3-2.3.9 Inanspruchnahme von Sonderrechten mit dem Privatfahrzeug



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Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 1 3-2.3.9 Inanspruchnahme von Sonderrechten mit dem Privatfahrzeug Autor: Dr. Gerhard Nadler, Justiziar, München Inhalt 1 Überblick über die Rechtssprechung und Literaturmeinung 2 Beschlußfassung des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei 3 Auffassungen der zuständigen Ministerien in den einzelnen Bundesländern 4 Stellungnahme des Bundesverkehrsministers 5 Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.04.2002 6 Resümee 7 Abkürzungen Nach 35 Abs. 1 StVO ist die Feuerwehr von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Der Sonderrechtsfahrer darf, wie bereits in Kapitel 3-2.3.2 ausführlicher dargelegt, u. a. schneller fahren als sonst erlaubt, Rotlicht überfahren, fahren entgegen der Fahrtrichtung, links fahren und parken im Halteverbot. Die Sonderrechte dürfen gemäß 35 Abs. 8 StVO aber Allgemeines zu den Sonderrechten

3-2.3.9 Seite 2 Feuerwehrwesen Begriff Feuerwehr in der StVO Sonderrechte, kein Wegerecht nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Der übrige Verkehr darf zwar behindert oder belästigt werden, aber niemals dürfen andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder gar geschädigt werden. Feuerwehr im Sinne 35 Abs. 1 StVO ist nach überwiegender Auffassung auch der Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, der Zuhause oder am Arbeitsplatz zu einem Einsatz alarmiert wird und mit seinem Privatfahrzeug zum Feuerwehrhaus fährt. Nach ebenfalls überwiegender Auffassung dient bereits diese Fahrt der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben. Es bleibt darauf hinzuweisen, daß der Feuerwehrangehörige in dieser Situation zwar grundsätzlich Sonderrechte in Anspruch nehmen kann, er aber kein Wegerecht hat. Das heißt, er darf sich zwar über die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung hinwegsetzten (z. B. schneller fahren als sonst erlaubt), die anderen Verkehrsteilnehmer müssen ihm aber nicht freie Bahn schaffen. Bei der Fahrt mit dem Privatfahrzeug ist immer zu berücksichtigen, daß die Inanspruchnahme von Sonderrechten für andere Verkehrsteilnehmer nicht oder nur schlecht erkennbar ist. Deshalb ist bei diesen Fahrten größte Vorsicht und, insbesondere im Hinblick auf die Geschwindigkeit, besondere Zurückhaltung geboten. In Großstädten mit einer starken Berufsfeuerwehr kann die Inanspruchnahme von Sonderrechten mit dem Privatfahrzeug nicht notwendig, damit nicht geboten und somit rechtlich nicht möglich sein. Entscheidend dafür ist die örtliche Organisationsstruktur der gesamten Feuerwehr.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 3 Vereinzelt wird immer wieder die Ansicht vertreten, daß Feuerwehrangehörige, die Zuhause oder am Arbeitsplatz zu einem Einsatz alarmiert werden und mit dem Privatfahrzeug zum Feuerwehrhaus fahren, keine Sonderrechte in Anspruch nehmen können. Die Vertreter dieser Auffassung räumen aber ein, daß ein Hinwegsetzen über die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung in solchen Fällen durch 16 OWiG (Rechtfertigender Notstand) gerechtfertigt und damit straffrei sein kann. Die nach der unlängst ergangenen Entscheidung des OLG Stuttgart (vgl. NZV 2002, 410 = DAR 2002, 366) wieder aufflammende Diskussion in der juristischen Literatur (vgl. Jäksch, NZV 2002, 412; Otto, NZV 2002, 522; Dickmann, NZV 2003, 220; Schneider, NZV 2003, 244) sowie in der Feuerwehr-Fachpresse (vgl. Otto, BrandSchutz, 2003, S. 43; Jäksch, Feuerwehr-Magazin, 2003, Heft 9, S. 53) gibt Anlaß die Auffassungen und Argumente zu diesem Rechtsproblem breiter darzulegen. Dazu wird zunächst ein Überblick über die diesbezügliche Rechtsprechung sowie über die in der Literatur vertretenen Auffassungen gegeben. Dann werden die Beschlußfassung des Bund-Länder-Fachausschusses StVO, die Auffassungen der zuständigen Ministerien der einzelnen Bundesländer sowie die Stellungnahme des Bundesverkehrsministers wiedergegeben. Anschließend ist die unlängst ergangene Entscheidung des OLG Stuttgart auszugsweise abgedruckt, abschließend zieht der Autor ein Resümee. Vereinzelt andere Auffassung

3-2.3.9 Seite 4 Feuerwehrwesen 1 Überblick über die Rechtssprechung und Literaturmeinung Sonderrechte werden bejaht Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sonderrechten mit Privatfahrzeug wird in Literatur und Rechtsprechung bejaht von: OLG Frankfurt, StVE 35 StVO Nr. 6; AG Soltau, SgE- Feu, 35 I StVO Nr. 48; OLG Stuttgart, StVE 35 StVO Nr. 10; AG Herford, SgEFeu, 35 I StVO Nr. 75; AG Reutlingen (Az: 9 OWi 33 Js 17746/01 sowie 9 OWi 33 Js 17747/01); OLG Stuttgart (Az: 4 Ss 71/2002 sowie 4 Ss 72/2002) vgl. zu diesen vier Entscheidungen PVT, 2002, 103; Bouska, Straßenverkehrs-Ordnung, 2001 (= 19. Auflage), Erl. 1 zu 35 StVO; Cramer, Straßenverkehrsrecht, Bd. I, 1977, Rdnr. 20 zu 35 StVO; Dickmann in: NZV, 2003, 220; Endres in: Brandwacht, Heft 6/ 1992, S. 123; Endres/ Forster, Bayer. Feuerwehrgesetz, Bd. I, 28. Lfg. (= 11/2002), Rdnr. 73 ff. zu Art. 24; Jäksch in: NZV, 2002, 412; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 2003 (= 37. Aufl.), Rdnr. 3 zu 35 StVO; Kuckuk/ Werny, Straßenverkehrsrecht, 1996 (= 8. Aufl.), Rdnr. 2a zu 35 StVO; Kullik in: NZV, 1994, S. 58; Nadler in: Feuerwehr-Magazin, Heft 10/ 1997, S. 82; Nadler, Straßenverkehrsrecht für Feuerwehr und THW, 2001 (= 2. Aufl.), S. 34; Rüth/Beer/ Berz, Straßenverkehrsrecht, 1988, Rdnr. 3 zu 35 StVO; Schneider, Feuerwehr im Straßenverkehr, 1995 (= 2. Aufl.), S. 14; Schneider in: NZV, 2003, 244; Stoll, Straßenverkehrsrecht, 71. Lfg (= 02/2003), Erl. 1 zu 35 StVO.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 5 Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sonderrechten mit Privatfahrzeug wird in Literatur und Rechtsprechung verneint von: AG Groß-Gerau, NZV 1992, 333; OLG Frankfurt, NZV 1992, 334; zust. Göhler in: NStZ, 1993, S. 72; Janiszewski/ Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 2002 (= 17. Aufl.), Rdnr. 2 zu 35 StVO; Otto in: NZV, 2002, 522. Sonderrechte werden verneint 2 Beschlußfassung des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei Beschluß auf der Sitzung vom 06./07. Oktober 1992 in Saarbrücken (Protokollauszug) TOP 1.6: 35 Abs. 1 StVO Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr auf der Fahrt von der Wohnung zum Feuerwehrstützpunkt (Schreiben Hessisches Ministerium des Innern III A 566 K 3.19 vom 14. April 1992) Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Beschluß vom 25.9.1991 (2 Ws (B) 421/91 OWiG) die Auffassung vertreten, daß ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt von seiner Wohnung zum Hauptfeuerwehrstützpunkt keine Sonderrechte gemäß 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen könne, da diese Fahrt allenfalls der Vorbereitung einer späteren hoheitlichen Aufgabe (Einsatz) diene.

3-2.3.9 Seite 6 Feuerwehrwesen Diese Rechtsauffassung wird einstimmig nicht geteilt. Nach 35 Abs. 1 StVO kommt es darauf an, ob die Überschreitung der Vorschriften der StVO zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Dies kann auch der Fall sein, wenn der Stützpunkt von der Wohnung schnell erreicht werden muß. Dabei ist aber 35 Abs. 8 besonders zu beachten, wenn mit Privatfahrzeugen gefahren wird, die für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht als Fahrzeuge mit Sonderrechten erkennbar sind. Beschluß auf der Sitzung vom 11./12. Mai 1993 in Dresden (Protokollauszug) TOP 1.6: 35 Abs. 1 StVO Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr auf der Fahrt von der Wohnung/Arbeitsplatz zum Feuerwehrstützpunkt (BLFA-StVO am 6./7. Oktober 1992, TOP 1.6; Schreiben Niedersächsisches Innenministerium 21.2. 30002/35.3 vom 25. März 1993) Der Vertreter des Landes Niedersachsen (Innenministerium) regt an, daß die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr auf der Fahrt von der Wohnung bzw. vom Arbeitsplatz zum Feuerwehrstützpunkt ausdrücklich in 35 Abs. 1 StVO aufgenommen werden sollte. Der Ausschuß bekräftigt, daß den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt zum Einsatzort bzw. zum Feuerwehrstützpunkt die Sonderrechte des 35 Abs. 1 StVO im Straßenverkehr zustehen. Er sieht übereinstimmend jedoch keinen Regelbedarf dahingehend, eine entsprechende Änderung des 35 StVO vorzunehmen.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 7 3 Auffassungen der zuständigen Ministerien in den einzelnen Bundesländern Der Autor und die Redaktion Feuerwehr-Magazin führten im Dezember 2000 zu dieser Thematik eine schriftliche Umfrage durch. Nachfolgend sind die Auffassungen bzw. Stellungnahmen der zuständigen Ministerien der einzelnen Bundesländer auszugsweise abgedruckt. Innenministerium Baden-Württemberg Schreiben vom: 19.12.2000 Aktenzeichen: 5-1531.0/21 Nach der Rechtsprechung einiger Amtsgerichte handelt es sich bei der Fahrt von Feuerwehrangehörigen mit dem Privatwagen zum Feuerwehrhaus nicht um einen hoheitlichen Einsatz. Deshalb stehen dem Betroffenen auch die Sonderrechte i.s. des 35 Abs. 1 StVO nicht zu. Jedoch können Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sein. Dagegen hält das Innenministerium unter Hinweis auf die Stellungnahme des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr und die herrschende Rechtsprechung und Literatur nach wie vor daran fest, dass bereits die Fahrt mit dem Privatfahrzeug zum Feuerwehrhaus zur hoheitlichen Tätigkeit gehört. Ungeachtet dieser gegensätzlichen Auffassungen weisen wir auf folgendes hin: Auch die Freistellung nach 35 Ab. 1 StVO gibt kein Vorrecht, insbesondere keine Vorfahrt gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, sich über Verkehrsregeln unter bestimmten Voraussetzungen hinwegzusetzen.

3-2.3.9 Seite 8 Feuerwehrwesen Die Inanspruchnahme eines Wegerechts gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern ist nur unter den Voraussetzungen des 38 Abs. 1 StVO zulässig und setzt danach immer die Verwendung von blauem Blinklicht und Einsatzhorn voraus. Dies ist bei Privatfahrzeugen regelmäßig nicht gegeben! Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Anspruch genommen werden ( 35 Abs. 8 StVO). Dies bedeutet, dass andere Straßenverkehrsteilnehmer nicht gefährdet oder verletzt werden dürfen. Kommt es dann tatsächlich zu einem Unfall, ist eine Berufung auf die Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO nicht möglich, wenn es sich zeigt, dass der Feuerwehrangehörige die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Die Tatsache der Einsatzfahrt kann dann allenfalls im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Wir haben bereits in der Vergangenheit ausdrücklich festgestellt, dass ein Feuerwehrangehöriger seine Dienstpflicht nach 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Feuerwehrgesetz nicht verletzt, wenn er nach der Alarmierung nur so schnell fährt, wie es die Verkehrsverhältnisse erlauben. Die Pflicht, sich bei Alarm unverzüglich am Alarmplatz einzufinden, hat deshalb grundsätzlich hinter der Pflicht zur Beachtung der geltenden Verkehrsregeln zurückzutreten. Ungeachtet dessen, ob von der Anwendbarkeit des 35 Abs. 1 StVO bei Fahrten von Feuerwehrangehörigen zum Feuerwehrhaus ausgegangen wird oder nicht, sind Feuerwehrangehörige in diesen Fällen auf jeden Fall zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet, weil sie in ihrem privaten PKW nicht die Möglichkeit haben, den anderen Verkehrsteilnehmern optisch und akustisch anzuzeigen, dass sie Sonderrechte beanspruchen.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 9 Bayerisches Staatsministerium des Innern Schreiben vom: 22.12.2000 Zeichen: I D 1 3610 126 Gemäß 35 StVO kann die Feuerwehr Sonderrechte in Anspruch nehmen, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Das gilt in Anbetracht der im Freistaat Bayern vorgegebenen Organisationsstruktur der Feuerwehr dem Grunde nach auch für Feuerwehrdienstleistende, die nach einer Alarmierung mit dem Privatfahrzeug zum Feuerwehrgerätehaus fahren. Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Sonderrechten im Straßenverkehr ist, dass der Einsatz bei Beachtung der Verkehrsregeln oder einzelner Verkehrsregeln nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht so schnell, wie zum allgemeinen Wohl erforderlich, hätte erfüllt werden können. Der Wahrnehmung von Sonderrechten werden jedoch durch 35 Abs. 8 StVO Schranken gesetzt, wobei die Rechtsprechung einen ausgesprochen strengen Maßstab anwendet. Die Inanspruchnahme der Sonderrechte im Straßenverkehr darf nicht zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen. Die Feuerwehrdienstleistenden müssen bei Inanspruchnahme von Sonderrechten stets darauf achten, dass die Abweichung von den Verkehrsregeln andere weder gefährdet noch schädigt. Dazu haben wiederholt Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen ergeben, dass solche Sonderrechtsfahrten besonders gefährlich sind. Darüber haben wir z. B. in unserer Zeitschrift brandwacht, 1/97, berichtet. Oberste Devise ist deshalb in jedem Fall: Sicherheit vor Schnelligkeit.

3-2.3.9 Seite 10 Feuerwehrwesen Berlin Senatsverwaltung für Inneres Schreiben vom: 29.12.2000 GeschZ.: II B 2 0370/0400 Nach erneuter Prüfung halten wir an unserer Auffassung fest, dass Sonderrechte nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn mit der Fahrt hoheitliche Aufgaben erfüllt werden sollen und die Befreiung dringend geboten ist. D. h., die Fahrt muss bereits unmittelbar der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen. Das ist bei einer Fahrt zum Gerätehaus nicht der Fall. Denn sie dient der Vorbereitung des Einsatzes, ist aber nicht Teil des Einsatzes selbst. Damit fehlt es bei der Fahrt zum Gerätehaus am unmittelbaren Zusammenhang zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, der für die Inanspruchnahme von Sonderrechten Voraussetzung ist. Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Schreiben vom: 19.12.2000 Zeichen: F 03110 Die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr der Freien Hansestadt Hamburg dürfen bei einer Alarmierung aus fürsorgerischen Gründen auf dem Weg vom jeweiligen Aufenthaltsort (Wohnung, Arbeitsstätte) zur Unterkunft der FF mit ihren Privatfahrzeugen keine Sonderrecht in Anspruch nehmen, da hierfür wegen gleichzeitiger Alarmierung von Einheiten der Berufsfeuerwehr keine zwingende Notwendigkeit besteht. Die Inanspruchnahme von Sonderrechten nach 35 StVO mit Privatfahrzeugen wäre in Hamburg schon auf Grund der hier bestehenden hohen Verkehrsdichte und der Häufigkeit der Alarmierungen mit einem unverhältnismäßig hohen Unfallrisiko verbunden.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 11 Land Brandenburg Ministerium des Innern Schreiben vom: 09.01.2001 GeschZ.: III/4.2 So hatte in der Vergangenheit das Oberlandesgericht Frankfurt (1991) in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren die Auffassung vertreten, dass ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt von seiner Wohnung zum Feuerwehrstützpunkt keine Sonderrechte gemäß 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen kann, da diese Fahrt allenfalls der Vorbereitung zu einer späteren hoheitlichen Aufgabe (Einsatzabwicklung) diene. Diese Auffassung wird vom Bund-Länder-Fachausschuß für Straßenverkehrsordnung, dem die obersten Verkehrsbehörden und Innenministerium der Länder angehören, einstimmig nicht geteilt. Auch nach einhelliger Literaturauffassung können diese Personen in genannten Fällen diese Sonderrechte ausüben. Dabei ist aber 35 Abs. 8 StVO besonders zu beachten, wenn mit Privatfahrzeugen gefahren wird, die für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht als Fahrzeuge mit Sonderrechten erkennbar sind. Je gefährlicher die Inanspruchnahme von Sonderrechten für andere Verkehrsteilnehmer werden kann, um so vorsichtiger muss sich der Fahrer verhalten. Das Risiko und die jeweilige Verantwortung liegen hierbei jeweils bei dem Fahrzeugführer.

3-2.3.9 Seite 12 Feuerwehrwesen Freie Hansestadt Bremen Der Senator für Bau und Umwelt Schreiben vom: 21.12.2000 Zeichen: 84 2 Gemäß 35 Absatz 1 StVO kommt es bei der Berufung auf die Sonderrechte darauf an, ob die Überschreitung der Vorschriften der StVO zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Dabei beginnt die hoheitliche Aufgabe nach dem Sinn und Zweck der Sonderrechte entgegen dem Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt vom 25.09.1991 (2 Ws (B) 421/91 OWiG) mit Alarmierung. Hierbei kommt es darauf an, dass der Stützpunkt von der Wohnung, vom Arbeitsplatz oder anderen Aufenthaltsorten aus möglichst schnell erreicht werden muß. Demzufolge stehen einem Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt zur Einsatzstelle oder zum Feuerwehrstützpunkt die Sonderrechte gemäß 35 Absatz 1 StVO im Straßenverkehr zu. Bei der Inanspruchnahme der Sonderrechte ist aber besonders die Vorschrift des 35 Absatz 8 StVO zu beachten, wenn mit Privatfahrzeugen gefahren wird, die für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht als Einsatzfahrzeuge erkennbar sind.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 13 Hessisches Ministerium des Innern und für Sport Schreiben vom: 01.12.2000 Aktenzeichen: V3 / LT-PL-Prot., 103. PL-Sitz. v. 30.6.98, S. 6135 Nach 35 StVO ist u.a. die Feuerwehr von den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung ausgenommen, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß es sich um ein Kraftfahrzeug der Feuerwehr handelt; inwieweit auch der Führer eines Privatfahrzeuges diese Privilegierung in Anspruch nehmen kann, ist umstritten. Nach der überwiegenden Meinung kommt es darauf an, ob die Überschreitung der Vorschriften der StVO zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Dies kann z.b. der Fall sein, wenn der Stützpunkt von der Wohnung schnell erreicht werden muß. Dies bedarf einer pflichtgemäßen Abwägung im Einzelfall. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ferner 35 Abs. 8 StVO zu beachten, wonach diese Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen, denn es wird in einem solchen Fall mit Privatfahrzeugen gefahren, die für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht als Fahrzeuge mit Sonderrechten erkennbar sind.

3-2.3.9 Seite 14 Feuerwehrwesen Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern Schreiben vom: 01.03.2001 Aktenzeichen: V 652a 621.5-1-40 Die Beschlüsse des BLFA-StVO werden von der obersten Straßenverkehrsbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern mitgetragen. Feuerwehrangehörige, die im Alarmfall mit Privatfahrzeug von der Wohnung zum Gerätehaus fahren, haben jedoch insbesondere das Übermaßverbot zu beachten. Dies vor allem deshalb, weil andere Verkehrsteilnehmer sich auf diese Inanspruchnahme von Sonderrechten nicht einstellen können. Niedersächsisches Inneministerium Schreiben vom: 01.03.2001 (Telefax) Zeichen: MI 35 Obwohl in einem Beschluß des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr vom 11./12.05.1993 die Auffassung vertreten wird, daß Angehörigen Freiwilliger Feuerwehren im Alarmfall auf der Fahrt zum Einsatzort bzw. zum Feuerwehrhaus die Sonderrechte des 35 Abs. 1 StVO im Straßenverkehr zustehen, muß mit Nachdruck auf die in dieser Angelegenheit nach wie vor anders lautende Rechtssprechung hingewiesen werden. Danach steht Feuerwehrangehörigen auf dem Weg zum Feuerwehrhaus mit ihrem Privat-PKW nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen die im nachhinein einer rechtlichen Überprüfung unterliegen die Inanspruchnahme von Sonderrechten zu. Aufgrund der in dieser Angelegenheit weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheit sind die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren schon aus Fürsorgegesichtspunkten anzuhalten, auf die Inanspruchnahme von Sonderrechten zu verzichten.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 15 Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Schreiben vom: 01.02.2001 Aktenzeichen: V D 4-4.046-1 Feuerwehrangehörige, die mit ihrem privaten Fahrzeug bei Alarm zum Gerätehaus fahren, sind nach der Rechtsauffassung meines Hauses Feuerwehr im Sinne des 35 Abs. 1 StVO und können somit die Sonderrechte des 35 StVO in Anspruch nehmen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Sonderrechte nur unter besonderer Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Anspruch genommen werden dürfen und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muß. Denn für die übrigen Verkehrsteilnehmer ist es nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Fahrzeug des Feuerwehrangehörigen um ein Sonderrechtsfahrzeug handelt, wie es bei Einsatz von Blaulicht und Signalhorn der Fall wäre. Derjenige, der die Sonderrechte nach 35 StVO in Anspruch nimmt, haftet sowohl straf- als auch zivilrechtlich in vollem Umfang, falls er andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder gar schädigt und verletzt.

3-2.3.9 Seite 16 Feuerwehrwesen Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport Schreiben vom: 11.12.2000 Zeichen: 30 1616-1/354 35 Abs. 1 StVO beschränkt die Sonderrechte für die Feuerwehr und den Katastrophenschutz anders als bei der Regelung für den Rettungsdienst nach 35 Abs. 5 a StVO nicht auf Einsatzfahrzeuge. Demnach sind die Feuerwehr und der Katastrophenschutz einschließlich aller ihrer Angehörigen unabhängig davon, ob sie ein Einsatzfahrzeug oder ein privates Fahrzeug benutzen von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Bei einem Feuerwehreinsatz beginnt die hoheitliche Tätigkeit bereits mit der Alarmierung der Feuerwehrangehörigen. Dies folgt u.a. aus 1 Abs. 1 der Feuerwehrverordnung, wonach die Feuerwehr so aufzustellen ist, daß sie in der Regel zu jeder Zeit und an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereichs innerhalb einer Einsatzgrundzeit von acht Minuten nach der Alarmierung wirksame Hilfe einleiten, d. h. an der Einsatzstelle erste Maßnahmen durchführen kann. Diese Einsatzgrundzeit setzt sich im wesentlichen aus folgenden Einsatzphasen zusammen: Anfahrt zum Feuerwehrhaus, Anlegen der Schutzkleidung, Ausrücken zur Einsatzstelle, vorläufige Lagebeurteilung und Einleiten erster Hilfsmaßnahmen. Sonderrechte sollten niemals als Freibrief verstanden werden. Sie dürfen bei allen Einsatzfahrten unabhängig ob mit dem privaten Pkw oder mit einem besonders gekennzeichneten Einsatzfahrzeug nach 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 17 Einsatzfahrten unter Abweichung von Verkehrsvorschriften sind besonders risikoträchtig. Wer Sonderrechte in Anspruch nimmt, ist gleichzeitig zur erhöhten Sorgfalt und Umsicht verpflichtet. Die Inanspruchnahme von Sonderrechten findet ihre Grenze an dem von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsatz, daß eine Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer hierdurch zwar toleriert wird, die Gefährdung oder gar Verletzung anderer Verkehrsteilnehmer jedoch niemals gerechtfertigt ist. Bei allem Verständnis für den Willen, einem Unfallopfer oder einem von einem Brand bedrohten Menschen möglichst schnell helfen zu wollen, darf dies nicht dazu führen, Leben und Gesundheit Unbeteiligter zu gefährden. Die Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer sind selbst bei der Verwendung von Sondersignalen nach 38 StVO niemals genau vorauszuberechnen. Dies gilt vor allem für Angetrunkene und Kinder, wie mehrere tödliche Unfälle bei Einsatzfahrten in den letzten Jahren gezeigt haben. Deshalb darf von Verkehrsvorschriften nur dann abgewichen werden, wenn sich der Fahrzeugführer davon überzeugt hat, daß nach menschlichem Ermessen eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein Schreiben vom: 02.01.2001 Zeichen: VIII 423 621.155.1 2 Der zuständige Bund-Länder-Fachausschuss für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei hat in diesem Zusammenhang mehrere Beschlüsse gefasst. Danach stehen den Angehörigen der Feuerwehren die Sonderrechte des 35 Abs. 1 StVO auch bei Übungsfahrten sowie bei Fahrten zum Einsatzort bzw. Feuerwehrstützpunkt mit privaten Fahrzeugen zu. Das schleswig-holsteinische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr schließt sich dieser Rechtsauffassung an, zumal eine restriktive Auslegung des 35 Abs. 1 StVO dem Sinngehalt dieser Vorschrift widersprechen würde.

3-2.3.9 Seite 18 Feuerwehrwesen Saarland Ministerium für Inneres und für Sport Aktenzeichen: E 4 4175-03 Schreiben vom: 03.01.2001 Nach meiner Beurteilung ist es inzwischen gesicherte Rechtsauffassung, dass Feuerwehrangehörige im Alarmfall auch für Fahrten mit privaten Fahrzeugen zum Feuerwehrhaus oder zur Einsatzstelle Sonderrechte nach 35 StVO in Anspruch nehmen dürfen. 35 Abs. 1 StVO beschränkt die Sonderrechte für die Feuerwehr nicht auf Einsatzfahrzeuge. Die Feuewehr ist von den Vorschriften der StVO befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Bei einem Feuerwehreinsatz beginnt die hoheitliche Tätigkeit bereits mit der Alarmierung der Feuerwehrangehörigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Feuerwehr an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereichs innerhalb einer angemessenen Einsatzgrundzeit, zu der auch die Anfahrt zum Feuerwehrhaus rechnet, wirksame Hilfe leisten kann. Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden und verpflichten gleichzeitig zur erhöhten Sorgfalt und Umsicht.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 19 Sächsisches Staatsministerium des Innern Schreiben vom: 11.01.2001 Aktenzeichen: 42-15000.10/04 Die Auffassung unseres Hauses hierzu ist mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit als oberste Verkehrsbehörde in Sachsen abgestimmt und per Erlass vom 27. September 1994 den Gemeinden mitgeteilt worden. Danach stehen Angehörigen Freiwilliger Feuerwehren im Alarmfall zur Fahrt mit Privatfahrzeugen zum Feuerwehrhaus Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO zu. Diese Sonderrechte müssen begründet sein durch 1. Brände, Unglücksfälle, Katastrophen oder Störungen der öffentlichen Sicherheit zur Abwendung oder Eingrenzung von Personen- und/oder Sachschäden 2. die Abhaltung qualifizierter Einsatzübungen. Mit der Erteilung der Sonderrechte ist jedoch nicht die Wahrnehmung von Wegerechten nach 38 Abs. 1 StVO verbunden, denn Privatfahrzeuge dürfen weder mit Sondersignaleinrichtungen im Sinne von 38 Abs. 2 StVO noch mit (verkehrsrechtlich unverbindlich) beleuchteten Dachaufsetzern ausgerüstet werden. Somit besteht keine Möglichkeit der Durchsetzung der o. g. Sonderrechte, d. h., für die Folgen eines schuldhaft herbeigeführten Unfalles ist der Fahrzeugführer in vollem Umfang verantwortlich.

3-2.3.9 Seite 20 Feuerwehrwesen Sachsen-Anhalt Ministerium des Innern Schreiben vom: 19.12.2000 Zeichen: 25.21 13016 Festzustellen ist zunächst, daß alarmierte Mitglieder der Feuerwehren auf dem Weg zum Feuerwehrhaus nicht von Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit sind. Verstöße gegen StVO-Pflichten bei der Fahrt mit dem Privat-Pkw zum Feuerwehrhaus oder direkt zur Einsatzstelle können allerdings auch nach der in der Entscheidung des OLG Frankfurt/Main von 1991 1) vertretenen Auffassung gemäß 16 des OWiG (Rechtfertigender Notstand) gerechtfertigt sein, wenn die darin genannten Voraussetzungen vorliegen. Dazu gehört u. a., daß das konkret geschützte Interesse (möglichst schnelle Hilfe für bedrohte Personen und bedeutende Sachwerte) das beeinträchtigte Interesse (die Sicherheit des Straßenverkehrs) wesentlich überwiegt. Insbesondere leichtere Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung können somit gemäß 16 OWiG gerechtfertigt sein, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer den konkreten Umständen nach tatsächlich ausgeschlossen ist. 1) Anmerkung des Verfassers

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 21 Freistaat Thüringen Innenministerium Schreiben vom: 29.12.2000 GeschZ.: ohne (R. Kössel) Hinsichtlich der Frage, ob Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren bei Alarm während der Fahrt zum Feuerwehrhaus mit ihrem Privatfahrzeug Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen dürfen, schließt sich das Thüringer Innenministerium der Rechtsauffassung des Bund-Länder-Fachausschusses für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei vom11./12. Mai 1993 an. Danach stehen den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr im Alarmfall auf der Fahrt zum Einsatzort bzw. zum Feuerwehrstützpunkt Sonderrechte zu. Zu beachten ist hierbei, dass andere Verkehrsteilnehmer in der Regel nicht erkennen können, dass der Führer des Privatfahrzeuges Sonderrechte in Anspruch nimmt. Grundsätzlich dürfen Sonderrechte nur so in Anspruch genommen werden, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Inanspruchnahme von Sonderrechten nur im angemessenen Rahmen zulässig ist. So ist z. B. eine geringfügige Geschwindigkeitsübertretung bei sonst übersichtlichen Straßenverhältnissen bei der Alarmierung zu einem Wohnhausbrand vertretbar. Eine Alarmierung zu einem umgestürzten Baum auf einer Straße rechtfertigt diese Geschwindigkeitsübertretung hingegen nicht.

3-2.3.9 Seite 22 Feuerwehrwesen 4 Stellungnahme des Bundesverkehrsministers Im März 2001 wurde der Bundesverkehrsminister um eine Stellungnahme zu diesem Rechtsproblem gebeten. Nachfolgend ist die Stellungnahme des Bundesverkehrsministers auszugsweise abgedruckt *). Von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sind neben den sonst in 35 Abs. 1 StVO genannten Hoheitsträgern die Feuerwehr und der Katastrophenschutz befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Um zu gewährleisten, dass die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren möglichst schnell zu ihrem Einsatzort gelangen, haben sich die für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei zuständigen obersten Landesbehörden dafür ausgesprochen, dass die Mitglieder dieser Organisationen im Alarmfall auf der Fahrt von der Wohnung oder vom Arbeitsplatz zum Feuerwehrstützpunkt oder zum eigentlichen Einsatzort Rechte im Sinne von 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen können. Der Betreffende muss bei dieser Fahrt jedoch in besonderer Weise gebührende Rücksicht auf die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs nehmen ( 35 Abs. 8 StVO). Wird gegen ein Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr, das im Alarmfall auf der Fahrt von der Wohnung/Arbeitsplatz zum Feuerwehrstützpunkt/ Einsatzort Rechte im Sinne von 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nimmt, wegen eines festgestellten Verstoßes gegen geltende StVO-Vorschriften ein Ordnungwidrigkeitsverfahren Verwarnungsgeldangebot oder Einleitung eines Bußgeldverfahrens eröffnet, so kann der Betroffene seine Rechtfertigungsgründe gegenüber der zuständigen Behörde vortragen und, beispielsweise anhand von Einsatzplänen der Freiwilligen Feuerwehr, auf *) Quelle: Erstveröffentlichung in BRANDSchutz/Deutsche Feuerwehr-Zeitung 6/2001, S. 572. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 23 die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der erwähnten Sonderrechte besonders hinweisen. Die zuständige Behörde wird sodann vorgebrachte Entlastungsargumente bzw. vorgelegtes Entlastungsmaterial zu würdigen und in der Sache zu entscheiden haben. Ein Wegerecht gemäß 38 Abs. 1 StVO, dem zufolge andere Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn schaffen müssen, steht Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren im Alarmfall auf der Fahrt von der Wohnung/ Arbeitsplatz zum Feuerwehrstützpunkt/Einsatzort nicht zu; dieses setzt blaues Blinklicht in Verbindung mit dem Einsatzhorn voraus. Abschließend weise ich darauf hin, dass auch die allgemeine Notstandsregelung des 16 Ordnungswidrigkeitengesetz durch die Rettungsleitstelle veranlasste Alarmfahrten von der Wohnung/dem Arbeitsplatz zur Rettungswache/Einsatzort rechtfertigen kann, wenn durch die Alarmierung eine akute Gefahrenlage erkennbar ist, zur Abwehr der Gefahr ein Abweichen von den allgemeinen Verkehrsregeln unerlässlich ist und nicht die sich daraus ergebende Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs im Einzelfall schwerer wiegt. Natürlich soll die StVO bundesweit gleich angewandt werden. Die Durchführung der StVO ist jedoch aufgrund der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes eine ausschließliche Angelegenheit der Bundesländer. Bitte haben Sie daher dafür Verständnis, dass es in diesem Zusammenhang in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Auffassungen geben kann. Sollten jedoch in Zukunft bei den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr bei der Durchführung von Alarmfahrten zwischen Wohnung und Einsatzort Schwierigkeiten in verkehrsrechtlicher Hinsicht auftreten, wäre ich für eine Unterrichtung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen dankbar. gez. i.a. Müller

3-2.3.9 Seite 24 Feuerwehrwesen 5 Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.04.2002 Der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.04.2002 (4 Ss 71/2002) kann folgendes entnommen werden: Angehörigen einer Freiwilligen Feuerwehr stehen nach Auslösung eines Alarms bei der Fahrt mit einem Privatfahrzeug zum Feuerwehrhaus grundsätzlich die Sonderrechte des 35 Abs. 1 StVO zu. Mit einem privaten PKW, der keine Signaleinrichtungen wie ein Feuerwehrfahrzeug aufweist, sind, soweit es um die Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit geht, allenfalls mäßige Geschwindigkeitsüberschreitungen ohne Gefährdungen oder gar Schädigung anderer statthaft. Nachfolgend ist die Beschlußbegründung auszugsweise abgedruckt. a) Der Wortlaut des 35 Abs. 1 StVO bezeichnet mit dem Tatbestandsmerkmal die Feuerwehr lediglich die Institution und besagt nichts darüber, welche Fahrzeugarten dieser Einrichtung hierunter fallen; er schließt private Fahrzeuge aus dem Anwendungsbereich jedenfalls nicht aus. Aus dem Standort der Norm am Ende des ersten Abschnitts der StVO ( Allgemeine Verkehrsregeln ) und angesichts dessen, dass diese Sonderregelungen von den Vorschriften der StVO vollständig befreit, kann geschlossen werden, dass es sich um eine eng auszulegende Sondervorschrift handelt, wovon auch die Staatsanwaltschaft zu Recht ausgeht.

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 25 Dies besagt allerdings noch nichts darüber, ob diese enge Auslegung bei dem Begriff Feuerwehr anzusetzen hat oder ob erhöhte Anforderungen an das Merkmal dringend geboten und/oder an die Voraussetzungen des 35 Abs. 8 StVO zu stellen sind. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm, die ursprünglich als 48 Abs. 1 in die StVO eingestellt war, lässt sich nichts Entscheidendes für die Lösung der vorliegenden Frage herleiten. Hingegen stellen die zu der StVO erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften eine wertvolle Auslegungshilfe bezüglich der Vorstellungen des Verordnungsgebers dar (Janiszewski/Jagow/Burmann, StVO, 16. Aufl., Einführung Rdnr. 232). In der VwV-StVO zu 35 wird empfohlen, bei Inanspruchnahme von Sonderrechten dies, wenn möglich und zulässig, durch blaues Blinklicht mit Einsatzhorn anzuzeigen. Aus dem einschränkenden Zusatz wenn möglich kann geschlossen werden, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers Fahrzeuge, die weder über blaues Blinklicht noch über Einsatzhorn verfügen, Sonderrechte in Anspruch nehmen können. Hierfür spricht auch die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg zu 35 StVO (GABI. 1981, 747). Danach stehen dem Angehörigen einer freiwilligen Feuerwehr, der nach Auslösung eines Alarms mit einem privaten Pkw zum Feuerwehrhaus oder zum Alarmplatz fährt, die Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO zu. Allerdings trete die Pflicht, sich bei Alarm unverzüglich beim Alarmplatz einzufinden, grundsätzlich hinter die Pflicht zur Beachtung der geltenden Verkehrsregeln zurück. Da die Privatfahrzeuge der Feuerwehrangehörigen keine Möglichkeit hätten, durch Blaulicht und Einsatzhorn den übrigen Verkehrsteilnehmern anzuzeigen, dass Sonderrechte in Anspruch genommen würden, verbiete es sich grundsätzlich auch im Interesse der betroffenen Feuerwehrangehörigen Sonderrechte bei Fahrten mit dem privaten Pkw in Anspruch zu nehmen.

3-2.3.9 Seite 26 Feuerwehrwesen An dieser Stelle der Begründung wird die Beschlußfassung des BLFA-StVO (vgl. oben) und die Stellungnahme des Bundesverkehrsministers (vgl. oben) dargelegt. 1) Schließlich spricht auch eine zweckgerichtete Auslegung der Vorschrift dafür, dass Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr bei einer Fahrt im Alarmfall zum Feuerwehr- oder Einsatzort grundsätzlich dem 35 Abs. 1 StVO unterfallen, diese Sonderrechte jedoch nur in zumindest notstandsähnlichen Ausnahmefällen in Anspruch nehmen dürfen. Denn damit wird einerseits der in diesem Fall vorliegenden Notstandshilfelage und andererseits der durch die StVO geschützten allgemeinen Verkehrssicherheit Genüge getan. b) Der Auffassung des Senats entspricht die Entscheidung des 3. Senats für Bußgeldsachen des OLG Stuttgart vom 07.10.1991 (NJW 1992, 993). Danach kann ein Polizeibeamter, der mit seinem Privat-Pkw eine mit Haftbefehl gesuchte Person verfolgt, die Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen, wenn die sofortige Diensterfüllung wichtiger erscheint als die Beachtung der Verkehrsregeln. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden insoweit vergleichbar, als die Erkennbarkeit der Inanspruchnahme dieser Sonderrechte für die übrigen Verkehrsteilnehmer nicht bzw. (durch den Dachaufsatz) nicht ausreichend gegeben ist. Ferner hat das OLG Braunschweig (Beschluss vom 05. März 1990 Ss (B) 14/90 ) in einem gleichgelagerten Fall einem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr nach einem Einsatzbefehl auf der Fahrt zum Spritzenhaus zwar die Berufung auf das Sonderrecht des 35 Abs. 1 StVO verwehrt, da der Betroffene kurz vor Erreichen seines Fahrziels nicht davon ausgehen konnte, dass die innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 54 km/h dringend geboten gewesen sei. Die Entscheidung impliziert damit jedoch, dass, unter der Voraussetzung der 1) Anmerkung des Verfassers

Feuerwehrwesen 3-2.3.9 Seite 27 dringenden Gebotenheit, einem Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr auf der Fahrt zum Feuerwehrhaus die Berufung auf diese Vorschrift grundsätzlich möglich ist. Auch Kullik (NZV 1994, 58 und DAR 1995, 126) vertritt die Auffassung, dass ein Feuerwehrmann nach Alarmierung auf dem Weg zum Spritzenhaus als Fußgänger, Radfahrer oder Pkw-Fahrer die Sonderrechte nach 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen kann. Zu Recht weist er darauf hin, dass einem Feuerwehrmann damit auch die Möglichkeit gegeben sei, mit seinem Privat-Pkw eine nach Zeichen 250 der StVO (Verbot für Fahrzeuge aller Art) gesperrte Waldstraße befahren zu können, um dadurch die Zufahrt zum Spritzenhaus abzukürzen. Demgegenüber vertritt das OLG Frankfurt in seinen Beschlüssen vom 02. August 1984 2 Ws (B) 133/84 OWiG (Cramer/Berz/Gontard, Straßenverkehrs-Entscheidungen Nr. 6 zu 35 StVO) und vom 25. September 1991 2 Ws (B) 421/91 OWiG die Auffassung, dass ein Feuerwehrmann auf der Fahrt mit seinem privaten Pkw zum Feuerwehrstützpunkt 35 Abs. 1 StVO nicht in Anspruch nehmen könne, da diese Fahrt noch keine hoheitliche Aufgabe erfülle, sondern allenfalls der Vorbereitung einer späteren hoheitlichen Aufgabe (Einsatz) diene. Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden, da auch die Vorbereitungshandlung, die mit der Einsatztätigkeit in unmittlebarem Zusammenhang steht, bereits als hoheitliche Aufgabe anzusehen ist (Schmidt/ Buck BWVPr 1985, 221, 223), wozu auch das Zurückliegen des Weges zwischen der Wohnung und dem Feuerwehrort oder der Einsatzstelle gehört (Surwald, Feuerwehrgesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., 16 Rdnr. 6)

3-2.3.9 Seite 28 Feuerwehrwesen 6 Resümee Die Straßenverkehrs-Ordnung ist Bundesrecht, sie gilt in der gesamten Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen. Leider gibt es zur Inanspruchnahme von Sonderrechten mit dem Privatfahrzeug unterschiedliche Rechtsauffassungen. Da auch vereinzelt Gerichte die Auffassung vertreten haben, Feuerwehrangehörige könnten mit ihrem Privatfahrzeug keine Sonderrechte in Anspruch nehmen, besteht leider eine gewisse Rechtsunsicherheit. Als eigentliches Resümee kann aber festgehalten werden, daß die Rechtsauffassung pro Sonderrechte inzwischen gefestigt und vorherrschend ist. Dies wird durch die letzten bekannten gerichtlichen Entscheidungen (AG Reutlingen, Urt. v. 6.12.2001, 9 OWi 33 Js 17746/01 sowie 9 OWi 33 Js 17747/01 sowie OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.4.2002, 4 Ss 71/2002 sowie 4 Ss 72/2002) unterstrichen. 7 Abkürzungen DAR = Deutsches Autorecht (Zeitschrift) NStZ = Neue Zeitschrift für Strafrecht NZV = Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht PVT = Polizei, Verkehr + Technik (Zeitschrift) SgEFeu = Sammlung gerichtlicher Entscheidungen zum Feuerschutz (Hrsg: Lfv NRW) StVE = Straßenverkehrs-Entscheidungen (Entscheidungssammlung von Cramer/Berz/ Gontrad) StVO = Straßenverkehrs-Ordnung