Fragen aus den Seminaren Formulare, Formulare! Formulare sind in jedem Seminar ein nahezu unvermeidbares und zugleich auch fast unerschöpfliches Thema. Oft werden Muster vorgelegt, die nicht immer praktisch erscheinen. Manchmal werden als Beispiele ausgefüllte Muster vorgelegt, die nicht immer fehlerfrei sind. Ich denke sie sollen die Teilnehmer dazu anhalten, die Fehler selbst zu finden. Ich fände es allerdings für die Teilnehmer pädagogisch richtig, wenn solches Spielmaterial am Ende eine entsprechende Aufforderung erhalten würde. Nun sind gerade im Augenblick Überlegungen im Gange, die Formulare, die der BDS herausgibt, gründlich zu überarbeiten, von Ballast zu befreien und die wünschenswerte Übereinstimmung mit Formularen, wie sie sonst bei anderen Behörden benutzt werden, wieder herzustellen, damit das Schiedsamtswesen nicht in eine Isolierung gerät. Zur Vorbereitung soll dies ein Beitrag sein und möglichst viele andere Beiträge aus den Reihen aktiver Schiedsleute provozieren. Auf den ersten Blick erscheint es einfach, Formulare für bestimmte Zwecke zu entwerfen. Bei genauer Betrachtung kann man aber schon leicht feststellen, dass dies wirklich nur eine oberflächliche Feststellung sein kann. Primärerfahrungen aus der Alltagsarbeit sind da schon sehr wertvoll, reichen aber nicht aus, um übersichtliche, allen Anforderungen genügende Formblätter zu entwerfen. So genügt es z.b. nicht, dass ein Formular, auch wenn es in erster Linie den Schiedsämtern und Schiedsstellen dient, für das dortige Personal die Arbeit erleichtert und den Ablauf beschleunigt. Denn in vielen Fällen müssen die Formulare der Schiedsämter und -stellen im weiteren Rechtsweg auch noch für andere Behörden verständlich und leicht zu handhaben sein. Da muss man schon eine gehörige Kenntnis von Tätigkeit und Zweck dieser weiteren Behörden haben. So dient, um nur zwei Beispiele zu nenne, die Sühnebescheinigung dem Privatklagerichter als behördliches Zeugnis über eine Verfahrensvoraussetzung des strafrechtlichen Privatklageverfahrens. Das Protokoll mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich ist die Arbeitsgrundlage des Gerichts, wenn es um die Erteilung der Vollstreckungsklausel geht. Leider muss man feststellen, dass auch die Schiedsamtsgesetze und die Verwaltungsvorschriften dazu, auf diese Gesichtspunkte kaum hinreichend Rücksicht nehmen. Es führt also zu keinen wirklich brauchbaren Ergebnissen, wenn man glaubt, man müsse nur alle Eventualitäten aus den Verwaltungsvorschriften übernehmen, um ein Formular zu entwerfen. Dieser Ansatz verkennt schon die ganz unterschiedlichen Aufgaben eines Formulars und von Verwaltungsvorschriften. Verwaltungsvorschriften sollen das Gesetz, dem sie dienen, erläutern. Sie müssen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/6
also zwangsläufig alle denkbaren Möglichkeiten aufreihen. Formulare sollen richtig verstanden, diese Vielfalt übersichtlich ordnen und ihre Handhabung erleichtern. Dies geschieht nicht, wenn man den Versuch macht, ein Formular zu schaffen, das die ganze Vielfalt aufnehmen soll. Solche Formulare werden unübersichtlich. Formulare haben nur einen vernünftigen Sinn, wenn sie Fälle typischer, wiederkehrender Erledigungsformen erfassen. Das bedeutet, für jeden Typ benötigt man ein besonderes Formular. Nur so ist ein die Arbeit erleichternder schneller Umgang mit Formblättern möglich. Dazu muss man verlangen, dass die vorformulierten Teile ohne weitere Anleitung schnell und sicher erkennen lassen, welche Details des konkreten Falles an welche Stelle einzusetzen sind. Ein großer Teil von Formblättern, nicht nur im Schiedsamtswesen verletzt diesen Grundsatz leichter Verständlichkeit. Auf die zu erwartenden Details muss der vorgegebene Text im Formular deutlich hinarbeiten, dass eine Verwechselungsgefahr nicht entsteht und jeder Fremde, der den Fall nicht kennt ohne nachzufragen, sich orientieren kann. Aus dem gleichen Grunde ist die Anordnung des Textes und die Wahl des Schriftgrades von überragender Bedeutung. Es ist wichtig, dem Leser die Möglichkeit zu eröffnen, schon beim ersten Blick zu erkennen, welchen weiteren Inhalt das Formblatt haben wird und welchem Zweck es dienen soll. Überschriften sollen Leitbildfunktionen haben z.b.»ladung«,»antrag«,»protokoll«,»ordnungsgeldbescheid«oder»sühnebescheinigung«. Das ist derzeit praktisch unbeachtet geblieben. Besonders häufig ist dieser Fehler bei den Sühnebescheinigungen zu beobachten. Es wird und zwar auch in Lehrbüchern und sog.»leitfaden«-schriften zu wenig hervorgehoben, dass die Sühnebescheinigung ein amtliches Zeugnis ist, das nur das Schiedsamt ausstellen kann. Aus diesem Grunde ist es auch falsch, wenn die Verfechter bedingter Vergleiche im Strafrecht, die es immer noch gibt, die Auffassung vertreten, das Protokoll mit dem bedingten Vergleich, reiche für eine strafrechtliche Privatklage als»sühnebescheinigung«aus. Es wird sogar die Meinung geäußert, das Schiedsamt müsse auf diesem Protokoll keinen Vermerk mehr anbringen, dass der Sühneversuch gescheitert sei. Diese Auffassung verkennt in grober Weise die eigentliche Aufgabe der Schiedsämter und Schiedsstellen. In allen Ländern, in denen diese Vergleichsbehörden im Sinne von 380 StPO sind, verlangen Gesetz und Verwaltungsvorschriften, dass die Schiedspersonen das Scheitern des Sühneversuchs bescheinigen müssen. Überall wird ein deutlicher Unterschied zwischen Protokoll und Sühnebescheinigung gemacht. Das Protokoll, auch bei einem bedingten Vergleich enthält keine Erklärung der Schiedsperson über das Ergebnis des Verfahrens, sondern nur Parteierklärungen. Alle Gesetze und vor allem die Verwaltungsvorschriften verlangen, dass die Sühnebescheinigung aus dem Inhalt des Vermerks der Schiedsperson über die Erfolglosigkeit besteht. Der Inhalt ist mit Rücksicht auf das Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/6
künftige Strafverfahren, in welchem die Bescheinigung als Prozeßvoraussetzung und zur Bestimmung des Verfahrensgegenstandes benötigt wird, im einzelnen vorgeschrieben. Das bedeutet man muss, wenn man ein Formular für die Sühnebescheinigung entwerfen will, auf diese gesetzlichen Vorschriften und diesen ureigensten Zweck bei der Auswahl der vorformulierten Teile achten. Man muss keinen großen Weitblick haben, um zu erkennen, dass sich nicht nur die Anträge in Zivilfüllen und Strafsachen unterscheiden, sondern auch die einzelnen Anträge in beiden Teilbereichen. Ein Antrag wegen Körperverletzung hat nicht den gleichen Inhalt wie ein Antrag wegen Beleidigung. Hier sind schon die Tatbestandsmerkmale der Norm ganz verschieden. Aber auch wenn die Tatbestandsmerkmale des gleichen Delikts untereinander identisch sind, so werden sie doch in aller Regel von sehr verschiedenen Tatsachen erfüllt. Jede Tat ist von der Einmaligkeit der Ereignisse geprägt (Individualität). Die Erkenntnis schränkt die Möglichkeiten für den Antrag ein allumfassendes Formular zu entwickeln, ganz erheblich ein. Über die sogenannten Generalien wird der vorformulierte Text kaum hinausgehen. Ort, Zeit, Amt, anwesende Amtsperson, Bezeichnung der Sache, Bezeichnung der Parteien und Aufführung der Erschienenen darf man sicher zu den Generalien zählen. In andere Situationen des Verfahrens könnten andere Formulare u.u. mehr vorgefertigten Text aufnehmen. Ladungsformulare für die Parteien z.b. dürften schon die Belehrungen und Androhungen, die später als Voraussetzungen der Verhängung eines Ordnungsgeldes genötigt werden, enthalten. Der Ordnungsgeldbescheid könnte außer den Generalien gleichfalls die gesetzlich vorgesehenen Belehrungen über die zu-lässigen Rechtsbehelfe als Standardtext aufnehmen. Diese wenigen Beispiele haben schon sichtbar gemacht, dass um brauchbare Formulare zu entwerfen, die Alltagserfahrung und der Wille zur Vereinfachung nicht allein ausreichen. Es gehören große Übersicht und da diese ohne Rechtskenntnisse nicht vorstellbar ist, auch umfassende Rechtskenntnisse dazu. Fehlen diese, dann schafft der Wille zur Vereinfachung Formulare, die Rätsel aufgeben. Das im Anschluss abgedruckte Spielmaterial soll die Möglichkeit bieten, an einem konkreten Beispiel, die Probleme zu überdenken und Vorschläge zu erarbeiten oder auch nur Hinweise auf Einzelfälle zu geben, die man überdenken und in eine Neuordnung einbeziehen sollte. Lehrbeispiel Seite 1Rheinland-Pfalz (ANTRAG ZU PROTOKOLL) Schiedsamt 2 der Stadt Mainz gegenwärtig: Schiedsfrau Elvira Burgfried Mainz, 26. Juli 1991 In der Sühnesache des Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/6
Lehrlings Alex Sommer., geb. am 30.7.1976 led., Rheinstraße 15, Mainz gesetzlich vertreten durch 1. Schreinermeister Wilhelm Sommer 2. Ehefrau Helga Sommer, geb. Frühling beide Rheinstraße 15, Mainz erscheint der Schreinermeister A. Sommer der Schiedsfrau bekannt und legt Vollmacht seiner Ehefrau Helga Sommer vor. Er erklärt: Ich stelle zugleich im Namen meiner Ehefrau als gesetzliche Vertreter unseres gemeinsamen Sohnes Alex Sommer den Antrag einen Termin zur Sühneverhandlung anzuberaumen gegen 1. Former Fritz Winter, 2. Ehefrau Anita Winter, geb. Herbst beide Rheinstraße 15, Mainz weitere Personalien unbekannt. Mein Sohn beschuldigt das Ehepaar Winter wie folgt: Wir wohnen als Mieter im Hause von Herrn Winter. Am 3.7.1991 kam mein Sohn gegen 18,00 Uhr von der Arbeit zurück. Im Hausflur wurde er von Frau Winter zur Rede gestellt, weil er angeblich die Tür zugeknallt hätte. Als mein Sohn dies bestritt, wurde er von Frau Winter mit»du Lümmel, Du Flegel«beschimpft. Dann kam Herr Winter aus der Etagentür gestürzt und versetzte meinem Sohn mit den Worten:»Hau ab! Du Rotz Fragen aus den Seminaren junge«eine Ohrfeige. Durch den Schlag fiel die Brille meines Sohnes zu Boden und zerbrach. Den Vorfall hat die Nachbarin Sauerwein beobachtet. Die Winters sollen sich entschuldigen und die Reparaturkosten für die Brille 65,-- DM übernehmen. Sie sollen auch eine Buße an das»rote Kreuz«von 100,00 DM zahlen und die Kosten für unseren Anwalt und des Sühneverfahrens übernehmen. Wilhelm Sommer als ges. Vertreter des Antragstellers geschl. Elvira Burgfried Lehrbeispiel Seite 2 (PROTOKOLL EINER SÜHNEVERHANDLUNG) Schiedsamt 2 der Stadt Mainz gegenwärtig: Schiedsfrau Elvira Burgfried In der Sühnesache des Lehrlings Alex Sommer, geb. 30.7.1976, led. Rheinstraße 15, Mainz gesetzlich vertreten durch seine Eltern a. Schreinermeister Wilhelm Sommer b. Ehefrau Helga Sommer, geb. Frühling bei wohnhaft wie vor Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/6
gegen 1. Former Fritz Winter 2. Ehefrau Anita Winter, geb. Herbst beide wohnhaft Rheinstraße 15, Mainz wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Schadensersatz erschienen heute: Der Antragsteller Alex Sommer und als gesetzlicher Vertreter Wilhelm Sommer, zugleich Vollmacht seiner Frau vorlegend, als Beistand des Antragstellers Rechtsanwalt Dr. Gleich, Mainz Die Antragsgegner zu 1 und 2 Sämtliche Erschienenen sind der Schiedsperson persönlich bekannt. Die Parteien schlossen folgenden Vergleich: 1. Die Antragsgegner bedauern den Vorfall vom 3.7.1991 und entschuldigen sich. 2. Die Antragsgegner zahlen als Gesamtschuldner an den Antragsteller 296,20 DM Der Betrag errechnet sich wie folgt: 65,-- DM Schadensersatz für die Brillenreparatur 61,80 DM Kosten des Sühneverfahrens 150,-- DM anteilige Anwaltskosten 20,-- DM für das Rote Kreuz, Mainz, die der Antragsteller an den Kreisverband Mainz abführen wird. Die Antragsgegner zahlen die Kosten des Sühneverfahrens sofort. Die Anwaltskosten bis zum 15.8.1991, den Restbetrag bis zum 15.9.1991. Kommen die Antragsgegner mit einer Zahlung in Verzug, werden die gesamten Restbeträge sofort fällig. 3. Der Antragsteller erklärt damit alle zivilrechtlichen Ansprüche für erledigt und verzichtet auf sein Recht strafrechtliche Privatklage zu erheben. v.g.u. Alex Sommer Wilhelm Sommer Fritz Winter Anita Winter g.w.o. Elvira Burgfried (Schiedsfrau) Merke: 1. Falls ein Vergleich geschlossen wird, ist die Wiederholung des Antrags im Protokoll überflüssig. 2. Wird das Protokoll in Strafsachen als Sühnebescheinigung benötigt, dann ist der Antragsinhalt im Protokoll zu wiederholen. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/6
3. In Zivilsachen wird eine Sühnebescheinigung nicht benötigt. Aus diesem Grunde ist eine Wiederholung des Antrags überflüssig. 4. Ein Vergleich schafft, wie ein Urteil, nur Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Verfahrens. 5. Deshalb wird nur der Antragsteller Vollstreckungsgläubiger. Nur der oder die Antragsgegner werden Vollstreckungsschuldner. 6. Ein Drittbegünstigter (Rotes Kreuz z.b. hier) könnte erst nach weiteren Voraussetzungen gegen den Schuldner vollstrecken. Deshalb ist es ratsam solche Verpflichtungen nicht zu schaffen oder an Ort und Stelle erfüllen zu lassen. 7. Für die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist es wichtig, wer Partei des Verfahrens ist. Wer zur Sühneverhandlung tatsächlich erschienen ist, hat nur untergeordnete Bedeutung. 8. Achten Sie darauf, dass der Verzicht auf das Recht der Privatklage in Strafsachen wörtlich zum Ausdruck kommt und stellen Sie diesen Verzicht nicht unter eine Bedingung. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/6