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Transkript:

Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland Vorlage-Nr. 14/491 öffentlich Datum: 28.04.2015 Dienststelle: Fachbereich 84 Bearbeitung: Frau Briesemeister, Herr Kaiser, Herr Dr. Mennicken Krankenhausausschuss 3 Krankenhausausschuss 2 Krankenhausausschuss 4 Krankenhausausschuss 1 Gesundheitsausschuss 18.05.2015 19.05.2015 20.05.2015 28.05.2015 29.05.2015 zur Kenntnis zur Kenntnis zur Kenntnis zur Kenntnis zur Kenntnis Tagesordnungspunkt: Jährlicher Bericht zu den Suizidfällen in den LVR-Kliniken Kenntnisnahme: Der Bericht zu den Suizidfällen des Jahres 2014 in den LVR-Kliniken wird gemäß Vorlage Nr. 14/491 zur Kenntnis genommen. Finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt (lfd. Jahr): Produktgruppe: Erträge: Veranschlagt im (Teil-)Ergebnisplan Einzahlungen: Veranschlagt im (Teil-)Finanzplan Bei Investitionen: Gesamtkosten der Maßnahme: Aufwendungen: /Wirtschaftsplan Auszahlungen: /Wirtschaftsplan Jährliche ergebniswirksame Folgekosten: Die gebildeten Budgets werden unter Beachtung der Ziele eingehalten In Vertretung W e n z e l - J a n k o w s k i

Zusammenfassung: In Fortsetzung der Berichterstattungen zu den Suiziden in den LVR-Kliniken seit 2012 wird in dieser Vorlage über die Suizide des Jahres 2014 unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Entwicklung berichtet. Dabei wird unterschieden zwischen Patientensuiziden - alle im LVR-Klinikverbund gemeldeten Suizide einschließlich ambulante und ehemalige Patientinnen und Patienten und Kliniksuiziden Suizide während einer stationären oder teilstationären Krankenhausbehandlung. Im Jahr 2014 wurden aus den LVR-Kliniken insgesamt 34 Patientensuizide gemeldet. Im Vergleich zu 2013 ist eine Zunahme um 3 Patientensuizide festzustellen. Von den zwischen 2010 und 2014 gemeldeten Patientensuiziden ereigneten sich 101 aus der stationären Behandlung heraus, 15 während einer teilstationären Behandlungsepisode und 22 im ambulanten Behandlungssetting. Insgesamt wurden über den betrachteten Zeitraum 146 Suizide gemeldet, davon 61 Frauen und 85 Männer. Im LVR-Klinikverbund stellen die affektiven Störungen (F3), und hier zuvorderst die Depressionen mit 56,9% den größten Anteil, gefolgt von schizophrenen Störungen (F2) mit 30,8 %. Bei der Betrachtung der Suizide auf 100.000 Fälle ist ein diskreter Anstieg zu erkennen, von 47 im Jahre 2010 über 39 im Jahr 2011 zu 50 im Jahre 2014. Bezogen auf die wenigen wissenschaftlichen Studien zu Suizidraten in psychiatrischen Fachkrankenhäusern (zuletzt: WOLFERSDORF, 2010) gibt diese Veränderung jedoch keinen Hinweis auf eine auffällige Entwicklung. Bei den 27 Kliniksuiziden im Jahre 2014 lassen sich 23 Suizide dem stationären und vier Suizide dem teilstationären Bereich zuordnen. Betroffen waren 15 Männer und 12 Frauen. Die meisten Suizide (88,9 %) werden von Patientinnen und Patienten verübt, die die Klinik aus eigenem Entschluss aufgesucht oder sich im Verlauf ihrer Behandlung freiwillig zu einer Fortführung entschieden haben. Wie auch in den Vorjahren ereignen sich die Selbsttötungen überwiegend außerhalb der Klinikgelände. Dies geschieht bei regulären Ausgängen und insbesondere im Rahmen der sogenannten Belastungserprobungen - zumeist Beurlaubungen von der Therapie über Nacht oder am Wochenende -, in denen die Patientinnen und Patienten die Umsetzung von erworbenen Alltagsbewältigungsstrategien in der häuslichen Umgebung im Sinne der Entlassungsvorbereitung erproben. Gemäß der Allgemeinen Rundverfügung Nr. 10 sind die LVR-Kliniken verpflichtet, der Verbundzentrale alle Patientensuizide innerhalb von fünf Tagen nach Bekanntwerden zu melden. Die fachliche Prüfung und Bewertung eines jeden Einzelfalles gemeinsam mit der jeweils meldenden Klinik verfolgt immer das Ziel, aus der Aufarbeitung jedes einzelnen Suizids Strategien abzuleiten, die geeignet erscheinen, zukünftige Patientensuizide zu vermeiden. Hierfür kann auch die anonymisierte Fallbesprechung im Arbeitskreis Gewaltprävention einen wichtigen Beitrag leisten. Unterschiedliche Strategien zur Suizidprävention werden in dem verbundweiten Arbeitskreis Gewalt- und Suizidprävention ausgetauscht, um überregionale und internationale Erfahrungen ergänzt und intensiv diskutiert. Auch im Kontext eines verbundweiten Rahmenkonzeptes zum Klinischen Risikomanagement ist für die kommenden Jahre die strukturierte Erfassung von Suizidrisiken, die Entwicklung und Evaluation von Strategien zur Suizidprophylaxe ebenso wie die systematische Nachbesprechung ein Thema von zentraler Bedeutung. 1

Begründung der Vorlage Nr. 14/491: Inhaltsverzeichnis 0. Auftrag...3 1. Suizide im LVR Klinikverbund Grundlagen der Berichtslegung...3 1.1 Begrifflichkeiten...3 1.2 Erfassung und fachliche Bewertung...3 2. Darstellung der Ergebnisse...4 2.1 Gemeldete Patientensuizide 2010 2014...4 2.2 Gemeldete Kliniksuizide 2014...7 3. Bewertung...11 2

0. Auftrag Der Ältestenrat hatte die Verwaltung in seiner Sitzung am 01.06.2011 gebeten, einmal jährlich zusammenfassend über Suizide in den LVR-Kliniken zu berichten. Die Berichterstattung erfolgt mit Beginn des Jahres 2012 jeweils in der ersten Sitzungsrunde zu Beginn der 2. Jahreshälfte, in der eine Auswertung und erste fachliche Bewertung der Suiziddaten des Vorjahres vorliegt. Die nachfolgende Darstellung berichtet über die Suizide des Jahres 2014 und analysiert diese unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Entwicklung. 1. Suizide im LVR Klinikverbund Grundlagen der Berichtslegung Die absichtsvoll herbeigeführte Beendigung des eigenen Lebens ist als Todesursache von weltweit ca. 800.000, in Deutschland von ca. 10.000 Menschen pro Jahr häufiger als der Tod durch Verkehrsunfälle, Drogen und HIV zusammen genommen. Einer kanadischen Studie zufolge haben neunzig Prozent der Suizidtoten eine psychische Erkrankung. Der Suizid (ICD10: X60-X84) stellt in den LVR-Kliniken die größte Herausforderung an alle in der Behandlung, Betreuung und Begleitung psychisch kranker Menschen eingebundenen Mitarbeitenden dar und konfrontiert sie mehr als jedes andere unerwünschte Ereignis mit den Grenzen ihrer professionellen und menschlichen Bemühungen. 1.1 Begrifflichkeiten Um Aussagen zur Interpretation von Suizidereignissen in den LVR-Kliniken zu treffen und auffällige Befunde zuzuordnen, ist zunächst die Festlegung eines einheitliches Verständnisses über die verwendeten Begrifflichkeiten erforderlich. In diesem Zusammenhang wurde bereits in den Berichtslegungen 2012 und 2013 an die politischen Gremien des LVR eine Unterscheidung in Kliniksuizide und Patientensuizide vorgenommen. Als Patientensuizid werden alle im LVR-Klinikverbund gemeldeten Suizide bezeichnet, also auch ambulante und ehemalige Patientinnen und Patienten mit einbezogen. Eine Unschärfe in der Berücksichtigung von Suiziden von Patientinnen und Patienten, die sich in einer ambulanten Behandlung der Institutsambulanzen befinden oder bereits aus der Krankenhausbehandlung entlassen sind, ergibt sich daraus, dass die jeweilige Klinik nicht immer bzw. nicht zeitnah von einem Suizid einer/eines entlassenen oder in der Ambulanz behandelten Patientin/Patienten überhaupt Kenntnis erlangt. Auch die inhaltliche Zuordnung eines Suizids zu einer unmittelbar vorangegangenen Behandlungsepisode ist nicht immer mit hinreichender Sicherheit möglich. Als Kliniksuizid wird demgegenüber die suizidale Handlung eines Menschen während stationärer oder teilstationärer Behandlung in einer Klinik bezeichnet. Die Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als diese Suizide sich im Rahmen des von der Klinik verantworteten Behandlungssettings und innerhalb des Krankenhausbehandlungsprozesses ereignen und dadurch Beeinflussungsmöglichkeiten der Klinik im Sinne der Risikominimierung und Suizidprophylaxe bestehen. 1.2 Erfassung und fachliche Bewertung Grundlage der Erfassung der Suizide in den LVR-Kliniken sind die Meldungen Besonderer Vorkommnisse an die Verbundzentrale. Gemäß der Allgemeinen Rundverfügung Nr. 10 sind die LVR-Kliniken verpflichtet, der Verbundzentrale alle Patientensuizide innerhalb von fünf Tagen nach Bekanntwerden zu melden. Hier werden die Meldungen administrativ aufbereitet und fachlich bewertet. Dies umfasst in jedem Einzelfall Nachfragen zu einzelnen Details im Interesse einer gemeinsamen Sachverhaltsaufklärung mit den Kliniken ebenso wie die fachpflegerische und fachärztliche Erörterung im Fachbereich bis hin zur Fallbesprechung in der jeweiligen Klinik mit dem betroffenen Team. Sofern angezeigt und erforderlich, werden einzelne 3

Maßnahmen zur Änderung des Vorgehens oder der Prozesse innerhalb der Klinik mit dem jeweiligen Klinikvorstand erörtert und vereinbart. Die fachliche Prüfung und Bewertung verfolgt immer das Ziel, aus den Auswertungen und der Aufarbeitung jedes einzelnen Suizids Strategien abzuleiten, die geeignet erscheinen, zukünftige Patientensuizide zu vermeiden. Hierfür kann auch die anonymisierte Fallbesprechung im Arbeitskreis Gewaltprävention einen wichtigen Beitrag leisten. 2. Darstellung der Ergebnisse 2.1 Gemeldete Patientensuizide 2010 2014 Im Jahr 2014 wurden aus den LVR-Kliniken insgesamt 34 Suizide gemeldet. Im Folgenden werden nur die neun psychiatrischen Kliniken betrachtet, in denen es zu Suizidereignissen gekommen ist. Die Entwicklung der Suizide seit 2010 kann der Abbildung 1 entnommen werden. Im Vergleich zu 2013 ist eine Zunahme um 3 Patientensuizide festzustellen. Im letzten Report wurde die Zahl der Suizide in 2013 mit 30 angegeben, in der nachstehenden Tabelle sind 31 Suizide verzeichnet- dies ist einer Nachmeldung aufgrund des Jahreswechsels geschuldet. Abb. 1 Patientensuizide im Klinikverbund 2010 2014 Abbildung 2 zeigt alle gemeldeten Suizide von Patientinnen und Patienten während oder nach einer stationären, tagesklinischen und ambulanten Behandlung in den LVR-Kliniken. 4

Abb. 2 Patientensuizide nach Kliniken 2010 2014 Von den zwischen 2010 und 2014 gemeldeten Patientensuiziden ereigneten sich 101 aus der stationären Behandlung heraus, 15 während einer teilstationären Behandlungsepisode und 22 im ambulanten Behandlungssetting. 7 Meldungen bezogen sich auf Personen ohne Behandlungsstatus, in der Regel ehemalige Patientinnen und Patienten (Abbildung 3). Insgesamt wurden über den betrachteten Zeitraum 146 Suizide gemeldet. Abb. 3 Suizide nach Behandlungsstatus 2010 2014 Im LVR-Klinikverbund (Abbildung 4) stellen die affektiven Störungen (F3), und hier zuvorderst die Depressionen mit 56,9% den größten Anteil, gefolgt von schizophrenen Störungen (F2) mit 30,8 %, was dem weltweiten Verteilungsmuster der Suizide nach Diagnosen entspricht. Mit jeweils etwa gleichem Anteil folgen die Abhängigkeitserkrankungen, die Belastungsstörungen und die Persönlichkeitsstörungen. Zu den Diagnosen der Kliniksuizide im LVR-Klinikverbund im Jahr 2014 siehe Abbildung 14. Abb. 4 Patientensuizide nach Diagnosen 2010 2014 5

n = 146 Die in Abbildung 5 aufgezeigte Geschlechterverteilung weicht von der durchschnittlichen Verteilung der Suizide in der Gesamtbevölkerung insoweit ab, als außerhalb der Kliniken Männer deutlich stärker bis zu doppelt so häufig von Suiziden betroffen sind. Im Kontext der Diagnosenverteilung könnte dieser Befund auf die deutlich höhere Inanspruchnahme des psychiatrischen Versorgungssystems durch depressive Frauen gegenüber depressiven Männern hinweisen. Abb. 5 Patientensuizide nach Geschlecht 2010 2014 Die Darstellung der Patientensuizide nach Altersklassen (Abbildung 6) bildet nicht die in Deutschland und Europa zu beobachtende Dominanz der Altersgruppen zwischen 15 und 6

45 Jahren ab; dies dürfte ebenfalls am ehesten der kleinen Grundgesamtheit geschuldet sein. Abb. 6 Patientensuizide nach Altersklassen 2010 2014 Die nachfolgende Auswertung bezieht die Zahl der Suizide auf 100.000 Fälle (Abbildung 7) und lässt zwar einen diskreten Anstieg erkennen. Bezogen auf die wenigen wissenschaftlichen Studien zu Suizidraten in psychiatrischen Fachkrankenhäusern (zuletzt: WOLFERSDORF, 2010) gibt diese Veränderung jedoch keinen Hinweis auf eine auffällige Entwicklung. Abb. 7 Patientensuizide je 100.000 Fälle 2.2 Gemeldete Kliniksuizide 2014 Wie in Abschnitt 1.1 erläutert beziehen sich die Kliniksuizide auf den stationären und teilstationären Bereich. Abbildung 8 zeigt entsprechend die Verteilung der Kliniksuizide nach Behandlungsstatus. In 2014 lassen sich 23 Suizide dem stationären und 4 Suizide dem teilstationären Bereich zuordnen, d.h. dass im Folgenden insgesamt 27 Suizide als Kliniksuizide identifiziert werden. Alle nachfolgenden Abbildungen beziehen sich also auf diese 27 Suizide. 7

Abb. 8 Kliniksuizide nach Behandlungsstatus In der Entwicklung von 2010 bis 2014 (Abbildung 9) ist auch hier, wie bei den Patientensuiziden eine leicht steigende Tendenz zu erkennen. Abb. 9 Kliniksuizide im Klinikverbund 2010 2014 Die folgenden Darstellungen analysieren die gemeldeten Kliniksuizide im Jahr 2014 nach Geschlecht Alter Ort Rechtsgrundlage Diagnosen Abbildung 10 bestätigt den nationalen Trend, dass Männer häufiger von Selbsttötung betroffen sind als Frauen. Über alle LVR-Kliniken hinweg liegt die Anzahl der Suizide in 2014 bei Patienten (15) höher als bei Patientinnen (12). Rückblickend auf die 8

Vergleichszahlen 2012 und 2013 lässt sich diese Tendenz ebenfalls, auf den LVR- Klinikverbund bezogen, bestätigen. Abb. 10 Kliniksuizide 2014 nach Geschlecht und Kliniken Im Hinblick auf die Altersspannen (Abbildung11) zeigt sich eine deutliche Ausprägung bei den 51-60 jährigen Patientinnen und Patienten (8) gefolgt von den Altersklassen 19-30 (4) und den 41-50jährigen (4). In nationalen Statistiken steigt mit dem Lebensalter die Anzahl vollendeter Suizide. Männer im höheren Lebensalter weisen demnach eine mehr als doppelt so hohe Suizidrate wie jüngere Männer auf 1. Patientinnen und Patienten über dem 71. Lebensjahr (5) sind im LVR-Klinikverbund, entgegen der nationalen Statistik, mäßig betroffen. Abb. 11 Kliniksuizide 2014 nach Altersklassen Wie auch in den Vorjahren ereignen sich die Selbsttötungen überwiegend außerhalb der Klinikgelände (19 von 27 Suiziden, Abbildung 12). Dies geschieht überwiegend bei regulären Ausgängen und insbesondere im Rahmen der sogenannten Belastungserprobungen - zumeist Beurlaubungen von der Therapie über Nacht oder am Wochenende -, in denen die Patientinnen und Patienten die Umsetzung von 1 vgl. Internet-Url: Statistisches Bundesamt 2013 https://www.gbe-bund.de/stichworte/suizid.html; abgerufen am 24.03.2015 9

erworbenen Alltagsbewältigungsstrategien in der häuslichen Umgebung im Sinne der Entlassungsvorbereitung erproben. Abb. 12 Kliniksuizide 2014 nach Ort und Kliniken Die meisten Suizide (88,9 %) werden von Patientinnen und Patienten verübt, die die Klinik aus eigenem Entschluss aufgesucht oder sich im Verlauf ihrer Behandlung freiwillig zu einer Fortführung entschieden haben (Abbildung 13). Abb. 13 Kliniksuizide nach Rechtsgrundlage der Behandlung In Übereinstimmung mit dem internationalen Trend und der Entwicklung in den zurückliegenden Jahren suizidierten sich in den LVR-Kliniken 2014 mehr Patientinnen und Patienten mit einer affektiven (F3 = 14)) als Patientinnen und Patienten mit schizophrenen oder wahnhaften Störungen (F2 = 11) (Abbildung 14); Patientinnen und Patienten aus den anderen Diagnosegruppen der LVR-Kliniken - Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen (F0), Abhängigkeitserkrankungen (F1), Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (F4), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6), zeigen gar keine bzw. deutlich niedrigere Suizidhäufigkeiten. Abb. 14 Kliniksuizide 2014 nach Diagnosen 10

3. Bewertung Aus den dargestellten Daten und deren Auswertung ergeben sich keine signifikanten Hinweise auf eine auffällige Häufung von Suiziden in einzelnen LVR-Kliniken. Mit der Kodifizierung der Patientenrechte und der Verpflichtung durch den Gesetzgeber, Maßnahmen gegen den ausdrücklichen Willen des Patienten und der Patientin auf den absoluten Notfall der akuten Eigen- oder Fremdgefährdung zu beschränken, wird die Autonomie der Patientinnen und Patienten gestärkt. Bei den meisten Patientinnen und Patienten, bei denen zu Beginn oder im Verlaufe einer Behandlung Suizidalität zum Thema wird, liegen die strengen Voraussetzungen zur Einrichtung einer freiheitsentziehenden Maßnahme, wie sie durch Gesetzgeber und Rechtsprechung gesetzt sind, nicht vor. Suizidalität ist ein komplexes innerpsychisches und interaktives Geschehen, welches nicht immer gänzlich erkenn-, versteh- und erklärbar ist und sich deshalb auch therapeutischer Interventionen entziehen kann. In Einzelfällen ist der Einsatz freiheitsentziehenden Maßnahmen auf rechtlicher Grundlage geboten, wenn eine akute Eigengefährdung zu einer unmittelbar bevorstehenden suizidalen Handlung führen kann; als generelle Strategie der Suizidverhütung ist der Einsatz von Zwang nicht geeignet. Deshalb wird als erstes Mittel der Suizidprävention ein festes Beziehungs- und Therapieangebot gesehen, welches in den LVR-Kliniken auf der Basis einer freiwilligen Behandlung ohne erzwungene Einschränkung der Patientenautonomie angestrebt wird. Weltweit kommen auf einen erfolgreichen Suizid ca. 20 Suizidversuche (sog. Parasuizide). In Deutschland liegt die Anzahl der Suizidversuche in der Bevölkerung um das Zehnfache höher als die Zahl der vollendeten Suizide bei gleichzeitig hoher Dunkelziffer. Auch aus den psychiatrischen Kliniken werden erheblich mehr Suizidversuche als volendete Suizide vermeldet. Etwa 10 % aller betroffenen Menschen unternimmt innerhalb eines Jahres einen erneuten Suizidversuch; dabei ist laut WHO-Suizid-Studie ein gescheiterter Suizidversuch die größte Risikoquelle für einen weiteren Versuch. Dies lenkt das Augenmerk auf die Prävention und Prophylaxe. Unterschiedliche Maßnahmen sind zur Prävention geeignet und werden in den LVR- Kliniken eingesetzt. Beispiele: 11

Die Erfassung der Basissuizidalität mittels pflegerischer Ratingskalen 2 beispielsweise stellt die Auseinandersetzung mit dem größten möglichen Risiko psychiatrischer Erkrankung an den Beginn jeder stationären Behandlung. Auch mittels elaborierter Standards zum Erkennen von und zum Umgang mit Suizidalität in stationär-psychiatrischer Behandlung wird das Risiko einer Selbsttötung ermittelt und dokumentiert. Dies kann den geschulten, aber noch unerfahrenen unter den Mitarbeitenden eine Hilfestellung in der Einschätzung eines Suizidrisikos anbieten. Desweiteren können aus einer strukturierten Nachbesprechung eines Kliniksuizids hilfreiche Aufschlüsse über Interventionsmöglichkeiten und Prävention gewonnen und für die Suizidprävention wirksam werden. Diese und andere unterschiedliche Strategien zur Suizidprävention werden in dem verbundweiten Arbeitskreis Gewalt- und Suizidprävention ausgetauscht, um überregionale und internationale Erfahrungen ergänzt und intensiv diskutiert. Auch im Kontext eines verbundweiten Rahmenkonzeptes zum Klinischen Risikomanagement ist für die kommenden Jahre die strukturierte Erfassung von Suizidrisiken, die Entwicklung und Evaluation von Strategien zur Suizidprophylaxe ebenso wie die systematische Nachbesprechung ein Thema von zentraler Bedeutung. In Vertretung W e n z e l J a n k o w s k i 2 NGASR: Nurses Global Assessment of Suicide Risk =globale pflegerische Einschätzung der Basissuizidalität 12