu erwarten, dass jedenfalls im Anwaltsprozess das auf der Grundlage des EGVP und dem Safe-Verzeichnisdienst eingerichtete besondere elektronische Anwaltspostfach eine besonders hohe Akzeptanz erfahren wird. Nur dieser Übermittlungsweg bietet eine sichere End-to-End-Verschlüsselung. Der DAV begrüßt aber ausdrücklich die technikoffene Regelung im 130 a Abs. 4 Nr. 3, wonach bundeseinheitliche Übermittlungswege, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet ist, durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden können. Angesichts der hohen technischen Dynamik im IT-Bereich erscheint eine solche technikoffen formulierte Verordnungsermächtigung gerechtfertigt. 3. Angesichts der bereits angesprochenen Dynamik im IT-Bereich ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes im Gesetzblatt in keiner Weise vorherzusehen, wie die technische Entwicklung bis zum spätesten Zeitpunkt des Inkrafttretens (01.01.2022) verläuft. Es erscheint daher geboten, bereits jetzt im Gesetz selbst Novellierungspflichten und Verfahrensregelungen vorzusehen, um auf neue technische Entwicklungen reagieren zu können. Darüber hinaus regt der DAV ausdrücklich an, die praktische Handhabung des elektronischen Rechtsverkehrs schon in der Testphase vor dem 01.01.2018 durch ein neu einzurichtendes Gremium überprüfen zu lassen. Dieses Monitor-Gremium sollte aus Vertretern der Gerichtsbarkeiten von Bund und Ländern, der Justizverwaltungen, der Anwaltschaft und der Datenschutzbeauftragten besetzt werden. Ihm könnte die Aufgabe zugewiesen werden, praktische Erfahrungen mit dem elektronischen Rechtsverkehr aus den einzelnen Bundesländern und aus dem EU-Ausland zu sammeln, zu strukturieren und regelmäßig darüber zu berichten. Die Ergebnisse eines solchen Monitoring müssen für den Gesetzgeber Anlass sein, das Gesetz gegebenenfalls noch vor 2022 zu novellieren. Diese Selbstverpflichtung des Gesetzgebers sollte im Gesetz bereits jetzt verankert sein. 4. Die dem DAV angeschlossenen Anwälte bilden keine homogene Gruppe. Die Bandbreite reicht vom Einzelanwalt auf dem Lande, der ohne jede Fachsoftware arbeitet bis hin zu international tätigen Großkanzleien mit einer dreistelligen Anzahl von Anwälten und mehreren im Haus beschäftigten Systemadministratoren. Die Ausgestaltung des elektronischen Rechtsverkehrs muss auf diese Heterogenität abgestimmt sein. Sicherlich wird es ratsam sein, bei Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs die Vorteile einer eigenen Fachsoftware in der Kanzlei zu nutzen.

Seite 11 von 11 Dies kann aber nicht dazu führen, dass die Anschaffung und Installation einer solchen Fachsoftware technische Voraussetzung für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ist. Auch solche Kanzleien, die ohne jede Fachsoftware nur mit dem Betriebssystem und einer Textverarbeitung ihren Betrieb führen, müssen ohne große Hürden am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen können. 5. 317 ZPO-E sieht vor, dass gerichtliche Entscheidungen zukünftig nicht regelmäßig in Ausfertigung übersandt werden. Zukünftig werden solche Ausfertigungen nur auf Antrag und nur in Papierform erstellt. Der DAV begrüßt diese Regelung, denn in der Praxis spielt die Ausfertigung mit Ausnahme der vollstreckbaren Ausfertigung kaum noch eine Rolle. In der Gesamtschau bietet der Referentenentwurf einen begrüßenswerten Ansatz zur Ausweitung der elektronischen Kommunikation mit Gerichten. Während im außergerichtlichen Bereich die elektronische Kommunikation beinahe schon zum Regelfall geworden und aus dem Alltag nicht mehr hinwegzudenken ist, hinken die Gerichte hier seit Jahren nach. Auch zukünftig wird der DAV als Gesprächspartner aus der Anwaltschaft jederzeit zur Verfügung stehen.