Herzlich willkommen zum Workshop! Was ist bei der Rufbereitschaft zu beachten? Referent, WissensWerk, Göttingen 10.06.2018 Kurztitel 1
Agenda 1. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft 2. Gesundheitsschutz 3. Das Arbeitszeitgesetz zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 4. Ruhezeit 10.06.2018 Kurztitel 2
Agenda 1. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft 2. Gesundheitsschutz 3. Das Arbeitszeitgesetz zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 4. Ruhezeit 10.06.2018 Kurztitel 3
Bereitschaftsdienst Der Arbeitnehmer muss sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einem bestimmten Ort aufhalten, um auf Anforderung die Arbeit unverzüglich aufzunehmen. Der Arbeitnehmer darf schlafen, muss aber sofort bereit sein, Arbeit aufzunehmen. Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit und keine Ruhezeit. Bereitschaftsdienst darf nur angeordnet werden, wenn erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (> 50 %). 4
Rufbereitschaft Der Beschäftigte kann, anders als beim Bereitschaftsdienst, den Aufenthaltsort selbst bestimmen. Erreichbarkeit über Handy reicht. Arbeitnehmer muss in adäquater Zeit die Arbeit aufnehmen können. Die Anordnung der Rufbereitschaft muss billigem Ermessen entsprechen. 5
Rufbereitschaft Keine Beschränkung der Häufigkeit im Tarifvertrag Kein Anspruch auf Rufbereitschaft Arbeitnehmer muss seinen Aufenthaltsort anzeigen. Rufbereitschaft gilt als Ruhezeit. Die auf Abruf geleistete Arbeit zählt als Arbeitszeit. Die Ruhezeit nach Arbeitszeitgesetz ist einzuhalten. 6
Nur wenn erfahrungsgemäß nur in Ausnahmefällen Arbeit anfällt, soll Rufbereitschaft eingeführt werden. Die Tarifvertragsparteien haben nicht ausgeführt, was unter Ausnahmefall zu verstehen ist. Nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch ist unter Ausnahme eine Abweichung von der geltenden Regel zu verstehen. Das bedeutet, Rufbereitschaft darf nur angeordnet werden, wenn Arbeit zwar gelegentlich anfallen kann, die Zeiten ohne Arbeitsanfall aber die Regel sind. Es kann nicht alleine auf eine bestimmte Prozentzahl von Arbeitsanfall abgestellt werden; auch die Häufigkeit der einzelnen Arbeitseinsätze ist von Bedeutung. BAG v. 04.08.1988 Az.: 6 AZR 48/86 7
Agenda 1. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft 2. Gesundheitsschutz 3. Das Arbeitszeitgesetz zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 4. Ruhezeit 10.06.2018 Kurztitel 8
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Zum Gesundheitsschutz 1 Gesetzeszweck ArbZG Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen sind bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten sind zu verbessern Schutz der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung sind zu schützen 9
Auswirkungen langer täglicher Arbeitszeiten Das Unfallrisiko und das Risiko für Fehlhandlungen steigen nach der neunten Arbeitsstunde exponentiell an. Mit der Zahl der Arbeitsstunden in Vollarbeit wachsen die körperlichen und vor allem die psycho-vegetativen Auswirkungen auf die Beschäftigten Nach 24-Stunden-Bereitschaftsdienst oder einer 12-Stunden-Schicht Vollarbeit im Krankenhaus steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Verkehrsunfall auf das Doppelte gegenüber einer 8-Stunden-Vollarbeits- schicht. Für 12-Stunden-Nachtdienste erhöht sich das Unfallrisiko um das Vierfache. Quelle: Bezirksregierung Düsseldorf 10
Auswirkungen langer täglicher Arbeitszeiten Die Ermüdung nimmt durch psychische und physische Belastungen oberhalb der Dauerleistungsgrenze über die Dauer der täglichen Arbeitszeit exponentiell zu. Das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch lange Arbeitszeiten erhöht sich in Verbindung mit zusätzlichen Belastungsfaktoren wie hohe Arbeitsintensität oder emotionalen Belastungen in besonderem Maße. Quelle: Bezirksregierung Düsseldorf 11
Dauerhaft verkürzte Schlafzeiten Chronischer partieller Schlafentzug auf 5 Stunden Schlaf pro Nacht führt zu zur Einschränkung der psychomotorischen Leistung. Altersspezifische Besonderheiten Mit zunehmendem Alter muss die Vorhersehbarkeit der Arbeit möglichst hoch sein. Schwere körperliche Arbeit führt mit wachsendem Alter schneller zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Erholungswert von Pausen ist für ältere Arbeitnehmer geringer als für jüngere. Quelle: Bezirksregierung Düsseldorf 12
Arbeitsschutz, BGM und BEM Sämtliche Sonderformen der Arbeit sind bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen im Rahmen der Gefährdungsanalyse ( 5 ArbSchG) mit einzubeziehen, da sie teilweise (erhebliche) physische, psychische und soziale Belastungen darstellen.* Auch bei der Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) müssen die Sonderformen der Arbeit, die Häufigkeit ihrer Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber und der Umgang mit ihnen unter gesundheitsgefährdenden Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden. *Siehe dazu auch zum Gefährdungsfaktor 14 psychische Belastungen: Kollmer/Klindt, ArbSchG, Kommentar, 2. Auflage, Seite 23 13
Arbeitsschutz, BGM und BEM Sämtliche Sonderformen der Arbeit sind bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen im Rahmen der Gefährdungsanalyse ( 5 ArbSchG) mit einzubeziehen, da sie teilweise (erhebliche) physische, psychische und soziale Belastungen darstellen.* Auch bei der Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) müssen die Sonderformen der Arbeit, die Häufigkeit ihrer Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber und der Umgang mit ihnen unter gesundheitsgefährdenden Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden. *Siehe dazu auch zum Gefährdungsfaktor 14 psychische Belastungen: Kollmer/Klindt, ArbSchG, Kommentar, 2. Auflage, Seite 23 14
Agenda 1. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft 2. Gesundheitsschutz 3. Das Arbeitszeitgesetz zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 4. Ruhezeit 10.06.2018 Kurztitel 15
Arbeitszeitregelungen Grundregeln a) Arbeitszeit ( 3 ArbZG) Werktägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten. Arbeitszeit darf auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb v. 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (bei Nachtarbeitnehmern muss Ausgleich innerhalb eines Monats erfolgen, 5 Abs. 2 ArbZG) b) Ruhezeiten ( 5 ArbZG) Ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit 16
Ausnahmeregelungen Das Arbeitszeitgesetz ermöglicht, durch Regelungen in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung in 7 ArbZG, Abweichungen von 5 Abs. 1 ArbZG festzulegen. Der TV-V beinhaltet keine eigenen Regelungen im Sinne des 7 ArbZG, sondern eröffnet in 8 Abs. 4 TV-V den Betriebsparteien die Möglichkeit, eigene Regelungen zu treffen. Die Betriebsparteien können somit abweichende Regelungen vom ArbZG vereinbaren. Besteht keine betriebliche Regelung, sind die 11 Stunden Ruhezeit einzuhalten ( 5 Abs. 1 ArbZG). 17
Zwei Möglichkeiten für betriebliche, abweichende Regelungen sind in 7 Abs. 1 Ziff. 3 ArbZG sowie in 7 Abs. 2 Ziff. 1 benannt: Erste Möglichkeit 7 Abs. 1 Ziff. 3 ArbZG: In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, (...) 3. abweichend von 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird, (...) 18
Zweite Möglichkeit 7 Abs. 2 Ziff. 1 ArbZG Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden, 1. abweichend von 5 Abs. 1 die Ruhezeiten der Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,... 19
Außergewöhnliche Fälle ( 14 ArbZG) Abweichungen insbesondere von Arbeitszeit- und Ruhezeitregeln sind in Notfällen möglich. Aber: Der Arbeitgeber muss (zumutbare) Vorkehrungen treffen, um solche Abweichungen zu vermeiden. Die Rufbereitschaft an sich ist kein Notfalldienst. Deshalb ist auch bei der Rufbereitschaft die 10-Stunden-Grenze einzuhalten, es sei denn, es handelt sich tatsächlich um einen Notfall im Sinne des Gesetzes. Beim Stromausfall in einem Krankenhaus handelt es sich um einen Notfall, beim Stromausfall in einem Privathaushalt nicht. 20
Agenda 1. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft 2. Das Arbeitszeitgesetz zu Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 3. Gesundheitsschutz 4. Ruhezeit 10.06.2018 Kurztitel 21
Ruhezeit Nach jeder Arbeitsleistung beginnt die 11 stündige Ruhezeit neu. Dies gilt auch für eine Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft, es sei denn, es ist in einem Tarifvertag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs-/ oder Dienstvereinbarung etwas abweichendes vereinbart. 22
Die absolute Untergrenze für die Länge der Ruhezeit ist ungeklärt. Bei der Anwendung des 7 Abs. 2 Ziff. 1 ArbZG legt das Arbeitszeitgesetz keine Mindestruhezeit fest. Bei Ärzten reicht eine ununterbrochene Ruhezeit von unter 6 Stunden nicht. BAG v. 24.02.1982, 4 AZR 223/80 23
Vergütungsanspruch bei Beschäftigungsverbot Beispielsfall: Ein Arbeitnehmer sichert in der Nacht während seiner Rufbereitschaft von 4 bis 5 Uhr einen Wasserrohrbruch. Morgens kann er seinen normalen Dienst nicht um 7 Uhr antreten, da er 11 Stunden Ruhezeit von 5:00 bis 16:00 Uhr einhalten muss. Wird ein Arbeitnehmer während der Rufbereitschaft zur Arbeitsleistung herangezogen und besteht infolgedessen für ihn ein Beschäftigungsverbot nach 5 ArbZG während der im voraus geplanten Arbeitszeit, hat er keinen Anspruch auf Gutschrift der ausgefallenen Zeiten auf seinem Arbeitskonto. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus (tariflichen) noch aus gesetzlichen Bestimmungen. BAG vom 13.12.2007 6 AZR 197/07 24
Die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung schließt Entgeltansprüche des Arbeitnehmers aus. Ebenso hat der Arbeitgeber keine Ansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer auf Arbeitsleistung. Das BAG sieht eine Vergütungspflicht nur dann, wenn es entsprechende einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarungen gibt, vgl. BAG 5.7.1975, DB 76, 1868. Wegen dieser Rechtsprechung sollte in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarungen eine Gutschrift für die ausgefallenen Zeiten festgelegt werden, z.b. im Tausch gegen (leicht) verkürzte Ruhezeiten. 25
Anmerkungen für die Verkürzung der Ruhezeit: Der Verzicht auf die volle Ruhezeit von 11 Stunden kann von Arbeitnehmerseite der Arbeitgeberseite angeboten werden im Tausch dafür, dass Vergütungsausfälle in der Folgeschicht ausgeglichen werden. Eine Verkürzung der Ruhezeiten auf 9 max. 8 Stunden ist denkbar. Die Besonderheiten von Einsätzen und Einsatzzeiten sind zu berücksichtigen. Gewährleistung des Gesundheitsschutzes durch entsprechenden Zeitausgleich ist zwingend einzuhalten (Zweck des ArZG). 26
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 27