5/2007. Mai. DeutscherAnwaltVerein. DeutscherAnwaltVerlag

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Landgericht Berlin. Beschluss. Geschäftsnummer: 18 S 112/ C 259/15 Amtsgericht Charlottenburg

Transkript:

DeutscherAnwaltVerein Aufsätze Kokott/Henze: EuGH-Verfahren 309 Gebauer: Auslegung von EG-Richtlinien 314 Weller: Gesellschaftrecht und Europa 320 Thema Nationales Recht vs. Europarecht 330 Aus der Arbeit des DAV Parlamentarischer Abend 334 58. Deutscher Anwaltstag Deutschlands Anwaltschaft in Europa Aktualisiertes Programm 344 Anwaltsblatt Karriere Leseprobe (Editorial/Gehälterreport) 353 Rechtsprechung AGH Berlin: Kostenlose Beratung 375 BGH: Terminsgebühr Iund II 381/383 5/2007 Mai DeutscherAnwaltVerlag

MN Editorial Europa geht alle Anwälte an Felix Busse Rechtsanwalt, Herausgeber des Anwaltsblatts. Der Deutsche Anwaltverein hat nicht nur den diesjährigen 58. Deutschen Anwaltstag, sondern auch den Mai- Ausgabe des Anwaltsblatts dem Thema Europa gewidmet. Dies kommt nicht von ungefähr. Für die große Mehrzahl der Anwälte scheint Europa immer noch weit entfernt und eine Materie für international orientierte Anwaltskanzleien und eine kleine Gruppe namhafter Spezialisten zu sein. Sicherlich: Die rechtlichen Möglichkeiten, für einen Mandanten wegen Verletzung von Gemeinschaftsrecht einen der Europäischen Gerichtshöfe anzurufen, sind begrenzt. Eine Popularklage ist nicht zugelassen. Die Vertretung von Nichtigkeitsklagen von Organen der EG oder von Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedsstaat kommt in der Regel nur auf den kleinen Kreis spezialisierter Anwälte zu. Die Fragestellung, ob und inwieweit europäiches Recht den Alltag anwaltlicher Beratungs- und Vertretungstätigkeit erreicht, setzt aber sehr viel früher an. Dies machen die in diesem Heft veröffentlichten Aufsätze mit wünschenswerter Schärfe deutlich. Rechtsanwalt Dr. Marc-Philippe Weller stellt die weitgehenden Auswirkungen der zur Rechtsangleichung erlassenen Richtlinien und Verordnungen auf das deutsche Gesellschaftsrecht dar (S. 320). Fachkundige gesellschaftsrechtliche Beratung setzt nicht nur die Kenntnis der inzwischen angebotenen drei supranationalen Gesellschaftsformen (SE, EWIV und SCE) voraus, der für kleine und mittlere Unternehmen bald noch die Europäische Privatgesellschaft folgen dürfte. Vielmehr macht die aus der Niederlassungsfreiheit folgende Europäische Rechtsformwahlfreiheit den Blick über die Grenzen erforderlich. Denn für ausländische Gesellschaften gilt deren ausländisches Gesellschaftsstatut und die Wahl ausländischer Gesellschaftsformen wie der Limited oder für Anwälte der LLP nimmt zu. Das bringt eine Fülle rechtlicher Konflikte, die ohne einschlägiges Wissen nicht gelöst werden können. Dr. Martin Gebauer behandelt ab S. 314 Umsetzungsprobleme von EG- Richtlinien und ihre Lösung. Er zeigt auf, dass sich große Teile des wirtschaftsnahen Zivilrechts heute ohne die zu Grunde liegenden Richtlinien nicht mehr verstehen lassen. Der Anwalt muss deshalb angesichts des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung stets das nationale Recht daraufhin überprüfen, ob es für das streitbefangene Rechtsverhältnis einschlägige Richtlinien gibt und ob diese richtig und vollständig umgesetzt worden sind. Denn, so Gebauer, auch das BGB ist von zahlreichen Umsetzungsdefiziten gespickt. Da die Instanzgerichte europarechtliche Komponenten häufig nicht erkennen, ist es Aufgabe der Anwälte, diese aufzubereiten, was selbst bei Amtsgerichtsverfahren anstehen kann. Kommt Zweifeln an der richtigen Auslegung von Gemeinschaftsrecht Bedeutung zu, ist das Gericht verpflichtet, die Frage dem EuGH vorzulegen. Aufgabe des Anwalts ist es, dies anzuregen und dem Gericht Vorschläge für die vorzulegenden Fragen zu unterbreiten, was der Richter am BGH Dr. Wolfgang Kirchhoff (S. 330) hervorhebt. Ebenfalls hiermit und mit den Förmlichkeiten des Vorlageverfahrens setzt sich die deutsche Generalanwältin beim EuGH Professor Dr. Juliane Kokott (zusammen mit Thomas Henze, S. 309) auseinander. Sie weist darauf hin, dass in der Regel die Prozessvertreter des Ausgangsrechtsstreits die Mandanten auch im Vorlageverfahren vertreten, so dass ein großer Kreis von Anwälten, die sich bisher nicht (schwerpunktmäßig) mit dem Gemeinschaftsrecht befasst haben, in die Lage kommen kann, vor dem EuGH aufzutreten. Ob wir es also wollen oder nicht: Europa geht alle Anwälte an. AnwBl 5/2007 I

Anwaltsblatt Jahrgang 57, 5/2007 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von den Rechtsanw lten: Felix Busse Dr. Peter Hamacher Dr. Michael Kleine-Cosack Wolfgang Schwackenberg Redaktion: Dr. Nicolas L hrig (Leitung) Udo Henke Rechtsanw lte I IV VI VIII Editorial Europa geht alle Anwälte an Rechtsanwalt Felix Busse, Herausgeber des Anwaltsblatts Berichte aus Berlin und Br ssel Differenzen in der Rechtspolitik Stefan Schnorr, Berlin Ziel: Einheitliches Verbraucherrecht für Europa Rechtsanw ltin Eva Schriever, LL. M., Berlin/Br ssel Informationen Aufs tze 309 Der Anwalt vor dem Europäischen Gerichtshof Prof. Dr. Juliane Kokott, LL.M.(Am. Univ.), S. J. D. (Harvard), Luxemburg und Thomas Henze, M. L. E., Luxemburg 314 Umsetzungsprobleme von EG-Richtlinien und ihre Lösung Priv.-Doz. Dr. Martin Gebauer, Heidelberg/Frankfurt (Oder) 320 Deutsches Gesellschaftsrecht unter europäischem Einfluss Rechtsanwalt Dr. Marc-Philippe Weller, K ln/mannheim 326 Zivilrechtsfolgen bei Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht Dr. Thomas Wiedmann, Br ssel Kommentar 329 Deutscher Anwaltstag: Wozu? Rechtsanwalt Hartmut Kilger, T bingen Pr sident des Deutschen Anwaltvereins Thema 330 Wie viel Europa steckt im deutschen Recht? An die Vorlagemöglichkeit zum EuGH denken Interview mit Richter am BGH Dr. Wolfgang Kirchhoff, der bis zum Oktober 2004 als Rechtsanwalt im Br ssler B ro einer internationalen Großsoziet t gearbeitet hat. Gastkommentar 333 Letzte Ausfahrt Karlsruhe? Wolfram Schrag, Jurist (H rfunk des Bayerischen Rundfunks) Aus der Arbeit des DAV 334 Parlamentarischer Abend: RVG nachbessern 336 DAV-Werbekampagne auf neuen Wegen 336 DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt: Opfern politischer Gewalt schnell helfen 337 Gespräch mit den neuen Vereinsvorsitzenden 337 DAV-Pressemitteilung: Sicherungsverwahrung 338 DAV-Gesetzgebungsausschüsse 338 DAV und Amnesty International: Anwälte helfen verfolgten Anwälten 339 AG Arbeitsrecht: Arbeitsrecht kodifizieren 340 AG Arbeitsrecht: Frühjahrstagung 341 Forum Junge Anwaltschaft: Berufseinstieg 341 Forum Junge Anwaltschaft: Zeitmanagement 342 AG Baurecht: Immobilienrecht 342 AG Informationstechnologie: Cebit-Stand 342 Anwaltverein Donau-Ries: Qualtitätszirkel 343 AG Ausländer- und Asylrecht: Mitgliederversammlung 343 Personalien: u. a. Dr. Hans Dieter Beck 75 / Neue Vorsitzende 58. Deutscher Anwaltstag 344 Aktualisiertes Veranstaltungsprogramm (mit Festvortrag und aktuellem Thema) Anwaltsblatt Karriere 353 Leseprobe der neue Zeitschrift für Studierende und Referendare (Editorial und Gehälterreport) Meinung &Kritik 360 Beratungsmonopol aufgeben? Bitte nicht! Rechtsanwalt Dr. Frank Engelmann, Oranienburg 361 Beratungshilfe ein Prüfstein für die Justizpolitik Rechtsanwalt Detlev Heyder, Freiburg i. Br. Mitteilungen Soldan Institut 362 Die wirtschaftliche Situation der weiblichen Anwaltschaft Soldan Institut f r Anwaltmanagement II AnwBl 5/2007

Anwaltsrecht 365 Der Wissenschaftsbegriff des 15 S.1 FAO Rechtsreferendar Dr. Daniel Schnabl, LL.M. (Miami), Frankfurt a. M. und Rechtsreferendar Stefan Richter, Leipzig RVG-Frage des Monats 369 Das Überraschungsei in der Betriebsprüfung Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg B cherschau 370 Anwaltsrecht Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, K ln Haftpflichtfragen 372 Haftungsfallen im Verkehrszivilrecht Rechtsanw ltin Bettina Laschke, Allianz Versicherungs-AG, M nchen Rechtsprechung Anwaltsrecht 375 AGH Berlin: Kostenlose Hartz-IV-Beratung 376 LG Freiburg: Sonderpreis (9,99 Euro) 377 AG Charlottenburg: Hinweis auf Abrechnung nach Gegenstandswert Anwaltshaftung 379 BGH: Berufungsschrift in mehreren Teilen 380 OLG Naumburg: Rücknahme eines Rechtsbehelfs Anwaltsverg tung 380 BVerfG: Angemessener Streitwert in Ehesachen 381 BGH: Terminsgebühr ohne Anhängigkeit 383 BGH: Terminsgebühr bei Säumnisurteil 384 KG: Terminsgebühr nach Erledigung Kostenrecht 385 OLG Koblenz: Verfahrensgebühr für Berufungsbeklagten trotz Hinweises nach 522 Abs. 2ZPO 386 KG: Kosten der Anschlussberufung 386 OLGKoblenz:ErmäßigungnachHinweisbeschluss 387 OLG Koblenz: Kosten der Nebenintervention Prozessrecht 388 BGH: Vertrauen versus gesetzliche Frist 388 Fotonachweis, Impressum XXIX L LII LIV Stellenmarkt Deutscher Anwaltverlag aktuell Bücher &Internet Deutsche Anwaltakademie aktuell LVI Schlusspl doyer Nachgefragt, Comic, Mitglieder Service

MN Bericht aus Berlin Differenzen in der Rechtspolitik Politische Koalitionen sind bekanntlich keine Liebesbeziehung, sondern eher ein Zweckbündnis. Dass es dabei manchmal kräftig knirschen kann, haben nun auch die Rechtspolitiker erfahren müssen. Unterhaltsrecht So hätte die Debatte zwischen Union und SPD über die künftige Kinderpolitik und das Familienbild beinahe zu einem ein Scheitern der Reform des Unterhaltsrechts geführt. Eigentlich sollte das Gesetz schon Ende 2006 verabschiedet und am 1. April 2007 in Kraft treten. Unstrittig ist zwar, dass künftig nur Kinder in den ersten Rang kommen. Aber der im Regierungsentwurf vorgesehene zweite Rang für alle kinderbetreuenden Partner, egal ob verheirat oder nicht, war einigen Abgeordneten von CDU/CSU ein heftiger Dorn im Auge. Obwohl auch die Unionsminister den Regierungsentwurf mit beschlossen hatten, lehnten einige Familienpolitikerinnen der Union die Gleichbehandlung einer kinderbetreuenden Geliebten mit einer langjährigen Ehefrau strikt ab und wollten einem konservativen Familienbild folgend im zweiten Rang nur die erste (und sozusagen einzig wahre ) Ehefrau sehen. Allen weiteren (ehemaligen) Ehefrauen oder der aktuelle Lebenspartnerin dürfe erst der dritte Rang zukommen. Die Rechtspolitiker der Union waren da zwar wesentlich reformfreudiger, aber auch weniger durchsetzungsstark. Nach zähen und, wie zu hören war, heftigen Verhandlungen verständigten sich die Koalitionsspitzen schließlich darauf, alle Ehepartner in den zweiten Rang zu heben und nicht verheiratete Partner, selbst wenn sie Kinder erziehen, erst an dritter Stelle folgen zu lassen. Bundesjustizministerin Zypries (SPD) bedauerte, dass sich die Reform damit nicht mehr vollständig am Kindeswohl orientiere und der gesellschaftlichen Realität nur eingeschränkt Rechnung trage. Zumindest werde aber auch mit den Änderungen die Situation zugunsten der Kinder verbessert. Ob der Kompromiss nun wirklich das letzte Wort ist, bleibt abzuwarten. Geplant ist zumindest, das Gesetz alsbald zu verabschieden, damit die Reform am 1. Juli 2007 in Kraft treten kann. Erbrechtsreform Ähnliches Ungemach könnte auch der geplanten Erbrechtsreform drohen, mit der die Bundesjustizministerin ebenfalls der gesellschaftlichen Realität mit steigenden Scheidungsquoten, mehr unverheirateten Paaren und Patchworkfamilien Rechnung tragen will. Nach dem Referentenentwurf sollen die Testierfreiheit des Erblassers gestärkt und die Regelungen zur Entziehung des Pflichtteils überarbeitet werden. Die Entziehungsgründe sollen künftig gleichermaßen für Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten und Lebenspartner gelten. Auch die Stundungsgründe für die Auszahlung des Pflichtteils sollen maßvoll erweitert werden, damit alle und nicht nur wie bisher pflichtteilsberechtigte Erben, die im Wesentlichen nur ein Eigenheim erben, dieses nicht verkaufen müssen. Schenkungen sollen künftig nur noch dann voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen werden, wenn sie im ersten Jahr vor dem Erbfall erfolgten. Für jedes weitere zurückliegende Jahr reduziert sich die Anrechnung um 1/10tel. Zudem soll künftig jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten, also auch dann, wenn er berufstätig war. Der Entwurf des Bundesjustizministerium befindet sich nun in der Ressortabstimmung. Wann der Regierungsentwurf beschlossen wird, ist noch offen. Führungsaufsicht und Sicherungsverwahrung Ohne Streit haben hingegen sowohl die Koalition als auch Bundestag und Bundesrat die Reform der Führungsaufsicht beschlossen. Vorgesehen ist etwa ein strafbewehrtes Kontaktverbot, damit Verurteilte nach ihrer Freilassung ihr ehemaliges Opfer nicht erneut belästigen. Sexualstraftätern kann jeder Kontakt zu fremden Kindern verboten werden. Darüber hinaus werden weitere Weisungen zugelassen wie das Verbot von Alkoholkonsum oder die Verpflichtung, sich regelmäßig bei einem Arzt, Therapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Bei Verstößen gegen Weisungen können künftig Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren verhängt werden. Darüber hinaus dürfen auch Vorführungsbefehle gegen Verurteilte erlassen werden, die sich nicht regelmäßig melden. Die von einigen Ländern geforderte strafbewehrte Pflicht zur ambulanten Heilbehandlung wurde hingegen nicht aufgenommen. Ferner wurde das Gesetzgebungsverfahren kurz vor seinem Abschluss noch für eine Änderung bei der Sicherungsverwahrung genutzt. Neue Tatsachen im Sinne des 66b StGB sind danach auch solche, die bei der Verurteilung nur aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnten. Der Gesetzgeber reagiert damit auf bevorstehende Entlassungen gefährlicher Täter, die im Gebiet der ehemaligen DDR vor dem 1. August 1995 verurteilt wurden. In diesen Altfällen konnte aufgrund der Vorgaben des Einigungsvertrags zum Zeitpunkt der Aburteilung keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Zugleich fasste der Bundesrat dabei mit den Stimmen der unionsregierten Länder eine Entschließung, in der weitere Änderungen bei der Sicherungsverwahrung und deren Ausweitung auf nach Jugendstrafrecht Verurteilte angemahnt werden. Nach den bisherigen Planungen will die Bundesregierung dazu aber ohnehin in Kürze entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Rechtsdienstleistungsgesetz Der Zielgeraden nähert sich auch der Gesetzentwurf zum neuen Rechtsberatungsrecht. Der Bundestags-Rechtsausschuss hört dazu am 9. Mai Sachverständige an. In der ersten Lesung im Februar hatten sich Abgeordnete der Union dafür ausgesprochen, die Zulässigkeit von Rechtsdienstnebenleistungen von Nichtanwälten stärker zu beschränken und die Regelungen zu fachübergreifenden Sozietäten zu überarbeiten. Insoweit könnte es also noch gewisse Änderungen gegenüber dem Entwurf geben. Geplant ist jedenfalls, dass das Gesetz bereits im Mai im Bundestag verabschiedet wird, damit es noch vor der Sommerpause den Bundesrat passieren kann. Stefan Schnorr Der Autor ist Ministerialrat und arbeitet im Referat Justiz der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und der Europ ischen Union. IV AnwBl 5/2007

MN Bericht aus Br ssel Ziel: Einheitliches Verbraucherrecht für Europa Der Amtsantritt der bulgarischen Kommissarin Meglena Kuneva Anfang 2007 markiert den Anfang einer neuen Ära in der EU-Verbraucherrechtspolitik. Die Kommission ist der Überzeugung, dass moderne Verbraucherschutzregeln der europäischen Idee und den europäischen Institutionen wieder zu neuem Ansehen verhelfen könnten. Vollharmonisierung des Verbraucherrechts? So wird nun plötzlich diskutiert, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre: In Abkehr des seit Jahren in einer Vielzahl von Richtlinien verankerten Prinzips der Mindestharmonisierung erwägt die Kommission nun in dem im Februar 2007 vorgelegten Grünbuch zur Überarbeitung des so genannten Verbraucheracquis die Vollharmonisierung der bestehenden europäischen Regelungen zum Verbraucherrecht. Stand es den Mitgliedstaaten bisher offen, strengere Regeln zu erlassen, wenn sie dies für notwendig hielten, sollen nun Verbraucherrechtsvorschriften innerhalb ihres Anwendungsbereichs keinen Raum mehr für strengere nationale Vorschriften belassen. Die Vollharmonisierung soll einerseits dem Verbraucher zugute kommen, der somit beispielsweise bei grenzüberschreitenden Käufen sicher sein könnte, über die gleichen Rechte wie bei einem Inlandskauf zu verfügen. Gleichzeitig soll die Regelung auch Unternehmen leichteren Zutritt zum Binnenmarkt verschaffen. Da die Kommission jedoch meint, dass es schwierig sein könnte eine vollständige Harmonisierung aller Aspekte zu erreichen, erwägt sie, Vollharmonisierung in einigen Bereichen mit dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung in anderen zu kombinieren. Wie dies in der Praxis funktionieren soll, ist jedoch unklar. Insbesondere der derzeitige Kommissionsvorschlag zur Reform des anwendbaren Rechts durch die so genannte Rom I-Verordnung könnten in diesem Zusammenhang Probleme bereiten. Dieser sieht bisher eine grundsätzliche Anwendung des Rechts vor, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat: Damit würde die gegenseitige Anerkennung hier leer laufen, weil ohnehin immer Verbraucherlandrecht anwendbar wäre. Konsolidierung des Verbraucherrechts Einhergehen mit der Vollharmonisierung soll die Konsolidierung des bestehenden Verbraucherrechts. An die Stelle von widersprüchlichen Regelungen in vergleichbaren und sich teilweise überlappenden Rechtsakten und der daraus folgenden Rechtsunsicherheit soll im Bereich des Verbrauchervertragsrechts ein übergreifender Rechtstext geschaffen werden, der grundlegende Fragen, wie z. B. die Definition des Begriffs des Verbrauchers, die Dauer der Widerrufsfrist oder die Modalitäten des Rücktrittsrechts regeln würde. In einem zweiten Teil dieser übergreifenden Regelung könnte der Verbrauchsgüterkauf als die geläufigste Art des Verbrauchervertrags geregelt werden. Flankiert werden würde diese übergreifende Regelung durch spezifische zu überarbeitende sektorale Regeln. Im Rahmen ihrer im März publizierten Verbraucherstrategie erwägt die Kommission überdies die Verbraucher mit einer Sammelklagebefugnis auszustatten. Dies könnte für die amerikanischen Kanzleien in Europa, die mit diesem Rechtsinstrument bereits vertraut sind, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Anwälten mit sich bringen. Dahinter steht ein weiterentwickeltes Leitbild des Verbrauchers, der nicht mehr nur mündig, sondern vielmehr auch gestaltend sein soll: Die Strategie sieht vor, dass der Verbraucher Hand in Hand mit dem Wettbewerbsrecht die Märkte zu mehr Verbraucherfreundlichkeit in einem funktionierenden Binnenmarkt führen soll. Frischer Wind beim Europäischen Vertragsrecht Im Gegensatz zur bisherigen Haltung der Kommission bedeutet für die Kommissarin Kuneva die Überarbeitung des Verbraucheracquis auch ein Testfeld für die Zukunft des so genannten Gemeinsamen Bezugsrahmens und eines möglichen Europäischen Vertragsrechts. Spätestens seit der Vertragsrechtskonferenz der deutschen Ratspräsidentschaft Anfang März 2007 in Stuttgart hat die Diskussion um die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Normen auch im Bereich des Zivilrechts, d. h. über die Verbraucherverträge hinaus, wieder an Fahrt gewonnen. Verbraucherschutzkommissarin Kuneva kündigte an, dass die Kommission 2007 weitere Workshops mit Praktikern zu allgemeinen Fragen des Vertragsrechts anbieten möchte. Unter Einbeziehung der Generaldirektionen Binnenmarkt, Unternehmen sowie Justiz, Sicherheit und Freiheit, sollen in diesen Workshops Themen wie unlautere Handelspraktiken, gegen die guten Sitten verstoßende Verträge, Informationspflichten und Eigentumsvorbehalt behandelt werden. Die Kommission plant Anfang 2008 ein Weißbuch zum weiteren Vorgehen im Bereich des Vertragsrechts. Auch der Rat hat unter deutscher Präsidentschaft begonnen, seine Vorstellungen zum geplanten Gemeinsamen Bezugsrahmen sei es als bloßer Werkzeugkasten für den Gesetzgeber, zum Nutzen für Unternehmen durch die Bereitstellung von Standardgeschäftsbedingungen oder aber als Opt-in bzw. Opt-out Instrument für die Vertragspartner zudiskutieren. Anwaltschaft und Europäisches Vertragsrecht Wie steht die deutsche Anwaltschaft zum Europäischen Vertragsrecht? In der beim 58. Deutschen Anwaltstag in Mannheim am 17. Mai 2007 stattfindenden Vertragsrechtskonferenz werden Chancen und Risiken des Vorhabens diskutiert. Angloamerikanische Vertragspraxis vs. Europäisches Vertragsrecht wird eines der zu besprechenden Themen sein. Eva Schriever, LL. M., Berlin/ Br ssel Die Autorin ist Rechtsanw ltin und Gesch ftsf hrerin des DAV. VI AnwBl 5/2007

MN Informationen DAV-Pressemitteilung Juristenausbildung: Qualität sichern Neue Länderinitiative Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat Presseberichte über eine Initiative der Länder Baden-Württemberg und Sachsen zur Reform der Juristenausbildung mit Interesse zur Kenntnis genommen. Nach den Plänen sollen im Rahmen der Einführung von Bachelor-/Masterstudiengängen das Referendariat und das zweite Staatsexamen abgeschafft werden. Wir freuen uns, dass die Politik endlich die Notwendigkeit anerkennt, die Juristenausbildung zu reformieren. Weil der Reformbedarf mit Händen zu greifen ist, haben wir im Oktober 2006 einen Gesetzentwurf zur Reform der Juristenausbildung nebst Begründung der Politik vorgelegt, so DAV-Präsident Rechtsanwalt Hartmut Kilger. Die von der Presse referierten Vorschläge der Reform lassen Zweifel aufkommen, ob das Reformziel einer Qualitätssteigerung so erreicht werden kann. Reformziel muss sein, die gegenwärtige Qualität nicht nur zu erhalten, sondern zu steigern. Der DAV warnt davor, sich bei Reformüberlegungen nur von finanzpolitischen Erwägungen leiten zu lassen: Wenn zu viele Lehrinhalte in das Studium gepackt werden und das Referendariat aus Spargründen völlig abgeschafft wird, ist die Gefahr groß, dass die Juristenausbildung insgesamt in ihrer Qualität drastisch heruntergefahren wird, so Kilger. Nach Ansicht des DAV müsse am Ende jeder reformierten Juristenausbildung, soweit die Anwaltschaft betroffen ist, eine Anwältin oder ein Anwalt stehen, der selbständig, eigenverantwortlich und mit hoher Qualität eine Kanzlei führen und Bürger rechtlich beraten kann. Wir wollen, dass der Anwaltsberuf ein Vertrauensberuf bleibt. Mandanten müssen sich auf die Qualität des anwaltlichen Rates verlassen können. Das DAV-Modell einer echten Anwaltsausbildung sei bisher alternativlos. Nun sei zu prüfen, ob die Vorschläge der Minister Goll und Mackenroth dazu kompatibel seien. Quelle: DAV-Pressemitteilung Nr. 15/07 Siehe zum Gesetzentwurf des DAVAnwBl 2007, 45. Anwaltsmarkt Mehr als 142.000 Anwälte Ende 2006 Die Anwaltschaft wächst weiter. Zum 1. Januar 2007 waren in Deutschland 142.830 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugelassen. Damit ist die Anwaltschaft unter Berücksichtigung von Neuzulassungen und Zulassungsrückgaben um 4.726 Anwälte gewachsen, wie die Bundesrechtsanwaltskammer in einer Pressemitteilung bekannt gibt. Die absolute Zahl des jährlichen Zuwachses ist damit zwar geringer als 2005 (5.562 Anwälte), die Zahl liegt aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die Anwaltschaft wächst seit rund 15 Jahren jährlich um mehrere Tausend Anwälte. Quelle: Kleine Mitgliederstatistik der Bundesrechtsanwaltskammer zum 1. Januar 2006. AG Insolvenzrecht und Sanierung Neues zur Verbraucherinsolvenz Die AG Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung in der AG Insolvenzrecht und Sanierung veranstaltet am 16. Mai 2007 in Rostock-Warnemünde ihr 12. Treffen. Richter am OLG Dr. Gerhard Pape wird zum Problem der Sonderzahlungen des Schuldners auf bestimmte Forderungen wie z. B. Geldstrafen vortragen. Mit dem Mietverhältnis des Schuldners in der Insolvenz beschäftigt sich Rechtsanwalt Dr. Christian Tetzlaff, Dresden. Außerdem wird u.a. Richter am AG und Mitglied des Sprechergremiums des BAKinso Ulrich Schmerbach über den Stand des geplanten neuen Verbraucherinsolvenzverfahren berichten. Am Ende wird Rechtsanwalt Lars Hinkel das neue Gesetz zur Schutz der Altersvorsorge Selbstständiger und die rechtlichen Probleme der Lebensversicherung des insolventen Versicherungsnehmers erläutern. Anmeldungen an Deutsche Anwaltakademie, Anja Hoffmann, Littenstr. 11, 10179 Berlin, Tel.: 030/72 61 53 183, Fax: 188, hoffmann@anwaltakademie.de. Eine Teilnahmebescheinigung zur Vorlage gem. 15FAO wird erteilt. Weitere Infos unter www. arge-insolvenzrecht.de VIII AnwBl 5/2007

MN Informationen Deutsche Anwaltakademie Akademie zertifiziert für die Agenturen für Arbeit Teilnehmer einer Fachanwaltsausbildung bei der Deutschen Anwaltakademie (DAA) können jetzt leichter bei den Kursgebühren durch die jeweiligen Agenturen für Arbeit gefördert werden. Die Deutsche Anwaltakademie ist seit dem 19. Februar 2007 als erster und derzeit einziger Seminaranbieter im juristischen Fortbildungsbereich nach der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung AZWV als Träger für die Förderung der beruflichen Weiterbildung zugelassen. Wegen der Zertifizierung nach AZWV können arbeitsuchend gemeldete Juristen einfacher und schneller eine Förderung der Kursgebühren durch die Agenturen für Arbeit erhalten, wenn die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Lehrgang notwendig ist, um Juristen bei einer Arbeitslosigkeit nach dem Referendariat beruflich einzugliedern. Durch die Zertifizierung entfällt nach Angaben der Deutschen Anwaltakademie die umfangreiche Prüfung von Erhebungsunterlagen der Arbeitsverwaltung. Nunmehr könne ein Kurz-Erhebungsbogen benutzt werden. Für arbeitsuchende Juristen besteht die Möglichkeit, dass die Agentur für Arbeit im Wege der sog. Förderung im Einzelfall nach 84, 85 SGB III die Kosten für eine Weiterbildungsmaßnahme, insbesondere einen Fachanwaltslehrgang, übernimmt. Die Zertifizierung erfolgte durch die Hanseatische Zertifizierungsagentur (HZA), eine von der Anerkennungsstelle der Bundesagentur für Arbeit anerkannte, fachkundige Zertifizierungsstelle. eb Weitere Informationen über Förderungsmöglichkeiten und die Fachlehrgänge der Deutschen Anwaltakademie unter: www.anwaltakademie.de Universität Hannover Vortragsreihe Studentenfutter Die Leibniz Universität Hannover bietet auch im Sommersemester wieder eine Vortragsreihe im Rahmen der anwaltsorientierten Juristenausbildung an. Die Veranstaltungen: 8. Mai 2007: Unternehmer im Gespräch mit Dirk Roßmann, Geschäftsführender Gesellschafter der Dirk Rossmann GmbH; Kanzleien stellen sich vor : 26. Juni 2007 mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Remmers (Stobbe-Rechtsanwälte); 12. Juni 2007: Politische Prozesse mit Rechtsanwalt Dr. Heinrich Hannover (Jurist und Autor); 10. Juli 2007: Rechtsanwältinnen mit Seyran Ates (Juristin und Autorin). Die Veranstaltungen finden jeweils Dienstag, ab 18 Uhr, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, Raum II/203, statt. Informationen: Institut für Prozessrecht und anwaltsorientierte Ausbildung, 05 11/7 62-8268, www.jura.uni-hannover.de/ipa. X AnwBl 5/2007

MN Informationen Leserzuschrift Anwaltsgerichte sind Gerichte Leserzuschrift zu dem Aufsatz von Kleine-Cosack Versagen der Berufsrechtspolitik in AnwBl 2007, 210: Der Kollege Kleine-Cosack vertritt die Auffassung, verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Anwaltsgerichtsbarkeit lägen auf der Hand, vor allem wenn das Anwaltsgericht letztinstanzlich entscheide. Zum angeblichen Beleg dafür verweist er auf die Entscheidung des EuGH im Fall Wilson/Luxemburg (NJW 2006, 3697). Der EuGH habe entschieden, dass das Luxemburger Anwaltsgericht, das als letzte Tatsacheninstanz fungiere, nicht dem Gerichtsbegriff des Gemeinschaftsrechts entspreche mangels erforderlicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Auch die Anwaltsgerichtsbarkeit gehöre daher auf den Prüfstand. Als Beisitzer einer Kammer beim Anwaltsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe kann ich dies nicht unwidersprochen lassen. Deshalb soll die wesentliche Aussage des EuGH zur Anwaltsgerichtsbarkeit wie folgt klargestellt werden: Ausgangspunkt der Entscheidung des EuGH war die Weigerung der luxemburgischen Rechtsanwaltskammer, Herrn Wilson, einen englischen Barrister, in das Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer Luxemburg einzutragen. Wilson rief hiergegen die Verwaltungsgerichtsbarkeit an. Die erste Instanz erklärte sich für unzuständig, das Berufungsgericht legte das Verfahren dem EuGH vor. Zur Beantwortung der Vorlagefrage definierte der EuGH zunächst den Gerichtsbegriff. Dazu gehöre, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter garantiert werden müsse. Dies wiederum setze voraus, dass bestimmte Regeln für die Zusammensetzung der Gerichte bestehen müssten, die jeden Zweifel an der Neutralität der Richter auf die einander gegenüberstehenden Interessen ausräumten. Dazu führt der EuGH aus: Der Disziplinar- und Verwaltungsrat der Rechtsanwaltskammer, der nach luxemburgischen Recht über die Weigerung der Kammer entscheiden müsse, sei nur mit Rechtsanwälten besetzt. Ein europäischer Rechtsanwalt, der die Eintragung in das nationale Anwaltsverzeichnis durchsetzen wolle, habe deshalb berechtigten Grund zu der Befürchtung, dass alle oder die meisten Mitglieder des Disziplinarrats sich von dem eigenen, den Interessen des Antragstellers zuwiderlaufenden Interesse leiten ließen, einen Wettbewerber vom Markt fernzuhalten und dass kein gleicher Abstand hinsichtlich der beteiligten Interessen gewahrt sein könnte. Die Vorschriften über die Zusammensetzung von Organen wie dem Disziplinar- und Verwaltungsrat boten keine hinreichende Gewähr für die Unparteilichkeit. Die Entscheidung bezieht sich also nur auf den Sonderfall der Entscheidung über den Marktzugang eines europäischen Rechtsanwalts auf den nationalen Anwaltsmarkt. Die Regelungen des deutschen Rechts tragen den Bedenken des EuGH angesichts der Zuständigkeit des Anwaltsgerichtshofs in Zulassungsfragen und dessen Besetzung Rechnung (dazu eingehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.11.2006 Aktenzeichen 1 O 1 56/06). Kleine-Cosack wird die Tätigkeit der deutschen erstinstanzlichen Anwaltsgerichte, die nur mit Anwälten besetzt sind, gewiss nicht darauf verkürzen wollen, unliebsame Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Dies entspricht weder dem Selbstverständnis der Mitglieder der Anwaltsgerichte noch der gesetzlichen Regelung der Anwaltsgerichtsbarkeit. Rechtsanwalt Dr. Henner Kahlert, Karlsruhe AG Strafrecht Veranstaltungen 2007 31.06.2007, Frankfurt/Main: Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, FAStR Reinhart Michalke (München), FAStR Prof. Dr. Holger Matt (Frankfurt/Main). 23.06.2007, München: Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung, FAStR Dr. Wilhelm Krekeler (Dortmund), FAStR/FASteuerR Dr. Rainer Spatscheck (München). Anmeldungen (bitte schriftlich) und weitere Informationen unter www.ag-strafrecht.de oder AG Strafrecht des DAV, c/o movea GmbH, Belfortstr. 8, 81667 München, Tel. 089/189 388-75; Fax: -88. XII AnwBl 5/2007

Anwaltsblatt Jahrgang 57, 5/2007 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von den Rechtsanw lten: Felix Busse Dr. Peter Hamacher Dr. Michael Kleine-Cosack Wolfgang Schwackenberg Redaktion: Dr. Nicolas L hrig (Leitung) Udo Henke Rechtsanw lte Der Anwalt vor dem Europäischen Gerichtshof Praktische Fragen zur Beratung und Prozessvertretung invorabentscheidungsverfahren Prof. Dr. Juliane Kokott, LL. M. (Am. Univ.), S. J. D. (Harvard), Luxemburg und Thomas Henze, M. L. E., Luxemburg Das Gemeinschaftsrecht schreckt den deutschen Anwalt. Eine gewonnene Verfassungsbeschwerde krönt die anwaltliche Karriere und ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH? Der Beitrag räumt mit Vorurteilen auf. Das Gemeinschaftsrecht kann auch in alltäglichen Fällen für den Mandanten wichtig werden (so bei der Abwicklung eines mangelhaften Herdkaufs), ein Verfahren vor dem EuGH ist nicht nur etwas für Spezialisten, dauert bei weitem nicht so lang, wie viele Anwälte befürchten und es kann nach dem RVG abgerechnet werden. Die Autoren mit der Arbeit des EuGH bestens vertraut erläutern, worauf ein Anwalt achten und welche Fallen er vermeiden sollte. I. Einleitung Die Gerichtsbarkeit der Europäischen Union umfasst mittlerweile drei Gerichte, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), das Gericht erster Instanz (EuG) und seit 2005 das Gericht für den öffentlichen Dienst (EuGöD). Die Aufgaben dieser Gemeinschaftsgerichte sind vielfältig; ebenso vielfältig ist die Rolle des Anwalts in den Verfahren vor diesen Gerichten. Der EuGH ist zum einen für die Verfahren zuständig, in denen die Wahrung der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Vordergrund steht, also Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG und Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des EuG. Außerdem erfüllt er verfassungsgerichtliche Funktionen in Streitigkeiten zwischen den Gemeinschaftsorganen sowie zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. 1 Alle anderen Streitigkeiten mit Ausnahme der dienstrechtlichen Streitigkeiten, die das EuGöD erledigt, fallen in die Zuständigkeit des EuG. 2 Zu nennen sind hier vor allem Klagen gegen administrative Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane und gegen das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Markensachen. In den Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten sind keineswegs nur hoch spezialisierte Anwälte mit internationalem Profil gefragt. Dies mag in Wettbewerbs- und Markensachen der Fall sein. Eine besondere Bedeutung sowohl zahlenmäßig als auch wegen ihrer Tragweite für die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts haben jedoch die Vorabentscheidungsverfahren. Sie bilden europarechtliche Zwischenverfahren in ganz normalen Streitigkeiten vor nationalen Gerichten. In der Regel führen daher dieselben Prozessvertreter, die im Ausgangsrechtsstreit tätig sind, auch das Verfahren vor dem EuGH fort. In diesen Verfahren kann also ein großer Kreis von Anwälten, die bisher nicht schwerpunktmäßig mit dem Gemeinschaftsrecht befasst waren, in die Lage kommen, vor dem EuGH aufzutreten. Daher konzentriert sich der Beitrag auf die anwaltliche Vertretung in Vorabentscheidungsverfahren. Das Gemeinschaftsrecht hat mittlerweile Auswirkungen in fast allen Bereichen des nationalen Rechts. Dementsprechend kann es in den verschiedensten Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten Anlass zu einer Vorlage an den EuGH geben. So stellten sich in den letzten Jahren beispielsweise in straf- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die den so genannten Führerscheintourismus betrafen 3, Fragen zur Auslegung der Führerscheinrichtlinie 4.Viele Bereiche des Zivilrechts sind inzwischen ebenfalls gemeinschaftsrechtlich geprägt. Zu erwähnen sind etwa die Haustürwiderrufs- und die Verbraucherkreditrichtlinie, auf deren 1 Hierbei handelt es sich vor allem um Nichtigkeitsklagen gem. Art. 230 EG gegen Legislativakte und Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen einen Mitgliedstaat gem. Art. 226 EG. 2 Vgl. Art. 225 Abs. 1EG in Verbindung mit Art. 51der Satzung des Gerichtshofs. Die Satzung von 2001 ist dem EU-Vertrag als Protokoll beigefügt. Ihr Text ist wie alle Grundlagen für das Verfahrensrecht auf der Homepage des Gerichtshofs verfügbar: http://curia.europa.eu/de/instit/txtdocfr/ index.htm. 3 Urteil vom 29. April 2004, Kapper (C-476/01, Slg. 2004, I-5205), Beschluss vom 6. April 2006, Halbritter (C-227/05, Slg. 2006, I-49). Näher dazu: Kokott, Verkehrsraum Europa: Der EuGH steuert mit, DAR 2006, 604, 608 ff. 4 Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. EG L237, S.1), inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. EGL403, S.18). Anwalt vordem EuGH, Kokott/Henze AnwBl 5/2007 309

MN Aufsätze Auslegung es in den Schrottimmobilien -Fällen 5 ankam. Weitere Bereiche, mit denen der Gerichtshof schon befasst war, sind z. B. das Reiserecht 6,das Versicherungsrecht 7,die Produkthaftungsbestimmungen 8 und die Regelungen über die internationale gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. 9 Neben den indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer, beschäftigen den EuGH mittlerweile verstärkt auch Vorlagen zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Von insgesamt 251 Vorentscheidungsersuchen aus allen Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr stammen allein 28 vom BFH und deutschen Finanzgerichten. 10 Traditionell von großer Bedeutung ist das Gemeinschaftsrecht darüber hinaus im Arbeitsrecht und in vielen Bereichen des öffentlichen Rechts, wie etwa dem Umwelt- und Ausländerrecht. Diese beispielhafte Aufzählung von Rechtsgebieten mit Bezügen zum Europarecht zeigt nicht nur, mit welchen Fragestellungen der EuGH in Vorabentscheidungsverfahren konfrontiert wird. Sie illustriert ganz allgemein, in welchen Fällen Gemeinschaftsrecht auch schon im Verfahren vor innerstaatlichen Gerichten zu beachten ist. Bereits hier setzt die Aufgabe des Anwalts ein. Die Frage, ob Gemeinschaftsrecht eventuell Einfluss auf die Lösung des Falles hat, sollte mittlerweile ein Standard-Punkt auf der Checkliste der anwaltlichen Beratung und Vertretung sein. 11 Dabei kann der Wortlaut einer nationalen Bestimmung auf den ersten Blick eindeutig sein. Dennoch ist sie möglicherweise gemeinschaftsrechtskonform anders auszulegen oder sogar wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unanwendbar. Wie muss man z. B. 439 Abs. 4BGB auslegen? Diese Vorschrift verweist für die Rückabwicklung des Kaufs einer mangelhaften Sache auf die Vorschriften über den Rücktritt. Bedeutet dies auch, dass der Käufer, der eine mangelhafte Ware zurückgibt, dem Verkäufer eine Nutzungsentschädigung für den Zeitraum bis zur Rückgabe zahlen muss? 346 Abs. 1, 2. Alt. BGB sieht nämlich auch die Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen vor. Man könnte meinen, dieses Problem müsste längst gelöst sein, und sich fragen, was dies mit Gemeinschaftsrecht zu tun hat. Tatsächlich sind die Regeln über den Verbrauchsgüterkauf durch eine Richtlinie 12 harmonisiert, um deren Auslegung der BGH jüngst den EuGH ersucht hat. 13 Anliegen dieses Beitrags ist es, Informationen zum Ablauf des Vorabentscheidungsverfahren zu liefern, die bei der Vertretung des Mandanten hilfreich sein können. Dabei kann an dieser Stelle natürlich keine vollständige Darstellung des gesamten Prozessrechts geboten werden. 14 Vielmehr möchten wir besonderes Augenmerk auf ausgewählte praktische Frage legen, die sich in den einzelnen Abschnitten des Verfahrens stellen. II. Vom nationalen Rechtsstreit zum EuGH Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens Hat die Prüfung des Falls ergeben, dass Gemeinschaftsrecht die Ansprüche des Mandanten stützt, muss der Anwalt diesen Rechtsstandpunkt zunächst dem nationalen Gericht unterbreiten. Das Gericht entscheidet allein, ob und im Hinblick auf welche Fragen es eine Vorlage an den EuGH für erforderlich hält. In Betracht kommen gem. Art. 234 Abs. 1 EG Fragen nach der Auslegung primären sowie nach der Auslegung und Gültigkeit sekundären Gemeinschaftsrechts (Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane). Wenn die Parteien auch kein formelles Antragsrecht haben, so steht es ihnen dennoch frei, eine Vorlage anzuregen und dem nationalen Gericht Formulierungsvorschläge für die Vorlagefragen zu machen. Das geschriebene Verfahrensrecht enthält keine Vorgaben für die Gestaltung eines Vorlagebeschlusses. Er muss jedoch die tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die der EuGH als Hintergrund für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts benötigt. 15 Idealerweise sollte das vorlegende Gericht auch seine eigene vorläufige Beurteilung der gemeinschaftsrechtlichen Frage wiedergeben. Die im Einzelnen zu beachtenden Punkte lassen sich den Hinweise[n] zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte entnehmen, die der Gerichtshof veröffentlicht hat. 16 Letztinstanzliche Gerichten sind gem. Art. 234 Abs. 3 EG bei Zweifeln an der richtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorlage verpflichtet. Die Vorlagepflicht trifft dabei die Gerichte, deren Entscheidung in dem konkreten Fall nicht mehr mit einem innerstaatlichen Rechtsmittel angefochten werden kann. So kann selbst ein Amtsgericht vorlagepflichtig sein, wenn der Streitwert die Berufungssumme nicht erreicht. Wirft der Rechtsstreit gemeinschaftsrechtliche Fragen auf, dürfen letztinstanzliche Gerichte nur dann von einer Vorlage absehen, wenn die Fragen bereits in einem identischen oder gleich gelagerten Fall Gegenstand einer Vorlagefrage gewesen ist, die betreffende Rechtsfrage bereits 5 Urteile vom 13. Dezember 2001, Heininger (C-481/99, Slg. 2001, I-9945), vom 25. Oktober 2005, Schulte (C-350/03, Slg. 2005, I-9215) und Crailsheimer Volksbank (C-229/04, Slg. 2005, I-9273). 6 Siehe dazu Urteile vom 8. Oktober 1996, Dillenkofer u. a(c-178/94, C-179/94, C-188/94 und C-190/94, Slg. 1996, I-4845), vom 12. März 2002, Leitner (C-168/00, Slg. 2002, I-2631) und vom 30. April 2002, Club-Tour, Viagens eturismo (C-400/00, Slg. 2002, I-4051). 7 Siehe dazu Urteil vom 28. März 1996 Ruiz Bern ldez (C-129/94, Slg. 1996, I-1829), vom 14. September 2000, Mendes Ferreira und Delgado Correia Ferreira (C-348/98, Slg. 2000, I-6711) und vom 30. Juni 2005, Candolin u. a. (C-537/03, Slg. 2005, 5745). 8 Siehe dazu Urteile vom 25. April 2002, Gonz lez S nchez (C-183/00, Slg. 2002, I-3901, Randnr. 25) und vom 10. Januar 2006, Skov und Bilka (C-402/03, Slg. 2006, I-199). 9 Eine systematische Zusammenstellung der Entscheidungen zum EuGVÜ findet sich unter: http://curia.europa.eu/common/recdoc/repertoire_jurisp/bull_conv/ tab_index_e.htm. Siehe zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG2001, L12, S. 1) z. B. die Urteile vom 13. Juli 2006, Reisch Montage (C-103/05, Slg. 2006, I-6827) und vom 14. Dezember 2006, ASML Netherlands (C-283/05, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, aber abrufbar unter www.curia.europa.eu). 10 Die Zahl schließt auch Vorlagen zum Zollrecht und zulandwirtschaftlichen Subventionen ein. 11 Wichtige Hilfsmittel sind dabei die kostenfrei zugängliche Europäische Rechtsdatenbank EUR-Lex (früher: Celex): http://eur-lex.europa.eu und die Homepage des EuGH für die Suche nach Urteilen und Schlussanträgen: http://curia. europa.eu. 12 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG L171, S. 12). 13 Siehe den Vorlagebeschluss des BGH vom 16. August 2006 VIII ZR 200/05 zur Auslegung des Art. 3Abs. 2inVerbindung mit Abs. 3Satz 1und Abs. 4und des Art. 3Abs. 3Satz 3der Richtlinie 1999/44 (NJW 2006, 3200). Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-404/06 (Quelle) geführt (ABl. EG2006, C310, S.5). 14 Weiterführende Literatur: Hakenberg/Stix-Hackl, Handbuch zum Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, Teil 1,3.Aufl., 2005; Henze/Sobotta, EuGH-Verfahrensrecht in: Beermann/Gosch, AO/FGO, Band 5, Loseblattslg., Stand März 2007. Koenig/Pechstein/Sander, EU-/EG-Prozessrecht, 2. Aufl., 2002; Rengeling/Middeke/ Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes inder Europäischen Union, 2. Aufl., 2003; Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 2. Aufl., 2004 sowie die Kommentierungen der Art. 220 ff. in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3.Aufl. 2007, Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattslg., Stand Oktober 2006 und Von der Groeben/Schwarze,EU-/EG-Vertrag, 6. Aufl., 2003. 15 Urteile vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a. (C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Slg. 1993, I-393, Randnr. 6)und vom 6.Dezember 2005, ABNA u. a., (C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04, Slg. 2005, I-10423, Randnr. 45). 16 ABl. EG 2005, C141, S.1.Auch abrufbar unter: http://curia.europa.eu/de/instit/ txtdocfr/autrestxts/txt8.pdf. 310 AnwBl 5/2007 Anwalt vordem EuGH, Kokott/Henze

MN Aufsätze durch eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs gelöst ist oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt. 17 Die Verletzung der Vorlagepflicht kann verschiedene Konsequenzen haben. 18 Zum einen liegt darin möglicherweise eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1Satz 2GG, die im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Zum anderen ist unter bestimmten Voraussetzungen ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch gegeben, wenn ein nationales Gericht seiner Vorlagepflicht nicht nachkommt und die daraufhin ergehende Sachentscheidung in qualifizierter Weise gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. 19 Schließlich hat es unter Umständen Einfluss auf die Bestandskraft eines gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Verwaltungsakts, wenn dieser in letzter Instanz unter Verletzung der Vorlagepflicht bestätigt wurde. 20 III. Das Verfahren vor dem EuGH Der Ablauf des Verfahrens ist nur sehr knapp in der Satzung des Gerichtshofs (Satzung) 21 und in seiner Verfahrensordnung (VerfO) 22 geregelt. 23 Grundsätzlich gliedert sich das Verfahren in eine schriftliche und eine mündliche Phase. Jedoch kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn keiner der Beteiligten sie beantragt hat (Art. 104 4Satz 1VerfO). Im Verfahren vor dem Gerichtshof steht nicht nur das Interesse der Parteien des Ausgangsverfahrens auf dem Spiel, sondern auch die über den Einzelfall hinaus bedeutsame einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Deswegen wird das Vorabentscheidungsersuchen, welches das vorlegende Gericht in seiner Gerichtssprache dem EuGH übersandt hat, in die übrigen 21 Gemeinschaftssprachen übersetzt und neben den Parteien des Ausgangsrechtsstreits auch allen Mitgliedstaaten, den Gemeinschaftsorganen und ggf. weiteren Beteiligten zugestellt. (Art. 23 der Satzung i. V. m. Art. 104 1VerfO). Diese können dem Gerichtshof gleichsam als amicus curiae ihre Position zu den aufgeworfenen Fragen zur Kenntnis geben. In ihrer Funktion als Hüterin der Verträge äußert sich die Europäische Kommission in allen Vorabentscheidungsverfahren. Die Mitgliedstaaten schalten sich meist ein, wenn das Ersuchen von einem Gericht des eigenen Mitgliedstaats ausgeht und die nationalen Vorschriften unmittelbar betrifft. Aber auch bei Vorlagen aus anderen Mitgliedstaaten ist eine Beteiligung der Mitgliedstaaten häufig sinnvoll, wenn sich die aufgeworfenen Fragen etwa in ähnlicher Weise auch im Hinblick auf parallele inländische Bestimmungen stellen oder wenn die Rechtsfragen von allgemeinem Interesse sind. Verfahrenssprache vor dem Gerichtshof ist die Sprache des vorlegenden Gerichts (Art. 29 2Abs. 2VerfO). Dieser Sprache müssen sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits und die Gemeinschaftsorgane in ihren schriftlichen und mündlichen Äußerungen bedienen. Die Mitgliedstaaten können sich dagegen in ihrer jeweiligen Amtssprache äußern. Mitgliedstaaten und Organe der Gemeinschaft werden in der Regel durch Beamte als Bevollmächtigte vertreten, sie können aber auch Anwälte einschalten. Für private Parteien gilt gem. Art. 19 Abs. 3 der Satzung prinzipiell Anwaltszwang. In Vorabentscheidungsverfahren erlaubt Art. 104 2 VerfO aber abweichend davon auch, dass die Parteien selbst oder andere Vertreter auftreten (Steuerberater, Gewerkschaftssekretäre o. ä.), soweit diese im jeweiligen Ausgangsrechtsstreit vor dem innerstaatlichen Gericht postulationsfähig sind. Die z. Zt. im Hinblick auf Direktklagen nicht abschließend geklärte Frage, wer als Anwalt vor dem Gerichtshof anerkannt wird, 24 stellt sich daher in Vorabentscheidungsverfahren nicht in gleicher Weise. 1. Das schriftliche Verfahren Die Kanzlei des Gerichtshofs stellt den Vorlagebeschluss allen Äußerungsberechtigten zu. Ab der Zustellung läuft eine Frist von zwei Monaten zzgl. einer pauschalen Entfernungsfrist von zehn Tagen 25 für die schriftliche Stellungnahme. Eine Fristverlängerung ist ausgeschlossen. Der Schriftsatz ist im unterschriebenen Original sowie mit sieben beglaubigten Kopien einzureichen. Zur Wahrung der Frist genügt der rechtzeitige Eingang einer mittels Telefax oder elektronischer Kommunikationsmittel 26 versandten Kopie des unterschriebenen Originalschriftsatzes, wenn das Original spätestens zehn Tage danach folgt. Eine weitere Schriftsatzrunde ist nicht vorgesehen. Allein die mündliche Verhandlung gibt also noch Gelegenheit auf die Schriftsätze der anderen Beteiligten einzugehen. Da das Vorabentscheidungsverfahren im Kern ein Verfahren der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem EuGH ist, obliegt es jenen, den Verfahrensgegenstand im Vorlagebeschluss festzulegen. Die Parteien grundsätzlich können dem Gerichtshof in ihren Stellungnahmen keine weiteren Vorlagefragen unterbreiten oder den Verfahrensgegenstand in sonstiger Weise erweitern. Gerade die Parteien des Ausgangsrechtsstreits und der betroffene Mitgliedstaat sind jedoch dazu berufen, dem Gerichtshof zu- 17 Urteile vom 6.Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, Slg. 1982, 3415, Randnrn 13 ff.) und vom 6. Dezember 2005, Gaston Schul Douane-expediteur (C-461/03, Slg. 2006, I-10513, Randnr. 16). 18 Siehe dazu näher Kokott/Henze/Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage anden Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ2006, 633. 19 Grundlegend: Urteil vom 30. September 2003, K bler (C-224/01 Slg. 2003, I-10239). 20 Urteil vom 13. Januar 2004, K hne und Heitz (C-453/00, Slg. 2004, I-837, Randnrn. 23 ff.). 21 Siehe zur Fundstelle der Satzung oben Fn. 2. 22 Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 19. Juni 1991 (ABl. EGL176, S. 7), in der Fassung vom 18. Dezember 2006 (ABl. EG L386 S. 44). Eine konsolidierte Fassung der Verfahrensordnung mit allen Änderung ist abrufbar unter: http://curia.europa.eu/de/instit/txtdocfr/txtsenvigueur/ txt5.pdf. 23 Weitergehende Informationen zum Verfahrensablauf und Empfehlungen für die Prozessvertreter sind inden Hinweise[n] für die Prozessvertreter der Verfahrensbeteiligten für das schriftliche und das mündliche Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften enthalten, die der Gerichtshof herausgegeben hat (http://curia.europa.eu/de/instit/txtdocfr/autrestxts/txt9.pdf). 24 Nach Art. 19Abs. 4der Satzung gilt: Nur ein Anwalt, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [EWR] aufzutreten, kann vor dem Gerichtshof als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten. Ein Anwalt, der als Beistand oder Vertreter einer Partei auftritt, muss bei der Kanzlei eine Bescheinigung hinterlegen, aus der hervorgeht, dass erberechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR Abkommens aufzutreten (Art. 38 3VerfO bzw. Art. 44 3VerfO EuG). Das EuG vertritt die Auffassung, dass nur Personen bei den Gemeinschaftsgerichten auftreten können, die ineinem Mitgliedstaaten als Anwalt zugelassen sind (Beschluss vom 28. Februar 2005, ET/HABM (T-445/04, Slg. 2005, II-677, Randnr. 9). Andere nach nationalem Recht inbestimmten Fällen autorisierte Prozessvertreter, z.b.patentanwälte, hält das EuG dagegen vor den Gemeinschaftsgerichten nicht für vertretungsberechtigt (Urteil vom 8. Juni 2005, Wilfer/OHMI ROCKBASS (T-315/03, Slg. 2005, II-1981, Randnr. 11 Rechtsmittel beim EuGH anhängig). 25 Art. 81 2VerfO. 26 Siehe zu den näheren Anforderungen an per E-Mail übersandte Schriftstücke: Hinweise für Prozessvertreter (zitiert in Fn. 23, B. 5. c). Anwalt vordem EuGH, Kokott/Henze AnwBl 5/2007 311

MN Aufsätze sätzliche Informationen über den Sachverhalt und die nationale Rechtslage zu liefern. Solche Beiträge sind in der Praxis mindestens ebenso wichtig wie Rechtsausführungen zum Gemeinschaftsrecht. Zwar ist jeder Mitgliedstaat durch einen Richter am Gerichtshof vertreten, der seine nationale Rechtsordnung kennt. Außerdem verfügt der EuGH über einen wissenschaftlichen Dienst, der mit Juristen aus allen Mitgliedstaaten besetzt ist und der den Richtern und Generalanwälten Auskünfte zum nationalen Recht geben kann. Dennoch ist der Gerichtshof natürlich nicht in demselben Maße mit dem nationalen Recht vertraut wie ein für dessen Anwendung zuständiges innerstaatliches Gericht. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass der Schriftsatz überlang wird. Denn alle Schriftsätze müssen ins Französische, die interne Arbeitssprache des Gerichtshofs, übersetzt werden. Der Verfasser sollte daher Satzkonstruktionen und Ausdrücke meiden, die schwierig zu übersetzen sind und möglicherweise Missverständnisse oder Unklarheiten bei der Übersetzung hervorrufen. Übersetzt wird im Übrigen zunächst nur der Schriftsatz selbst, nicht aber eventuelle Anlagen. Diese werden nur im Einzelfall auf besondere Anforderung ins Französische übertragen. Daher sollten besonders wichtige Passagen aus Urkunden oder Gesetzestexten konzentriert auf das Wesentliche im Schriftsatz selbst wiedergegeben werden. 2. Zwischen schriftlichem und mündlichem Verfahren Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens stellt die Kanzlei den Verfahrensbeteiligten die eingegangenen Schriftsätze zu und fragt, ob sie eine mündliche Verhandlung beantragen (Art. 104 4 VerfO). Der Antrag ist zu begründen. Er unterliegt denselben Formerfordernissen wie Schriftsätze. Ein lediglich per Telefax gestellter Antrag reicht nicht, sondern dient nur zur Fristwahrung, wenn das Original rechtzeitig folgt. Nachdem die Übersetzungen der Schriftsätze in die Arbeitsprache vorliegen, beginnt die vertiefte interne Bearbeitung des Falles durch den Berichterstatter 27 und den Generalanwalt 28.Der Berichterstatter legt der Generalversammlung aller Richter und Generalanwälte nach Abschluss der Vorarbeiten einen Vorbericht über die Rechtssache vor, über den er sich zuvor mit dem zuständigen Generalanwalt abgestimmt hat. Der Vorbericht ist ein internes Dokument. Er enthält eine kurze Zusammenfassung der Sach- und Rechtslage sowie der Stellungnahmen der Beteiligten. Er schließt mit Vorschlägen für den weiteren Ablauf des Verfahrens. Auf der Grundlage des Vorberichts entscheidet die Generalversammlung, ob eine mündliche Verhandlung stattfindet und ob Aufklärungsmaßnahmen erforderlich sind. In der Praxis werden etwa Fragen an die Beteiligten gerichtet, die entweder schriftlich oder gegebenenfalls in der mündlichen Verhandlung zu beantworten sind. In seltenen Fällen macht der Gerichtshof von der Möglichkeit Gebrauch, Aufklärungsfragen nach Art. 104 5 VerfO an das vorlegende Gericht zu stellen. Um die mündliche Verhandlung besser zu strukturieren, werden die Beteiligten im Zusammenhang mit der Ladung manchmal aufgefordert, den Schwerpunkt ihres Plädoyers auf bestimmte Aspekte zu legen. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung fasst der Berichterstatter die Sach- und Rechtslage sowie den Parteivortrag im Sitzungsbericht zusammen. Dieser wird den Beteiligten kurz vor der Verhandlung zugesandt. Falls erforderlich können sie Korrekturen des Sitzungsberichts anregen. Außerdem weist die Generalversammlung den Fall einem Spruchkörper zu. Je nach Bedeutung der Rechtssache wird in aller Regel vor einer Kammer mit drei, fünf oder dreizehn Richtern (große Kammer) verhandelt. Schließlich entscheidet sie, ob gem. Art. 20 Abs. 5 der Satzung von Schlussanträgen abgesehen wird, weil die Sache keine neue Rechtsfrage aufwirft. 3. Die mündliche Verhandlung Die mündliche Verhandlung ist öffentlich. Die Prozessvertreter treten in Robe auf und haben normalerweise eine Redezeit von 30 Minuten. Natürlich muss dieser Zeitraum nicht voll ausgeschöpft werden. Sinn der Verhandlung ist es in erster Linie, die schriftlich vorgetragenen Argumente zu ergänzen (nicht diese zu wiederholen) und auf die schriftlichen Äußerungen der anderen Verfahrensbeteiligten einzugehen. Gegen Ende der Verhandlung erhalten die Beteiligten die Gelegenheit, kurz auf den Vortrag der anderen Beteiligten zu erwidern, so dass Punkte, die nicht schon im Plädoyer angesprochen wurden, noch zu diesem Zeitpunkt nachgetragen werden können. In technischer Hinsicht ist zu bedenken, dass die Plädoyers simultan in mehrere Sprachen übersetzt werden. Daher sollte der Prozessvertreter deutlich und in angemessenem Tempo vortragen. Einige überlassen den Dolmetschern unmittelbar vor der Verhandlung eine Kopie ihres Redemanuskripts, was deren schwierige Aufgabe erleichtert. Dennoch sollten die Parteien möglichst frei vortragen. Am Ende der Sitzung gibt der Generalanwalt in der Regel das Datum der Verkündung der Schlussanträge bekannt. Durchschnittlich dauert es sechs bis acht Wochen bis die Schlussanträge vorliegen, wobei der wesentliche Teil dieses Zeitraums für die Übersetzung benötigt wird. Sie werden den Beteiligten zugestellt und sind am Tag ihrer Verkündung ab ca. 15.00 Uhr auf der Homepage des Gerichtshofs abrufbar. 29 Anschließend tritt die Kammer in die Beratung ein, an der der Generalanwalt nicht mehr beteiligt ist. Der Generalanwalt begutachtet den Fall in seinen Schlussanträgen umfassend und in völliger Unabhängigkeit. Gerade in Vorabentscheidungsverfahren hat die zweifache Behandlung einer Rechtssache zunächst durch den Generalanwalt und dann durch den Berichterstatter bzw. die Kammer große Bedeutung. Denn der Gerichtshof entscheidet die ihm unterbreitete gemeinschaftsrechtliche Frage als erste und letzte Instanz. Wenn in einem Fall Neuland betreten werden muss, wagt sich der Generalanwalt vor und entwickelt nicht selten innovative Lösungsansätze. Die Richter können sich dann mit seinen Argumenten auseinandersetzen. Sie sind an seinen Vorschlag nicht gebunden, folgen ihm im Ergebnis aber meistens. Besonders in diesem Fall können die Schlussanträge zur weiteren Erläuterung der Urteile beitragen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn bindend sind letztlich nur die Urteilsgründe selbst. 27 Der Berichterstatter wird durch den Präsidenten bestimmt (Art. 9 2VerfO). Eine feste Geschäftsverteilung gibt es nicht. Vielmehr erfolgt die Zuweisung der Rechtssachen unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit früheren noch anhängigen bzw. abgeschlossenen Verfahren. Inder Regel wird die Zuweisung eines Falls aneinen Berichterstatter aus dessen Herkunftsstaat vermieden. 28 Der Erste Generalanwalt weist die Rechtssachen einem Generalanwalt zu (Art 10 2VerfO), wobei dieselben Kriterien gelten, wie bei der Zuteilung an den Berichterstatter (siehe vorstehende Fn.). 29 www.curia.europa.eu 312 AnwBl 5/2007 Anwalt vordem EuGH, Kokott/Henze

MN Aufsätze Nach Verkündung der Schlussanträge ist das mündliche Verfahren abgeschlossen. Die Parteien können sich von diesem Zeitpunkt an nicht mehr äußern. Sie können insbesondere nicht zu den Schlussanträgen Stellung nehmen. Nach Art. 61 VerfO kann der Gerichtshof allerdings die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen. Einem entsprechenden Antrag gibt er ausnahmsweise statt, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen für entscheidungserheblich erachtet. 30 Ein neuer, bisher nicht erörterter rechtlicher Gesichtspunkt kann sich dabei durchaus auch aus den Schlussanträgen ergeben. 4. Urteile und Beschlüsse Das Urteil wird öffentlich verkündet und allen im Vorabentscheidungsverfahren Äußerungsberechtigten sowie dem vorlegenden Gericht zugestellt. Die Urteile sind am Tag ihrer Verkündung ab 15.00 Uhr auf der Homepage des Gerichtshofs 31 abrufbar. Die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile werden in alle Gemeinschaftssprachen übersetzt, verbindlich sind sie aber nur in der jeweiligen Verfahrenssprache. Eine Kostenentscheidung trifft der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht. Das Verfahren vor dem Gerichtshof ist ohnehin gerichtskostenfrei. Im Übrigen obliegt es dem vorlegenden Gericht, über die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens mit zu entscheiden. In Deutschland bestimmt sich die Vergütung der Rechtsanwälte für die Vertretung in Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH nach 38RVG. 32 Zwischen den Schlussanträgen und dem Urteil vergehen durchschnittlich fünf Monate. Vom Eingang des Vorabentscheidungsersuchens bis zum Urteil dauert das ganze Verfahren vor dem Gerichtshof derzeit im Schnitt 20 Monate. Deutlich verkürzen kann sich die Verfahrensdauer, wenn der Gerichtshof statt durch Urteil durch Beschluss entscheidet. Beschlüsse ergehen insbesondere, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen offensichtlich unzulässig ist (Art. 103 1 i. V. m. Art. 92 1 VerfO) oder im so genannten vereinfachten Verfahren nach Art.104 3VerfO. Danach kann der Gerichtshof durch Beschluss entscheiden,wenn die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer bereits entschiedenen Frage übereinstimmt, die Antwort klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder kein Raum für vernünftige Zweifel an der zutreffenden Antwort besteht. Die Beschlüsse ergehen ohne mündliche Verhandlung und ohne Schlussanträge. Ferner kann in außerordentlich dringlichen Fällen auf Antrag des vorlegenden Gerichts das beschleunigte Verfahren nach Art. 104 a VerfO durchgeführt werden. Davon hat der Gerichtshofaber bishernur einmal Gebrauch gemacht. 33 Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet das vorlegende Gericht und die weiteren mit dem Ausgangsrechtsstreit befassten Instanzen. Darüber hinaus hat die Feststellung des Gerichtshofs, wie eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auszulegen ist, eine materielle Bindungswirkung für alle anderen Gerichte und staatlichen Organe der Mitgliedstaaten. Da die Auslegung ex tunc wirkt, also seit dem Inkrafttreten der ausgelegten Norm, muss sie auch für Sachverhalte berücksichtigt werden, die sich vor Erlass des EuGH-Urteils ereignet haben, soweit nicht bereits eine bestands- oder rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen beschränkt der Gerichtshof die Wirkung seines Urteils auf die Zukunft. 34 IV. Schlusswort Das gemeinsame Recht ist die Basis der Europäischen Gemeinschaft. Seine Beachtung und einheitliche Auslegung hält diese supranationale Staatengemeinschaft zusammen. Sicher ist es Aufgabe der Europäischen Kommission, die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und nötigenfalls Vertragsverletzungsverfahren gegen sie einzuleiten. Zugleich ist aber auch jeder einzelne aufgefordert, die Rechte, die ihm das Gemeinschaftsrecht verleiht, geltend zu machen, und zwar in den meisten Fällen zunächst einmal vor den nationalen Gerichten. Dabei sind die Unionsbürger auf eine kompetente anwaltliche Beratung und Vertretung angewiesen. Nicht selten wird es der Prozessvertreter sein, der im Rechtsstreit vor einem nationalen Gericht den Anstoß für eine Vorlage an den EuGH gibt. Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH haben Anwälte dann eine wichtige Mittlerrolle. Ergänzend zum Vorlagebeschluss des nationalen Gerichts müssen sie dem Gerichtshof die Besonderheiten des Sachverhalts und der rechtlichen Ausgangslage in dem betroffenen Mitgliedstaat vermitteln. Angesichts der sprachlichen Besonderheiten des Verfahrens ist dabei die goldene Regel für die Redaktion der Schriftsätze, das Wesentliche in klaren Worten auf den Punkt zu bringen. Auch wenn der Verfahrensablauf vor dem Gerichtshof streng formalisiert ist, so fehlt seinen Mitgliedern und Dienststellen dennoch nicht der Sinn für die Praxis. Ein Prozessvertreter sollte sich nicht scheuen, mit seinen Fragen und Anliegen an die Kanzlei des Gerichtshofs heranzutreten. Mit dem nötigen Sinn für Kooperation auf allen Seiten kann das schwierige Unterfangen gelingen, eine für 27 Mitgliedstaaten geltende Rechtsordnung einheitlich anzuwenden und den Bürgern zügig zu ihrem (Gemeinschafts-)Recht zuverhelfen. Prof. Dr. Juliane Kokott, LL.M (Am. Univ.), S. J. D(Harvard), Luxemburg Die Autorin ist Generalanw ltin am Gerichtshof der Europ ischen Gemeinschaften inluxemburg. 30 Vgl. Beschluss vom 4.Februar 2000, Emesa Sugar (C-17/98 Slg. 2000, I-665, Randnr. 18) sowie Urteil vom 30. März 2004, Alabaster (C-147/02, Slg. 2004, I-3101, Randnr. 35). 31 www.curia.europa.eu. 32 Gem. Art. 104 6Absatz 2VerfO kann der Gerichtshof eine Beihilfe zuden Prozesskosten bewilligen, um es einer Partei zuerleichtern, sich vertreten zulassen oder persönlich zuerscheinen. Der Gerichtshof entscheidet hierüber nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedürftigkeit der Partei. 33 Urteil vom 12. Juli 2001, Jippes (C-189/01 Slg. 2001, I-5689). 34 Siehe dazu Urteil vom 6.März 2007, Meilicke (C-292/04, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 32 ff.) sowie Kokott/Henze, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von EuGH-Urteilen insteuersachen, NJW 2006, 177. Thomas Henze, M. L. E, Luxemburg Der Autor ist Referent im Kabinett der Generalanw ltin Kokott. Anwalt vordem EuGH, Kokott/Henze AnwBl 5/2007 313

MN Aufsätze Umsetzungsprobleme von EG-Richtlinien und ihre Lösung Richtlinienkonforme Auslegung als Mittel der Rechtsfortbildung im Privatrecht * Priv.-Doz. Dr. Martin Gebauer, Heidelberg/Frankfurt (Oder) Das deutsche Zivilrecht wird immer stärker vom europäischen Zivilrecht überlagert. Große Teile des wirtschaftsnahen Zivilrechts lassen sich heute ohne die zugrundeliegenden EG-Richtlinien nicht mehr verstehen. Hinzu kommt: Bei der Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht passieren Fehler, es kommt zu unbewussten Unschärfen oder es werden politische Kompromisse geschlossen. Damit stellt sich die Frage nach der richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Rechts und vor allem nach ihrer Grenze. Es handelt sich um eine alltägliche Praxisfrage. Das eröffnet vor allem in der anwaltlichen Praxis ein ungeahntes Argumentationspotential, mit dem sich die Gerichte zunehmend konfrontiert sehen. I. Einführung und Ausgangsbeispiel: BGH NJW 2006, 3200 Ein mangelhafter Backofen ist es, der aktuell die Diskussion zur richtlinienkonformen Auslegung in Deutschland anheizt und kürzlich zu einer wichtigen Vorlagefrage aus Karlsruhe nach Luxemburg geführt hat 1.Dass der Streitwert im Ausgangsverfahren gerade einmal 67 Euro und 86 Cent betrug, schmälert nicht die Bedeutung des Falles. Denn zum einen geht es um eine der umstrittensten Fragen des neuen Kaufrechts 2,und zum anderen berührt der BGH in seiner Argumentation die wichtigste Frage der richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung, nämlich die nach ihren Grenzen. Die Käuferin hatte bei der Beklagten, einem Versandhaus, für private Zwecke ein sogenanntes Herd-Set gekauft. Etwa eineinhalb Jahre nach Lieferung und Einbau des Herdes stellte die Käuferin fest, dass sich an der Innenseite des Backofens die Emailleschicht abgelöst hatte. Eine Reparatur des Ofens war nicht möglich, und so tauschte ihn die Verkäuferin vereinbarungsgemäß aus. Das ursprünglich gelieferte Gerät gab die Käuferin zurück. Für die Nutzung des alten Geräts in der Vergangenheit über die Dauer von etwa 17 Monaten verlangte die Verkäuferin allerdings eine Vergütung in Höhe von knapp 70 Euro. Diesen Betrag zahlte die Käuferin zunächst auch, ermächtigte aber später einen Verbraucherverband den Kläger von der beklagten Verkäuferin den gezahlten Betrag zurückzufordern. Entscheidend kam es auf die Beantwortung der Frage an, ob der Verkäufer nach deutschem Recht im Falle einer Nachlieferung Nutzungsentschädigung für den Gebrauch der mangelhaften Sache bis zu ihrem Austausch verlangen kann. Wirft man einen kurzen Blick auf die maßgebenden Normen, so scheint dem Verkäufer hier tatsächlich ein Anspruch zuzustehen. Die Normenkette beginnt bei 439 BGB und führt dann ins Rücktrittsrecht. 439 Abs. 4 BGB lautet: Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der 346 bis 348 verlangen. Und 346 BGB erstreckt die Herausgabepflicht auch auf die gezogenen Nutzungen bzw. ordnet einen Wertersatz für die gezogenen Nutzungen an. Für den achten Zivilsenat des BGH steht fest, dass nach dem Wortlaut des 439 Abs. 4 BGB mit seiner Verweisung auf die 346 348 BGB und auch nach dem im Jahre 2001 geäußerten Willen des historischen Gesetzgebers ein Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsvergütung im Falle der Ersatzlieferung vorgesehen ist. Zwar äußert der Senat mit einem Teil des Schrifttums Zweifel an der Angemessenheit dieser Regelung, doch sieht er sich an einer einschränkenden Auslegung des 439 Abs. 4 BGB zunächst gehindert, denn: Die Möglichkeit der Auslegung endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde 3. II. Der Vorlagebeschluss des BGH und die berührten Fragen Die Zweifel des BGH betreffen aber nicht nur die Angemessenheit der deutschen Regelung, sondern vor allem auch ihre Richtlinienkonformität. Seit der Schuldrechtsmodernisierung beruht das deutsche Gewährleistungsrecht auf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 4. Diese Richtlinie sieht eine Nutzungsentschädigung jedoch nicht vor, sondern geht im Grundsatz von der Unentgeltlichkeit der Ersatzlieferung aus. Deshalb erscheint es dem BGH möglich, dass die Richtlinie einer Verpflichtung des Verbrauchers zur Nutzungsvergütung entgegensteht: Der Senat hat aber Zweifel, ob die Vorschrift des 439 Abs. 4 BGB in ihrer den Senat bindenden Auslegung mit der Richtlinie 1999/44EG [...] in Einklang steht, nach deren Art. 3 Abs. 2 bis 4 die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes (auch) durch Ersatzlieferung für den Verbraucher unentgeltlich sein und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss 5. Was ist die Konsequenz eines solchen Zweifels? Da sich auf der einen Seite die Frage der Richtlinienkonformität einer Nutzungsvergütung im deutschen Recht positiv oder negativ erst beantworten lässt, wenn feststeht, ob die Richtlinie eine Nutzungsvergütung ausschließt, auf der anderen Seite sich eine solche Aussage der Richtlinie auch nicht mit völliger Sicherheit entnehmen lässt 6,ist zunächst Klärung durch * Erweiterte und umfußnoten ergänzte Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am8.november 2006 beim Karlsruher Dialog: Recht gehalten hat. Ein Teil des hier abgedruckten Textes entstammt Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3. 1 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200, mit Anmerkung Lorenz 3202; vgl. zur BGH-Entscheidung auch Witt, NJW 2006, 3322; Bruns, NZV 2006, 640; Schulte-N lke, ZGS 2006, 321. 2 Lorenz, NJW 2006, 3202. 3 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200, 3201 (Rn. 15). 4 Richtlinie 1999/44 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zubestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Amtsblatt Nr. L171 vom 7.7.1999, S. 12. Abgedruckt und in ihrer Bedeutung für das deutsche Recht aufbereitet ist die Richtlinie bei Leible, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 9,Rn. 1ff. 5 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200, 3201 (Rn. 16). 6 Die Richtlinienkonformität einesanspruchs aufnutzungsvergütung istsehrumstritten; vgl.hierzuetwa Leible,in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrechtunter europäischem Einfluss (2005), Kapitel9,Rn. 76 mitweiterennachweisen (selbst fürrichtlinienkonformität);siehefernerdie Nachweisebei Palandt-Weidenkaff,66. Auflage 2007, 439 BGB, Rn. 25 (imgegensatz zur65. Auflageselbst gegen Richtlinienkonformität);vgl. auch Gsell,NJW 2003, 1969, 1973 f. (gegen Richtlinienkonformität). 314 AnwBl 5/2007 Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung, Gebauer

MN Aufsätze das Organ herbeizuführen, dem die Auslegung der Richtlinie vorbehalten ist, mithin dem Europäischen Gerichtshof. Der BGH setzt also den Rechtsstreit aus und legt gemäß Art. 234 EGV die Frage nach dem Inhalt der Richtlinie zur Vorabentscheidung vor 7.Die Vorlagefrage des BGH an den EuGH lautet, ob die Bestimmungen der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regel entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragwidrigen Verbrauchsgutes verlangen kann? 8. Nun beantwortet der EuGH zwar keine Fragen zum nationalen Recht 9,und so wird er sich auch nicht direkt zur Richtlinienkonformität des deutschen Rechts äußern können. Aber eines ist klar: Sollte der EuGH dem BGH in dessen Einschätzung zur Richtlinie folgen und zu dem Ergebnis gelangen, dass die Richtlinie eine Nutzungsvergütung tatsächlich ausschließt, dann steht die Richtlinienwidrigkeit des deutschen Rechts, so wie es vom BGH in dem Vorlagebeschluss interpretiert wird, fest. Wie der BGH dann reagieren würde, wie er reagieren könnte, ist nicht ganz klar, aber von grundlegender und weit über den Einzelfall und das Kaufrecht hinausreichender Bedeutung. Damit steht auch die Frage im Zusammenhang, ob das Vorabentscheidungsverfahren hier überhaupt zulässig ist 10.Denn die vorgelegte Frage muss für den Ausgang des Rechtsstreits gemäß Art. 234 EGV entscheidungserheblich sein, und daran fehlt es, wenn der BGH selbst keinen Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts sieht. Teilweise wird dem Vorlagebeschluss des BGH deshalb eine innere Widersprüchlichkeit vorgehalten 11.Vermutlich sieht der achte Senat aber mehr Spielraum, als man auf den ersten Blick meinen sollte, und zwar deshalb, weil bei richtiger Betrachtung, wie hier zu zeigen sein wird, der im nationalen Recht verbleibende Spielraum durchaus vom Inhalt der Richtlinie abhängen kann. Diesen Inhalt zu klären, ist aber dem EuGH vorbehalten, und es erscheint unwahrscheinlich, dass der EuGH die Vorlagefrage des BGH als unzulässig zurückweisen wird 12. Welche Möglichkeiten verblieben dem BGH, wenn er vom EuGH tatsächlich bestätigt bekäme, dass die Richtlinie eine Nutzungsvergütung zu Lasten des Verbrauchers ausschließt? Welchem Herrn würde der BGH dann dienen? Dem verbindlich durch den EuGH festgestellten Gemeinschaftsrecht, oder der Vorschrift des 439 Abs. 4 BGB, in ihrer wie sich der BGH gegenüber dem EuGH ausdrückt, den Senat bindenden Auslegung 13?Oder sollte es am Ende gar möglich sein, beiden Herren gleichzeitig zu dienen? Das ist die Grundfrage nach der richtlinienkonformen Auslegung und vor allem nach ihrer Grenze. Es handelt sich um eine alltägliche Praxisfrage, denn große Teile des wirtschaftsnahen Zivilrechts lassen sich heute ohne die zugrunde liegenden Richtlinien nicht mehr verstehen. Auch ist das BGB von zahlreichen Umsetzungsdefiziten gespickt 14. Das eröffnet vor allem in der anwaltlichen Praxis ein ungeahntes Argumentationspotential, mit dem sich die Gerichte zunehmend konfrontiert sehen. Um die wichtigsten Fragen der richtlinienkonformen Auslegung beantworten zu können, soll im Folgenden zunächst ein knapper Überblick zur Wirkungsweise von Richtlinien im deutschen Zivilrecht gegeben werden (III.). In einem zweiten Schritt wird sodann den Besonderheiten der richtlinienkonformen Auslegung nachgegangen (IV.), um schließlich drittens nach den Möglichkeiten der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung zu fragen, die den Wortlaut des deutschen Rechts übersteigt (V.). III. Überblick zur Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen Zivilrecht 1. Umsetzungsbedürftigkeit und keine unmittelbare Geltung unter Privaten Während die EG-Verordnung in ihrem Anwendungsbereich unmittelbare Wirkung entfaltet und kraft Vorrang des Gemeinschaftsrechts entgegenstehendes nationales Recht schlicht verdrängt, entfaltet die Richtlinie im nationalen Recht eine viel subtilere Wirkung. Sie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie keinen Geltungsvorrang entfaltet und entgegenstehendes nationales Recht deshalb auch grundsätzlich nicht verdrängt. Jedenfalls in dem für das Privatrecht kennzeichnenden Horizontalverhältnis zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten 15 kommt es nach ständiger EuGH-Rechtsprechung nicht zu einer unmittelbaren Geltung 16.Die Richtlinie ist gemäß Art. 249 Abs. 3EGV 17 vielmehr zunächst nur an die Mitgliedstaaten gerichtet und muss von diesen in nationales Recht umgesetzt werden, wobei den Mitgliedstaaten dabei idealtypischerweise ein gewisser Umsetzungsspielraum verbleibt. 2. Verdoppelter Normentext bei unmittelbarer Geltung nur des nationalen Rechts: Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung Die fehlende Direktwirkung der Richtlinie bedeutet nun jedoch keinesfalls, dass ihre Normen nach einer Umsetzung in nationales Recht keine Rolle mehr spielen. Vielmehr überwölbt die Richtlinie das nationale Recht auch und gerade dann, wenn sich der Normtext des nationalen Rechts von dem der Richtlinie entfernt. So kommt es zu einer eigenartigen Verdoppelung der Normtexte bei unmittelbarer Geltung nur des nationalen Rechts. Das nationale Recht ist stets im Licht der Richtlinie zu lesen. Das vom EuGH in jahrzehntelanger Judikatur entwickelte Gebot der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts richtet sich an die nationalen Gerichte und lässt sich durchaus als eine Kompensation für die fehlende Direktwirkung begreifen. Das Gebot geht im 7 Zum Vorabentscheidungsverfahren vgl. Gündisch, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 35, Rn. 4ff. 8 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200. 9 Vgl. Witt, NJW 2006, 3322, 3323, m. w. N. 10 Vgl. hierzu auch Witt, NJW 2006, 3322, 3323. 11 Vgl. Lorenz, NJW 2006, 3203, 3203. 12 So auch die Einschätzung von Lorenz, NJW 2006, 3203, 3203. 13 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200, 3201 (Rn. 16). 14 Hierzu und zur Lösung der dadurch aufgeworfenen Probleme im Einzelnen: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischen Einfluss (2005), Zweiter Teil: Kapitel 4 16. 15 Im Unterschied zudem für das öffentliche Recht kennzeichnenden Vertikalverhältnis zwischen dem Staat und dem Bürger. Indiesem Verhältnis kann sich der Bürger gegenüber dem Staat (nicht umgekehrt) unmittelbar auf die Richtlinie berufen. Zur unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts siehe Wiedmann, ingebauer/wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischen Einfluss, Kapitel 2. 16 EuGH, 5. Oktober 2004, verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer, Rn. 108; EuGH, 7. Januar 2004, Rs. C-201/02, Wells,Rn. 56; EuGH, 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994 I,3325, Rn. 20; EuGH, 26. September 2000, Rs. C-443/98, Unilever, Slg. 2000 I, 7535, Rn. 50, hierzu Gundel, EuZW 2001, 143. Vgl. Baldus, GPR 3/03-04, 124 f.; Jarass/Beljin,JZ2003, 768, 772 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH und der Literatur. 17 Die Vorschrift lautet: Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, anden sie gerichtet wird, hinsichtlich des zuerreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung,gebauer AnwBl 5/2007 315

MN Aufsätze Übrigen sehr weit und verlangt von den nationalen Gerichten, das nationale Recht soweit wie möglich am Maßstab der Richtlinie auszulegen 18. 3. Staatshaftung als Folge fehlender Direktwirkung bei Umsetzungsdefiziten Ebenfalls im Zusammenhang mit der fehlenden Direktwirkung der Richtlinie ist ein weiteres vom EuGH entwickeltes Sanktionsinstrument zu sehen: Die Staatshaftung als Folge einer unterbliebenen oder fehlerhaften Richtlinienumsetzung. Jedes private Rechtssubjekt, dem aus einer fehlerhaften Richtlinienumsetzung ein Schaden entstanden ist, hat einen gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den säumigen Staat 19.Unterliegt also eine Partei in einem Rechtsstreit, weil das nationale Recht nicht richtlinienkonform ausgelegt werden kann, so haftet der Staat für den daraus entstehenden Schaden, wenn ihm ein qualifizierter Verstoß gegen seine Umsetzungspflicht vorgeworfen werden kann. Die Staatshaftung kann ein scharfes Schwert sein, denn gelegentlich geht es um mehr als um 67 Euro und 86 Cent. 4. Auslegungszuständigkeit des EuGH nur für die Richtlinie, nicht aber für das nationale Recht Für die Wirkung von Richtlinien im nationalen Recht ist schließlich noch zu betonen, dass eine Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs nur für die Richtlinie besteht, nicht aber für das nationale Recht, selbst wenn es der Umsetzung einer Richtlinie dient. Man darf also die Auslegung einer Richtlinie nicht mit der richtlinienkonformen Auslegung verwechseln. Denn der Gegenstand der richtlinienkonformen Auslegung ist das nationale Recht, so dass der EuGH auch nicht zur richtlinienkonformen Auslegung, sondern nur zur Auslegung der Richtlinie berufen sein kann. IV. Richtlinienkonforme Auslegung in der Zivilrechtspraxis 1. Ihr Gegenstand: nur das nationale Recht Innerhalb des nationalen Rechts lassen sich drei Bereiche unterscheiden, die den Gegenstand der richtlinienkonformen Auslegung bilden: Unproblematisch unterliegen zunächst diejenigen Normen dem Gebot, die gerade zur Umsetzung der Richtlinie vom nationalen Gesetzgeber erlassen wurden. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die Normen, die der Richtlinienumsetzung dienen, auch im Lichte der Richtlinie zu interpretieren sind. Aber es sind eben nicht nur die Umsetzungsnormen. Vielmehr unterliegen dem Gebot sämtliche Normen des nationalen Rechts, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, auch wenn sie nicht zur Richtlinienumsetzung erlassen wurden und eventuell in einem völlig anderen Regelungszusammenhang stehen oder auch viel älter sind als die Richtlinie. Potenziell unterliegen also alle nationalen Normen dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung 20. Im dritten Bereich, den es für den Gegenstand der richtlinienkonformen Auslegung zu beachten gilt, hat der Gesetzgeber Richtlinien-überschießendes nationales Recht geschaffen. Dabei kann etwa der Anwendungsbereich des nationalen Rechts über den der Richtlinie hinaus ausgedehnt werden. Ein gutes Beispiel hierfür bietet das Haustürwiderrufsrecht 21.Während der Anwendungsbereich der Richtlinie dann eröffnet ist, wenn der Vertrag in einer entsprechenden Situation abgeschlossen wurde, geht das deutsche Recht in 312 Abs. 1BGB darüber hinaus und lässt es für die Eröffnung des Verbraucherschutzes schon genügen, dass der Vertrag in einer entsprechenden Situation an der Haustür oder auf der Straße angebahnt wurde, auch wenn dann bei Abschluss des Vertrages diese Haustürsituation nicht mehr gegeben war, der Vertrag etwa in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wurde. Bei dieser sog. überschießenden Umsetzung 22 durch den nationalen Gesetzgeber gebietet zwar das Gemeinschaftsrecht keine richtlinienkonforme Auslegung außerhalb des Regelungsbereiches der Richtlinie. Insofern lässt sich auch für den überschießenden Teil aus dem Gemeinschaftsrecht kein Vorrang richtlinienkonformer Auslegung gegenüber sonstigen Argumenten ableiten. Wenn sich nationale Gerichte, wie etwa der BGH, hier dennoch an dem orientieren, was innerhalb des Regelungsbereiches der Richtlinie zu gelten hat, dann ist das durchaus konsequent. Denn vermieden werden auf diese Weise Wertungswidersprüche innerhalb der eigenen Rechtsordnung. Vermieden wird mit anderen Worten die sog. gespaltene Auslegung zwischen solchen Bereichen des nationalen Rechts, die unmittelbar der Richtlinie unterfallen, und den Bereichen, die im nationalen Recht überobligatorisch angeglichen wurden. Eine gespaltene Auslegung hat der BGH etwa bei den Haustürgeschäften ausdrücklich abgelehnt 23. 2. Ihr Geltungsgrund Für den Gegenstand der richtlinienkonformen Auslegung lässt sich also zusammenfassen, dass sie sich lediglich auf das nationale Recht bezieht. Aber woraus schöpft sie ihren Geltungsgrund? Woraus ergibt sich also überhaupt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung? Praktisches Gewicht haben vor allem zwei Erklärungsmodelle 24, die sich auch gegenseitig ergänzen können. Bedeutung hat zunächst der Umsetzungswille des Gesetzgebers. Man wird regelmäßig unterstellen können, dass der Gesetzgeber, indem er eine Richtlinie in nationales Recht überführt, auch den Willen hat, die Umsetzung richtlinienkonform durchzuführen. Dieser Begründungsansatz versagt allerdings bei der richtlinienkonformen Auslegung derjenigen Normen, die nicht in Umsetzung der Richtlinie erlassen wurden, aber dennoch ihrem Anwendungsbereich unterliegen, sowie natürlich auch immer dann, wenn die Umsetzung verspätet oder überhaupt nicht erfolgte. 18 Aus der jüngeren Zeit siehe etwa EuGH, 4. Juli 2006, Rs. C- 212/04, Adeneler u. a., NJW 2006, 2465, Rn. 108: Es ist daran zuerinnern, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der fraglichen Richtlinie auslegen müssen, umdas in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und soart. 249 Absatz 3 EG nachzukommen. 19 Zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung siehe Schulze, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 16. 20 Näher hierzu Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3, Rn. 21. 21 Hierzu näher Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 6. 22 Vgl. hierzu Habersack/Mayer,in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2006), 15, Rn. 14; Gebauer, ingebauer/wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3,Rn. 22 ff. 23 BGH, 9. April 2002, NJW 2002, 1881: Vielmehr erstreckt sich die richtlinienkonforme Auslegung auch auf solche Verträge, die zwar nicht unmittelbar der Richtlinie unterfallen, die aber nach nationalem Recht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen. Die von einem Teil der Literatur... befürwortete gespaltene Auslegung... widerspricht der durch das deutsche Recht geforderten Gleichbehandlung der verschiedenen Haustürsituationen. 24 Zu weiteren Erklärungsmodellen vgl. Gebauer, ingebauer/wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3,Rn. 29 ff. 316 AnwBl 5/2007 Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung, Gebauer

MN Aufsätze Neben der allgemeinen Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten aus Artikel 10 des EG-Vertrages, die ebenfalls von der höchstrichterlichen Rechtssprechung gelegentlich zur Untermauerung herangezogen wird, dürfte der entscheidende Geltungsgrund für das Gebot in der Verpflichtungswirkung nach Art. 249 Abs. 3 des EG-Vertrages liegen. Als Träger hoheitlicher Gewalt trifft auch die mitgliedstaatlichen Gerichte eine Umsetzungsverpflichtung aus dieser Norm. Art. 249 Abs. 3 EGV gebietet ihnen, das nationale Recht, wie sich der EuGH ausdrückt, unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen ihr Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden 25. Eine andere und immer wiederkehrende Formulierung des EuGH lautet, dass die nationalen Gerichte ihre Auslegung so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten haben 26. Aus diesen Konkretisierungen des Gebots in der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich zwei wesentliche Konsequenzen: Zum einen wird deutlich, dass es innerstaatliche Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes entlang der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen dem Gesetzgeber und den Gerichten gibt, hinter denen eine richtlinienkonforme Auslegung nicht mehr möglich erscheint 27. Und zum anderen lässt sich mit diesem gemeinschaftsrechtlichen Geltungsgrund auch erklären, dass das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung ein eigenständiges Ziel verfolgt, eine eigenständige Wirkung entfaltet und mehr verlangt, als eine bloße Integration in die übrigen Auslegungskriterien des nationalen Rechts 28. 3. Praktische Bedeutung und anwaltliches Argumentationspotential Die richtlinienkonforme Auslegung steht auf eigenen Beinen neben den anderen Argumenten, die bei der Auslegung nationalen Rechts in Betracht kommen, und geht nicht etwa in diesen auf 29.InGrenzen steuert sie sogar die Zulässigkeit und jedenfalls das Gewicht anderer Auslegungskriterien, wie etwa systematischer oder teleologischer Argumente. Die richtlinienkonforme Auslegung ist beides zugleich: ein selbständiges Auslegungskriterium und eine Auslegungsregel 30,die eine Aussage darüber enthält, wie andere Auslegungskriterien zu gewichten sind. Im Rahmen der argumentativen Gesamtabwägung wiegt das Argument der Richtlinienkonformität sicherlich schwerer als andere Argumente. Sie genießt auf der Interpretationsebene eine Vorrangstellung. Ihr Vorrang geht allerdings nicht so weit, dass sie entgegenstehendes Recht verdrängen kann. Konkurrierende Argumente und die übrigen Auslegungskriterien behalten also durchaus ihre Bedeutung 31. Sie können sogar ihrerseits die richtlinienkonforme Auslegung verhindern, wenn sich ein richtlinienkonformes Ergebnis nicht nur am Wortlaut, sondern vor allem am Zweck des Gesetzes brechen würde 32.Denn die richterliche Durchsetzung eines solchen Ergebnisses wäre gesetzeswidrig, eine Entscheidung contra legem, die weder von der Verfassung erlaubt, noch vom Gemeinschaftsrecht gefordert wird. Auch der EuGH hat im Jahre 2006 ausdrücklich anerkannt, dass die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe 33.Der Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung steht also unter dem Vorbehalt, dass er nicht zu einem Bruch des geltenden Rechts führt. Hier wird wieder deutlich, welches enorme anwaltliche Argumentationspotential ein Streit um die richtlinienkonforme Auslegung im Einzelfall freisetzen kann. Was bedeutet es, das nationale Recht soweit wie möglich am Maßstab der Richtlinie zu interpretieren. Wie flexibel und dehnbar ist das nationale Recht, wann kommt es zum Bruch? Je nach Standpunkt lassen sich hier jeweils mit guten Argumenten sehr unterschiedliche Positionen beziehen. 4. Wortlautgrenze und Rechtsfortbildung Ohne größeren Argumentationsaufwand wird sich die richtlinienkonforme Auslegung gegenüber anderen Argumenten dort durchsetzen lassen, wo niemand die Übereinstimmung ihres Ergebnisses mit dem Gesetzeswortlaut des nationalen Rechts bezweifelt. Problematischer wird der Vorrang der richtlinienkonformen Interpretation, wenn aufgrund der Richtlinie der Gesetzeswortlaut überschritten werden soll. Dann stellt sich die Frage nach der richtlinienkonformen Fortbildung des Zivilrechts. V. Voraussetzungen und Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung Dabei ist vorab vor einem verbreiteten Missverständnis zu warnen. Nicht jede Entscheidung gegen den Wortlaut des Gesetzes ist eine Entscheidung contra legem, also gegen das Gesetz. Zwischen der gesetzeswidrigen Entscheidung und einer Entscheidung, die innerhalb des Gesetzeswortlautes, also intra legem gefunden wird, gibt es Abstufungen, nämlich die Entscheidungen neben oder außerhalb des Gesetzes, also praeter legem bzw. extra legem. Gäbe es diese Zwischenstufen nicht, so würde in Deutschland etwa ein strenges Analogieverbot herrschen, auch außerhalb des Strafrechts. Im deutschen Rechtsraum versteht man den technischen Begriff der Auslegung meistens in einem engeren Sinne, also als Rechtsfindung innerhalb des Gesetzeswortlautes. Den Wortlaut überschreitende Interpretation einer Norm wird dagegen als Rechtsfortbildung bezeichnet. Das gemeinschaftsrechtlich verankerte Gebot der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten sicher mehr als bloße Auslegung im engen Sinne. Gefordert ist auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich erscheint, richt- 25 EuGH, 10. April 1984, Rs. 14/83, von Colsen und Kamann, Slg. 1984, 1891, 1909, Rn. 28. 26 Vgl. etwa EuGH, 4.Juli 2006, Rs. C- 212/04, Adeneler u. a., NJW 2006, 2465, Rn.108. 27 Zur Deutung dieses Möglichen, das in der Rechtsprechung des EuGH immer wieder auftaucht, in dem beschriebenen Sinne Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FS Bydlinski (2002), S. 47, 95ff.; Franzen, JZ 2003, 321, 324. Kritisch gegenüber einer begrenzenden Wirkung des so weit möglich Pfeiffer, ZEuP 2003, 144, 146. 28 Vgl. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 79. 29 Vgl. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 79. Dies ist umstritten. Anderer Ansicht etwa Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: Canaris u. a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe aus der Wissenschaft (2000), II, S. 889, 891:... bei Anwendung der überkommenen Auslegungsmethoden zuermitteln, welche Variante mit Sinn und Zweck der Richtlinie am besten zu vereinbaren ist; diese Variante erhält den Vorzug. 30 Vgl. Alexy, Juristische Interpretation, in: ders.,recht, Vernunft, Diskurs (1995), S. 71, 83: Von den Argumentformen oder den canones der Auslegung sind die Regeln der juristischen Argumentation oder Interpretation zu unterscheiden. Diese sagen, wie die verschiedenen Argumente zuverwenden und zu gewichten sind. 31 Canaris,Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 66ff. unterscheidet deshalb den interpretatorischen Vorrang auf der Ebene der Auslegungskriterien von einem derogatorischen Vorrang inder Normenhierarchie. Vgl. auch Staudinger, DB2000, 2058, 2060. 32 Zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung sogleich imtext unter V. 33 EuGH, 4. Juli 2006, Rs. C-212/04, Adeneler u. a., NJW 2006, 2465, Rn. 108 110. Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung,gebauer AnwBl 5/2007 317

MN Aufsätze linienkonform fortzubilden 34. Freilich gilt auch hier, dass dies nur insoweit geschehen kann, als die Gerichte nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung zur Rechtsfortbildung berufen sind. 1. Lücke als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes In Deutschland sind die Gerichte zu einer über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Rechtsfortbildung berufen 35, wenn sich das Gesetz als lückenhaft erweist. Von einer Lücke spricht man im Falle einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Unvollständig ist das Gesetz immer dann, wenn es nach seinem Wortlaut ein vom Betrachter vermisstes Merkmal nicht aufweist. Das kann ein beliebiges Merkmal sein, das etwa die subjektiven Interessen oder die moralischen oder rechtspolitischen Maßstäbe des Betrachters widerspiegelt, und deshalb kann die Unvollständigkeit des Gesetzes niemals alleine seine Fortbildung rechtfertigen. Festhalten lässt sich aber bereits hier, dass immer dann, wenn der Wortlaut des Gesetzes mit dem Inhalt einer Richtlinie nicht übereinstimmt, eine Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt 36. Hinzutreten muss aber die Planwidrigkeit dieser Unvollständigkeit, um eine Rechtsfortbildung zu rechtfertigen. Entspricht nämlich die Unvollständigkeit zwar nicht den subjektiven Interessen oder den moralischen bzw. rechtspolitischen Vorstellungen des Betrachters, wohl aber dem Plan des Gesetzes, so ist für eine Rechtsfortbildung kein Raum. Das Merkmal der Planwidrigkeit soll also die externen, außerhalb des Rechts stehenden Maßstäbe ausschließen und die Rechtsfortbildung auf die Fälle beschränken, in denen die Korrektur des Gesetzeswortlautes durch Beseitigung seiner Unvollständigkeit dem Plan des Gesetzes bzw. der Rechtsordnung entspricht 37.Umgekehrt gewendet soll die Rechtsfortbildung nur dort stattfinden, wo die Beibehaltung der Unvollständigkeit planwidrig wäre. Das Merkmal der Planwidrigkeit unterscheidet also die Gesetzeslücke vom rechtspolitischen Fehler 38.Damit ist zugleich die Grenze der zulässigen Rechtsfortbildung gezogen. Jenseits des Planes des Gesetzes (oder der Rechtsordnung) beginnt die verbotene Rechtsfindung contra legem. 2. Richtlinie als Maßstab der Lückenfeststellung Akzeptiert man für die Feststellung einer Lücke nicht nur den Plan des nationalen Gesetzes, sondern auch den Plan der Gesamtrechtsordnung unter Einschluss der für den Gesetzgeber verbindlichen EG-Richtlinie 39,dann liegt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes bereits dann vor, wenn das Gesetz den Anforderungen der Richtlinie nicht genügt. Es lässt sich also durchaus argumentieren, dass die Richtlinie selbst als Maßstab der Lückenfeststellung dienen kann. Eine Rechtsfortbildung am Maßstab der Richtlinie scheidet aber sicher aus, wenn die Richtlinienwidrigkeit dem Plan des Gesetzes entspricht. Das wird man annehmen können, wenn der Gesetzgeber sehenden Auges die Richtlinie nicht vollständig umsetzen wollte und den Verstoß also in Kauf nimmt, was allerdings nur selten vorkommen wird. Aber in diesem Fall würde sicher eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung ausscheiden; das Verbot einer Rechtsfindung contra legem würde eingreifen. Der vorsätzliche Richtlinienverstoß des Gesetzgebers ist aber ein extremer Sonderfall. In der Regel, das heißt bei unterstelltem Willen des Gesetzgebers zur korrekten Richtlinienumsetzung, ist die Rechtsfortbildung deshalb sehr weitgehend möglich. Ob man die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung so weit ausdehnen kann, ist natürlich heftig umstritten. Wer einen engeren Lückenbegriff vertritt 40, der die Richtlinie nicht als Maßstab der Lückenfeststellung heranzieht, sondern insoweit einzig auf der Basis des nationalen Rechts unter Ausschluss der Richtlinie argumentiert 41, kommt zu einem anderen Ergebnis und dehnt entsprechend die Staatshaftung aus 42. 3. Instrumente der Lückenfüllung und Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung Akzeptiert man aber die Richtlinie als Maßstab der Lückenfeststellung, dann fragt sich noch, mit welchen Instrumenten eine Gesetzeslücke geschlossen werden kann. Als Instrumente bieten sich zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung vor allem die teleologische Extension und die teleologische Reduktion einer Norm an 43. Auf der ratio legis beruht zunächst die teleogische Extension, also die Ausdehnung einer Norm über ihren Wortlaut hinaus, aber entsprechend ihrem Zweck 44.Ebenfalls auf dem Normzweck beruht die teleologische Reduktion 45.Bei ihr bedarf das Gesetz seinem Zweck entsprechend einer Einschränkung des Wortlautes. Durch die Reduktion wird also entsprechend dem Normzweck der Anwendungsbereich der Norm eingegrenzt 46. Üblicherweise ergibt sich bei der teleologischen Extension oder Reduktion der Normzweck gerade aus der Vorschrift selbst, deren Wortlaut dem Zweck gemäß ergänzt wird. Soweit man den Zweck aber auch der Richtlinie entnimmt, eignen sich die teleologische Reduktion und die teleologische Extension sehr gut zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des Gesetzes 47.Bei der teleologischen Reduktion ist darauf zu achten, dass die Norm nicht vollständig auf Null reduziert wird, dass also nur abgrenzbare Fall- 34 Monographisch zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung: Herresthal, Rechtsfortbildung imeuroparechtlichen Bezugsrahmen (2006); vgl. auch die Beiträge in Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2006); weitere Nachweise bei Gebauer, ingebauer/wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3,Rn. 37 ff. 35 Zur Verankerung der methodischen Fragen imverfassungsrecht siehe Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FS Bydlinski (2002), S. 47, 83; Schnorbus,AcP 201 (2001), 860, 897f. 36 Vgl. Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 416, 419; Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FS Bydlinski (2002), S. 47, 85. 37 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.Auflage 1983, S. 31 ff. 38 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.Auflage 1983, S. 31, 33ff.; ders.,die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 83vgl. auch Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM2002, 529, 533. 39 Vgl. hierzu Herresthal, Rechtsfortbildung imeuroparechtlichen Bezugsrahmen (2006), S.224 ff. 40 Vgl. etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 368, 375 ff., 426f. 41 So etwa Franzen, JZ2003, 321, 327, der die Richtlinie nicht inden Plan der für die Lückenfeststellung maßgebenden Rechtsordnung einschließt. Für ihn kommt es für die Frage der Lückenbestimmung nur auf den Plan und die Regelungsabsicht des innerstaatlichen Gesetzgebers und der innerstaatlichen Rechtsordnung an, vgl. auch Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft (1999), S. 417, 419, 444. Gegen einen weiten Lückenbegriff imvorliegenden Zusammenhang auch Piekenbrock/Schulze, WM2002, 521, 526 und 524 ( Regelungsplan des nationalen Rechts ); wohl auch Habersack/Mayer, WM2002, 253, 256, wenn sie die Rechtsfortbildung nur insoweit zulassen wollen, als sie aus Gründen des nationalen Rechts (also unabhängig von der Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität) möglich ist. 42 Zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung siehe Schulze, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 16. 43 Zu den Gründen dafür, dass die Analogie in ihrer Bedeutung hier zurücktritt, vgl. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3,Rn. 50, m. w. N. 44 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.Auflage 1983, S. 89 ff. 45 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 391ff. 46 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.Auflage 1983, S. 82. 47 Vgl. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 90; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 894 f. 318 AnwBl 5/2007 Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung, Gebauer

MN Aufsätze gruppen ihrem Anwendungsbereich entzogen werden, ihr mit anderen Worten nur ein Ausnahmetatbestand beigefügt wird 48.Verbliebe der Norm durch die Reduktion hingegen nichts mehr von ihrem ursprünglichen Anwendungsbereich, so käme dies ihrer Derogation gleich. In diesem Fall scheidet nach überwiegender Ansicht die teleologische Reduktion aus, und die Norm erweist sich als nicht anpassungsfähig 49. Die Position des BGH zu den Grenzen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ist noch nicht geklärt. Der Sache nach wird auch in der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus richtlinienkonforme Rechtsfortbildung betrieben, die den Wortlaut des Gesetzes übersteigt 50. Das entspricht auch den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs, der von den nationalen Gerichten ausdrücklich Rechtsfortbildung insoweit verlangt, als diese Rechtsfortbildung nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und Gerichten auch ansonsten möglich erscheint 51,wie dies in Deutschland eben der Fall ist. Allerdings vermeidet der BGH bisher noch den Ausdruck der Rechtsfortbildung und neigt eher dazu, die gefundenen richtlinienkonformen Ergebnisse in etwas akrobatischer Weise dem Gesetzeswortlaut zu unterstellen 52. Umgekehrt ließ sich der 11. Senat noch im Jahre 2005 zu der Formulierung hinreißen, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut die Grenze der richtlinienkonformen Auslegung bilde 53. Natürlich ist die Grenze des möglichen Wortlautes bei normativen Begriffen praktisch nie völlig eindeutig 54, und so bleibt dann Vieles offen. Transparenter ist es, sich gegebenenfalls offen zur Rechtsfortbildung zu bekennen und ihre Gründe zu benennen. VI. Ausblick 48 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2.Auflage 1983, S. 189ff. 49 Vgl. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, FSBydlinski (2002), S. 47, 94, 100 f.; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kapitel 3, Rn. 51. Den Funktionsverlust einer nationalen Norm lehnt allerdings Herresthal als Grenze der judikativen Rechtsfortbildung mit beachtlichen Gründen ab: Herresthal, Rechtsfortbildung imeuroparechtlichen Bezugsrahmen (2006), S.321 ff. 50 Deutlich etwa inder Heininger -Entscheidung: BGH, 9. April 2002, NJW 2002, 1881. Unter II.2.a) der Entscheidungsgründe führte der 11. Zivilsenat aus, dass der Wortlaut zwar eher ein anderes Ergebnis nahe legen würde, diese Auslegung aber mangels eindeutigen Gesetzeswortlautes nicht zwingend sei. 51 Vgl. EuGH, 5.Oktober 2004, verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer, Rn. 116. 52 Vgl. etwa die Heininger-Entscheidung, vorletzte Fußnote. 53 BGH, 18. Januar 2005, XIZR54/04: Daß der Ausschluß des Widerrufsrechts in 2Abs. 1Satz 4angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich ist, hat der Senat bereits mit Urteil vom 14. Oktober 2003 (XI ZR134/02, WM 2003, 2328, 2331) entschieden und wird auch von den Klägern nicht inzweifel gezogen 54 Zu den Unschärfen beim möglichen Wortsinn vgl. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 322ff. Ein gutes Beispiel für die unscharfen Wortlautgrenzen bei der richtlinienkonformen Auslegung bietet auch die im Rahmen des 312 Abs. 1BGB auftauchende Frage, ob die Bürgschaft, die unter die Haustürwiderrufsrichtlinie fallen kann, ein entgeltlicher Vertrag imsinne des deutschen Umsetzungsrechts ist. Vgl. hierzu etwa Baldus/Becker,ZEuP 1997, 875, 879, 885 und Canaris, AcP 200 (2000), 273, 354.; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 883. 55 BGH, 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200, Rn. 10, 12 und 14. 56 Der BGH setzt sich in seinem Vorlagebeschluss detailliert mit der Einzelbegründung des Koalitionsentwurfs zu 439 Abs. 4BGB auseinander: BGH, 16. August 2006, VIII ZR200/05, NJW 2006, 3200, Rn. 12 ff. 57 Vgl. hierzu auch Witt, NJW 2006, 3322, 3325; Schulte-N lke,zgs 2006, 321. Was folgt nun daraus für den Backofenfall und die eingangs aufgeworfene Frage: Wie wird der achte Zivilsenat des BGH reagieren, wenn er vom EuGH tatsächlich die Bestätigung erhält, dass eine Verpflichtung zur Nutzungsentschädigung nicht im Einklang mit der Richtlinie steht? Interessanterweise spricht der BGH in der Vorlage ja von einem eindeutigen Wortlaut und einem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten eindeutigen Willen des Gesetzgebers 55. Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der 346 bis 348 verlangen, so der Wortlaut des 439 Abs. 4 BGB. Sollte nach der mit Spannung zu erwartenden Entscheidung des EuGH feststehen, dass die in der Verweisung auf die 346 348 zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung zur Nutzungsentschädigung richtlinienwidrig ist, so müsste man erwägen, ob eine richterliche Rechtsfortbildung in Betracht kommt (jedenfalls bis zu einem Eingriff des Gesetzgebers). Voraussetzung für die Rechtsfortbildung ist die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, mit anderen Worten eine Lücke. Eine Unvollständigkeit des Gesetzes ist insoweit gegeben, als das Gesetz ein Merkmal vermissen lässt, das die Richtlinie vorsieht, oder umgekehrt gewendet ein Merkmal enthält, das die Richtlinie ausschließt. Ist die Unvollständigkeit aber auch planwidrig? Bisher war sie es wohl nicht, denn sie entsprach dem Willen des historischen Gesetzgebers. Aber sie wird planwidrig in dem Moment, in dem die Richtlinienwidrigkeit verbindlich feststeht, soweit man die Richtlinie als Teil der Gesamtrechtsordnung und somit als Maßstab der Lückenfeststellung begreift. Als Instrument zur Schließung der festgestellten Lücke bietet sich hier eine teleologische Reduktion an. 439 Abs. 4 BGB würde also entsprechend dem richtlinienkonformen Zweck der Vorschrift, aber unter Einengung ihres Wortlautes auf diejenigen Konstellationen beschränkt werden, in denen die Verweisung auf die 346 bis 348 BGB nicht dazu führt, dass der Käufer Wertersatz für die Nutzung des Verbrauchsguts schuldet. Man könnte sodann noch fragen, obdie Rechtsfortbildung vielleicht deshalb ausscheidet, weil nicht nur der Wortlaut des 439 Abs. 4, sondern eben auch der in den Materialien im Jahre 2001 zum Ausdruck gebrachte Wille des historischen Gesetzgebers entgegensteht? Denn der Gesetzgeber wusste durchaus, was er tat 56.Dieses Argument zum Ausschluss einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung würde aber die Augen davor verschließen, dass der deutsche Gesetzgeber die Nutzungsentschädigung in der Vorstellung regelte, dass sie im Einklang mit der Richtlinie steht. Hätte er eine Richtlinienwidrigkeit der Regelung geahnt, dann hätte er sie unterlassen; das lässt sich jedenfalls dem Gesetzgeber unterstellen 57. Und dieser generelle Umsetzungswille muss berücksichtigt werden, wenn man den Zweck des Gesetzes als Grenze für die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung anführt. Damit lässt sich 439 Abs. 4 BGB richtlinienkonform reduzieren, immer vorausgesetzt, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in ihrer Interpretation durch den EuGH eine Verpflichtung zur Nutzungsentschädigung ausschließt. Dr. Martin Gebauer, Heidelberg/ Frankfurt (Oder) Der Autor ist Privatdozent ander Universit t Heidelberg und im Sommersemester 2007 Lehrstuhlvertreter an der Europa-Universit t Viadrina Frankfrut (Oder). Erist Mitherausgeber des 2005 erschienenen Werkes Zivilrecht unter europ ischem Einfluss aus dem Richard Boorberg Verlag. Umsetzungsproblemevon EG-Richtlinien und ihre L sung,gebauer AnwBl 5/2007 319

MN Aufsätze Deutsches Gesellschaftsrecht unter europäischem Einfluss Rechtsanwalt Dr. Marc-Philippe Weller, Köln/Mannheim In Berlin mag die Musik spielen, die Noten dazu werden längst in Brüssel geschrieben. Der Beitrag zeigt anhand des Gesellschaftsrechts, wie stark, wie mehrschichtig und wie vielfältig der europäische Einfluss auf das deutsche Recht ist. Der Einfluss reicht vom Gläubigerschutz über den Diskriminierungsschutz bei Organbestellungen bis hin zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen und der Organisationsform von Apotheken (Fall Doc Morris). Darüber hinaus beschert er dem Kollisionsrecht einen erheblichen Bedeutungszuwachs. Allerdings unterliegt der europäische Einfluss auch Grenzen. Der Autor skizziert auch diese. I. Polyvalenz des europäischen Einflusses Der Deutsche Anwaltstag 2007 in Mannheim steht unter dem Generalthema Europa. Das Thema ist angesichts des wachsenden europäischen Einflusses auf das gesamte deutsche Recht 1 gut gewählt. Am Beispiel des Gesellschaftsrechts soll im Folgenden skizziert werden, wie weitreichend europäische Regelungen auf die Rechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten einwirken. Der europäische Einfluss ist polyvalent. Dies beginnt schon in seinem Ursprung, entspringt er doch nicht nur dem EG-Sekundärrecht, sondern gleichfalls dem EG-Primärrecht. Aber auch sein Impakt im nationalen Recht ist mehrschichtig. So wird nicht nur das deutsche Sachrecht (hier das Gesellschaftsrecht) beeinflusst, sondern auch das deutsche Kollisionsrecht (hier vor allem das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht). Nachfolgend werden nur die unmittelbar rechtlichen Einflüsse skizziert, faktische von Europa ausgehende Impulse werden ausgeblendet, obgleich auch diese erheblich sind. Beispielsweise hat die aus der Niederlassungsfreiheit folgende Europäische Rechtsformwahlfreiheit 2 die Reform des deutschen GmbH- Gesetzes angestoßen 3,ebenso die Überlegung, das bislang gesellschaftsrechtlich fundierte Verbot existenzvernichtender Eingriffe umzukonzipieren und ins Deliktsrecht ( 826 BGB) zu verlagern 4,was es kollisionsrechtlich vereinfachen würde, die Existenzvernichtungshaftung über Art. 40 EGBGB auf im Inland agierende Scheinauslandsgesellschaften anzuwenden. Die Polyvalenz des europäischen Einflusses soll im Folgenden exemplarisch an vier Regelungsbereichen aufgezeigt werden. In erster Linie sind die spezifisch gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und Verordnungen zu nennen, die auf eine Harmonisierung der verschiedenen Gesellschaftsrechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten abzielen ( dazu unter II.). Weniger offensichtlich, aber gleichwohl nicht zu vernachlässigen ist der Einfluss, der von den EG-Antidiskriminierungsrichtlinien auf das Gesellschaftsrecht ausgeht. Sie wurden in Deutschland durch das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt. 5 Dieses ist nunmehr bei der Bestellung von Gesellschaftsorganen zu beachten, möglicherweise sogar bei der Aufnahme von Gesellschaftern in Personengesellschaften und personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften (dazu unter III.). Regelrecht einschneidend ist der Einfluss, den die Niederlassungsfreiheit auf das deutsche Recht hat, und zwar sowohl auf das Sachrecht als auch auf das IPR ( dazu unter IV.). Zunehmend bemerkbar machen sich schließlich die Einwirkungen, die von der Kapitalverkehrsfreiheit auf das deutsche Gesellschaftsrecht insbesondere im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen ausgehen ( dazu unter V.). II. Einfluss der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und Verordnungen 1. Regelungsziele der EG-Sekundärrechtsakte Die Mitgliedstaaten haben der Europäischen Gemeinschaft (EG) in Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV die weit auszulegende 6 Kompetenz eingeräumt, das Gesellschaftsrecht zu harmonisieren. Die Rechtsangleichung gilt als zentrales Instrument, um den Gemeinsamen Binnenmarkt, einen der Hauptziele der EG (Art. 3Abs. 1lit. cund 14 EGV), zu verwirklichen. 7 In Ausübung ihrer Kompetenz hat die EG bislang elf sogenannte gesellschaftsrechtliche Richtlinien 8 und vier Verordnungen erlassen. 9 Mit den Sekunddärrechtsakten werden im wesentlichen drei Regelungsziele verfolgt, wobei rechtstechnisch weniger ein ganzheitlicher Ansatz (keine Kodifikation), als vielmehr ein auf Teilbereiche des Gesellschaftsrechts beschränktes, punktuelles Vorgehen der EG zu konstatieren ist. 10 (1.) Ein Regelungsschwerpunkt zielt auf die Harmonisierung des Aktienrechts. 11 Durch die Angleichung sollen Gläubiger und Investoren gemeinschaftsweit einheitlich geschützt werden; auf diese Weise soll jedem Interessierten eine grenzüberschreitende Beteiligung oder Geschäftsbeziehung erleichtert werden. 1 Vgl. die systematischen Darstellungen in den Handbüchern Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze Erläuterung der wichtigsten EG-Verordnungen (2005); Bergmann/Kenntner (Hrsg.), Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss (2002). 2 Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung (2004), S. 68 ff., 327ff. 3 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v.29.5.2006; vgl. ferner Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Gutachten DJT (2006); BDI/Hengeler M ller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen (2006). 4 Hierfür plädieren u. a. Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2041; Haas,Gutachten DJT (2006), E83ff., E90ff.; Veil, VGR-Band 10 (2006), 103, 114ff. 5 Vgl. zum AGG die prägnante Kommentierung von Jauernig und Mansel in: Jauernig, BGB, 12. Aufl. 2007. 6 EuGH, Slg. 1997, I-6859, Tz. 18ff. Daihatsu. 7 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht (2006), S. 187ff. 8 Nicht eingerechnet ist die kurz vor der förmlichen Verabschiedung stehende Aktionärsrichtlinie, welche den Aktionären die virtuelle Stimmabgabe in Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften eröffnet, hierzu Noack,NZG 2006, 321ff. 9 Abdruck und Erläuterung der einzelnen Richtlinien bei Habersack,Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006; Überblick und ausgewählte Probleme bei Weller, in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Rn. 39ff., 62ff. 10 Baums, AG2007, 57, 65: Pointillismus der Sekundärrechtsakte. 11 Vgl. die Kapitalrichtlinie (77/191/EWG), die Fusionsrichtlinie (78/855/EWG) und die Spaltungsrichtlinie (82/891/EWG). Die Kapitalrichtlinie wurde jüngst modifiziert durch die Richtlinie 2006/68/EG. Anders als imaktienrecht ist auf dem Gebiet des GmbH-Rechts lediglich eine residuale Harmonisierung z.b.durch die Einpersonen-GmbH-Richtlinie (89/67/EWG) zu verzeichnen. 320 AnwBl 5/2007 Deutsches Gesellschaftsrecht unter europ ischem Einfluss, Weller

MN Aufsätze (2.) Weiteres Ziel ist die Vereinheitlichung und Durchsetzung der handels- und bilanzrechtlichen Publizität. 12 Tragender Gedanke ist hier der Schutz des Rechtsverkehrs durch gemeinschaftsweit gleichwertige, zuverlässige und jedermann zugängliche Informationen über Kapitalgesellschaften, zuzüglich der GmbH &CoKG. 13 Manche sehen in den Informationsregeln das Herzstück des EG-Gesellschaftsrechts. 14 (3.) Schließlich steht in jüngerer Zeit zunehmend die Förderung der Kooperation, Organisation und Reorganisation von transnational tätigen Unternehmen auf dem Programm. Dies geschieht zum einen, indem transnationale Umstrukturierungen durch die Übernahmerichtlinie 15 und die Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen 16 erleichtert werden. Zum anderen wird die transnationale unternehmerische Betätigung durch die momentan drei supranationalen Rechtsformen Societas Europaea (SE), Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und Societas Cooperativa Europaea (SCE) gefördert. Voraussichtlich kommt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) demnächst die Europäische Privatgesellschaft (EPG) hinzu. 17 Die supranationalen Rechtsformen eröffnen international tätigen Unternehmen die Möglichkeit, anstatt mit einem Netz jeweils unterschiedlich verfasster nationaler Tochtergesellschaften mit einer einheitlichen Rechtsform gemeinschaftsweit unter europäischer Marke aufzutreten. 18 2. Vom deutschen zum britischen Geist der EG-Sekundärrechtsakte In den Anfängen atmeten die EG-Sekundärrechtsakte vornehmlich den Geist des deutschen Handels- und Aktienrechts. 19 So wurde über die Kapitalrichtlinie (1976) das System des festen Mindestkapitals bei Aktiengesellschaften gemeinschaftsweit implementiert. Die Publizitätsrichtlinie (1968) brachte das Prinzip der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht (vgl. 37 Abs. 2GmbHG, 82 Abs. 1AktG). Insbesondere in Großbritannien lösten diese Rechtsakte erhebliche Anpassungsvorgänge aus, mussten doch nicht nur das vorher unbekannte Mindestkapital eingeführt, sondern auch die tradierte ultra-vires-lehre aufgegeben werden. 20 Die Zeiten haben sich indessen gewandelt. Die Globalisierung und die wachsende Bedeutung der Kapitalmärkte haben dem anglo-amerikanischen und in Europa speziell dem britischen Recht, das diesbezüglich traditionell einer Vorreiterrolle einnimmt, verstärkten Einfluss verschafft. 21 Dieser manifestiert sich zunächst im Bereich der bilanziellen Publizität. So führen die nach der IAS-Verordnung auf Unternehmen mit Kapitalmarktorientierung anzuwendenden International Financial Reporting Standards (IFRS) zu tiefgreifenden Veränderungen im deutschen Bilanzrecht. 22 Bei der Bilanzerstellung genießt beispielsweise der in der Jahresabschlussrichtlinie verankerte True and fair view- Grundsatz bei richtlinienkonformer Auslegung des 264 Abs. 2HGB Vorrang gegenüber dem Vorsichtsprinzip des deutschen Rechts. 23 Die Kapitalmärkte verlangen ferner nach einer Deregulierung des gesellschaftsrechtlichen acquis communautaire. Insbesondere im Aktienrecht steht anstatt des ursprünglichen Ideals der Vollharmonisierung jetzt simplification auf dem Programm der EG-Kommission. 24 Die bestehenden Sekundärrechtsakte werden einem Vereinfachungsverfahren unterzogen. Die Kapitalrichtlinie wurde vor kurzem bereits aufgeweicht 25,umFinanzinvestoren größere Spielräume zu geben, etwa beim Rückerwerb eigener Aktien oder bei der sog. financial assistance, die insbesondere im Rahmen von Leveraged Buy Outs (LBOs) von Bedeutung ist. 26 Das Gläubigerschutzkonzept des gesetzlichen Kapitals, von Wiedemann noch als eine Kulturleistung ersten Ranges 27 gepriesen, steht auf der Kippe 28 und soll einem solvenztestbasierten Ausschüttungssystem, wie ihn vor allem das US-amerikanische Recht kennt, Platz machen. 29 III. Einfluss der EG-Antidiskriminierungsrichtlinien 1. Persönlicher Anwendungsbereich 30 Einfluss auf die nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen geht auch von den EG-Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG 31 aus, die in Deutschland durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt werden. Nach 7i. V. m. 1AGG ist eine (auch mittelbare) Benachteiligung von Beschäftigten aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Ge- 12 Vgl. die Publizitätsrichtlinie (68/151/EWG), die Zweigniederlassungsrichtlinie (89/666/EWG), die Jahresabschlussrichtlinie (78/660/EWG), die Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG), die Abschlussprüferrichtlinie (2006/43/EG) sowie die IAS-Verordnung (1606/2002). Die Jahresabschlussrichtlinie und die Richtlinie über den konsolidierten Abschluss wurden mehrfach modifiziert, z. B. durch die Mittelstandsrichtlinie (90/604/EWG), die Fair Value-Richtlinie (2001/65/EG) und die Modernisierungsrichtlinie (2003/51/EG), vgl. Asche, Europäisches Bilanzrecht und nationales Gesellschaftsrecht (2007), S. 79 ff., 93 ff. 13 Ein aktuelle Bestandsaufnahme zuden verschiedenen Publizitätspflichten und Publizitätsmedien findet sich bei Noack, WM2007, 377 ff. 14 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht (2004), Rn. 228 ff., 491. 15 Richtlinie 2004/25/EG, hierzu Habersack, a.a.o., 10. 16 Richtlinie 2005/56/EG; zu ihrer Umsetzung ins deutsche Recht Grunewald, Der Konzern 2007, 106 ff.; vgl. auch Veil, Der Konzern 2007, 98ff., der Umwandlungen außerhalb des Regelngsbereichs der Verschmelzungsrichtlinie über eine kollisionsrechtliche Lösung ermöglichen will. 17 Zur EPG Hommelhoff, WM1997, 2101ff. Die anderen Rechtsformprojekte, die noch zur Diskussion stehen die Europäische Stiftung, der Europäische Verein und die Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft haben kaum Chancen auf eine zeitnahe Realisierung, Baums, AG2007, 57, 60, 63. 18 Baums, AG2007, 57, 63. 19 Habersack, a.a.o., 4,Rn. 9. 20 Grundmann, a.a.o., Rn. 213 ff., 314ff. 21 Habersack, a.a.o., 4,Rn. 9, 23 ff. 22 Asche, a.a.o., S. 96 ff., 188ff., 307ff.; Habersack,a.a.O., 8, Rn. 57ff. 23 Weller, in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Rn. 54 ff.; kritisch zur Fair-Value-Bewertung nach IFRS K ting, FAZ v. 12.3.2007, S. 20. 24 Baums, AG2007, 57, 60 f.: regulatory fatigue, die eine simplification notwendig mache. 25 Änderungsrichtlinie 2006/68/EG. 26 Zur Financial Assistance Freitag, AG2007, 157ff. 27 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I(1980), S. 566. 28 Vgl. den Aktionsplan der EU-Kommission v.21.5.2003, KOM (2003) 284 endgültig, S. 21. In Erwägungsgrund 2der Richtlinie 2006/68/EG v. 6.9.2006, ABl. L264/32 v. 25.9.2006 wird angemahnt, dass unverzüglich damit begonnen werden sollte, generell zu prüfen, ob es Alternativen zuden Kapitalerhaltungsbestimmungen gibt. 29 Vgl. insbesondere Rickford (ed.), Reforming Capital Report ofthe Interdisciplinary Group oncapital Maintenance, EBLR 2004, 919, 966 ff., 995. Ein Solvenztest wäre im deutschen Recht ein Fremdkörper; Parallelen zur Existenzvernichtungshaftung bestehen nicht, so dass seine Einführung mit einem echten Paradigmenwechsel einherginge, Weller, DStR 2007, 116ff.; Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034, 2038; zur ökonomischen Theorie des Solvenztests Arnold, Der Konzern 2007, 118ff. 30 Ausführlich Mansel, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz internationaler und persönlicher Anwendungsbereich (im Erscheinen). Der freundlicher Weise im Manuskript überlassene Beitrag wird in einer im Sommer 2007 erscheinenden Festschrift veröffentlicht, Fundstellennachweis dann unter www.ipr.uni-koeln.de, unter Veröffentlichungen. 31 Alle drei Richtlinien verbieten in ihrem Art. 3Abs. 1lit. ajeweils wortlautidentisch Benachteiligungen hinsichtlich der Bedingungen einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für den Zugang zuunselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg. Bei autonomer Auslegung fällt die Bestellung von Organen entweder wenn essich umfremdgeschäftsführer handelt unter die unselbständige Erwerbstätigkeit, oder wenn es sich um Vorstände einer AG oder um Gesellschafter-Geschäftsführer handelt unter die selbständige Tätigkeit, Bauer/G pfert/krieger, DB2005, 595, 596f. Deutsches Gesellschaftsrecht untereurop ischemeinfluss,weller AnwBl 5/2007 321

MN Aufsätze schlechts, der Religion, der Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten. 32 Gemäß 6 Abs. 3 AGG gilt dieses auf Arbeitnehmer abzielende Benachteiligungsverbot entsprechend für Selbständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen und Vorstände, soweit die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg in Rede stehen. Organe, die zugleich Gesellschafter sind (z. B. Gesellschafter-Geschäftsführer), sind vom persönlichen Anwendungsbereich des 6 Abs. 3 AGG nicht ausgenommen. Auch sie genießen Diskriminierungsschutz. Die Gegenansicht 33 ist m. E. nicht belastbar. 34 Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber eines der Argumente, auf das sich die Gegenansicht hätte stützen können, nämlich dass Rechtsverhältnisse, die von einem besonderen Nähe- und Vertrauensverhältnis getragen sind 35,nicht unter den Diskriminierungsschutz der 6ff. AGG fallen, nicht hat gelten lassen. 36 Schließlich ist in der anwaltlichen Beratung zu beachten, dass die Aufnahme von Gesellschaftern in Personengesellschaften und personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaften ebenfalls unter das AGG fallen könnte, wenn die Gesellschaftertätigkeit zu Erwerbszecken erfolgt (wie es z. B. bei Partnern in Anwaltssozietäten der Fall ist). 37 Die Antwort auf diese noch offene Problematik hängt davon ab, ob man die Gesellschafteraufnahme unter das Tatbestandsmerkmal des Zugangs zur selbständigen Erwerbstätigkeit in 6 Abs. 3 AGG subsumieren kann. 38 2. Sachlicher Anwendungsbereich Mit Blick auf die Organe bezieht sich das Benachteiligungsverbot sachlich entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht 39 nicht nur auf den Anstellungsvertrag (Dienstvertrag 40 ), sondern Wortlaut ( Organmitglieder ) und Gesetzesbegründung 41 sind eindeutig gleichfalls auf den organschaftlichen Bestellungsakt. 42 Da das Benachteiligungsverbot gemäß 11AGG schon bei Stellenausschreibungen im Vorfeld des Bestellungsaktes zu beachten ist, scheint es ratsam, bei Annoncen und im Bewerbungsverfahren einen Bezug zu den Diskriminierungsmerkmalen des 1AGG zu vermeiden. Beispielsweise sollten keine Altersmindest- oder -höchstgrenzen genannt oder um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts auszuschliessen keine ununterbrochene oder fest definierte ( mindestens 5-jährige ) Berufserfahrung verlangt werden. 43 Nicht zu folgen ist der Ansicht, die das Benachteiligungsverbot des AGG über den Akt der Bestellung bzw. der Beförderung hinaus auch auf die allgemeine Tätigkeitsausübung des Organs, die Vertragsgestaltung (z. B. die Vergütungshöhe) und den Beendigungsakt erstrecken will. 44 Einer solchen Erstreckung steht der Wortlaut des 6Abs. 3 AGG ( soweit Zugang ) entgegen. Sähe man dies anders, brächte dies erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Wirksamkeit von Organabberufungen mit sich. Eine diskriminierende Abberufung wäre nämlich nichtig, weil 7Abs. 1 AGG ein Verbotsgesetz i. S. d. 134 BGB ist. 45 3. Internationaler Anwendungsbereich Das AGG ist auch bei der Bestellung von Organen und gegebenenfalls auch bei der Aufnahme von Gesellschaftern im Zusammenhang mit Auslandsgesellschaften zu beachten, sofern diese schwerpunktmäßig in Deutschland tätig sind. Mansel legt eingehend dar, dass das AGG aufgrund seiner gesellschaftspolitischen Zielsetzung international zwingendes Recht ist. 46 Damit ist es kollisionsrechtlich nach Art. 34 EGBGB anzuknüpfen und kann sich dementsprechend auch gegen ein ausländisches Gesellschaftsstatut durchsetzen. 4. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das AGG Wird gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, hat der Diskriminierte gemäß 15Abs. 1und 2AGG Ansprüche auf pekuniären Ersatz materieller und immaterieller Schäden letztere werden im Fall einer Diskriminierung regelmäßig vorliegen. 47 Dagegen lässt sich dem AGG kein Anspruch auf eine Bestellung zum Organ entnehmen, weil 15 Abs. 6 AGG eine Naturalrestitution ( 249 Abs. 1 BGB) ausschließt. 48 Die finanziellen Risiken, die Gesellschaften oder Beratern bei einem Verstoß gegen das AGG drohen, werden als erheblich eingeschätzt 49,weil sich die Höhe des Schadensersatzes am (potentiellen) Einkommen des Organs orientiert. 50 IV. Einfluss der Niederlassungsfreiheit 1. Einfluss auf das Sachrecht (Fall Doc Morris) Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) eröffnet sowohl natürlichen Personen als auch Gesellschaften die Möglichkeit, sich in anderen EG-Staaten via Haupt- oder Zweigniederlassung unternehmerisch zu betätigen. Sie sichert zum einen über das ihr immanente Beschränkungsverbot die 32 Zu den einzelnen Diskriminierungsmerkmalen Hanau, ZIP 2006, 2189ff.; Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2578f. 33 Schr der/diller, NZG 2006, 728, 730. 34 Schr der/diller, a.a.o., begründen ihre Ansicht zum einen mit einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers; zum anderen verlangten die EG-Richtlinien keine Einbeziehung von Gesellschaftern inden Diskriminierungsschutz. Beide Argumente sind m.e.nicht stichhaltig. Das erste ist eine Vermutung, das zweite vernachlässigt, dass der persönliche Anwendungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinen autonom auszulegen ist. Selbst wenn Gesellschafter-Geschäftsführer nicht inden Anwendungsbereich der Richtlinien fielen (was letztlich vom EuGH zu klären ist), ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass sie unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG fallen (was vom BGH zuentscheiden wäre), da dessen persönlicher Anwendungsbereich über den der Richtlinien hinausgehen kann (sog. überschießende Umsetzung). 35 Vgl. Bauer/G pfert/krieger, DB2005, 595, 597 ff. 36 19Abs. 5AGG, der besondere Nähe- und Vertrauensverhältnisse im allgemeinen Zivilrechtsverkehr vom Diskriminierungsschutz ausnimmt, wurde trotz entsprechender Anregung imgesetzgebungsverfahren nicht auf die 6ff. AGG erstreckt, vgl. Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 127. 37 Offengelassen von Bauer/G pfert/krieger, DB2005, 595, 596 mit Fn. 8; Mansel (oben Fn. 30), unter III.1.(c). 38 Bejaht von Th sing, NZA 2005, 32, 33. Verneint von Schroeder/Diller, NZG 2006, 728, 729. 39 Bauer/G pfert/krieger, AGG (2007), Rn. 16. 40 Geschäftsführer sind normalerweise keine Arbeitnehmer (vgl. 5Abs. 1S. 3 ArbGG). Dementsprechend liegt dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis regelmäßig kein Arbeits-, sondern ein Dienstvertrag zugrunde. Rückt ein angestellter Mitarbeiter zum Geschäftsführer auf, wird das bisherige Arbeitsverhältnis im Zweifel durch den Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages konkludent aufgehoben, BAG NJW 2007, 396. 41 BT-Drucks. 16/1780, S. 34. 42 Mansel (oben Fn. 30), unter III.1.(c); Horstmeier,GmbHR 2007, 125, 126. 43 Grobys, NJW-Spezial 2007, 81 f.; Horstmeier,GmbHR 2007, 125, 128. 44 So Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 126; ebenso für Fremdgeschäftsführer Arnold, FAZ v.17.1.2007, S. 21; a.a. Jauernig/Mansel, BGB (2007), AGG, 7,Rn. 4; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2584. 45 Jauernig/Mansel, BGB (2007), AGG, 7,Rn. 6. 46 Jauernig/Mansel, BGB (2007), AGG, 7,Rn. 1; Mansel (oben Fn. 30), unter IV. 47 Willemsen/Schweibert,NJW 2006, 2583, 2589 f. 48 Jauernig/Mansel, BGB (2007), AGG, 7,Rn. 8sowie 15, Rn. 3ff. 49 Arnold,FAZ v. 17.1.2007, S. 21. 50 Die Höhe der Entschädigung ( 15Abs. 2AGG) ist so zu bemessen, dass sie auf den Benachteiligenden eine wirklich abschreckende Wirkung hat, sobt-drucks. 16/1780, S.38. Als Orientierungsgröße gilt hier ein Monatsgehalt, Bauer/G pfert/ Krieger, AGG (2007), 15, Rn. 36. 322 AnwBl 5/2007 Deutsches Gesellschaftsrecht unter europ ischem Einfluss, Weller

MN Aufsätze Freiheit des grenzüberschreitenden Marktzugangs und zum anderen nach dem einmal erfolgten Marktzugang über das Diskriminierungsverbot die Gleichbehandlung mit den inländischen Marktteilnehmern. 51 Eine Marktzugangsbeschränkung ist grundsätzlich europarechtswidrig (mit der Folge der Unanwendbarkeit der beschränkenden Bestimmung), sofern sie nicht nach der sog. Cassis de Dijon-Formel des EuGH gerechtfertigt ist. Der Rechtfertigungstest besteht aus vier Stufen: Beschränkungen stellen keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit dar, wenn sie (1.) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erfolgen (2.) nicht diskriminierend und zur Erreichung des verfolgten Zieles (3.) geeignet und (4.) erforderlich sind. Ein anschauliches Beispiel für eine Marktzugangsbeschränkung offenbart sich im Rechtsstreit Doc Morris. 52 Nach 7 ApothekenG muss der Inhaber einer Apothekenbetriebserlaubnis die Apotheke persönlich leiten (Fremdbesitzverbot). Kapitalgesellschaften werden durch diese Bestimmung vom Apothekenbetrieb ferngehalten, da sie nicht persönlich, sondern nur durch ihre Organe ( 31 BGB) handeln können. Wollen mehrere Personen zusammen eine Apotheke führen, können sie dies nach 8 ApothekenG nur in der Rechtsformen einer GbR oder OHG tun. Auch insofern scheiden also Kapitalgesellschaften als Apothekeninhaber aus. Mit Verweis auf das deutsche ApothekenG versuchen Apothekerverbände, der in der Rechtsform einer niederländischen Aktiengesellschaft organsisieren Versandapotheke Doc Morris den Betrieb einer Filiale im Saarland zu untersagen. Der Rechtsstreit hat insofern eine grundlegende Bedeutung, als auch kapitalgesellschaftsrechtlich verfasste deutsche Drogerieketten englischen Vorbildern nacheifernd Medikamentenecken in ihren Verkaufsmärkten einrichten wollen. 53 Betrachtet man die 7, 8 ApothekenG unter dem Brennglas der Niederlassungsfreiheit, kommt man nicht umhin zu konzedieren, dass sie den Marktzugang von ausländischen Kapitalgesellschaften, die in Deutschland eine Apotheke betreiben wollen, beschränken. Dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit entkäme das ApothekenG somit nur, wenn es den vierstufigen Rechtfertigungstest bestünde. Es scheitert jedoch an dessen dritter Hürde. Wie das OVG Saarland zu recht hervorhebt lässt sich der Gesundheitsschutz unabhängig von der Rechtsform der Apotheke (Personen- oder Kapitalgesellschaft) sicherstellen; entscheidend ist nur, dass die Abgabe von Arzneimitteln durch qualifiziertes Personal erfolgt. 54 Folgt man dem, erweisen sich die 7, 8ApothekenG, soweit sie ausländischen Kapitalgesellschaften verbieten, eine Apotheke im Inland zu betreiben, im Sinne der Cassis de Dijon-Formel als ungeeignet und damit europarechtswidrig. 2. Einfluss auf das Kollisionsrecht a) Von der Sitz- zur Gründungstheorie Die Judikatur des EuGH zur Niederlassungsfreiheit 55, wonach EG-Auslandsgesellschaften unabhängig davon, wo sich ihr Verwaltungssitz befindet, im Inland anzuerkennen 56 sind, hat im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht bekanntlich dazu geführt, dass der BGH für EG-Auslandsgesellschaften die Sitztheorie aufgegeben hat. Für diese bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nunmehr nach der Gründungstheorie. 57 Der Umfang der Verweisung auf das Gründungsrecht orientiert sich am Katalog des Art. 37 Nr. 2 EGBGB; es gilt die Lehre vom gesellschaftsrechtlichen Einheitsstatut. Daraus folgt: Alle gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Fragen einschließlich die der Gesellschafter- oder Geschäftsführerhaftung richten sich nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut. 58 b) Kollisionsrechtliche Folgewirkungen der EG-Niederlassungsfreiheit für EWR- und US-Gesellschaften Die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages zeitigt Folgewirkungen. Über völkerrechtliche EG-Assoziierungsabkommen wie den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) profitieren von ihr auch Gesellschaften, die aus einem der EWR-Staaten Liechtenstein, Norwegen oder Island stammen. 59 Deren Gesellschaftsstatut wird nach der BGH- Rechtsprechung nunnmehr ebenfalls nach der Gründungstheorie ermittelt. 60 Aufgrund der Meistbegünstigungs- und Inländerbehandlungsklausel in Art 132 des EG-Assoziierungsabkommens mit Chile müsste Entsprechendes für chilenische Gesellschaften gelten. 61 Inländer- und Meistbegünstigungsklauseln enthält auch der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages von 1954. 62 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass der BGH jetzt auch dem Gebot der wechselseitigen Anerkennung von Gesellschaften in Art. XXV Abs. 5 des Freundschaftsvertrages eine Anknüpfung an das Gründungsrecht der Gesellschaft entnimmt. 63 c) Auflösung internationalrechtlicher Gemengelagen durch Qualifikation, Substitution und Anpassung Von der mit der Gründungstheorie einhergehenden Rechtsformwahlfreiheit machen inländische Unternehmer zunehmend Gebrauch. Auslandsgesellschaften aus der EU, dem EWR und den USA werden vermehrt an Stelle deutscher Gesellschaftsformen als Vehikel für die inländische Geschäftstätigkeit eingesetzt. Beliebt sind die englische Limited, die liechtensteinische AG sowie die Limited Liability Partnership als Organisationsform für Anwälte (Anwalts-LLP 64 ). Durch den Import ausländischen Gesellschaftsrechts sind freilich Abgrenzungsschwierigkeiten, Überlappungen und Widersprüche mit dem kollsionsrechtlich typischerweise im übrigen anwendbaren deutschen Recht Vertragsrecht (Art. 27 ff. EGBGB), Delikts- und Lauterkeitsrecht 65 (Art. 40 EGBGB), Insolvenzrecht (Art. 4 EUInsVO) etc. vorprogrammiert. Das Kollisionsrecht hält Instrumente bereit, sol- 51 Weller, in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Kap. 18, Rn. 6ff. 52 OVG Saarland, Beschl. v.22.1.2007, 3W14/06 Doc Morris. 53 Diekmann, FAZ v. 14.2.2007, S.21. 54 OVG Saarland, a.a.o., Tz. 229ff., 329. 55 EuGH, NJW 1999, 2027 (Centros); EuGH, ZIP 2002, 2037 (Überseering); EuGH, NJW 2003, 3331 (Inspire Art); EuGH, GmbHR 2006, 707 (innoventif Ltd.). 56 Grundlegend zur Anerkennung als Prinzip des Europäischen Rechtsraums Mansel, RabelsZ 70(2006), S.651 ff. (speziell zur Anerkennung im Gesellschaftsrecht S. 670 ff.). 57 BGH IPRax 2003, 344 Überseering. 58 BGH NJW 2005, 1648 englische Limited. 59 Weller, ZGR 2006, 748, 753 ff. 60 BGH NJW 2005, 3351. 61 Weller, ZGR 2006, 748, 767. 62 BGBl. 1956 II, S. 487, 763. 63 BGH IPRax 2005, 340; St rner, IPRax 2005, 308. 64 Zur Anwalts-LLP Weller/Kienle,DStR 2005, 1060 ff. (Teil 1), 1102 ff. (Teil 2); Henssler/Mansel,FSNorbert Horn (2006), S. 403ff.; dies.,njw 2007 (im Erscheinen). 65 Bei einer in Deutschland stattfindenden irreführenden Werbung durch eine Scheinauslandsgesellschaft gelangt kollsionsrechtlich das UWG über Art. 40EGBGB zur Anwendung, Mankowski, EWiR 2007, 93. Deutsches Gesellschaftsrecht untereurop ischemeinfluss,weller AnwBl 5/2007 323

MN Aufsätze che internationalrechtlichen Gemengelagen aufzulösen: Die Qualifikation, die Anpassung und die Substitution. Alle drei erlangen im Zuge der Europäischen Rechtsformwahlfreiheit nun auch im Bereich des Gesellschaftsrechts eine wesentliche Bedeutung. Einige Beispiele mögen dies erhellen. aa) Qualifikation Bei in Deutschland agierenden Scheinauslandsgesellschaften richten sich alle gesellschaftsrechtlichen Fragen nach dem ausländischen Recht (Gründungstheorie), alle insolvenzrechtlichen Fragen hingegen nach dem deutschen Recht (Art. 4 EuInsVO). Ob eine Rechtsfigur dem Gesellschaftsoder dem Insolvenzstatut zuzuordnen ist, entscheidet die Qualifikation. 66 Umstritten ist diese beispielsweise für das Eigenkapitalersatzrecht, die Insolvenzantragspflicht, die Insolvenzverschleppungshaftung, die Durchgriffshaftung und die Existenzvernichtungshaftung. 67 bb) Substitution Eine Frage der Substitution 68 ist es, ob die in Deutschland eingegangene Verpflichtung, Gesellschaftsanteile an einer englischen Limited zu übertragen (z. B. im Rahmen eines Unternehmenskaufs), zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Form nach 15Abs. 4GmbHG bedarf. Sofern das Verpflichtungsgeschäft deutschem Recht unterliegt, ist die Formbedürftigkeit grundsätzlich zu bejahen, weil ein Limited-Anteil einem deutschen GmbH-Geschäftsanteil so weit ähnelt, dass er letzteren im Tatbestand des 15Abs. 4GmbHG ersetzen kann. 69 Die Substitution steht ebenfalls in Rede, wenn es darum geht, ob ausländische Rechtsformen den in 1 MitbestG 1976 genannten inländischen Rechtsformen funktional entsprechen. 70 Ist dies der Fall, kann das MitbestG 1976 im Wege der Sonderanknüpfung auch auf im Inland domizilierende Auslandsgesellschaften mit entsprechender Arbeitnehmerzahl Anwendung finden. 71 Dabei ist unerheblich, ob die Leitungsstruktur der Auslandsgesellschaft dualistisch oder monistisch verfasst ist; im letzteren Fall kann der Beteiligung der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat der Auslandsgesellschaft durch die Figur der Anpassung 72 Rechnung getragen werden. 73 Kurzum: Eine Kombination der kollisionsrechtlichen Figuren der Sonderanknüpfung, der Substitution und der Anspassung verhindert, dass die Arbeitnehmermitbestimmung des deutschen Rechts durch den Einsatz von Scheinauslandsgsellschaften als (Teil-)Konzernspitze umgangen wird. cc) Anpassung Partner einer in Deutschland handelnden Anwalts-LLP haften für berufliche Fehler nur eingeschränkt: Nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut normalerweise nicht, weil das Recht der LLP abweichend von 8Abs. 1PartG keine persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der LLP kennt; nach deutschem Deliktsrecht typischerweise ebenfalls nicht, weil dieses nur unter engen Voraussetzungen ( 826 BGB) Vermögensschäden aus Berufsfehlern erfasst. 74 Henssler/Mansel legen jetzt indes unter Rückgriff auf das Institut der Anpassung dar, dass auf LLP-Berufsträger neben dem deutschen Deliktsrecht kumulativ auch das englische Deliktsrecht Anwendung findet, welches eine Schadensersatzhaftung für fahrlässig begangene Berufsfehler kennt. 75 V. Einfluss der Kapitalverkehrsfreiheit Der Einfluss der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) auf das deutsche Gesellschaftsrecht gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Ihr Anwendungsbereich erfasst den grenzüberschreitenden Erwerb von Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Erwerb auf ein Portfolioinvestment (Vermögensanlage) beschränkt, oder ob er eine Direktinvestition darstellt, die unternehmerischen Einfluss ermöglicht. 76 Der EuGH legt die Kapitalverkehrsfreiheit als umfassendes Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot aus. 77 Eine Beschränkung ist schon dann anzunehmen, wenn eine nationale Regelung Investoren davon abschreckt, Anteile eines bestimmten Unternehmens zu erwerben. 1. Goldene Aktien Als grundsätzlich verbotene Beschränkungen gelten hiernach in erster Linie dem Staat zurechenbare Einflussmöglichkeiten auf (vormals staatliche, zwischenzeitlich privatisierte) Unternehmen in Gestalt von Sonderrechten (sog. Goldene Aktien ). Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Staat Rechtspositionen einräumen, die Private, wenn sie die allgemeinen Mechanismen des Gesellschaftsrechts nutzen, nicht erlangen können. 78 So gesehen erweist sich auch das VW-Gesetz als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil es dem Land Niedersachsen eine Einflussmacht verschafft, die ein privater Gesellschafter ceteris paribus nicht haben könnte. 79 2. Staatliches zwingendes Recht Im allgemeinen Privatrecht ist anerkannt, dass zwingende Rechtssätze an den Grundfreiheiten zu messen sind. 80 Entsprechendes muss im Lichte der Kapitalverkehrsfreiheit für zwingendes nationales Gesellschaftsrecht, das den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beschränkt, gelten. 81 Bei der Beurkundung von Vertragswerken, die eine Verpflichtung zur GmbH-Geschäftsanteilsübertragung enthalten ( 15 Abs. 4 GmbHG), ist beispielsweise der von der h. M. propagierte 66 Mit der Qualifikation wird der Vorgang umschrieben, mit dem ein in- oder ausländisches Rechtsinstitut einer Kollisionsnorm zugeordnet wird. Kollisionsnormen umschreiben ihren sachlichen Anwendungsbereich mit Systembegriffen (z. B. unerlaubte Handlungen inart. 40EGBGB). Letztlich kommt es darauf an, obdas in Frage stehende Rechtsinstitut nach seiner funktionalen Bedeutung dem Systembegriff unterfällt, Palandt/Heldrich, BGB (2007), EGBGB, vor Art. 3,Rn. 27. 67 Ausführlich Kienle,in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH- Rechts (2006), 3, Rn. 164 218. 68 Bei der Substitution wird ein inländisches Rechtsinstitut im Tatbestand einer inländischen Sachnorm (z.b. Deutscher Notar in 15Abs. 3GmbHG) durch ein ausländisches Rechtsinstitut (z. B. Schweizer Notar) ersetzt. Voraussetzung ist, dass das ausländische Rechtsinstitut dem inländischen funktional gleichwertig ist, BGHZ 80, 76, 80. 69 Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil (2006), 15, Rn. 143, 169 ff. 70 MünchKommBGB/Kindler,Bd. 11 (2006), Int. GesR., Rn. 573. 71 MünchKommBGB/Kindler,a.a.O., Rn. 565ff.; Weller,in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Kap. 18, Rn. 35; a. A. Henssler, RdA 2005, 330 ff. 72 Die Anpassung ist das methodische Mittel, umeine aus dem Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen resultierende Disharmonie (in Gestalt der Normenhäufung oder des Normenmangels) aufzulösen. Dies geschieht, indem entweder die Kollisions- oder die Sachnormen modifiziert werden, Henssler/Mansel, FSHorn (2006), S. 403, 414ff. 73 Gruber/Weller, NZG 2003, 297 ff. 74 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1105 ff. 75 Henssler/Mansel, FSHorn (2006), S.403, 419 ff.; dies.,njw 2007 (im Erscheinen). 76 Weller, in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Kap. 18, Rn. 16ff. 77 Vgl. zuletzt EuGH ZIP 2007, 221, 222, Tz. 18 ff. Kommission./. Niederlande. 78 EuGH NJW 2003, 2666, 2667, Tz. 48 Kommission./. Großbritannien. 79 So EuGH-Generalanwalt Colomer,Schlussanträge v.13.2.2007, Rs. C-112/05, WM 2007, 399ff. Kommission./. Deutschland 80 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages (2003); vgl. auch Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71, 99 ff. 81 Insoweit zutreffend M slein, ZIP 2007, 208, 213. 324 AnwBl 5/2007 Deutsches Gesellschaftsrecht unter europ ischem Einfluss, Weller

MN Aufsätze Vollständigkeitsgrundsatz, wonach über die eigentlich Abtretungsverpflichtung hinaus auch alle Nebenabreden mit zu beurkunden sind, europarechtlich bedenklich, weil er den Erwerb von Geschäftsanteilen in ungerechtfertigter Weise weniger attraktiv macht. 82 3. Statutarische Sonderrechte zugunsten privater Gesellschafter Erhebliche Brisanz steckt in der Frage, ob man mit einer Ansicht in der Literatur 83 auch alle Gesellschaftssatzungen, die privaten Gesellschaftern Sonderechte einräumen, an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen hat. Solche Sonderrechte finden sich in vielen AG- oder GmbH-Satzungen. Zu denken ist an alle Satzungsregelungen, die den Gleichlauf zwischen der Beteiligungshöhe und der gesellschaftsrechtlichen Einflussmacht zugunsten eines Gesellschafters (z. B. Gründungsgesellschafters) verschieben, indem sie diesem etwa überproportionale Stimmrechte, Entsenderechte oder Vetorechte im Zusammenhang mit Vinkulierungen ( 15 Abs. 5 GmbHG, 68 Abs. 2 AktG) einräumen, die die anderen Gesellschafter nicht haben. Solche Regelungen können Direktinvestoren und Kapitalanleger potentiell abschrecken. Sie entpuppten sich damit als Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit, die weil sie den Rechtfertigungstest praktisch nie bestehen würden europarechtswidrig wären. Richtigerweise ist ein so weitreichender Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit jedoch abzulehnen. 84 Art. 56 EGV richtet sich allein an den Staat, entfaltet mithin keine unmittelbare Drittwirkung zwischen Privaten. Damit kann er lediglich Beschränkungen des Anteilserwerbs erfassen, die vom Staat ausgehen etwa in Form von Goldenen Aktien oder zwingendem Gesellschaftsrecht. Demgegenüber fällt das Gebrauchmachen von der privaten Gesellschaftern eingeräumten Satzungsautonomie von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, selbst wenn hierdurch ein Gesellschafter besser gestellt wird. VI. Zusammenfassung 1. Der Einfluss des europäischen Rechts auf das deutsche Gesellschaftsrecht ist polyvalent. Die sog. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und Verordnungen zielen auf eine punktuelle Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen inden Bereichen des Aktienrechts, der Publizität und der grenzüberschreitenden Kooperation und Organisation. 2. Während die gesellschaftsrechtlichen EG-Sekundärrechtsakte früher vornehmlich von Vorstellungen des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts geprägt waren (Kapitalschutzsystem; unbeschränkbare Vertretungsmacht), atmen sie nunmehr verstärkt britischen Geist (fair value, financial assistance, solvency test). 3. Das auf EG-Antidiskriminierungsrichtlinien zurückgehende AGG findet in persönlicher Hinsicht auf die Bestellung von Organen Anwendung, und zwar auch dann, wenn diese zugleich Gesellschafter sind (z. B. Gesellschafter-Geschäftsführer). Offen ist, ob sich das AGG auch auf die Aufnahme von Gesellschaftern in personalistisch strukturierten Gesellschaften erstreckt. 4. In sachlicher Hinsicht bezieht sich das AGG nicht nur auf den Dienstvertrag des Organs, sondern auch auf den Organbestellungsakt und die vorgelagerte Stellenausschreibung. Auf die dem Bestellungsakt nachfolgende Tätigkeit und die Abberufung des Organs bezieht sich das AGG dagegen nicht. 5. Das AGG findet nicht nur auf deutsche Gesellschaften, sondern auch auf im Inland domizilierende Auslandsgesellschaften Anwendung, da es international zwingendes Recht ( Mansel) ist. 6. Die Niederlassungsfreiheit beeinflusst im Bereich des Gesellschaftsrechts zum einen das deutsche Sachrecht. Hier erweisen sich beispielsweise die 7, 8 ApothekenG, soweit sie ausländischen Kapitalgesellschaften verbieten, eine Apotheke im Inland zu betreiben (Doc Morris), als europarechtswidrig. 7. Die Niederlassungsfreiheit beeinflusst zudem das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht. Für EG-Gesellschaften gilt nicht mehr die Sitz-, sondern die Gründungstheorie. Davon profitieren mittelbar auch EWG- und US-Gesellschaften; auch für diese gilt jetzt die Gründungstheorie. 8. Die mit der Niederlassungsfreiheit einhergehende Europäische Rechtsformwahlfreiheit führt zu einem vermehrten Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen (ausländisches Gesellschaftsstatut, inländisches Verkehrsstatut). Dadurch bedingte Gemengelagen sind kollisonsrechtlich aufzulösen: (1.) Durch die Qualifikation, wenn das Gesellschaftsstatut vom übrigen Verkehrsrecht abzugrenzen ist. (2.) Durch die Substitution, wenn es um die Ersetzung eines inländischen durch ein ausländisches Rechtsinstitut im Tatbestand einer deutschen Sachnorm geht (Anwendung des MitbestG 1976 auf Auslandsgesellschaften; Anwendung des 15 Abs. 4 GmbHG auf Limited-Anteilskaufverträge). (3.) Durch die Anpassung, wenn Normwidersprüche zu überwinden sind (persönliche Haftung der Partner einer in Deutschland agierenden Anwalts-LLP nach englischem Deliktsrecht). 9. Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet grundsätzlich Beschränkungen beim grenzüberschreitenden Erwerb von Gesellschaftsanteilen. Als Beschränkungen erweisen sich Sonderrechte des Staates an privatisierten Unternehmen (Goldene Aktien, VW-Gesetz) sowie zwingendes nationales Gesellschaftsrecht, das den Anteilserwerb ungerechtfertigt behindert (z. B. der Vollständigkeitsgrundsatz im Rahmen des 15Abs. 4GmbHG). 10. Satzungsbestimmungen, die privaten Gesellschaftern Sonderrechte zuweisen (Mehrfachstimmrechte, Entsenderechte, Veto bei Vinkulierungen), sind nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen. Dr. Marc-Philippe Weller, Licenci endroit, K ln/mannheim Der Autor ist Habilitand aminstitut f r internationales und ausl ndisches Privatrecht an der Universit t zu K ln (Lehrstuhl Prof. Dr. Heinz-Peter Mansel) und nebenberuflich als Rechtsanwalt im Mannheimer B ro der internationalen Anwaltssoziet t Shearman &Sterling LLP t tig. 82 Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil (2006), 15, Rn. 106 ff., 115. 83 M slein, ZIP 2007, 208, 213f.; Grundmann/M slein, ZGR 2003. 317, 325 ff. 84 Spindler,RIW 2003, 850, 854; Weller, in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 1), Kap. 18, Rn. 19. Deutsches Gesellschaftsrecht untereurop ischemeinfluss,weller AnwBl 5/2007 325

MN Aufsätze Zivilrechtsfolgen bei Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht Dr. Thomas Wiedmann, Brüssel Immer häufiger regelt das Recht der Europäischen Gemeinschaft die Beziehungen zwischen Privaten. EG-Richtlinien beherrschen zentrale Bereiche des BGB und wichtige Nebengebiete des Privatrechts. EG-Verordnungen gestalten das Zivilverfahrensrecht mit internationalem Bezug. Schließlich setzen sich die Grundfreiheiten des EG-Vertrages allmählich auch unterprivatendurch. * DieEinflüsse europäischen Rechts werden nicht seltenübersehen; es kommtzuverstößen gegen Gemeinschaftsrecht,deren Folgen bislang wenig erörtert sind. Wie kann ein Einzelner Rechte durchsetzen, die ihm die Gemeinschaft gewährt? Die Antworten hängen davonab, werdas Gemeinschaftsrecht verletzt:die Mitgliedstaaten oder Private. I. Verstöße durch Mitgliedstaaten Privaten können Nachteile entstehen, wenn der nationale Gesetzgeber gemeinschaftsrechtliche Vorschriften missachtet, die ihnen Rechte einräumen. Das ist der Fall, wenn nationale Gesetze gegen europäische Vorschriften (z. B. gegen die Grundfreiheiten 1 ) verstoßen oder Vorgaben europäischer Richtlinien verfehlen. Gemeinschaftsrechtswidrige Gesetze dürfen nicht angewendet werden. Dies folgt aus dem sog. Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. 2 Unionsbürger können die Unanwendbarkeit der sie belastenden Norm vor den nationalen Gerichten durchsetzen. 3 Wie jedes Gericht sind auch die Zivilgerichte verpflichtet, den Bestimmungen des EG-Vertrages, wie namentlich den Grundfreiheiten, aber auch Verordnungen und Richtlinien Geltung zu verschaffen. In einem Zivilprozess können sich die Parteien zur Wehr setzen gegen privatrechtliche Normen, die einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in ihre Rechte nach dem Gemeinschaftsrecht darstellen. Das Zivilgericht ist gehalten, die Normen des nationalen Rechts gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, soweit dies nach seiner nationalen Auslegungsmethode möglich ist; lässt sich keine Konformität herstellen, darf die betreffende Norm aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht nicht angewendet werden. 4 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass die Grundfreiheiten (zumindest auch) gemeinschaftsrechtliche Schutzgebote darstellen. 5 Danach ist der Staat verpflichtet sicherzustellen, dass die Grundfreiheiten nicht durch Verhaltensweisen Privater verletzt werden. 6 Reichen die staatlichen Gesetze oder Maßnahmen der Verwaltung im Einzelfall nicht aus, den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen oder Kapital sicherzustellen, wächst die Verantwortung für den Schutz der Grundfreiheiten den Gerichten zu. Sie müssen gegebenenfalls dem Leitbild der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte folgend die privatrechtlichen Generalklauseln fruchtbar machen, um die gemeinschaftsrechtlichen Schutzgebote umzusetzen. Notfalls gehen sie zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsfortbildung über. Diese findet nicht einmal im Verbot des contra-legem-judizierens eine Grenze, denn wenn das nationale Recht einer durch das Gemeinschaftsrecht zwingend gebotenen Lösung im Wege steht, muss es wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts weichen. 7 Hat ein Gericht Zweifel, ob das nationale Recht gemeinschaftsrechtskonform ist, ersucht es den EuGH um eine sog. Vorabentscheidung. 8 Soweit das Gericht Defizite des nationalen Rechts feststellt, kann der Gesetzgeber gezwungen sein, seine Rechtsordnung an das Gemeinschaftsrecht anzupassen. Unter Umständen haften die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht. 9 Sie haften auch, wie der EuGH hervorgehoben hat, wenn ihre Höchstgerichte gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, etwa, weil sie es schlicht übersehen haben. 10 Einzelne können sich über Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Gemeinschaftsrecht auch unmittelbar bei der Europäischen Kommission beschweren. Diese hat für solche Beschwerden ein Formblatt herausgegeben, um das Beschwerdeverfahren zu erleichtern. Das Verfahren ist kostenfrei. Der Beschwerdeführer wird über alle weiteren Verfahrensschritte unterrichtet. Seine Angaben unterliegen der Vertraulichkeit. 11 Kommt die Kommission nach einer Überprüfung zu der Überzeugung, dass ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt, leitet sie ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV ein, das zu einer Verurteilung des Mitgliedstaates durch den EuGH bis hin zu Zwangsgeldern führen kann. Tatsächlich geht die Verfahrenseinleitung nach Art. 226 EGV in der Mehrzahl der Fälle auf Beschwerden von Bürgen und Unternehmern zurück. Das Verfahren hat somit individualrechtliche Bedeutung, auch wenn kein Anspruch auf Verfahrenseinleitung besteht. 12 II. Verstöße Privater 1. Rückgriff auf das nationale Recht Nur inausnahmefällen sieht das Gemeinschaftsrecht selbst eine Rechtsfolge vor, wenn Private gegen seine Vorschriften verstoßen: Nach Art. 81 Abs. 2EGV sind die nach dem EG- Vertrag verbotenen wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und Beschlüsse nichtig. Über das Wettbewerbsrecht hinaus fehlt es dagegen an primärrechtlichen Regelungen. 13 * Zuden Ausmaßen s.: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss. Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze Erläuterung der wichtigsten EG-Verordnungen, 2005. 1 Zuden zivilrechtsrelevanten Bestimmungen des EG-Vertrages, namentlich der Grundfreiheiten, s.ausführlich: Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 95 ff. 2 Vgl. Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 55 ff. 3 Seit EuGH Rs. 26/62, van Gend &Loos, Slg. 1963, 1Leitsatz 3; vgl. auch R rig, EuZW 2004, 18, 19. 4 Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 466. 5 Vgl. Suerbaum, EuR 2003, 390, 394ff. 6 Vgl. Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 123 ff. 7 Vgl. Canaris, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2003, 29, 52f.Nach Canaris soll hier allerdings nur ein Untermaßverbot gelten, d. h. es müsse nur ein gemeinschaftsrechtskonformes Mindestmaß, nicht aber ein Optimum anschutz gewährleistet werden. Dabei müssten die Interessen der Parteien gegeneinander abgewogen werden mit dem Ziel praktischer Konkordanz. 8 Vgl. Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 63 ff. 9 Vgl. Schulze, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 16 Rn. 25ff. 10 Vgl. Schulze, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 16 Rn. 41. 11 Formblatt abgedruckt in ABl. 1989 C26/6. 12 Streinz/ Ehrike, EGV Art. 226 Rn. 2,15. 13 Zu der Regelung des Art. 7Abs. 4VONr. 1612/68/EWG über die Nichtigkeit von Bestimmungen intarif- oder Einzelarbeitsverträgen, die gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen, vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 199. 326 AnwBl 5/2007 Zivilrechtsfolgen beiverstoß gegengemeinschaftsrecht,wiedmann

MN Aufsätze Freilich ist inzwischen allgemein anerkannt, dass Verstöße Privater gegen Gemeinschaftsrecht zivilrechtliche Folgen haben. 14 Denn anders ließe sich die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts (effet utile) nicht herstellen. 15 Bei dem Ausmaß des grenzüberschreitenden Handels versagt jede staatliche Kontrolle und auch jede Aufsicht durch die europäischen Institutionen. Rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Verletzungen von Gemeinschaftsrecht durch Private können wirksam nur durch Private aufgedeckt und unterbunden werden, notfalls im Wege einer Zivilklage. Soweit das Gemeinschaftsrecht nicht selbst zivilrechtliche Folgen anordnet, muss auf das nationale Recht zurückgegriffen werden. 16 Die ihrer Natur nach unvollständige Gemeinschaftsrechtsordnung bedarf wie in anderen Bereichen 17 auch in dieser Frage der Ergänzung durch das staatliche Recht. 18 Welche zivilrechtlichen Folgen in Betracht kommen, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab. Grundsätzlich kann auf die allgemeinen Rechtsfolgen des BGB zurückgegriffen werden: Nichtigkeit, Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung. Reichen diese nicht aus, um dem gemeinschaftsrechtlichen Postulat gerecht zu werden, bietet sich eine Analogie zu verwandten nationalen Sonderregelungen an. 19 Gemeinschaftsrechtlich zu beachten ist dabei, dass die Rechtsfolgen bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht nicht ungünstiger gestaltet sind als bei entsprechenden nationalen Rechtsverstößen (Äquivalenzgrundsatz) und dass ihre Durchsetzung nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert wird (Effektivitätsgrundsatz). 20 Über diese Vorgaben hinaus liegen zur Frage der Rechtsfolgen noch kaum durch Rechtsprechung gesicherte Erkenntnisse vor. Auch fehlen, soweit ersichtlich, umfassende wissenschaftliche Studien. Die nachfolgende Darstellung bleibt daher weitgehend auf Rückschlüsse aus eindeutig geregelten oder bereits richterlich geklärten Fällen angewiesen. 2. Nichtigkeit Ein Rechtsgeschäft, das gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht mit Drittwirkung verstößt, ist nichtig. Zwar sieht der EG-Vertrag diese Rechtsfolge expressis verbis nur für verbotene, wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Beschlüsse von Unternehmen vor (Art. 81 Abs. 2 EGV). 21 Doch muss Gleiches gelten, wenn ein Rechtsgeschäft nicht mit gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, denen der EuGH eine Art. 81 EGV entsprechende Drittwirkung zuschreibt. Die Nichtigkeit folgt in solchen Fällen aufgrund des deutschen Rechts. Denn Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen entgegenstehen, stellen gesetzliche Verbote gemäß 134 BGB dar. 22 Europäische Verbotsgesetze im Sinne dieser Vorschrift finden sich vor allem im primären Gemeinschaftsrecht, in Art. 12 23,39, 43, 49, 81, 82, 87 24,88Abs. 3S.3 25,141, wohl auch in Art. 28 EGV. 26 Gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Rechtsgeschäfte sind in der Regel nicht insgesamt nichtig, sondern nur soweit der Schutzzweck der jeweiligen Norm dies erfordert. 27 3. Schadensersatz Als Folge einer Verletzung von Gemeinschaftsrecht kommen auch SchadensersatzansprücheinBetracht. Denn die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften gelten unmittelbar. Sie stellen daher Schutzgesetze i.s.v. 823 Abs. 2 BGB dar,wenn sie neben den Interessen der Allgemeinheit auch den Schutz einzelner bezwecken. 28 Eine individualschützende Zielrichtung des Gemeinschaftsrechts aber hat der EuGH wiederholt hervorgehoben. 29 Insbesondere hat er entschieden, dass aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot wie auch aus den Grundfreiheiten den Einzelnen Rechte erwachsen. Zum Teil schreibt er diesen Vorschriften auch unmittelbare Wirkung unter Privaten zu. 30 Jedenfalls die EG-vertraglichen Bestimmungen mit unmittelbarer Drittwirkung sind individualschützende Normen i. S. d. 823 Abs. 2BGB. Dazu zählen Art. 12, 39, 43, 81, 82, 87, 141EGV,wohlauchArt.28und 49 EGV. 31 In der Rechtsprechung des EuGH finden sich eindeutige Hinweise darauf, dass das nationale Recht Schadensersatzansprüche vorsehen muss, wenn Rechte Einzelner aus dem EG-Vertrag verletzt werden. Denn die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts wäre nach Auffassung des Gerichtshofs beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm aufgrund von Verhaltensweisen Privater entsteht, die gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verstoßen. 32 Schadensersatzansprüche erhöhen die Durchsetzungskraft des Gemeinschaftsrechts. Diese Aussagen des Gerichtshofs, die zu Art. 81 EGV erfolgten, beanspruchen über das Wettbewerbsrecht hinaus Geltung für alle individualschützenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Der EuGH leitet sie nämlich aus seinen allgemeinen Grundsätzen zur unmittelbaren Drittwirkung des Gemeinschaftsrechts ab und verknüpft sie mit seiner Rechtsprechung zu anderen Sachgebieten. 33 Im deutschen Recht lassen sich die Vorgaben des EuGH umsetzen, indem man die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften mit unmittelbarer Drittwirkung als Schutzgesetze i. S. v. 823 Abs. 2BGB ansieht. Allein das Verschuldenserfordernis des 823 Abs. 2S. 2BGB begegnet gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift haftet nur, wer schuldhaft handelt, selbst wenn ein Verstoß gegen das 14 Vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 195; MüKo- Mayer-Maly/ Armbr ster, 134 Rn. 37. Vgl. die auch die Nachweise zuden folgenden Ausführungen. 15 Vgl. Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 318 f. Zum effet utile: Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 3Rn. 7. 16 Vgl. Eilmannsberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht imgemeinschaftsrecht, 1997, 19 ff. 17 Vgl. etwa Art. 288 Abs. 2EGV. 18 Das hat der EuGH imzusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht allgemein gültig postuliert: Fehlt esaneiner einschlägigen Gemeinschaftsregelung, ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zubestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zuregeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenen Rechte gewährleisten sollen ; EuGH, Rs. C-453/99, Courage/Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 29. 19 Vgl. Canaris, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2003, 29, 65ff. 20 EuGH Rs. C-261/95, Palmisani, Slg. 1997, I-4025 Rn. 27; EuGH, Rs. C-453/99, Courage/Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 29. 21 Seine Erklärung findet dies darin, dass Art. 81 EGV die einzige Vorschrift des EG- Vertrages ist, die sich ausdrücklich anprivate richtet (Rn. 72). 22 BGH, EuZW 2003, 444; vgl. auch MüKo-Mayer-Maly/Armbr ster, 134 Rn 37; Palandt, 134 Rn. 3;speziell zuden Grundfreiheiten als Verbotsgesetze: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 199ff.; zuart. 12EGV: Bezzenberger, AcP 196 (1996), 395, 427. 23 Bezzenberger, AcP 196 (1996), 395, 427. 24 Pechstein, EuZW 1998, 495. 25 BGH EuZW 2003, 444 mit Anm. Pechstein; vgl. dazu auch Quardt/Nielandt, EuZW 2004, 201. 26 Dazu näher: Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 83ff. 27 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 202. 28 Die deutsche Kommentarliteratur nimmt das bislang nur selektiv wahr, vgl. Palandt, 823 Rn. 145; MüKo-Wagner, 823 Rn. 327; uneingeschränkt aber: Hk-BGB-Staudinger, 823 Rn. 143. 29 Vgl. Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 12. 30 Ausführlich dazu: Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 26 ff. 31 Vgl. Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann (Fn.1), Kapitel 2Rn. 83 ff. 32 EuGH, Rs. C-453/99, Courage/Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 26. 33 Vgl. EuGH, Rs. C-453/99, Courage/Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 19, 25, 29, 30; EuGH, Rs. C-261/95, Palmisani, Slg. 1997, I-4025. Zivilrechtsfolgenbei Verstoß gegengemeinschaftsrecht, Wiedmann AnwBl 5/2007 327

MN Aufsätze 34 EuGH, Rs. C-180/95, Draehmpaehl, Slg. 1997, I-2195 Tenor Ziffer 1;Rs. C-177/88, Dekker, Slg. 1990, I-3941, Rn. 22. Hierzu: Freis, NJW 1998, 2779 ff. Zur Problematik im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 205; Canaris, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2003, 29, 66 f. 35 EuGH, Rs. C-180/95, Draehmpaehl, Slg. 1997, I-2195 Rn. 18. 36 So zu Recht Canaris,in: Bauer/Czybulka/Kahl/Vosskuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2003, 29, 66 f.; a.a. (aber wenig überzeugend) Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 205. 37 BGH, NJW 1968, 1279, 1281. 38 Vgl. zu den Grundfreiheiten: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 206. 39 EuGH Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891 Rn. 23 f.; Rs. C-180/95, Draehmpaehl, Slg. 1997, I-2195 Rn. 25, vgl. auch Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 206 ff. 40 Zu Art. 12: Bezzenberger, AcP 196 (1996), 395, 429; zu den Grundfreiheiten: Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 209. 41 Vgl. G ndisch, in: Gebauer/Wiedmann (Fn. 1) Kapitel 34. 42 Vgl. Baldus, JA 1996, 894; Koch, EuZW 1995, 78; T nsfeuerborn, Einflüsse des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten der EG auf das nationale Zivilprozessrecht; M slein, GPR 2004, 59; R rig, EuZW 2004, 18; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Al-bers/Hartmann, ZPO, Einl. III, Rn. 79(nur andeutend); Habscheid, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht inder Europäischen Gemeinschaft, 543. 43 EuGH, Rs. C-261/95, Palmisani, Slg. 1997, I-4025. 44 Das hat der EuGH im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot der Gleichbehandlungsrichtlinie 75/117 entschieden (EuGH, Rs. 109/88, Danfoss, Slg. 1989, 3199 Rn. 14). Die Rechtsprechung lässt sich zumindest auf alle Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts übertragen, wohl aber auch auf andere Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht, vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 211; Bezzenberger, AcP 1996, 395, 431. 45 Vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 211. 46 Vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 213. 47 Vgl. R rig, EuZW 2004, 18, 19; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, 214 ff. Schutzgesetz auch ohne Verschulden möglich ist. Anlass, das Verschuldenserfordernis in Zweifel zu ziehen, geben Urteile des EuGH zur Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG. Wiederholt hat der Gerichtshof entschieden, die Richtlinie stehe einer nationalen Regelung entgegen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ein Verschulden voraussetzt. 34 Da die Richtlinie nicht selbst den Nachweis eines Verschuldens fordere, müsse der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen. 35 Diese Rechtsprechung zur fehlerhaften Richtlinienumsetzung muss wohl auf die Verletzung des EG- Vertrages übertragen werden, da der EuGH insoweit kaum geringere Anforderungen an die Sanktion durch das nationale Recht stellen dürfte. 36 Keine der als Schutzgesetze in Betracht kommenden Normen des EG-Vertrages kennt aber ein besonderes Verschuldenserfordernis. Die Aussagen des EuGH zu den Haftungsvoraussetzungen bei Verletzung europarechtlicher Ansprüche rechtfertigen den Schluss, dass 823 Abs. 2 S. 2 BGB gemeinschaftsrechtskonform fortzubilden ist i. S. einer teleologischen Extension dahin, dass die Schadensersatzpflicht auch ohne ein Verschulden eintritt, wenn gemeinschaftsrechtliche Schutzgesetze verletzt werden. In der Praxis dürfte das Verschuldenserfordernis indes kaum jemals den Ausschlag für die Begründung eines Schadensersatzanspruches geben. Denn allein die Verletzung des Schutzgesetzes begründet den Anscheinsbeweis für ein Verschulden. 37 Selbst wenn der Schädiger das gemeinschaftsrechtliche Schutzgesetz nicht gekannt hat, haftet er trotzdem, wenn seine Unkenntnis auf Fahrlässigkeit beruht. Dies aber wird man bei demjenigen anzunehmen haben, der von den Freiheiten Gebrauch macht, die ihm das Gemeinschaftsrecht einräumt, weil er damit rechnen muss, dass diese Freiheiten nicht unbegrenzt sind. 38 Der Umfang des Schadensersatzes bestimmt sich grundsätzlich nach 249 ff. BGB. Wie bei den Haftungsvoraussetzungen müssen jedoch auch beim Haftungsumfang Vorgaben des Gemeinschaftsrechts beachtet werden. Unter Umständen können Sinn und Zweck eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Schadensersatzes eine über den Vermögensausgleich hinausgehende Ersatzpflicht erfordern. Denn dem Schadensersatzanspruch kommt nach dem Verständnis des EuGH auch eine steuernde Funktion zu: Er soll die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts bewirken und seine Durchsetzungskraft stärken. So hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass von nationalen Sanktionen eine wirklich abschreckende Wirkung ausgehen müsse, damit sie einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleisteten; die Sanktionen müssten auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. 39 4. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Um Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang entgegenzuwirken, kommt ein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen in Frage. Wie bei dem Schutz der übrigen, durch 823 Abs. 2BGB gewährten Rechtspositionen ergibt sich der Anspruch aus einer Analogie zu 1004 BGB. Der drohende oder gegenwärtige Eingriff in die geschützte Rechtsposition muss danach nur objektiv widerrechtlich, nicht aber verschuldet sein. 40 5. Prozessuale Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Private können die Rechtsfolgen des Gemeinschaftsrechts im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten durchsetzen. 41 Das Gericht verfährt dabei nach der ZPO. Allerdings unterliegt es insoweit europarechtlichen Vorgaben. 42 Das Gemeinschaftsrecht begrenzt die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Insbesondere verlangt es, dass seine Durchsetzung von den nationalen Rechtsordnungen nicht unmöglich gemacht oder unverhältnismäßig erschwert wird (Effektivitätsgrundsatz). 43 Das nationale Prozessrecht muss den Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts Rechnung tragen. Macht ein Kläger die Verletzung von Gemeinschaftsrecht geltend, insbesondere einen Verstoß gegen ein gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot, reicht es aus, wenn er Tatsachen darlegt, welche die Vermutung für einen Gemeinschaftsrechtsverstoß begründen. Dem Beklagten obliegt es dann zu beweisen, dass kein Verstoß vorliegt. Das Gericht hilft dem Kläger, indem es den Anscheinsbeweis zu seinen Gunsten großzügig anwendet. 44 Unter Umständen muss es Beweiserleichterungen für denjenigen vorsehen, der einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht geltend macht. 45 Soll ein Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet werden, trägt das Gericht die Verantwortung dafür, dass dieser im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht. 46 Schließlich ist die richterliche Aufklärungs- und Hinweispflicht nach 139 ZPO, wenn ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht in Betracht kommt, möglichst weit auszulegen. 47 Dr. Thomas Wiedmann, Br ssel Der Autor ist Mitherausgeber des 2005 erschienenen Werkes Zivilrecht unter europ ischem Einfluss aus dem Richard Boorberg Verlag. 328 AnwBl 5/2007 Zivilrechtsfolgen beiverstoß gegengemeinschaftsrecht,wiedmann

MN Kommentar Anwaltstag Wozu? wird mancher fragen. Es ist nicht sinnlos, darüber gelegentlich nachzudenken auch wenn Sie nicht Mitte Mai nach Mannheim zum 58. Deutschen Anwaltstag kommen. 9 Erstens: Um der Öffentlichkeit unseren Beruf in Erinnerung zu bringen. 9 Zweitens: Um Fachleuten Gelegenheit zu geben, sich untereinander auszutauschen. 9 Drittens: Um Lösungen zu Themen auf den Weg zu bringen, die uns und unsere Mandanten betreffen. Wozu müssen wir unseren Beruf in der Öffentlichkeit in Erinnerung bringen? Weil die Bürgerinnen und Bürger heute mehr denn je wahrnehmen sollten, dass es einen Beruf gibt, dem die Rechtsberatung vorbehalten ist, nämlich den Rechtsberuf der Anwältin und des Anwalts. Berater existieren allenthalben und allerorten, selbsternannte Rechts -Berater, die aus welchen Gründen auch immer sich auf dem so lukrativ scheinenden Rechtsberatungsmarkt tummeln; die hinter ihrer Beratung jedwedes Produkt zu verkaufen vorhaben oder vielleicht sogar kostenlos den Einzelnen für die vorgeschobene Idee dieser oder jener Gruppe instrumentalisieren wollen. Dass es aber den Anwalt gibt, der zwar Geld kostet, dafür aber unabhängig, nur den Interessen des Mandanten verpflichtet, ein professionelles Arsenal fundierten rechtlichen Know-hows zur Verfügung stellen kann daran zu erinnern ist eine wichtige Arbeit für uns alle. Mit unserer Werbekampagne erinnern wir an den Wert anwaltlicher Leistung mit dem Anwaltstag tun wir Deutscher Anwaltstag: Wozu? Hartmut Kilger, T bingen Rechtsanwalt, Pr sident des Deutschen Anwaltvereins dasselbe. Resonanz in der Öffentlichkeit ist unser Ziel. Wozu, zweitens, sollten sich Profis untereinander austauschen? Über ihre Berufserfahrungen! Jeder, der in Fortbildungsveranstaltungen, in Arbeitsgemeinschaften, in regionalen oder in überregionalen, vielleicht sogar internationalen Treffen mit anderen Fachleuten spricht, kennt den Gewinn. Das ist Der Anwaltstag ist ein Spiegelbild des Anwaltsberufs selbst. in allen Berufen so, warum sollte es bei Anwälten anders sein? Sicher: Wir können von Außenstehenden, z. B. von Richtern viel lernen (diese auch von uns), aber am effektivsten lernen wir noch immer im kollegialen Austausch. Wir Anwälte sind meistens nicht in große Organisationen eingebunden. Die Zusammentreffen mit den Berufsgenossen müssen wir auf andere Weise organisieren. Der Anwaltstag gibt eine gute Gelegenheit dazu. Aber schließlich drittens geht es um Inhalte. Der Anwaltstag ist ein Spiegelbild des Anwaltsberufs selbst. Er ist vielseitig und vielfältig. Deswegen muss Vieles und Unterschiedliches geboten werden. Das bedeutet einen Blumenstrauß von höchst unterschiedlichen Themen. Fachvorträge und -diskussionen zu rechtlichen Spezialgebieten, aber auch Probleme der Altersversorgung, Berufsrecht oder Haftpflichtversicherung, Büroorganisation und Zeitmanagement sowie grundlegende Themen wie Menschenrechte oder Mediation sind Beispiele hierfür. Das birgt wie im Beruf auch die Gefahr der Verzettelung. Dem steht als Kontinuum die durchgehende Schwerpunktveranstaltung zu Deutschlands Anwaltschaft in Europa gegenüber, mit allen fachlichen Facetten zum europäischen Mandat wie zur Mandatswahrnehmung in Europa. Wir stehen in der europäischen Politik an einem entscheidenden Wendepunkt. Nicht nur die deutsche Ratspräsidentschaft in Europa war daher Anlass für den Deutschen Anwaltverein, Europa zum Hauptthema des Anwaltstages zu machen. Aber wir Anwälte wollen nicht in scheinbar fernen Höhen der europäischen Entwicklung schweben. Uns liegt der Gedanke am Herzen, dass das europäische Recht zu weiten Teilen nationales Recht geworden ist und unsere Arbeit viel mehr tangiert, als wir eigentlich wahrhaben wollen. Es steht fest: Wenn wir mit den anderen europäischen Anwaltschaften konkurrenzfähig bleiben und die Zukunft meistern wollen, müssen wir uns um den europäischen Bezug unserer täglichen Arbeit stärker als bisher kümmern. Wir meinen, dass sich anwaltliche Arbeit nicht auf die Ausrede zurückziehen kann, der europäische Bezug betreffe sie nicht. Dabei will ich gar nicht davon reden, dass die Ausgestaltung unseres Berufs und seine Zukunft mehr und mehr von europäischen Vorgaben abhängig sein werden. Viel konkreter ist der Umstand, dass viele Fälle auf jedwedem juristischen Fachgebiet sich ohne Blick auf die europarechtlichen Regelungen nicht mehr professionell lösen lassen. Diesen Prozess voranzubringen, dem dient das Konzept dieses Anwaltstags. Natürlich: Ein Anwaltstag ist auch ein Zusammentreffen vieler Menschen, die sich schon kennen, innerhalb des Berufs wie außerhalb desselben. Aber im Mittelpunkt stehen die Ziele, wie sie oben beschrieben sind: Öffentliche Präsentation, kollegialer Fachaustausch und Fortbildung im besten Sinne. AnwBl 5/2007 329

MN Thema Wie viel Europa steckt im deutschen Recht? An die Vorlagemöglichkeit zum EuGH denken Ausstieg und Einstieg: Vom Partner einer Großsozietät in Brüssel zum BGH-Richter in Karlsruhe wie sich der Blick ändert Brüssel und Karlsruhe liegen rund 450 Kilometer auseinander. Doch wie groß ist der Abstand zwischen einem Anwalt im Brüsseler Büro einer internationalen Sozietät und einem Richter am Bundesgerichtshof? Wie national arbeitet ein Anwalt in Brüssel, wie europäisch ein BGH-Richter in Karlsruhe? Über den Einfluss des europäischen Rechts wird auf dem 58. Deutschen Anwaltstag vom 17. bis 19. Mai 2007 in Mannheim diskutiert werden. Das Anwaltsblatt fragte Dr. Wolfgang Kirchhoff. Er war fast 16 Jahre Anwalt, davon gut sieben Jahre in Brüssel, zuletzt Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Seit November 2004 ist er Richter am Bundesgerichtshof. Zunächst gehörte er dem X. Zivilsenat (insbesondere Patent- und Vergaberecht) an, jetzt dem I. Zivilsenat (zuständig u.a. für das Wettbewerbs-, Markenund Urheberrecht) und dem Kartellsenat. Anwaltsblatt: Brüssel oder Karlsruhe woist es spannender? Kirchhoff: An beiden Orten ist es spannend. Als Bundesrichter hat man in Karlsruhe das darf man so sagen den Olymp der deutschen Rechtsprechung erklommen. Ich darf an der Fortentwicklung des Rechts durch Auslegung im Rahmen der Auslegungsspielräume mitwirken. Anwaltsblatt: Und in Brüssel? Kirchhoff: Als Anwalt in Brüssel arbeitet man internationaler, bei aller Offenheit in Karlsruhe auch für das Europarecht. Mit der EU-Kommission gibt es einen anderen Gesprächspartner als man ihn normalerweise auf nationaler Ebene findet. Anwaltsblatt: Und was ist am Ende interessanter? Kirchhoff: Das lässt sich schwer sagen, ob das eine oder das andere nun interessanter ist. Anwaltsblatt: Wie haben Sie damals als Anwalt Richter gesehen? Kirchhoff: Meine Erfahrungen als Anwalt mit den Richtern waren durchaus positiv. Ich hatte den Eindruck, dass man als Anwalt ernst genommen wurde. Natürlich habe ich auch erlebt, dass Verfahren auf die einfachste Art und Weise gelöst wurden, wenn es einen prozessualen Weg gab, auch wenn der Sachstreit zwischen den Parteien dann nicht entschieden wurde. Das gehört aber zum juristischen Beruf. Anwaltsblatt: Sie waren vor allem im Kartell- und Vergaberecht und im europäischen Beihilferecht tätig. Ist der Ton vor Gericht in diesen Rechtsgebieten ein anderer? Kirchhoff: Sicher ist es gut für das Klima zwischen Anwälten und Richtern, wenn man weiß, dass man sich wiedersieht. In meinen Spezialgebieten war das der Fall. Das kann aber auch vor einem Land- oder Oberlandesgericht in einem Gerichtsbezirk funktionieren. Ich finde es wichtig, dass wenn es möglich ist ein persönlicher Kontakt besteht zwischen Anwälten und Richtern. Anwaltsblatt: Jetzt sind Sie Richter, Richter einer besonderen Instanz. Trotzdem die Frage: Wie sehen Sie heute Ihre ehemaligen anwaltlichen Kollegen? Kirchhoff: Wir arbeiten beim BGH in den Zivilsenaten spezialisiert und in der Regel waren in meinem Tätigkeitsgebiet auch in den Vorinstanzen bereits spezialisierte Anwälte tätig. Und die Anwälte beim BGH arbeiten in der Regel mit dem Anwalt aus der Berufungsinstanz eng zusammen. Wir begegnen daher in der Regel Schriftsätzen und anwaltlichem Vortrag guter Qualität. Die Vorbereitung ist im Allgemeinen auch aus Richtersicht gut. Anwaltsblatt: Und woran mangelt es? Kirchhoff: Manchmal fehlen Sachverhaltselemente in der Revisionsinstanz, zu denen man gerne Feststellungen der Vorinstanz hätte. Dieser Mangel kann in der Revision nicht mehr behoben werden. Dann gibt es eigentlich unnötige Zurückverweisungen. Anwaltsblatt: Die Kritik trifft sowohl Richter als auch Anwälte. Kirchhoff: Richtig. Wir sind darauf angewiesen, dass der Sachverhalt in allen relevanten Punkten in den Instanzen abschließend aufgeklärt wird. AmEndelautet diefrage: Wieviel nationalesrecht bleibt im nationalen Rechtüber? Anwaltsblatt: Aber nicht jeder Anwalt weiß zu Beginn des Verfahrens, dass er beim BGH landen wird. Kirchhoff: Ja, das ist klar. Bei einigen Fällen fragen wir uns durchaus selbst, warum kommt diese Sache zum BGH? Es ist natürlich eine hehre Anforderung, jeden Fall so zu behandeln, als käme er nach Karlsruhe. Anwaltsblatt: Haben Sie es denn als Anwalt immer so gemacht? Kirchhoff: Das ist eine rhetorische Frage: Die muss ich selbstverständlich bejahen. Anwaltsblatt: Der diesjährige Anwaltstag steht unter dem Motto Deutschlands Anwaltschaft in Europa Europa im Mandat und Mandat in Europa. Anwälte erkennen immer stärker, dass sie nicht nur in ihrem nationalen Recht Experten sind, sondern eben auch im europäischen Recht arbeiten müssen. Wie viel nationales Recht steckt im europäischen Recht? Wie viel europäisches Recht im nationalen Recht? Kirchhoff: Am Ende lautet die Frage: Wie viel nationales Recht bleibt im nationalen Recht über? Die Antwort hängt von den Rechtsgebieten ab. Anwaltsblatt: Haben wir im Jahr 2020 ein europäisches Zivilgesetzbuch? Kirchhoff: Wir werden auch im Jahr 2020 noch ein nationales Recht haben. Wir haben die Europäische Gemeinschaft, die EWG, seit 1957. Welchen Weg haben wir in 50 Jahren bis 2007 beschritten? Welchen Weg sollte man beschreiten bei der Rechtsvereinheitlichung im Zivilrecht? Was bedeuten in diesem Zusammenhang weitere 13 Jahre vor dem Hintergrund einer erweiterten Gemeinschaft und 330 AnwBl 5/2007 Wieviel Europasteckt im deutschen Recht?, Kirchhoff

MN Thema Zur Person Wolfgang Kirchhoff Dr. Wolfgang Kirchhoff wurde 1959 in Dortmund geboren. Er war von 1989 bis zum Oktober 2004 Rechtsanwalt, bevor er Richter am Bundesgerichtshof wurde. Kirchhoff studierte in Bonn, Lausanne und Freiburg Rechtswissenschaft. Promoviert wurde er am Max-Planck- Institut für Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München. 1989 wurde er zunächst Rechtsanwalt in Düsseldorf. Von 1994 bis 2004 war er bei der heutigen internationalen Sozietat Freshfields Bruckhaus Deringer tätig, zuletzt als Partner im Brüsseler Büro. Als Wirtschaftsanwalt war Kirchhoff vorwiegend beratend, aber immer auch forensisch tätig. Seine Schwerpunkte lagen im Kartell-, Vergabe- und Beihilferecht. Als Anwalt ist er nicht nur vor Land- und Oberlandesgerichten aufgetreten. Auch den BGH hat er kennen gelernt: Zwei Mal hat er seine Mandanten vor dem BGH in Kartellverwaltungssachen vertreten. In diesen Verfahren können auch nicht beim BGH zugelassene Anwälte auftreten. Beim BGH war Kirchhoff zunächst im X. Zivilsenat tätig, der vor allem für Patentsachen sowie für das Vergaberecht zuständig ist. Inzwischen gehört er dem u. a. für Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht zuständigen I. Zivilsenat sowie dem Kartellsenat an. Foto: Richter ambundesgerichtshof Dr. Wolfgang Kirchhoff fotografiert aus der Bibliothek des Bundesgerichtshofs mit Blick auf das Erbgroßherzogliche Palais, dem Sitz des Bundesgerichtshofs. das habe ich natürlich in Brüssel auch miterlebt zunehmend schwierigerer Entscheidungsprozesse auf politischer Ebene? Ich halte es weder für wahrscheinlich noch ehrlich gesagt für wünschenswert, dass wir zu einer allgemeinen Vereinheitlichung des europäischen Zivilrechts kommen. Auch in der Vielfalt der Rechtssysteme, im Wettbewerb der Rechtsordnungen kann eingewinnbringendeselement liegen. Das sollte man ohne sorgfältige Prüfung nicht abschreiben. Anwaltsblatt: Brauchen wir ein europäisches Zivilrecht als Alternative zum angelsächsischen Recht, das bei grenzüberschreitenden Verträgen zunehmend dominiert? Kirchhoff: Der Befund, dass auf internationaler Ebene das kontinentaleuropäische Recht zurückgedrängt wird, ist nicht zu leugnen. Will man dem mit Harmonisierung begegnen, sollte man sich aber fragen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich Europa am Ende doch am angelsächsischen Modell orientieren wird. Es sollte sorgfältig geprüft werden, ob mit Vereinheitlichung ein positiver Beitrag für den Standort Europa und für das Recht in Deutschland geleistet werden kann. Anwaltsblatt: Viele Bereiche sind aber heute schon europäisch geprägt. Kirchhoff: Natürlich gibt es Beispiele. Das deutsche Kartellrecht ist bis auf die Regeln für allgemeine Diskriminierungs- und Behinderungsfälle und für Zusammenschlüsse ohne gemeinschaftliche Bedeutung dem Europarecht angeglichen. Darüber hinaus habe ich in Brüssel im europäischen Beihilferecht gearbeitet, das ist ausschließlich europäisches Recht. Das Vergaberecht ist weitgehend durch europäische Richtlinien geprägt. Es liegt auf der Hand, dass die binnenmarktrelevanten Rechtsmaterien vereinheitlicht werden müssen. Anwaltsblatt: Die von Ihnen beim BGH bearbeiteten Rechtsgebiete Patent-, Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht sind weitere Beispiele. Kirchhoff: Völlig richtig. Und man streitet natürlich heftig darüber, ob weiterhin ein nationales Gericht über die Nichtigkeit eines europäischen Patents jeweils beschränkt auf sein Territorium entscheiden soll. Aber in weiten Bereichen des Schuldrechts gibt es solche Probleme nicht. In den Bereichen Familienrecht, Erbrecht, aber auch beim Sachenrecht gibt es wenige Interventionen aus Brüssel. Und in den schuldrechtlichen Bereichen wird man sich wohl auch genau überlegen müssen, mit welchem Aufwand man welchen Erfolg an Rechtsvereinheitlichung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch erzielen wird. Anwaltsblatt: Die EU-Kommission wäre am Ende ohne Arbeit... Kirchhoff: Nein. Die Aufgabe jetzt ist es, den acquis communitaire [den gemeinschaftlichen Besitzstand, d. Red.] in allen Mitgliedsstaaten der EU durchzusetzen und zu einer kohärenten Anwendung des vorhandenen Gemeinschaftsrechts zu kommen. Dies halte ich für vorrangig gegenüber der Vereinheitlichung weiterer Materien. Natürlich gibt es in dem einen oder anderen Bereich Handlungsbedarf. Wir werden auch sicherlich weitere Rechtsakte auf europäischer Ebene sehen. Anwaltsblatt: Bei grenzüberschreitenden Fällen ist das Bedürfnis nach einheitlichen, europäischen Regelungen vorhanden. Das europäische Mahnverfahren sowie das europäische Bagatellverfahren kommen. Kirchhoff: Es bleibt aber die Frage, ob daraus ein genereller Vereinheitlichungsdruck folgt. Zunächst geht es nur darum, den Binnenmarkt praktisch umzusetzen. Das bedeutet nicht, dass das nationale Recht deswegen in seinem Bestand angetastet wird. Anwaltsblatt: Ist das nationale Recht aber nicht längst vom europäischen Recht überlagert? Kirchhoff: Das ist richtig. Wir sehen bei uns im Senat auch mit Befriedigung, dass die Instanzgerichte die Relevanz des Europarechts bei der Anwendung und Auslegung des nationalen Rechts zunehmend und zunehmend leichter erkennen. Nach wie vor kommt es allerdings auch vor, dass sie übersehen wird. Auf der Ebene des BGH sind die Senate ent- Wieviel Europa steckt im deutschen Recht?,Kirchhoff AnwBl 5/2007 331

MN Thema sprechend ihrer Zuständigkeit in unterschiedlichem Maße mit dem Europarecht konfrontiert. Es liegt auf der Hand, dass etwa der Gesellschaftsrechtssenat, aber auch der I. Zivilsenat mit Zuständigkeit für das UWG, das Markenrecht und das Urheberrecht stark mit europäischen Richtlinien arbeiten müssen und auch häufig vor die Frage gestellt werden: Kann man noch selbst entscheiden oder muss man eine Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen? Anwaltsblatt: Der Bundesgerichtshof ist meines Erachtens relativ vorlagefreudig. Hilft das immer den Parteien? Kirchhoff: Im Einzelfall ist natürlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Vorlage tatsächlich vorliegen oder man das doch entscheiden kann und den Parteien dann eine Verzögerung um mindestens ein bis zwei weitere Jahre erspart. Anwaltsblatt:... und unter Umständen eine nicht ganz eindeutige Antwort des EuGH erhält. Kirchhoff: Das hängt davon ab, wie gut die Vorlagefragen formuliert worden sind. Anwaltsblatt: Der Blick in eine Richtlinie ist eine übliche Facette Ihrer täglichen Arbeit? Kirchhoff: Ja, soist es. Anwaltsblatt: Also nichts anderes, als wenn Sie in Brüssel als Anwalt arbeiten würden. Kirchhoff: Wenn man etwas näher hinschaut, besteht schon ein gewisser Unterschied, nämlich in der Art und Weise, wie man weitere Quellen heranzieht. Gegenüber der Kommission kann man zum Beispiel mit früheren Entwürfen einer Richtlinie oder mit Stellungnahmen des Europäischen Parlaments argumentieren. Insbesondere gewinnt die Frage von Vertrauenstatbeständen, die die Kommission möglicherweise gesetzt hat, Bedeutung. Derartige Aspekte spielen bei der Anwendung der Richtlinien im nationalen Recht entweder keine oder nur eine sehr viel geringere Rolle. Anwaltsblatt: Wo sehen Sie noch die Bedeutung eines nationalen Obergerichtes? Bei Zweifeln über die Auslegung von Richtlinien müssen sie dem EuGH vorlegen. Kirchhoff: Den Obersten Gerichten der Mitgliedsstaaten wird weiter eine ganz wesentliche Funktion zukommen. Wir haben einen Trend im Europarecht, der bei der Rechtsanwendung auch das Subsidiaritätsprinzip stark betont. In der Kartelldurchführungsverordnung spielen die mitgliedsstaatlichen Gerichte eine sehr große Rolle. Ich glaube, dass wir auch in den anderen Rechtsbereichen von einem ähnlichen Verhältnis zwischen Kommission und europäischen Gerichten einerseits und mitgliedsstaatlichen Gerichten andererseits ausgehen müssen. Denn eine gewisse räumliche und kulturelle Nähe, auch des Obersten Gerichts, zu den jeweiligen Rechtsunterworfenen ist für die Akzeptanz des Rechts, für die Transparenz des Rechts und häufig auch für das Finden sachgerechter Lösungen im Einzelfall unabdingbar. Das jetzige System hat sich bewährt. Im nationalen System endet grundsätzlich der Rechtsschutz. Das alles wird flankiert von der Vorlagepflicht an den EuGH. Anwaltsblatt: Gibt es aus Ihrer Sicht einen europarechtlichen Ratschlag, den Sie als ehemaliger Anwalt und jetziger Richter ehemaligen Kollegen geben? Kirchhoff: An die Vorlagepflicht der Gerichte zum EuGH denken. Gibt es Bestimmungen auf europäischer Ebene und ist eine Frage europarechtlich wirklich offen, sollte der Anwalt schon in unteren Instanzen eine Vorlage zum EuGH anregen. Es ist im Grunde genommen ein nicht zu vertretender Zeitverlust, wenn erst auf der Ebene des BGH eine Vorlage erfolgt. Daher sollten Anregungen zur Vorlage auch in unteren Instanzen geprüft werden und davon sollte in geeigneten Fällen auch Gebrauch gemacht werden. Anwaltsblatt: Das wird den Richter in der unteren Instanz wahrscheinlich nicht begeistern? Kirchhoff: Das mag vorkommen. Anwaltsblatt: Und den Mandanten wird es vielleicht auch nicht freuen? Kirchhoff: Das muss der Anwalt erläutern: Wenn erst beim BGH vorgelegt wird, ist der Verzögerungseffekt oft größer, jedenfalls aber mindestens derselbe. Anwaltsblatt: Zurück zu Ihnen: Wie unterschiedlich ist die Arbeit als Anwalt in Brüssel und als BGH-Richter in Karlsruhe? Kirchhoff: Es gibt einen wesentlichen Unterschied. Als früherer Partner einer Großsozietät kann ich zu meiner Tätigkeit als Bundesrichter sagen: Hier kocht der Chef selbst. Das schmeckt mir persönlich. Anwaltsblatt: Das bedeutet konkret? Kirchhoff: Angefangen von der Recherche über die wissenschaftliche Durchdringung bis zur Formulierung der Voten konzipieren und schreiben die Bundesrichter selbst. Sie haben keinen Unterstützungsapparat, der einem regelmäßig die Recherche abnimmt oder Bausteine und Entwürfe liefert. Anwaltsblatt: Und die wissenschaftlichen Mitarbeiter des BGH? Kirchhoff: Das sind gestandene Richter am Landgericht, die eigenständig in einer begrenzten Zahl von Fällen Vorvoten erstellen. Anders als in der Großsozietät ist das kein Gemeinschaftswerk, das in laufender Zusammenarbeit entsteht. Anwaltsblatt: Vermissen sie etwas? Kirchhoff: Nein, nicht wirklich. Jedenfalls auf der Ebene des Bundesrichters kann man das Bonmot gebrauchen, dass Bundesrichter einen wirklich freien Beruf verglichen mit der Tätigkeit als Partner in einer Großsozietät ausüben. Die sehr hohe Diskussionskultur in den Senaten und die Beratungsintensität sind mir hier sehr positiv aufgefallen. Die Beratung einzelner Fälle ist durchaus eines wissenschaftlichen Kolloquiums würdig. Und das hängt nicht vom Gegenstandswert ab wenn die grundsätzliche Bedeutung der Sache einen solchen Diskussionsaufwand erfordert, dann nimmt man sich hier diese Zeit. Und das muss auch so sein. Anwaltsblatt: Empfinden Sie das als Privileg? Kirchhoff: Ja, das kann ich unterstreichen. Das Interview führte Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin. Dr. Wolfgang Kirchhoff, Karlsruhe Der Gespr chspartner des Anwaltsblatts ist seit November 2004 Richter am Bundesgerichtshof und war zuvor als Rechtsanwalt einer internationalen Großsoziet t in Br ssel t tig. Als fr herer Partner einer Großsoziet t sagt er heute zu seiner T tigkeit als Bundesrichter: Hier kocht der Chef selbst. 332 AnwBl 5/2007 Wieviel Europasteckt im deutschen Recht?, Kirchhoff

MN Gastkommentar Rasterfahndung kassiert, Luftsicherheitsgesetz kassiert, europäischer Haftbefehl kassiert die Liste könnte man ohne Schwierigkeiten verlängern. Kassiert wurden die Gesetze vom Bundesverfassungsgericht, weil sie gegen das Grundgesetz verstießen. Karlsruhe hat sich in den vergangenen Jahren mehr denn je zum Bollwerk gegen Angriffe auf die Bürgerrechte entwickelt. Das spricht für das Gericht und unsere Gewaltenteilung, aber es spricht nicht unbedingt für den guten Zustand unserer parlamentarischen Demokratie. Wenn ein Gesetz durch das Parlament verabschiedet wurde, sitzt nämlich das Bundesverfassungsgericht sozusagen schon im Wartestand. War das der Wunsch der Väter und Mütter des Grundgesetzes? Sollte das Bundesverfassungsgericht die verlängerte Werkbank des Bundestages und des Bundesrates werden? Nein, das war nicht beabsichtigt. Karlsruhe soll kontrollieren, das ja, aber nicht zum permanenten Reparaturbetrieb der Legislative werden. Unser Politikbetrieb hat sich stark verändert, keine Frage. Die permanente Verfügbarkeit der unterschiedlichsten Medien beeinflusst auch das politische Handeln. Manche Akteure haben das Agenda Setting perfektioniert. Eine Sau nach der anderen wird durch das politische Dorf getrieben. Viele Vorschläge und Ideen erleiden einen frühen Tod. Aus manchen aber wird irgendwann und nach vielem hin und her ein Arbeitspapier, ein Referentenentwurf und vielleicht sogar ein Gesetzentwurf. Dann wird der Versuch unternommen, mitunter auch populistische Vorschläge soweit einzudampfen, dass Letzte Ausfahrt Karlsruhe? Wolfram Schrag Jurist, arbeitet beim H rfunk des Bayerischen Rundfunks sie in Paragrafen, Absätze, Sätze und Spiegelstriche passen und dass sie mit dem Grundgesetz übereinstimmen. Doch dies scheint immer schwieriger. Immer öfter zieht das Bundesverfassungsgericht die rote Karte und weist die Gesetzesmacher in ihre Schranken. Da fragt man sich als Außenstehender schon: Was ist denn ein Parlamentsbeschluss noch wert? Wissen Abgeordnete immer um die Tragweite ihrer Entscheidung? Ist uns vielleicht gar der juristische Sachverstand abhanden gekommen? Das Bundesverfassungsgericht sollte nicht Reparaturbetrieb der Legislative sein. Nein, das sicherlich nicht. Noch sitzen genug hoch qualifizierte Juristen in den Ministerien. Sie bereiten politische Entscheidungen vor und begleiten sie, wenn auch manchmal mit Bauchgrimmen. Aber, macht nichts, man ist Ministerialer und damit Kummer gewöhnt. Bedenklich mag es einen aber stimmen, dass der politische Entscheidungsprozess mehr und mehr zu einem inhaltsleeren Ritual verkommt. Natürlich gibt es die Anhörungen in Ausschüssen. Natürlich treten dann Vertreter der einschlägigen Verbände auf, die dies und jenes zu kritisieren haben und manchmal sogar in wohl abwägenden Worten den Gesetzgeber auf Defizite hinweisen. Wir sind nach wie vor eine Verbänderepublik, betroffene Institutionen müssen entsprechend am politischen Entscheidungsprozess beteiligt werden. Doch ist in den Ausschüssen der Sachverstand der Lobbyisten wirklich gefragt? Besteht die realistische Chance, dem Wagen, der in die vermeintlich falsche Richtung fährt, noch in die Speichen zu greifen? Nein! Alles ist schon vereinbart, geregelt und besprochen. Da mag der Sachverstand noch so eindringlich vor dem Eingriff in Bürgerrechte warnen oder gar die Verletzung der Grundrechte bemängeln. Die Mahner sind lästig, die Sünden vermeintlich lässlich. Und wenn das Gesetzeswerk dann in den Bundestag gehievt wird, gibt es auch nur noch wenige und immer dieselben Mahner, die das Grundgesetz in der Tasche mit sich führen. Sie müssen sich dem Vorwurf aussetzen, es mal wieder ganz oder zu genau zu nehmen. Nur muss man sich fragen: Sollte man nicht da besonders kleinlich sein, wo es um die Verfassung geht? Auch der Bundestag ist nur noch ein Ritual, eine Hülle mit reichlich wenig Inhalt. Auch hier ist vorher alles bis ins letzte Detail besprochen und inszeniert worden. Bei der politischen Meinungsbildung haben sich der Bundestag und die Ausschüsse längst selbst das Wasser abgegraben, Hauptsache die Stimmen sind vollzählig. Es gab sie mal, die großen Debatten um die bessere Politik, als wirklich noch Reden gehalten und nicht nur Statements abgelesen wurden ach Geschichte. In einer großen Koalition wird das Ritual des Schaukampfes dann perfektioniert. Zwangsläufig, weil es wirklich gilt, dass geborene Gegner gemeinsame Sache machen. Politik wird mehr denn je in Hinterzimmern, in Nachtsitzungen, bei Spitzentreffen und bei einem Arbeitsfrühstück gemacht. Und dann wird dieses Ergebnis mit übermüdeten Augen im Morgenmagazin bekräftigt oder schon wieder in Frage gestellt. Und das ist eigentlich das ärgerlichste: Politik wird nicht mehr in der Meinungsvielfalt errungen, sie wird gemacht, konfektioniert, ist austauschbar, im Ergebnis ernüchternd und wird vom Personal meist lustlos präsentiert. Letzte Ausfahrt Karlsruhe! Sie nützt aber irgendwann auch nichts mehr, wenn der Frust über eine solche Politik in massenhafter Politikverdrossenheit und Politikverweigerung mündet. AnwBl 5/2007 333

MN Aus der Arbeit des DAV Aus der Arbeit des DAV 334 Parlamentarischer Abend Qualitativ sachgerechte Beratung sichern Rechtsanwalt Dr. Nicolas L hrig, Berlin 336 DAV-Werbekampagne Anwaltvereine werben auf neuen Wegen 336 DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt Opfern politischer Gewalt schnell helfen Rechtsanwalt Swen Walentowski, Berlin 337 Anwaltvereine und DAV Gespr ch mit den neuen Vereinsvorsitzenden 337 DAV-Pressemitteilung Resozialisierung statt Wegsperren f r immer 338 DAV-Gesetzgebungsaussch sse Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben 338 DAVund Amnesty International Anw lte helfen verfolgten Anw lten Maren Tamke und Peter Franck, Amnesty International 339 AG Arbeitsrecht Arbeitsrecht kodifizieren Rechtsanw ltin Dr. Katharina Freytag, Berlin 340 AG Arbeitsrecht Fr hjahrstagung: Die Mischung des Programms lockt immer mehr Teilnehmer Rechtsanw ltin Dr. Katharina Freytag, Berlin 341 Forum Junge Anwaltschaft Denn sie wissen jetzt, was sie tun. Rechtsanwalt Manfred Aranowski, Berlin 341 Forum Junge Anwaltschaft Zeitmanagement: Zeit ist mehr als Geld Rechtsanwalt Manfred Aranowski, Berlin 342 ARGE Baurecht Immobilienrecht jetzt im Namen der AG 342 AG Informationstechnologie Cebit: AG war Partner des Forums Mittelstand Rechtsanw ltin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Berlin 342 Anwaltverein Donau-Ries Anw lte und Richter bilden Qualtit tszirkel Rechtsanwalt Friedrich W rlen, N rdlingen 343 AG Ausl nder- und Asylrecht Mitgliederversammlung 343 Personalien u. a. Dr. Hans Dieter Beck 75 /Neue Vorsitzende der AG Steuerrecht /Neue Vereinsvorsitzende /Auszeichnung von Anw lten Qualitativ sachgerechte Beratung sichern Nachbesserungen beim RVG DAV-Vorstand diskutierte mit Bundesabgeordneten Wieder Rekordbeteiligung beim Parlamentarischen Abend Der Parlamentarische Abend des Deutschen Anwaltvereins entwickelt sich immer mehr zum Treffpunkt der Rechtspolitik. Mehr als 60 Abgeordnete hatten zugesagt. Ende Februar traf sich der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins mit den Abgeordneten. Der Bundestag berät zurzeit über viele Gesetzesvorhaben (vom Familienrecht über das Strafrecht bis hin zum Rechtsdienstleistungsgesetz), die die Anwaltschaft (und ihre Mandanten) unmittelbar betreffen werden. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins griff in seiner Begrüßungsrede ausgewählte Themen heraus. Kilger kündigte an, dass sich der Deutsche Anwaltverein drei Jahre nach Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wieder mit den anwaltlichen Gebühren beschäftigen werde. Die Gebühren müssten eine qualitativ sachgerechte Beratung sicherstellen. Wir sehen Bereiche mit Nachbesserungsbedarf, sagte Kilger. Zurzeit seien die Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins aufgefordert, über Ihre Erfahrungen mit dem RVG zu berichten. Kilger erinnerte daran, dass Anwälte nicht nur Großverdiener seien. Rechtsdienstleistungsgesetz Zur Neuordnung des Rechtsberatungsrechts verwies Kilger auf die Stellungnahmen und Äußerungen des Deutschen Anwaltvereins. Die Knackpunkte seien die Definition des Begriffs der Rechtsdienstleistung sowie unter welchen Voraussetzungen Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung von jedermann angeboten werden könnten. Es gehe um die wichtige Frage, was dem Anwaltsberuf vorbehalten bleibe. An die Abgeordneten gerichtet sagte er: Sie sind am Zuge. Das Rechtsdienstleistungsgesetz hatte Anfang Februar den Bundestag in erster Lesung passiert. Anfang Mai wird der Rechtsausschuss noch Sachverständige anhören. Zu möglichen Plänen, das heimliche Ausforschen von Computern für Ermittlungszwecke zu ermöglichen, sagte Kilger: Ich reagiere empfindlich, wenn ein Trojaner meinen Computer durchsucht. Er verwahrte sich gegen Eingriffe in das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandat. RVG und zum Familienrecht Zu einer Anpassung des RVG sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, dass sie zur Zeit keinen Bedarf für eine große Reform sehe. Über ein Nachjustieren könne aber gesprochen. Sie ließ offen, wie schnell hier der Gesetzgeber tätig werden wolle. Als wichtige Ziele der Rechtspolitik nannte Zypries die Reformen im Familienrecht. Sie kündigte an, dass Väter zukünftig leichter prüfen könnten, ob ein Kind von ihnen stamme. Zypries sprach sich auch erneut für die Scheidung ohne Anwalt aus, wenn die Ehe kinderlos gewesen sei und die Scheidung einvernehmlich erfolge. Wir diskutieren das sehr ernsthaft, sagte die Ministerin. Auch die Reform des Unterhaltsrechts nannte sie als wichtiges Thema. Auf europäischer Ebene strebe Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft an, dass bei binationalen Ehen eine Rechtswahlmöglichkeit geschaffen werde. Beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Anwaltvereins sprachen die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags Andreas Schmidt (CDU, l) und der Pr sident des Deutschen Anwaltvereins Hartmut Kilger. 334 AnwBl 5/2007

MN Aus der Arbeit des DAV 1 Wolfgang Bosbach (CDU, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion imdeutschen Bundestag, l.), wird von DAV-Pr sident Hartmut Kilger begr ßt. 2 ImGespr ch: Norbert R ttgen (CDU, 1. Parlamentarischer Gesch ftsf hrer der CDU/CSU-Fraktion, M.) mit Daniela Raab (CDU, Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags) und Michael Streck (Mitglied des DAV- Pr sidiums). 3 J rgen Gehb (CDU, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, l.) mit Georg Prasser (DAV-Vizepr sident). 4 Alfred Hartenbach (SPD, Parlamentarischer Staatssekret r im Bundesjustizministerium, r.) mit Paul- Werner Beckmann (DAV-Vorstandsmitglied). 1 2 5 Lutz Diwell (beamteter Staatssekret r im Bundesjustizministerium, l.) und Heinz Lanfermann (FDP, ehemaliger beamteter Staatssekret r imbundesjustizministerium) mit Mechtild D sing (DAV-Vorstandsmitglied).) 6 Mechthild Dyckmans (FDP, justizpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion) und Hartmut Kilger. 7 Otto Fricke (FDP, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, l.) mit Dr. Hans C. L hn (DAV-Vizepr sident, r.) und Dr. Michael Kleine Cosack (DAV-Vorstandsmitglied und Herausgeber des Anwaltsblatts). 8 Jerzy Montag (B ndnis 90/Die Gr nen, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion B ndnis 90/Die Gr nen, r.) mit Ulrich Schellenberg (DAV-Vorstandsmitglied). 3 4 9 Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) mit Prof. Dr. Wolfgang Ewer (DAV-Vizepr sident). 10 Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen (DAV-Vizepr sident, l.) mit Prof. Dr. Hans-J rgen Hellwig (DAV-Vorstandsmitglied). 11 Johannes Singhammer (CDU) mit Verena Mittendorf (DAV-Vizepr sidentin). 12 Eduard Lintner (CSU, l.), Thomas Silberhorn (CSU, M.) mit Oskar Riedmeyer (DAV-Vorstandsmitglied). 5 6 13 Volker Kr ning (SPD, Rechtsausschuss, r.) mit Heide Kr nert-stolting (DAV-Vorstandsmitglied) und Klaus Zehner (DAV-Vorstandsmitglied). Der Vorsitzende des Rechtsausschusses Andreas Schmidt (CDU) widersprach Zypries (SPD) beim Thema Scheidung light. Er wies darauf hin, dass der Gesetzgeber noch immer das Parlament sei. Und dort würden die Pläne für eine vereinfachte Scheidung kritisch gesehen. Das bisherige Recht hat sich bewährt, betonte Schmidt. Weitere Themen beim Parlamentarischen Abend waren die Vorschläge des Deutschen Anwaltvereins für eine Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (siehe AnwBl 2006, 721) und der Fachanwaltsordnung (siehe AnwBl 2006, 746) sowie die Länderinitiative zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe (siehe zum PKH-Begrenzungsgesetz AnwBl 2007, 267) und die vom DAV unterstützten Pläne für die Schaffung eines Arbeitsvertragsgesetzes. Der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins lädt einmal imjahr Bundestagsabgeordneteein, umaktuelleberufs- und rechtspolitische Themen außerhalb des Alltagsgeschäfteszudiskutieren. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin 7 8 9 10 11 12 13 AnwBl 5/2007 335

MN Aus der Arbeit des DAV DAV-Werbekampagne Anwaltvereine werben auf neuen Wegen Der Anwaltsverein Wuppertal will berraschen: Imagewerbung f r Anw lte einmal anders. Die DAV-Werbekampagne stellt unter www.anwaltverein.de/werbekampagne nicht nur den Mitgliedern der Anwaltvereine kostenlos Anzeigenbeispiele zur Verfügung, um Eigenwerbung für die Kanzlei zu machen. Es gibt auch Anzeigenbeispiele für die örtlichen Anwaltvereine, damit diese Imagewerbung vor Ort (z. B. in der regionalen Zeitung) durchführen können. Es müssen aber nicht nur Anzeigen sein. Ein besonders pfiffiges Beispiel liefert der Wuppertaler Anwaltsverein, der einen Bus der öffentlichen Verkehrsbetriebe mit einem Anzeigenbeispiel und dem Slogan versehen hat. Dieser aufmerksamkeitsstarke Auftritt ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht allein auf Anzeigenwerbung angewiesen ist. Aber auch die Mitglieder gehen neue Wege. So hat eine Kanzlei, die ihre Räumlichkeiten in einem Eckgebäude hat, an der Fassade den Slogan der Werbekampagne Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser. befestigt. Profitieren Sie in vielfältiger Weise von den vom DAV zur Verfügung gestellten Materialien. Die im Internet befindlichen Anzeigenbeispiele können daher auch für andere Werbung, beispielsweise auf Ihrer Homepage oder Ihren Mandantenrundbriefen genutzt werden. wal Alle Informationen zur DAV-Werbekampagne für die deutsche Anwaltschaft unter www.anwaltverein.de/ werbekampagne. DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt Opfern politischer Gewalt schnell helfen Tätigkeitsbericht 2006 Die Zahl der rechts motivierten Straftaten nimmt nicht ab, sie steigt vielmehr. Die DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt ist daher nach wie vor notwendig. Die Stiftung ist im Jahre 2001 vom Deutschen Anwaltverein ins Leben gerufen worden. Zweck der Stiftung ist es, Opfern politisch motivierter Gewalt zügig die Wahrung ihrer Rechte durch anwaltlichen Beistand zu ermöglichen. Die DAV Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt wirkt nun in ihrem siebten Jahr. Zur Sicherstellung des notwendigen Rechtsrates übernimmt die Stiftung die Kosten der Rechtsberatung und -vertretung von bedürftigen Opfern politisch motivierter Gewalttaten schnell und unbürokratisch. Die Zahl der Bedürftigen ist nicht zurückgegangen. Einem Bericht auf Zeit online vom 7. Februar 2007 zufolge geben die Landeskriminalämter für das Jahr 2006 vorläufig 12.238 rechts motivierte Straftaten an. Damit wurden rund 2.000 Straftaten mehr als 2005 verzeichnet, und die endgültigen Zahlen liegt meist höher. Den Initiativen zur Stärkung der Demokratiekultur und zur Schaffung on Beratungsstellen droht aber das Aus. Die Bundesregierung denkt daran, die Finanzierung der langfristig angesetzten Projekte zu streichen, und dafür schnelle Eingreiftrupps gegen Rechtsextreme einzusetzen. Neue Fälle geprüft Seit der Errichtung der Stiftung wurden insgesamt 176 Anträge gestellt. Die Stiftung ist in der Anwaltschaft und bei Opferhilfen über Berlin hinaus bekannt. Im Jahre 2006 wurden 37 Fälle an die Stiftung herangetragen. Das sind 12 Fälle mehr als im Kalenderjahr 2005. Ein Kostenvorschuss wurde in 20 Fällen gezahlt. Erledigung durch die Übernahme der Anwaltskosten nach Beendigung des Verfahrens konnte in 16 Fällen aus dem Jahr 2006 und den Vorjahren verzeichnet werden. 18 Anträge aus dem Jahr 2006 waren bis zum Jahresende noch nicht entscheidungsreif. Insgesamt wurde von der Stiftung im Geschäftsjahr 2006 ein Betrag von 20.883,52 Euro gezahlt. Die Notwendigkeit der Stiftungsarbeit wurde im Geschäftsjahr 2006 deutlich aufgezeigt: 9 Die Stiftung wurde um Unterstützung des Opfers eines der Übergriffe gebeten, die ausschlaggebend für die Diskussion über so genannte No- Go-Areas in den Medien vor der Fußball Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland waren. Der aus Mosambik stammende Mandant lebt seit 13 Jahren in Deutschland und arbeitet als Sozialpädagoge in einem Jugendzentrum. Er und sein 14 jähriger Sohn wurden auf der Straße vor ihrem Wohnhaus mit ausländerfeindlichen Schimpftiraden konfrontiert. Der geschulte Mann konnte eine Eskalation nicht verhindern, und wurde geschlagen. Die Polizei stellte bei einigen Angreifern Gegenstände mit Nazisymbolen sicher. Die Familie des Opfers plant aus Sicherheitsgründen einen Umzug in ein anderes Stadtviertel. 9 In zwei Fällen verwendeten die Angreifer Handfeuerwaffen. Ein Mitglied der linken Szene wurde mit Bekannten im Auto angehalten. Die Gruppe wurde dann von vier maskierten Männern zusammengeschlagen. Die Täter verwendeten zwei Teleskopschlagstöcke und eine Pistole. Das Fahrzeug des Mandanten trug einen Totalschaden davon. Bei dem ermittelten Halter des Angreifer- Pkws wurden bei einer Hausdurchsuchung Materialien rechtsgerichteten Inhalts, u.a. Flyer des Hauptvolks, einer verbotenen faschistischen Gruppierung aus dem Havelland gefunden. In einem anderen Fall äußerte ein Mann gegenüber NPD- Mitgliedern, dass er nicht mit der NPD sympathisiere. Daraufhin wurde sein Begleiter tätlich mit einer Fahnenstange angegriffen. Es folgten Tritte ins Gesicht, und ein Schlag auf den Kopf mit einer Pistole. Als der Mandant seinem Freund verbal zur Hilfe kam, griff der Täter nun ihn an. Er schlug den Mandanten mit der Fahnenstange und mit der Faust ins Gesicht. Dann drückte er dem Mann die Pistole mit den Worten Wir können es ja machen wie bei den Juden auf die Stirn. Der Mandant schloss verängstigt die Augen und hörte ein Klicken, da der Täter abgedrückt hatte, sich jedoch kein Schuss löste. Das überraschte den Täter offenkundig. Er zog die Pistole zurück, worauf eine Patrone aus dem Lauf fiel. 336 AnwBl 5/2007

MN Aus der Arbeit des DAV 9 Auch in einem Verfahren gegen einen rechtsextremen Rechtsanwalt unterstützte die Stiftung das Opfer. Der Mandant war Zuschauer einer rechtsextremen Demonstration in Magdeburg. Er befand sich in einer Gruppe äußerlich erkennbarer Gegner der Demonstration, aus deren Mitte Protestäußerungen fielen. Der Mandant selbst äußerte sich jedoch nicht. Ein Hamburger Rechtsanwalt rannte zielgerichtet auf ihn zu und schlug ihm mit der Faust in das Gesicht, so dass er mehrere Tage unter Schmerzen litt. Der Rechtsanwalt ist ein bekannter Rechtsextremist. 9 Die rechtsextreme Gewalt richtet sich keinesfalls nur gegen männliche Personen. Einer Mandantin wurden Anstecker gegen Rechtsextremismus zum Verhängnis. Die damals 17jährige wurde auf dem Rückweg von einer Demonstration gegen Rechtsextremismus im Zug von etwa 35 Neonazis verfolgt. Ein Verfolger sprang ihr dabei in den Rücken und verletzte sie damit. 9 In einem Fall wurde mit Stiftungsgeldern den Opfern eines versuchten Brandanschlages geholfen. Zwei Täter waren nachts in den Asia-Imbiss des Mandanten eingedrungen und hatten versucht dort Benzin zu entzünden. Die von Zeugen alarmierte Polizei konnte einen Brand verhindern. Zur Tatzeit schliefen der Betreiber des Imbiss, seine Frau und die zwei Kinder in dem Gebäude. Zwei der Täter haben Hass auf Ausländer eingeräumt. Spendenaufruf Die Stiftung ist weiter auf Spenden angewiesen. Die Anwaltschaft ist aufgerufen, die Stiftung zu unterstützen. Neben der Möglichkeit der direkten Spende kann man bei den Gerichten auch darauf hinwirken, dass die Stiftung durch gerichtliche Geldauflagen gemäß 153 a StPO begünstigt werden kann. Sie ist in die Listen der gemeinnützigen Einrichtungen aufgenommen, denen diese Geldauflagen zu gute kommen können. Rechtsanwalt Swen Walentowski, Berlin Bitte unterstützen das Anliegen der Stifung. Leisten Sie einen kleinen oder größeren Beitrag auf das Konto der Stiftung bei der Dresdner Bank Bonn: KTO 2078 296 01, BLZ: 370 800 40. Anwaltvereine und DAV Gespräch mit den neuen Vereinsvorsitzenden DAV-Pressemitteilung Resozialisierung statt Wegsperren für immer Das Thema Wegsperren für immer hat rechtspolitisch ungebrochen Konjunktur. Mitte März hat der Rechtsausschuss des Bundestages eine Anhörung zu den Altfällen bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung wegen einer einschränkenden Regelung im Einigungsvertrag durchgeführt. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) tritt für Im Deutschen Anwaltverein sind 248 Anwaltvereine Mitglied. Bei so vielen Anwaltvereinen gibt es natürlich immer auch einen Wechsel bei den Vereinsvorsitzenden. Die neuen Vereinsvorsitzenden (gewählt seit dem 1. Januar 2006) kamen Anfang März auf Einladung des Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins in Berlin zusammen. Die motivierten, engagierten und ideenreichen neuen Vorsitzenden zeigen mir, dass der Deutsche Anwaltverein einen besonderen Vorzug hat: Er ist an der Basis aktiv, freute sich Kilger. Auch wenn es schwieriger geworden sei, Kolleginnen und Kollegen für die ehrenamtliche Tätigkeit zu begeistern, fänden sich immer wieder Anwälte, die die verantwortungsvolle Tätigkeit als Vorsitzende eines Anwaltvereins nicht nur als Last, sondern auch als Freude empfänden. In den Gesprächen der Vereinsvorsitzenden mit dem Präsidenten und der Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins ging es vor allem um praktische Fragen der Vereinsarbeit, den Erfahrungsaustausch unter den Vorsitzenden und um neue Ideen, um die Angebote für die Mitglieder möglichst attraktiv zu machen. Ein Schwerpunkt lag auf dem gesellschaftlichen Engagement von Anwältinnen und Anwälten, um allen Bevölkerungskreisen den Zugang zum Recht zu ermöglichen. Zum Programm gehörte auch ein Besuch im Deutschen Bundestag. Die neuen Vereinsvorsitzenden mit dem DAV-Pr sidenten (v.l.n.r.): Helmut Kluge (Weilheim), Martin Lorentz (Schwerin), Franz Lutz (Augsburg, vorne), Werner Kessing (Cloppenburg, hinten), Hans-J rgen Merk (Bad Kreuznach), Christian Aumeier (Deggendorf, vorne), Andreas Suchy (Bautzen, hinten), J rgen Mehlau (Recklinghausen, vorne), Achim Flauaus (Darmstadt, hinten), Renate Bartsch (Ahlen), Nicole Buchert (Bad Segeberg), Hartmut Kilger (DAV-Pr sident), Renate G ttling (Warendorf), Angela Ruff (Bremerhaven), Burkhard Zurheide (Bielefeld), Anja van der P tten (Emden), Mirko Aue (Kassel) und Christine Theobald-Frick (Koblenz). nil eine nüchterne Bestandsaufnahme ein und warnt vor populistischer Panikmache. Die Kriminalpolitik müsse stärker die Resozialisierung fördernde Maßnahmen unterstützen und die in den letzten Jahren auf diesem Gebiet aufgelaufenen schwerwiegenden Versäumnisse ausgleichen. Für eine Ausweitung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gibt es keine vernünftigen Gründe, so Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender desdav-strafrechtsausschusses. Quelle: DAV-Pressemitt. Nr. 14/07 AnwBl 5/2007 337

MN Aus der Arbeit des DAV DAV-Gesetzgebungsausschü sse Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben Der Deutsche Anwaltverein begleitet aktuelle Gesetzesvorhaben sowohl auf nationaler als auch auf europäischer und internationaler Ebene. Stellungnahmen des DAV werden von seinen 32 Gesetzgebungsausschüssen erarbeitet. Das Anwaltsblatt weist regelmäßig auf wichtige Stellungnahmen hin. Alle Stellungnahmen finden sich unter www.anwaltverein.de/03/05/ index.html. Ausschuss Anwaltsnotariat 9 Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat Der DAV hat durch seinen Ausschuss Anwaltsnotariat und den Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemenschaft Anwaltsnotariat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat kritisiert. Eine Neuordnung sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 zwar nötig, der Gesetzentwurf habe aber bei der Ausgestaltung der Fachprüfung und der Ausbildung viele Schwächen. Ziel dürfe nicht nur die Verbesserung der Bestenauslese und die Steigerung der fachlichen Qualität der Bewerber sein. Vielmehr gehe es auch darum, die Chancengleichheit zu wahren. Dazu gehöre auch die Reduzierung der Kosten für den Bewerber, der trotz erheblichen finanziellen Aufwandes nicht sicher sein konnte und auch zukünftig nicht sein kann, den Zugang zum Beruf zu erreichen. Ausschuss Europäisches Vertragsrecht 9 Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherrecht Der Deutsche Anwaltverein spricht sich in seiner Stellungnahme durch den Ausschuss Europäisches Vertragsrecht zum Grünbuch Überarbeitung des Verbraucheracquis für eine Vollharmonisierung des EU-Verbraucherrechts bei gleichzeitiger Anwendung dieser Regeln auf grenzüberschreitende wie nationale Sachverhalte aus. Der Ausschuss befürwortet eine Kombination aus einem allgemeinen Rechtsintrument(u.a. mitregelnzum Verbraucherbegriff) und spezifischen Rechtsintrumenten. 9 Resolution zum Europäischen Vertragsrecht Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die Bestrebungen des Europäischen Parlaments, ein einheitliches Europäisches Vertragsrecht zu schaffen. Zivilverfahrensrechtsausschuss 9 Grünbuch der Kommission zur vorläufigen Kontenpfändung Der DAV steht den im Grünbuch der Kommission zur effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der EU (vorläufige Kontenpfändung, (KOM 2006) 618 endg.; Ratsdok. 145 83/06, BR-Drucks. 754/006) enthaltenen Vorschlägen zur einheitlichen Kontenpfändung in Europa skeptisch gegenüber. Die Vorschläge könnten dazu führen, dass rein vorläufige Sicherungsmaßnahmen zur endgültigen wirtschaftlichen Vernichtung des (vermeintlichen) Schuldners führen. Ausschuss Arbeitsrecht 9 Grünbuch zum Arbeitsrecht Mit dem Grünbuch zum Arbeitsrecht zielt die Kommission auf europäisch einheitliche Maßnahmen im Arbeitsrecht ab. Der DAV kritisiert in der Stellungnahme des Arbeitsrechtsausschusses, dass das Gemeinschaftsrecht keineswegsinallen Mitgliedstaaten vergleichbare Wirkungen entfalte. Die Änderung europarechtlicher Teile greife in das nationale Gesamtgefüge ein. Das könne dazu führen, dass die Unterschiede zwischen nationalen Arbeitsrechtsordnungen nicht geringer, sonderngrößerwürden. Ausschuss Geistiges Eigentum 9 Verbesserte Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums Der DAV nimmt durch seinen Ausschuss Geistiges Eigentum zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums Stellung, insbesondere zu patentrechtlichen Fragen. DAV und Amnesty International Anwälte helfen verfolgten Anwälten In diesem Heft: Digna Ochoa y Plácido (Mexiko) Der Deutsche Anwaltverein unterstützt mit dieser Rubrik die Arbeit von Amnesty International. Im Anwaltsblatt werden regelmäßig Fälle von Anwältinnen und Anwälten vorgestellt, die sich auch unter schwierigen Bedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen auch wenn sie deswegen selbst Gefahr laufen, in ihrer beruflichen Tätigkeit bis hin zu massiven Bedrohungen behindert zu werden. Arbeit unter Lebensgefahr Rechtsanwältinnen in Mexiko Digna Ochoa y Plácido arbeitete als Rechtsanwältin in Mexiko. 1995 ist es ein Jahr her, dass sie die Leitung der Rechtsabteilung der mexikanischen Menschenrechtsorganisation PRODH (Centro de Derechos Humanos, Miguel Agustín Pro-Juárez) übernommen hat. Sie erhält wiederholt Drohungen, sie solle ihre Arbeit einstellen. Tatsächlich ist ihr Engagement vielen in Mexiko ein Dorn im Auge, denn sie engagiert sich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen entschieden dafür, die in Mexiko verbreitete Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Auch schwerste Menschenrechtsverletzungen, die Behördenvertretern bis hin zu Mitarbeitern der Generalstaatsanwaltschaft zur Last gelegt werden, bleiben ungesühnt, weil die Täter nicht ermittelt und vor Gericht gestellt werden können. Dabei trifft es insbesondere Menschenrechtler, die sich im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen mexikanischen Sicherheitskräften und bewaffneten Rebellen der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee oder gewerkschaftlichen Protesten engagiert oder sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingesetzt haben: Sie werden ermordet, entführt, gefoltert und vergewaltigt. Täter werden praktisch nie ermittelt. 1999 bleibt es nicht mehr bei Drohungen. Im August wird sie in Mexiko- Stadt von zwei unbekannten Männern in ein Auto gezwängt und mit Fausthieben in den Magen traktiert. Später lässt man sie wieder frei, droht ihr aber, sie 338 AnwBl 5/2007

MN Aus der Arbeit des DAV umzubringen, sollte sie die Entführung an die Öffentlichkeit bringen. Am 28. Oktober dringen drei Männer in das Haus von Digna Ochoa ein, verbinden ihr die Augen und befragen sie mehrere Stunden über Mitglieder von PRODH und bewaffneter Oppositionsgruppen, die in Guerrero und Chiapas operieren. Die Männer fesseln Digna Ochoa an ihr Bett und lassen einen Gaskanister mit geöffnetem Ventil in ihrem Zimmer zurück. Es gelingt ihr, sich zu befreien. In der Folgezeit erhält Digna Ochoa viele Auszeichnungen und besucht mit ihrer Kollegin Pilar Noriega das Ausland. So sind die Anwältinnen für eine Zeit in Sicherheit und hoffen, dass die internationalen Kontakte vielleicht zu ihrem Schutz beitragen können. Am 15. März 2000 besuchen sie den Juristenarbeitskreis der deutschen Sektion von Amnesty International. Die Kraft und der Optimismus, aber auch die Bescheidenheit der beiden Anwältinnen, die ihr Tun für selbstverständlich halten, beeindruckt uns sehr. Dann erhalten wir die furchtbare Nachricht: Digna Ochoa y Plácido ist erschossen aufgefunden worden. Ihr Leichnam wird am 19. Oktober 2001 in ihrer Rechtsanwaltskanzlei in Mexiko- Stadt gefunden. Neben ihr wird ein Drohbrief mit der Ankündigung hinterlassen, auch anderen Mitgliedern der PRODH drohe dieses Schicksal, falls sie ihre Menschenrechtsarbeit fortsetzten. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in diesem Fall trotz einer Fülle von Unstimmigkeiten gleich zweimal mit dem Hinweis abschließt, Digna Ochoa habe Selbstmord begangen, erreicht ihre Familie schließlich, dass die Untersuchungen nach Angaben des Generalstaatsanwalts von Mexiko-Stadt Ende Februar 2005 wieder aufgenommen werden. Die Lage ist noch immer kritisch Der Fall von Digna Ochoa ist kein Einzelfall. Immer wieder erhält Amnesty International Nachrichten, dass in Mexiko Anwältinnen und Anwälte Drohungen ausgesetzt und die zuständigen Behörden oft nur widerwillig bereit sind, den Hinweisen auf Bedrohungen nachzugehen. So sah sich die Rechtsanwältin Erica Serrano Farías im Februar 2006 damit konfrontiert, dass vor dem Restaurant eines Familienangehörigen eine Handgranate deponiert worden war. Die Rechtsanwältin unterstützt als Rechtsberaterin ein Die Anw ltin Digna Ochoa ypl cido wurde 2001 erschossen. Netzwerk von Umweltorganisationen, das sich gegen den Bau der Ferienanlage Marina Puerto Mío in der Bucht von Zihuatanejo im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero engagiert. Die Polizei wies zunächst darauf hin, es sei kein Zünder vorhanden gewesen und die Granate könne zufällig vor das Restaurant geraten sein. Erst nachdem die Anwältin Anzeige bei der Bundesstaatsanwaltschaft erstattet hatte, wurden Ermittlungen eingeleitet. Inzwischen haben auch Mitglieder der Umweltorganisationen Drohanrufe erhalten. Nach wie vor werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich in Mexiko für gesellschaftliche Belange einsetzen, Opfer von Drangsalierungen, Drohungen und Diffamierungen. Die dafür Verantwortlichen werden nur in Ausnahmefällen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen, vor allem, weil die Behörden die Vorfälle weder effektiv untersuchen noch den politischen Willen zeigen, die legitime Rolle von Menschenrechtsverteidigern in Mexiko anzuerkennen. Es gilt, diesen Umstand öffentlich zu machen, um einen Beitrag zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen zu leisten. Maren Tamke und Peter Franck, Amnesty International Mit der Veröffentlichung der Fälle von Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in schwierigen Situationen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, will der DAVeinen Beitrag zu ihrem Schutz leisten. Wollen Sie sich auch ganz persönlich einsetzen? Nähere Informationen unter www.aijuristen.de. Dort finden Sie aktuelle Fälle von bedrohten Anwältinnen und Anwälte und Informationen, wie Sie sich engagieren können. AG Arbeitsrecht Arbeitsrecht kodifizieren Pressekonferenz in Hamburg Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht hat anlässlich der 53. Tagung ihre Pressearbeit intensiviert. Der Vorsitzende des DAV-Arbeitsrechtsausschusses Rechtsanwalt Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen sowie der Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht Rechtsanwalt Dr. Jobst-Hubertus Bauer standen den Pressevertretern zur Verfügung. Prof. Dr. Willemsen erneuerte die Forderung des DAV, das ein Arbeitsvertragsgesetz geschaffen werden solle. Das bisherige Fehlen eines kodifizierten Arbeitsvertragsgesetzes stellt aus Sicht des Arbeitsrechtsausschusses des DAV einen schwerwiegenden Mangel des deutschen Rechtsystems dar. Dieser hätte nach 30des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 längst behoben werden müssen. Die Besonderheit des von den Professoren Preis und Henssler erstellten Entwurfs läge darin, dass neben der ausdrücklichen Regelung des Richterrechts und der Zusammenstellung der für das Arbeitsrecht relevanten Paragraphen in einem Gesetzestext, auch einige brisante Regelungen, welche im Gesetz bisher nicht ausdrücklich geregelt waren, aufgenommen worden seien. Der DAV appelliere daher insbesondere an die Verbände der Arbeitsnehmer und Arbeitgeber das Vorhaben weder als Angriff auf vorhandene Besitzstände noch als politisches Instrument zu deren Erweiterung zu verstehen, so Prof. Dr. Willemsen. Er bedauere sehr, dass der Gesetzgeber bisher die Initiative nicht aufgegriffen habe. Der Arbeitsrechtsausschuss hat zu diesem Vorhaben eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben und in dieser, ebenso wie in dem Entwurf selbst, eine ausgleichende Kompromisslösung zwischen den Interessen der Arbeitgeber und denen der Arbeitnehmer vorgeschlagen. Dr. Bauer begrüßte, dass durch den Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen (BT-Drs. 16/4371) Unternehmen ermutigt werden sollen, ältere Menschen einzustellen. Er kritisierte allerdings, dass diese Regelungen nur dann greifen sollen, wenn ältere AnwBl 5/2007 339

MN Aus der Arbeit des DAV Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mindestens 4 Monate vorher beschäftigungslos waren oder Transferkurzarbeitergeld bezogen bzw. an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen haben. Für Noch-Beschäftigte und damit nur von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer solle diese Regelung nicht gelten. Dringend notwendig ist nach Auffassung von Bauer eine Reform der sachgrundlosen Befristung nach 14 Abs. 2 TzBfG. Nach jetzigem Recht kann der Arbeitgeber keinen irgendwann in der Vergangenheit bei ihm beschäftigen Arbeitnehmer sachgrundlos befristet einstellen. Er forderte, dieses Anschlussverbot zu lockern, indem man es auf einen absehbaren Zeitraum beschränke. Das derzeitige Befristungsrecht, welches bereits die rot-grüne Vorgängerregierung ändern wollte (vgl. Entwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des SGB III, BT-Drucks. 15/5556 vom 30. Mai 2005, S. 15) zeichne sich durch ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit aus. Diese müsse endlich behoben werden. Rechtsanwältin Dr. Katharina Freytag, Berlin AG Arbeitsrecht Die Mischung des Programms lockt immer mehr Teilnehmer 53. Tagung in Hamburg Das Hotel Atlantic in Hamburg bot den Rahmen für die 53. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht. Am 9. und 10. März 2007 kamen 450 Teilnehmer zusammen, darunter neben Anwälten auch Richter vom BAG und Professoren. Die ständig wachsende Teilnehmerzahl zeigt, dass das Konzept dieser Tagung, eine Mischung aus Vorträgen und Workshops sowie einem festlichen Abendprogramm, von den Teilnehmern angenommen wird. So konnte der Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses Rechtsanwalt Dr. Jobst-Hubertus Bauer 450 Teilnehmer begrüßen, die das Hotel an den Rand seiner Kapazitäten brachten. EuGH und BAG zum Betriebsübergang Zum Auftakt der Tagung referierte Rechtsanwalt Prof. Dr. Heinz-Josef Willemsen, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Arbeitsrecht, zur aktuellen Rechtsprechung zum Betriebsübergang. Willemsen ging insbesondere auf das Güney-Görres -Urteil (EuGH vom 15. Dezember 2005, Rs. C-232/04) und das Flughafen -Urteil (BAG vom 13. Juni 2006, 8 AZR 271/05) ein. Der EuGH hatte in seinem Urteil zum Betriebsübergang festgestellt, dass bei der Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliege, der Übergang der Betriebsmittel nur einen Aspekt darstelle. Die nationalen Gerichte seien dazu aufgefordert, auch die Art des betroffenen Betriebes zu berücksichtigen. Beim Flughafen -Urteil des BAG sei daher überraschend gewesen, dass gerade die Art des betroffenen Betriebes nicht Gegenstand der Beurteilung gewesen sei. Nach Ansicht des 8. Senats des BAG führe offenbar jede Übernahme der notwendigen Betriebsmittel dazu, dass ein Betriebsübergang vorliege. Schlussfolgerung von Willemsen war, dass es künftig weniger Outsourcing geben werde. Es gebe nur noch wenige Geschäftsbereiche bei denen ein Konkurrent die ausgeschriebene Aufgabe übernehmen könne, ohne sich dem Risiko eines Betriebsübergangs auszusetzen (mit der Folge, dass er das Personal übernehmen müsse). Daher werde die Beteiligungsquote bei Ausschreibungen künftig zurückgehen. Eine weitere Konsequenz könne darin bestehen, dass Betriebe in den Bereichen, in denen ein Outsourcing möglich sei, freiwerdende Stellen nur noch mit Zeitarbeitern besetzten. Willemsens Vortrag endete mit einem Gedicht zu 613 abgb, das dann auch den Vorsitzenden des 8. Senats des BAG Friedrich Hauck zu einer Erwiderung motivierte. AGG und mehr Rechtsanwältin Dr. Annett Böhm referierte über Neue Entwicklungen im Arbeitsrecht und unterteilte dabei in die Bereiche Rechtsprechung und gesetzgeberische Aktivitäten in Deutschland. In der Rechtsprechung ging sie sowohl auf kündigungsrechtliche und auf diskriminierungsrelevante Fallgestaltungen sowie auf das Schwerbehindertenrecht ein. Dazu trug sie jeweils aus aktuellen Entscheidungen vor. Bezüglich der gesetzgeberischen Aktivitäten in Deutschland stellte sie die Änderungen im AGG sowie das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz vor. Sie schloss ihren Vortrag mit Ausführungen zu den auf Eis gelegten Vorhaben der Änderungen im Kündigungsschutz und Streichung der sachgrundlosen Befristung. Workshops Wie bereits bei den letzten Tagungen gab es parallele Workshops zu unterschiedlichen Themen. Rechtsanwalt Dr. Mark Lembke moderierte den Workshop Neues zum Personalabbau Junk, AGG und BAG lassen grüßen. Rechtsanwalt Dr. Detlef Grimm leitete den Workshop Videoüberwachung Rechtlicher Rahmen, Beweisverwertung und Gestaltung und Rechtsanwältin Melanie Sandmann den Workshop Unternehmensübergreifende Mitarbeiterpools Verleihen statt kündigen?. Am Abend bot sich nach dem traditionellen Sektempfang beim festlichen Dinner im wunderschönen großen Saal des Hotels Gelegenheit zum fachlichen Austausch. Die Abendveranstaltung erfreute sich mit 600 Gästen großer Beliebtheit. Mitgliederversammlung Die Mitgliederversammlung mit Wahlen zum Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft fand am Samstagvormittag statt. Erneut wurden die Rechtsanwälte Dr. Jobst- Hubertus Bauer, Dr. Stefan Lunk, Dr. Hans-Georg Meier, Dr. Johannes Schipp und Reinhard Schütte in den Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft des DAV gewählt, wobei Dr. Jobst-Hubertus Bauer durch den Geschäftsführenden Ausschuss einstimmig als Vorsitzender bestätigt wurde. Auch wurde eine geringfügige Satzungsanpassung bzgl. der Vertretungsregelung beschlossen. Im Anschluss daran hielt Prof. Dr. Matthias Jacob einen Vortrag zu Tarifpluralität statt Tarifeinheit, in welchem er für einen Abschied von der Tarifeinheit im Betrieb plädierte. Rechtsanwältin Dr. Katharina Freytag, Berlin Die Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht findet am 14. und 15. September 2007 in Stuttgart statt. 340 AnwBl 5/2007

MN Aus der Arbeit des DAV Forum Junge Anwaltschaft Denn sie wissen jetzt, was sie tun. An dem 26. Forum Erfolgreicher Einstieg in den Anwaltsberuf Mitte Februar 2006 in Gelsenkirchen nahmen knapp 250 Junganwälte, Referendare und Assessoren teil. Eine kleine Reportage. Vor allem bei den Teilnehmern, die aus dem Kölner Raum kommen, wird deutlich, dass sie es mit dem Anwaltsberuf ernst meinen müssen sie opfern für das Seminar bereitwillig das diesjährige Karnevalswochenende. Eingestimmt werden sie von Rechtsanwältin Silke Waterschek aus Heilbronn und Rechtsanwalt Henrik Behnke aus Ratingen mit deren Erfahrungsberichten über ihre eigenen Existenzgründungen. Beide saßen vor einigen Monaten selbst noch im Auditorium und geben erste praxiserprobte Konzepte und Tipps für die Kanzleigründung. Rechtsanwalt Horst Leis aus Essen vertieft anschließend ein Thema seiner Vorredner: Den Finanzierungsplan und das Kanzleimanagement. In die Geheimnisse des Marketings im umkämpften Anwaltsmarkt führt Rechtsanwalt Professor Dr. Benno Heussen aus Berlin ein. Bei Heussen wie bei den anderen Referenten wird es immer besonders still im Saal, wenn das Nähkästchen geöffnet wird und persönliche Erfahrungen und Anekdoten berichtet werden. Dann tritt das Besondere der Veranstaltung besonders deutlich zu tage: Die Referenten sind nicht nur Vortragende, sie sind Kurzzeitmentoren. Die Teilnehmer saugen alles dankbar auf wie kleine Schwämme. Die Sozialrechtlerin Bettina Schmidt aus Bonn hält nach ihrem Vortrag wegen der vielen Nachfragen zum Versorgungswerk auch gleich eine Forum Junge Anwaltschaft Zeitmanagement: Zeit ist mehr als Geld Das Forum Junge Anwaltschaft wird auf dem diesjährigen Anwaltstag in Mannheim zwei Vorträge präsentieren: Zum Zeitmanagement und zur Limited. Das Anwaltsleben wird bestimmt von Fristen. Fristen des Gegners oder des Gerichts, eigene, wichtige, unwichtige, verlängerbare, nicht verlängerbare, eilige, halbeilige, versäumte und viele mehr. Ohne Fristen würde wahrscheinlich nichts funktionieren. Nur: Die Fristen des Lebens laufen auch ab, fast unmerklich, schleichend und das merkt man dann leider oft zu spät. Wer z. B. irgendwann feststellt, dass der örtliche Amtsrichter vertrauter ist als der eigene Ehepartner, der hat etwas falsch gemacht. Eine Fristversäumnis, für die keine Berufshaftpflichtversicherung einspringt. Dass es so weit nicht kommen muss, will Rob Bots mit seinem Vortrag Anwaltsmanagement-Zeitmanagement-Mehr Zeit für das Wesentliche aufzeigen, den er für das Forum Junge Anwaltschaft auf dem 58. Deutschen Anwaltstag halten wird (Himmelfahrt, 17. Mai 2007, 14 bis 16 Uhr). Bots war Jahre lang als Projektmanager in internationalen Unternehmen tätig und setzt seine Erfahrungen nun als Unternehmensberater und Coach ein. In seinem Vortrag wird er neue und praktikable Ansätze vorstellen, wie man die eigene Zeiteinteilung besser in den Griff bekommt, damit man eben mehr Zeit für das Wesentliche hat. Ob das Wesentliche dann der Ehepartner ist, das muss indes jeder für sich selbst entscheiden. Neues zur Limited Dass bei einer importierten Rechtsform viele neue Rechtsfragen zu beantworten sind, liegt auf der Hand. In Ihrem Vortrag, Private Limited Company by Shares (ltd.) Haftungs- und Zwangsvollstreckungsfragen gehen Rechtsanwalt Dr. Andreas Hohnel und Rechtsanwalt Campos Nave solchen Fragen nach (Himmelfahrt, 17. Mai 2007. 16 17.30 Uhr). Rechtsanwalt Manfred Aranowski, Berlin Informationen,Programm und Anmeldung zum 58. Deutschen Anwaltstag unter www.anwaltstag.de. Ad-Hoc-Sprechstunde während der Kaffeepause ab, damit der nachfolgende Vortrag rechtzeitig starten kann: Der Anwalt und die Medien unterhaltsam und informativ regen der DAV- Pressesprecher Rechtsanwalt Swen Walentowski und der Journalist und Rechtsanwalt Micha Guttmann aus Köln die jungen Zuhörer an, sich mit guter Öffentlichkeitsarbeit neue Mandate zu beschaffen. Der erste Seminartag wird durch drei vom Forum Junge Anwaltschaft mitgestaltete Einsteiger-Workshops zum Beschwerdemanagement, zum RVG und zum Familienrecht abgerundet. Berufsrecht zum Ernüchtern Am Samstagmorgen geht es in Gelsenkirchen um 9.00 Uhr weiter. Trotz langer Nacht in der Advodisco ist der Saal voll. Erstes Thema: Anwaltliches Berufsrecht. Wer meinte, das nur mit einer ganzen Kanne Kaffee durchstehen zu können, der wird eines Besseren belehrt. Denn spätestens nach einer Minute ist auch die letzte Reihe hellwach, heißt doch der Referent Dr. Michael Kleine-Cosack, der es wie kaum ein anderer versteht, ein durchaus auch für Juristen trockenes Thema mit viel Witz und Ironie höchst unterhaltsam zu vermitteln. Die Rhetoriktrainerin Contanze Eich aus Stuttgart führt die Teilnehmer anschließend in die Grundzüge der Rhetorik ein. Von der Gänsehaut im Nacken bis zum hoffnungsvollen Durchatmen diese Bandbreite an Gefühlsausdrücken durchlaufen die Zuhörer bei Rechtsanwältin Edith Kindermann aus Bremen, die zur Haftung einerseits und zum Honorar andererseits referiert und zum Schluss noch die Methoden der Gründungsplanung darstellt. Nach dem Seminar verteilen sich die jungen Teilnehmer wieder über die gesamte Republik. Ob als Angestellter oder Selbständiger, sie werden gestärkt in den Beruf gehen, denn sie wissen jetzt, was sie tun, wie ein Referent beim Abschied in Anspielung auf einen Filmklassiker väterlich schmunzelnd bemerkt. Rechtsanwalt Manfred Aranowski, Berlin Das nächste Existenzgründerforum wird am 05./06. Oktober 2007 in Würzburg stattfinden. Der gesamte Tagungspreis beträgt 55,00 EUR. Anmeldungen bei der Deutschen Anwaltakademie, Frank Ritter, Littenstr. 11, 10179 Berlin, Tel.: 030/726153-181, Fax: -188, ritter@anwaltakademie.de. AnwBl 5/2007 341

MN Aus der Arbeit des DAV ARGE Baurecht Immobilienrecht jetzt im Namen der AG Die Baurechtler im DAV haben einen neuen Namen. Anlässlich ihrer Baurechtstagung am 16. und 17. März in Hamburg hat die Arbeitsgemeinschaft Bau- und Architektenrecht ihre Umbenennung offiziell bekannt gegeben: Statt ARGE Baurecht Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Architektenrecht im Deutschen Anwaltverein heißt sie ab sofort ARGE Baurecht Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. Rechtsanwalt Peter Oppler, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der ARGE Baurecht, begründet die Umbenennung mit den Entwicklungen der letzten Jahre. Unsere Arbeit reicht inzwischen weit über die Bezeichnung Bau- und Architektenrecht hinaus. Hinzu komme die europa- und weltweite Angleichung der Berufsfelder. In den Nachbarländern, erläutert Peter Oppler, umschreiben die Baurechtsanwälte Tätigkeitsbereich inzwischen meist mit dem Hinweis auf das Immobilienrecht. Real estate lautet dort der häufig gebrauchte Zusatz, den die deutschen Baufachanwälte nun in ihrer neuen Fachbezeichnung Immobilienrecht ebenfalls betonen. Die ARGE Baurecht hatte den Beschluss zur Umbenennung in der Mitgliederversammlung am 18. November vergangenen Jahres in Frankfurt am Main gefasst. Am 1. März diesen Jahres stimmte der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins dem neuen Namen offiziell zu. Die ARGE Baurecht ist eine Gruppierung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten innerhalb des DAV und wurde 1992 gegründet. Derzeit gehören der ARGE Baurecht knapp 2.800 Rechtsanwältinnen und -anwälte der Fachrichtung Bau- und Immobilienrecht aus dem gesamten Bundesgebiet an, Tendenz steigend. Damit ist die ARGE Baurecht der größte Berufsverband von bau-rechtlich spezialisierten Rechtsanwälten in Deutschland und Europa. Informationen zur ARGE Baurecht im Internet unter www.arge-baurecht.com. AG Informationstechnologie Cebit: AG war Partner des Forums Mittelstand Die Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie (davit) unterstütze wie schon im Vorjahr die Initiative Cebit Mittelstand, welche Klein- und Mittelständischen Unternehmen Orientierung im globalen Wettbewerb bietet. Die Digitalisierung der Unternehmensprozesse stellt neue Herausforderungen an die Beachtung komplexer Rechtsthemen im Unternehmen sowie die individuelle Haftungseinschätzung. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft standen den Messebesucher für Fragen aus diesen Themenbereichen zur Verfügung und gaben Rat und Hilfestellung, wie kompetente Ansprechpartner vor Ort zu finden sind. Auf dem Gemeinschaftsstand für den Mittelstand BestPractice-IT Ideen und Lösungsvorschläge von Unternehmern für Unternehmer waren Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft in der gesamten Cebit-Woche mit einem Informationsstand und Arena-Workshops aktiv. Die Workshops boten Gelegenheit, sich über folgende Themen näher zu informieren: Elektronische Rechnung und Archivierung, Wartungs- und Pflegeverträge rechtssicher gestalten, Private Email- und Internetnutzung am Arbeitsplatz, Online-Shops rechtssicher gestalten sowie Rechtsfragen bei Software aus Zweiter Hand. Am Samstag hielt der Regionalbeauftragte für Hannover, Rechtsanwalt Thomas Feil einen Fachvortrag: IT-Sicherheit: Pflicht oder Kür?. Am Dienstag beteiligte sich das Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses, Rechtsanwalt Dr. Thomas Lapp an der Podiumsdiskussion im Fokus Handwerk: Datendiebstahl Big Brother in kleinen Betrieben mit datenschutzrechtlichen Aspekten. Die Arbeitsgemeinschaft nutzte die Gelegenheit, die Einführung der Fachanwaltschaft IT-Recht bei den Akteuren des Mittelstandes sowie die IT-Anwaltssuche auf der eigenen Website bekannt zu machen. Rechtsanwältin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Berlin Weitere Informationen und Materialien finden Sie unter www.davit.de, www.bestpractice-it.de und www.cebit.de. Anwaltverein Donau-Ries Anwälte und Richter bilden Qualtitätszirkel Der Anwaltverein Donau-Ries geht neue Wege der Qualitätssicherung: Rechtsanwälte und Richter arbeiten zusammen. Es ist ein Modellprojekt auch für andere Anwaltvereine. Der Qualitätszirkel Anwaltschaft und Gericht für den Amtsgerichtsbezirk Nördlingen wurde vom Direktor des Amtsgerichtes Nördlingen Helmut Beyschlag und dem Vorsitzenden des Anwaltvereins Donau-Ries gegründet. Er arbeitet an der ständigen Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organen der Rechtspflege. Sowohl in der kleinen Gesprächsrunde als auch bei den größeren Treffen werden für die tägliche Arbeit der Anwaltschaft und der verschiedenen Ebenen des Amtsgerichts immer wieder Verbesserungen und Verständigungen erreicht. Davon profitieren die Mandanten der Anwälte und letztlich alle Bürger. Als neuestes Projekt wurde von den Spezialisten des Amtsgerichts Nördlingen und von einem qualifizierten Rechtsanwalt ein Seminar zum Insolvenzrecht angeboten. Zwar gehen die so genannten Regelinsolvenzen zahlenmäßig zurück, d. h. es gehen weniger Firmen in Konkurs, die nicht weniger arbeitsintensiven und organisatorisch wie juristisch anspruchsvollen Verbraucherinsolvenzen nehmen aber ständig zu. Gerade junge Anwältinnen und Anwälte erhielten einen fundierten Einblick in den Gang des Verfahrens. Direktor Beyschlag und Rechtsanwalt Wörlen dankten den Referentinnen und Referenten für die Vorbereitung des Seminars aus. Selbstverständlich sei das nicht. Besonders gewürdigt wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die kollegiale Haltung des anwaltlichen Referenten, der seinen potentiellen Konkurrenten Blicke hinter die Kulissen ermöglichte und bewies, dass es für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Insolvenzverwaltung durchaus neben vielen anderen Erfordernissen fundierte und systematisch geordnete Rechtskenntnisse braucht. Rechtsanwalt Friedrich Wörlen, Nördlingen 342 AnwBl 5/2007

MN Aus der Arbeit des DAV AG Ausländer- und Asylrecht Mitgliederversammlung Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein lädt alle Mitglieder ein zur Mitgliederversammlung am 16.6.2007, 13.30 bis ca. 15.30 Uhr im Kolpinghaus International, St.-Apernstraße 32, 50667 Köln. Vorschlag zur Tagesordnung: 1. Geschäftsbericht des Geschäftsführenden Ausschusses 2. Bericht des Schatzmeisters 3. Bericht des Kassenprüfers 4. Aussprache zu Punkten 1 3 5. Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 6. Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses 7. Wahl eines Kassenprüfers 8. Änderung der Geschäftsordnung nach der neuen Mustersatzung 9. ANA 10. Vertrauensanwälte der Botschaften 11. Erhöhung des Mitgliedsbeitrags bei gleichzeitigem Abonnement der ZAR 12. Anregung für Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft (Fortbildung, Sonstiges) 13. Verschiedenes Anträge von Mitgliedern sind auf die Tagesordnung zu setzen, wenn sie spätestens 21 Tage vor der Mitgliederversammlung dem Geschäftsführenden Ausschuss schriftlich vorliegen und von mindestens 10 Mitgliedern unterstützt werden ( 6 Abs.3 der GO). Bitte schicken Sie die Anträge an die Geschäftstelle der Arbeitsgemeinschaft beim Deutschen Anwaltverein, Littenstraße 11, 10179 Berlin. Personalien Neue Vorsitzende der AG Steuerrecht Rechtsanwältin Kirsten Bäumel, Aachen, wurde zur neuen Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht gewählt, nachdem Dr. Rolf Schwedhelm, Köln, seinen Vorsitz nach über 10 Jahren abgegeben hat. Personalien Dr.HansDieterBeck75 Dr. Hans Dieter Beck, Verleger des Verlags C. H. Beck, hat am 9. April 2007 seinen 75. Geburtstag gefeiert. Den Markt für juristische Literatur hat er in den vergangenen Jahrzehnten geprägt, wie kaum ein anderer. Beck leitet den Verlag, noch immer ein Familienunternehmen, seit 1971 zusammen mit seinem Bruder Wolfgang Beck. Zuvor war er als Richter und Staatsanwalt tätig. Promoviert hat er nach seinem Studium in München, Erlangen, Heidelberg und Bonn zum Lizenzvertrag im Verlagswesen. Zwischen dem Verlag C. H. Beck und dem Deutschen Anwaltverein gibt es seit Jahrzehnten enge, freundschaftliche Verbindungen. Die nach dem Zweiten Weltkrieg vom Neue Vereinsvorsitzende Kölner Anwaltverein e. V.: Zur neuen Vereinsvorsitzenden des Anwaltvereins wurde Rechtsanwältin Pia Tybussek, Köln, gewählt. Sie löst damit Rechtsanwalt Dr. Rainer Klocke nach neunjähriger Amtszeit ab. Anwaltverein für den LG-Bezirk Regensburg e. V.: Hans-Thomas Raith übergab den Vereinsvorsitz, den er 13 Jahre innehatte, an seine Kollegin Rechtsanwältin Stefanie Haizmann,Regensburg. Schweriner Anwaltverein: Rechtsanwalt Martin Lorenz, Schwerin, wurde zum neuen Vereinsvorsitzenden gewählt. Sein Vorgänger war Rechtsanwalt H. Henning Irmler, der den Vorsitz nach elf Jahren abgab. Zossener Anwalts-Verein Teltow Fläming e. V.: Den Vereinsvorsitz für den neu gegründeten Anwaltverein übernimmt Rechtsanwalt Sven Rasehorn, Ludwigsfelde. Verlag gegründete Neue Juristische Wochenschrift (NJW) wird u.a. in Verbindung mit dem Deutschen Anwaltverein herausgegeben. Die NJW knüpfte damit an die Tradition der Juristischen Wochenschrift (JW) an, deren Eigentümer der Deutsche Anwaltverein gewesen war. Der 1763 gegründete Beck-Verlag ist eines der ältesten Verlagsunternehmen in Deutschland. Zum Verlag gehören heute u.a. auch die Verlage Vahlen und Nomos. Verein der Rechtsanwälte des LG-Bezirks Bad Kreuznach e. V.: Rechtsanwalt Hans-Jürgen Merk, Bad Kreuznach, wurde zum neuen Vereinsvorsitzenden gewählt. Sein Vorgänger war Rechtsanwalt Thomas Scheffler, der das Amt nach fünfjähriger Amtszeit übergab. Strausberger Anwaltverein e. V.: Rechtsanwalt Jens Mader, Strausberg, hat den Vereinsvorsitz des neu gegründeten örtlichen Anwaltvereins übernommen. Auszeichnung von Anwälten Der Bundespräsident hat Herrn Rechtsanwalt Boy-Jürgen Andresen, Wiesbaden, das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Der Bundespräsident hat Herrn Rechtsanwalt Hans Schröter, Neustadt, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. AnwBl 5/2007 343

MN58. Deutscher Anwaltstag Mannheim 17. 19. Mai 2007 Deutschlands Anwaltschaft in Europa Europa im Mandat Mandat in Europa Aktualisiertes Veranstaltungsprogramm (Stand: 6.4.2007) Freitag, 18. Mai 2007, 09.30 13.00 Zentralveranstaltung des 58. Deutschen Anwaltstages im Mozartsaal des Congress Centers Rosengarten Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Rechtsanwalt Hartmut Kilger Grußwort der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries 13.00 14.00 Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Günther H. Oettinger Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Mannheim, Gerhard Widder Verleihung der DAV-Pressepreise Festvortrag Europa Schicksal oder Chance für die Anwaltschaft? Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig, ehemaliger Präsident des Rates der europäischen Anwaltschaften (CCBE) und Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltvereins Verleihung der DAV-Rednerpreise und Vortrag des Gewinners DAV-Empfang im Foyer des Mozartsaals Mittwoch, 16. Mai 2007 ab 19.00 Get together Ort: Arbeiterkneipe des Landesmuseums für Arbeit und Technik Museumstraße 1, Mannheim (Kostenbeitrag 15,00 E). Donnerstag, 17. Mai 2007 08.00 08.45 Ökumenische Morgenandacht Ort: Christuskirche, Werderplatz 15, Mannheim Beginn 09.15 Mitgliederversammlung des Deutschen Anwaltvereins Einladung siehe AnwBl 2007, 122 10.30 17.00 DAV-Rednerwettstreit Jury: Rechtsanwalt Georg Prasser, Rechtsanwältin Dr. Lore Peschel-Gutzeit, Rechtsanwalt Dr. Bernd Hirtz, Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Scharf, Dr. Thilo von Trotha 1 11.00 12.30 DAV-PR-Referat und Anwaltsblatt Spekulieren oder Recherchieren? Wieviel Verdachtsberichterstattung braucht die Pressefreiheit? Podiumsdiskussion zu den Möglichkeiten und Grenzen der Berichterstattung über Missstände in Politik und Wirtschaft. Es diskutieren unter der Moderation eines Fernsehjournalisten ein Journalist, ein ehemaliger Regierungssprecher und ein Rechtsanwalt. Rechtsanwalt Dr. Jörg Soehring (1), Hans Leyendecker (2), Hans-Hermann Langguth, Dr. Bernd Ulrich Haagen (Moderation) (3) 2 3 344 AnwBl 5 / 2007

58. Deutscher Anwaltstag MN 14.00 15.30 Max-Hachenburg-Gedenkveranstaltung Zur Erinnerung an einen der bedeutendsten Vertreter der Mannheimer Anwaltschaft. Begrüßung, Einführung, Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralph Landsittel Der Mensch Max Hachenburg, Roger W. Harrison Max Hachenburg als Jurist und Rechtspolitiker, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Ulmer 14.30 16.30 Gespräch des DAV-Präsidenten mit den Vorsitzenden der örtlichen Anwaltvereine (gesonderte Einladung) 16.30 17.30 Empfang der DAV-Landesverbände ab 19.00 Begrüßungsabend des Mannheimer Anwaltsvereins, des Anwaltsverbandes Baden-Württemberg und der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe Ort: Festhalle Baumhain im Luisenpark Mannheim. Die Teilnahme ist kostenfrei. Donnerstag, 17. Mai 2007, Fachveranstaltungen 09.00 10.00 Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen Frühstücksempfang, Rechtsanwältin Sabine Feller (Moderation) 09.15 18.00 Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie Neues Datenschutzgesetz in Japan Vor- und Nachteile für den deutsch-japanischen Geschäftsverkehr: Ein Vergleich mit der Europäischen Datenschutzrichtlinie Rechtsanwältin Isabell Conrad Diskussion Update Umsetzungsrichtlinie, Rechtsanwältin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff Diskussion Europäische Strategien in gerichtlichen IT-Verfahren, Rechtsanwalt Axel Rinkler Diskussion Mitgliederversammlung mit anschließendem Sektempfang 10.00 12.00 Ausschuss internationaler Rechtsverkehr Praktische Erfahrungen und Probleme in der anwaltlichen Zusammenarbeit in Europa Podiumsdiskussion Probleme mit der Haftpflichtversicherung, Rechtsanwalt Holger Sassenbach Probleme bei der Altersversorgung, Rechtsanwalt Michael Prossliner Probleme im Berufsrecht insbes. Interessenkonflikte und Verschwiegenheitspflicht, Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig 1 Probleme im Steuerrecht, Rechtsanwalt Dr. Axel Bödefeld (1), Rechtsanwalt Prof. Dr. Hanns-Christian Salger (Moderation, 2) 2 10.00 16.45 Arbeitsgemeinschaft Anwaltsmanagement Begrüßung, Rechtsanwalt Christoph Vaagt Kurzvorträge mit Aussprache zum Thema: Wie nutze ich das Potential meines Sekretariats Ein zeitgemäßes Anforderungsprofil für die Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten, Marlies Stern, Berlin Erfolgreiche Mitarbeiterführung, Ilona Cosack Neue Anforderungen an das Anwaltsoffice, Dipl.-Kfm. Hermann Brem Mitgliederversammlung Wie werden Dienstleistungsstandards im Anwaltsbüro gesetzt und gelebt?, Carolyn Schroeter Menschen machen Erfolge: Wie eine gezielte Personalarbeit zum Kanzleierfolg beiträgt, Dipl.-Päd. Jürgen Mötzung Das Organisationshandbuch für Anwaltsbüros Ein notwendiges Übel?, Rechtsanwalt Ralph Binder Fortsetzung auf Seite 348 AnwBl 5 / 2007 345

58. Deutscher Anwaltstag MN Deutschlands Anwaltschaft in Europa, Freitag, 18. Mai 2007 Europa im Mandat Einführung und ein Streitgespräch Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing, Münster Wer genau hinsieht, kann in fast jedem Mandat europäische Einflüsse entdecken aber wie geht man dabei vor und was bringt es dem Mandanten? Rechtsanwalt Dr. Ingo Brinker wird uns zunächst anhand der Hierarchie der europäischen Normen, das heißt der europäischen Verträge, der Rats- und Kommissionsverordnungen und Rahmenbeschlüsse erläutern, wie das europäische Recht auf unser Recht einwirkt. Er wird deutlich machen, dass es gar nicht so schwer ist, die europäische Systematik nachzuvollziehen, selbst wenn man wie ich im Studium davon noch nichts gehört hat. Nach diesen Basics im Europarecht mit anschließender Diskussion wird es uns leichter fallen, den jeweiligen Nutzen des Europarechts für unsere Mandanten aufzuspüren. Dies gilt natürlich besonders für die großen Fachgebiete des Arbeitsrechts (Rechtsanwältin Dr. Ulrike Schweibert), des Versicherungs- und Verbraucherrechts (Rechtsanwalt und Notar Dr. h. c. Rembert Brieske) und des Verkehrsrechts (Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer). Die Kollegen werden dabei auch auf den europäischen Mahnbescheid und die neuesten Rahmenrichtlinien eingehen sowie natürlich auf die Antidiskriminierungsrichtlinien. Sie wollen das Versprechen einlösen, dass Kenntnisse im Europarecht ein Wettbewerbsvorteil für den Anwalt sind (und die Mandatsarbeit nicht erschweren). Natürlich weiß jeder, dass es längst Rechtsgebiete gibt, in denen das nationale Recht so gut wie ausgedient hat. Dazu gehört das Landwirtschaftsrecht (mein Spezialgebiet). Aber auch das weitgehend harmonisierte Kartellrecht. Damit stellt sich die Frage: Führt die Entwicklung in anderen Rechtsgebieten ebenfalls dahin? Wird es 2020 überhaupt noch nationales Recht geben? Welche Bedeutung verbleibt dem nationalen Recht? Diese Fragen werden in einem Streitgespräch diskutiert werden: Auf der einen Seite wird der ausgewiesene Europäer Rechtsanwalt Klaus-Heiner Lehne, Mitglied des Europäischen Parlaments, stehen, auf der anderen Seite der bekannte Staatsrechtler Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus Stern, em. Prof. an der Universität zu Köln. Nutzen Sie die Chance, sich auf die kommenden Rechtsentwicklungen einzustellen. 15.00 18.00 Block 1: Europa im Mandat Basics des Europarechts in der anwaltlichen Praxis, Rechtsanwalt Dr. Ingo Brinker Diskussion Kenntnisse im Europarecht ein Wettbewerbsvorteil Europarecht im Arbeitsrecht, Rechtsanwältin Dr. Ulrike Schweibert Europarecht im Versicherungsrecht und Verbraucherrecht, Rechtsanwalt und Notar Dr. h. c. Rembert Brieske Europarecht im Verkehrsrecht, Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer Diskussion Gibt es 2020 noch nationales Recht? Streitgespräch, Rechtsanwalt Klaus-Heiner Lehne (Bild), Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus Stern Diskussion, Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing (Moderation) 346 AnwBl 5 / 2007

58. Deutscher Anwaltstag MN Deutschlands Anwaltschaft in Europa, Samstag, 19. Mai 2007 Mandat in Europa Erfahrungsberichte und ein Streitgespräch Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Köln Erfahrungsberichte sind immer wertvoll, wenn sie das wiedergeben, was der Zuhörer noch nicht kennt. Doch das steht mit einiger Sicherheit nicht zu befürchten, wenn so kundige und versierte Vertreter des Faches aus ihren Erfahrungen berichten, wie man denn ein Verfahren deswegen gewinnt, weil man im Gegensatz zum Gegner und natürlich auch zur Überraschung des Gerichts die Trumpfkarte des Europarechts in der Hand hat. Kaum einer könnte hierüber kundiger berichten als Rechtsanwalt Bertrand Wägenbauer, LL. M. (Brüssel). Natürlich sind solche Erfahrungen und die in ihnen verankerten Erkenntnisse nicht eins zu eins von den Zuhörern umsetzbar. Doch das gilt wohl ein wenig eingeschränkter bei den beiden anderen Referaten (Rechtsanwalt Thomas Krümmel und Rechtsanwalt Dr. Lutz-Peter Gollnisch). Wenn es nämlich um das geht, was den Anwalt kennzeichnet, den erfolgreichen zumal, nämlich: die Acquise, nicht vor der Haustür, sondern im weiten Feld, das wir politisch und geschichtlich gewachsen Europa nennen, dann kommt das zu Tage, was man Erfahrung nennt. Dazu zählen natürlich fast unvermeidlich auch die vielen Mißverständnisse, von denen in internationalen Fragen kundige Anwälte immer wieder berichten. Das mit den Unterschieden wird auch, wie die Dinge sich gegenwärtig entwickeln, für eine geraume Zeit in Europa noch so sein. Das Trennende, das je Eigene steht im Vordergrund und dominiert; das europäische Recht erobert nur mühsam, Schritt für Schritt sein Terrain. Gekennzeichnet ist es durch die Stichworte des Verbraucherschutzes, des Binnenmarktes und eben auch der Harmonisierung auf Grund von Verordnungen und Sektoraler Richtlinien, transformiert in nationales Recht. Doch in dem Streitgespräch zwischen Rechtsanwalt Michael Rosenthal und Prof. Dr. Hans Schulte- Nölke wird es dann um die Klärung des Fragezeichens gehen, welches das selbst gewählte Thema erkennbar beherrscht. Ist das Schutzniveau für den Bürger den Verbraucher in erster Linie gegenüber dem nationalen Recht höher oder ist es gar niedriger geworden? Und was heute im Straf- und im Zivilrecht noch Maß gibt und das Schutzniveau bestimmt, das braucht morgen nicht mehr so zu sein. Denn das europäische Recht steht nicht still. 09.30 12.15 Block 2: Mandat in Europa Kein Erfolg vor deutschen Gerichten Hilfe aus Europa Zugang und Verfahren vor EuG, EuGH und EGMR, Rechtsanwalt Bertrand Wägenbaur, LL. M. Diskussion Akquise und grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa Erfahrungsbericht eines Einzelanwalts, Rechtsanwalt Dr. Lutz-Peter Gollnisch Erfahrungsbericht aus einer mittelständischen Kanzlei, Rechtsanwalt Thomas Krümmel Diskussion 1 Kleinster gemeinsamer Nenner in Europa = Senkung des Schutzniveaus in Deutschland? Streitgespräch, Rechtsanwalt Michael Rosenthal (1), Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke (2) 2 Diskussion, Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Moderation) AnwBl 5 / 2007 347

58. Deutscher Anwaltstag MN Fortsetzung Donnerstag, 17. Mai 2007, Fachveranstaltungen 11.45 14.00 DAV-Büro Brüssel EG-Beihilfenrecht: Führen Sie Ihren Mandanten sicher durch ein schwieriges Rechtsgebiet, Jens-Daniel Braun Pause Fördermittel aus Brüssel Vermitteln Sie Ihrem Mandanten den Durchblick Jens-Daniel Braun 12.30-14.15 Arbeitsgemeinschaft Internationaler Rechtsverkehr Luncheon Menschenrechte Bruchstellen im Strafverfahren, Rechtsanwalt Prof. Dr. Franz Salditt Die Teilnahme am Luncheon kostet 20,00 E pro Person. Vorherige Anmeldung erforderlich. 13.00 18.00 Arbeitsgemeinschaft Mietrecht & WEG Mitgliederversammlung und Frühjahrstagung 2007 Papierloses Büro/Elektronische Akte wirklich eine Alternative?, Rechtsanwalt Jürgen Petsch Aktuelle Brennpunkte im Wohnraummietrecht, insbesondere Schönheitsreparaturen, Dr. Olaf Riecke Mitgliederversammlung Rechtsprechungsfenster zu 9 Zwangsverwaltung bei selbstgenutzter Eigentumswohnung/Konsequenzen bei Nichtbezahlung der Betriebskosten, Rechtsanwältin Martina Walke 9 WEG, Rechtsanwalt Burkhard Rüscher 9 Mietrecht, Rechtsanwalt Michael Kurek 9 Mietrecht und Anwaltsvergütung Anrechnungsfragen bei der Kündigung Rechtsanwalt Norbert Schönleber 1 2 14.00 16.00 Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht Europabezug im täglichen Verkehrsrechtsmandat 9 Vollstreckung ausländischer Bußgeldbescheide 9 Regulierung von Verkehrsunfällen im Ausland 9 EU-Führerscheine Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (1) Rechtsanwalt Eckhard Höfle (Moderation, 2) 14.00 16.00 Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung Spannungsfeld zwischen Insolvenz- und Zwangsverwaltung Begrüßung, Rechtsanwalt Peter Depré Rechtliche Probleme beim Zusammentreffen von Zwangsverwaltung und Insolvenzverwaltung, Prof. Dieter Eickmann Diskussion 14.00 18.00 FORUM Junge Anwaltschaft Anwaltsmanagement Zeitmanagement Mehr Zeit für das Wesentliche!, Rob Bots Private Limited Company by Shares (ltd.) Haftungs- und Zwangsvollstreckungsfragen, Rechtsanwalt Dr. Andreas Hohnel, Rechtsanwalt José Antonio Campos Nave Diskussion 14.00 18.00 Arbeitsgemeinschaft Mediation Wenn Anwälte auseinander gehen Einsatz der Mediation zur Auseinandersetzung von Anwaltskanzleien, Rechtsanwalt Dr. h. c. Ludwig Koch (1), Rechtsanwalt und Notar Dr. h. c. Rembert Brieske (2), Rechtsanwältin Editha Brandt (3), Rechtsanwalt Marcus Hehn (Moderation, 4) Workshop I Auseinandersetzung von Anwaltskanzleien (auch Nachfolgeproblematik), Rechtsanwalt Dr. h. c. Ludwig Koch, Rechtsanwältin Editha Brandt, Rechtsanwalt Dr. Hans-Georg Monßen (Moderation) 1 2 3 4 Workshop II Einsatz der Mediation bei Konflikten in Anwaltskanzleien (innerbetriebliche Perspektive), Rechtsanwalt Friedhelm Steinbusch, Rechtsanwalt Dr. Thomas Lapp (Moderation) Ergebnisse/Schlussbetrachtung, Rechtsanwalt Marcus Hehn 348 AnwBl 5 / 2007

58. Deutscher Anwaltstag MN 1 2 14.30 17.00 Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen 5. Anwältinnenkonferenz Schutzlos im Rechtsstaat? Gewalt gegen Anwältinnen, Seyran Ates Weibliche Genitalverstümmelung auch in Deutschland und Europa, Rechtsanwältin Regina Kalthegener Podiumsdiskussion, Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing (1), Rechtsanwältin Silvia Groppler, Rechtsanwältin Manuela Landuris (kein Bild), Seyran Ates, Rechtsanwältin Regina Kalthegener (2) 14.30 18.30 Ausschuss Europäisches Vertragsrecht Europäisches Vertragsrecht aus Sicht der Anwaltschaft Derzeit wird die Vertragspraxis auch deshalb vom angloamerikanischen Recht beherrscht, weil es an einem Europäischen Vertragsrecht fehlt. Es gibt von verschiedenen Seiten Bemühungen, dies zu ändern. Die hier in den nächsten Jahren zu erwartenden Fortschritte werden sich erheblich auf die tägliche Arbeit der Anwälte auswirken. Auf dem Weg zu einem Europäischen Vertragsrecht, Rechtsanwalt Klaus-Heiner Lehne Angloamerikanische Vertragspraxis vs Europäisches Vertragsrecht, Prof. Dr. Hanno Merkt, LL. M. 1 2 Streitgespräch, Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen (1), Rechtsanwalt Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer (2) Diskussion, Rechtsanwalt Thomas Krümmel 15.00 17.00 Ausschuss Strafrecht und Arbeitsgemeinschaft Strafrecht Streithelfer aus Europa, Rechtsanwalt Michael Rosenthal, Rechtsanwalt Dr. Rainer Spatschek (Bild), Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sommer, Rechtsanwalt Dr. Heiko Ahlbrecht 1 2 3 15.00 17.00 Verfassungsrechtsausschuss Warum eine europäische Verfassung?, Prof. Dr. Dieter Grimm (1), Sir Konrad Schiemann (2), Rechtsanwalt Dr. Thomas Mayen (Moderation, 3) In der Berliner Erklärung vom 25. März 2007 haben die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union das gemeinsame Ziel betont, die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen. Spätestens hiermit ist die Debatte über die Frage nach dem Warum einer europäischen Verfassung erneut auf der politischen Tagesordnung. Auf der Veranstaltung werden zu dieser Frage mit Prof. Dr. Dieter Grimm (ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts) und dem 1937 in Berlin geborenen Sir Konrad Schiemann aus Großbritannien (Richter am Europäischen Gerichtshof ) zwei hochrangige und ausgewiesene Kenner referieren und diskutieren 15.00 17.00 Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht Impulsreferate mit anschließender Podiumsdiskussion zum Thema MiFID (Markets in Financial Instruments Directive; Finanzmarktrichtlinie) und ihre Auswirkungen aus Sicht von Börsen, Banken, Sparkassen und Anlegern Auswirkungen der MiFID aus Sicht des Kapitalanlegers/Kunden, Rechtsanwalt Andreas W. Tilp Auswirkungen der MiFID aus Sicht der Banken, Rechtsanwalt Hanno Teuber Auswirkungen der MiFID aus Sicht der Sparkassen, Rechtsanwalt Frank Michael Bauer Auswirkungen der MiFID aus Sicht der öffentlichen Börsen, Andreas Schmidt, Moderation: Rechtsanwältin Julia Heise (Bild), Rechtsanwalt Paul H. Assies 15.00 18.30 Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht Entwicklungen des europäischen Lebensversicherungsmarktes was Anwälte hierzu wissen sollten Informationspflichten bei Lebensversicherungspolicen aktuelle Entwicklungen, Rechtsanwalt Thomas Leithoff Ausländische Versicherungspolicen in Deutschland eine europarechtliche Betrachtung, Rechtsanwalt Dr. Henning Berger Vertrieb deutscher Lebensversicherungen im Ausland Bericht über die Erfahrungen mit einem Cross-Border-Produkt, Rechtsanwalt Frank Senge, LL. M., Rechtsanwalt Christian Wirth (Moderation, Bild) AnwBl 5 / 2007 349

58. Deutscher Anwaltstag MN Fortsetzung Donnerstag, 17. Mai 2007, Fachveranstaltungen 16.00 18.00 Forum Anwaltsgeschichte e. V. Mitgliederversammlung 16.30 18.00 Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat Auf dem Weg zum europäischen Notariat?, Rechtsanwalt und Notar Volker G. Heinz, Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher (1), Notar Dr. Jörg Tröder, Rechtsanwalt und Notar Günter Schmaler ( Moderation, 2) 1 2 ab 17.00 ab 17.30 Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht Mittgliederversammlung mit anschließendem Sektempfang Förderverein Freie Advokatur in Mittel- und Osteuropa Mitgliederversammlung Freitag, 18. Mai 2007 14.00 16.00 Aktuelles Thema des DAV Mandanten und ihre Anwälte Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage des Soldan Instituts für Anwaltmanagement zur Inanspruchnahme und Hommerich Bewertung von Rechtsdienstleistungen Prof. Dr. Christoph Hommerich (1), Bergisch-Gladbach, Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln (2), Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Tübingen 1 2 19.00 23.30 Festabend auf Sektschloss Wachenheim Ort: Schloss Wachenheim Preis pro Person: 65,00 E inkl. Transfer, Kellerführung, Buffet, Auswahl an Getränken. ab 22.00 AdvoDisco Ort: im Fire and Fun des Congress Centers Rosengarten, Mannheim, Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim Freitag, 18. Mai 2007, Fachveranstaltungen 14.00 15.00 Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht Auswirkungen europarechtlicher Regelungen auf das deutsche Arbeitsrecht, Rechtsanwalt Dr. Georg Jaeger 14.00 15.30 DAV-Büro Brüssel Der Weg durch den europäischen Informationsdschungel (Umgang mit den Websites der Europäischen Institutionen, effektive Recherche nach Rechtsakten, Ausschreibungen und sonstigen nützlichen Informationen aus Brüssel), Rechtsanwalt Dr. Robin van der Hout, LL. M. 14.00 15.30 Ausschuss Zivilverfahrensrecht Auf dem Weg zum Europäischen Zivilprozess Aktuelle und zukünftige Rechtslage Referate und Diskussion Aktuelle Rechtslage: Beweisaufnahme, Zustellung und Vollstreckung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, Rechtsanwalt Prof. Dr. Volkert Vorwerk Bevorstehende Neuregelungen: Europäisches Bagatellverfahren (Smalt Claims) und Europäisches Mahnverfahren, Rechtsanwalt Curt Engels, Rechtsanwalt Dr. Bernd Hirtz (Moderation) 14.00 15.30 Arbeitsgemeinschaft Erbrecht und Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht Steuerrechtliche Haftungsrisiken in der erbrechtlichen Beratung, Rechtsanwalt Dr. Heinz-Willi Kamps, Rechtsanwalt Dr. Matthias Söffing 14.00 16.00 FORUM Junge Anwaltschaft Mitgliederversammlung 14.00 16.00 Ausschuss Steuerrecht Aktuelle Entwicklungen im Erbschaftssteuerrecht, Rechtsanwalt Dr. Dietrich von Elsner 350 AnwBl 5 / 2007

58. Deutscher Anwaltstag MN 14.00 16.00 Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht Krankenversorgung im EU-Ausland, Prof. Dr. Helge Sodan, Rechtsanwalt Michael Klatt (Moderation) 14.00 16.30 Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwalt Allgemeinanwälte stellen fest: In jedem Mandat steckt Europa 9 Einführung anhand praktischer Beispiele, Rechtsanwalt Jörg Schumacher 9 Europäisches Prozessrecht, Prof. Dr. Burkhard Hess, Rechtsanwältin Gitta Kitz-Trautmann (Moderation) 16.30 Mitgliederversammlung (Tagesordnung im AnwBl 2007, 208) 14.00 17.30 Arbeitsgemeinschaft Familienrecht 1 2 3 Vorfahrt für Kinder Wer profitiert wirklich von der Unterhaltsrechtsreform?, Rechtsanwalt Heinrich-Ulrich Spieker (1), Rechtsanwalt Jörn Hauß, Dr. Wolfram Viefhues, Richter am AG (2), Dr. Jürgen Soyka, Vorsitzender Richter am OLG, Rechtsanwalt Matthias Grandel (Moderation, 3) Pause Fortsetzung: Vorfahrt für Kinder Wer profitiert wirklich von der Unterhaltsrechtsreform? 14.30 16.00 Berufsrechtsausschuss 1 Eingriff des Europarechts in deutsches Anwaltsrecht Berufsrecht, Selbstverwaltung, Gebührenrecht Podiumsdiskussion, Rechtsanwalt und Notar Dr. Hans C. Lühn (1), Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig, Rechtsanwalt Dr. Michael Streck (Moderation, 2) 2 14.30 17.30 Arbeitsgemeinschaft Transport- und Straßenwesen Grenzüberschreitende Transporte Straße, Schiene, Luft, See, Binnenschifffahrt, Rechtsanwalt Dr. Günther Kirchhof (1), Rechtsanwalt Dr. Dieter Schwampe (2), Rechtsanwalt Dr. Olaf Hartenstein (3), Rechtsanwältin Susanne Müller-Kraft, Rechtsanwalt Ulrich Polanetzki (4), Rechtsanwalt Dieter Janßen (Moderation, 5) Pause Fortsetzung: Grenzüberschreitende Transporte Straße, Schiene, Luft, See, Binnenschifffahrt 1 2 3 4 5 15.00 16.15 Arbeitsgemeinschaft Internationaler Rechtsverkehr Mitgliederversammlung 15.00 18.00 Ausschuss RVG und Gerichtskosten RVG-Workshop: Aktuelle Themen zum anwaltlichen Vergütungsrecht Einigungsgebühr, Rechtsanwältin Esther Caspary PKH, Rechtsanwältin Edith Kindermann Pause Streitwertfragen, Rechtsanwalt Norbert Schneider Erfolgshonorar, Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer Kostenerstattungsrechtliche Fragen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, Rechtsanwalt und Notar Dr. h. c. Rembert Brieske, Rechtsanwalt Udo Henke (Moderation) AnwBl 5 / 2007 351

58. Deutscher Anwaltstag MN Fortsetzung Freitag, 18. Mai 2007, Fachveranstaltungen 15.00 18.00 Ausschuss Umweltrecht Die Durchsetzung von EU-Recht vor nationalen Gerichten am Beispiel des Umweltrechts, Prof. Dr. Christian Calliess, LL. M. (1), Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein (2), Rechtsanwalt Dr. Dieter Sellner (Moderation) 1 2 15.00 18.00 Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht Verkehrsrecht für junge Kollegen Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (1), Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann (2), 1 2 Rechtsanwalt Jörg Elsner, LL. M. (3) 3 16.00 17.30 Arbeitsgemeinschaft Erbrecht Tod in Venedig eine Fallbetrachtung Wie machen es die anderen?, Rechtsanwalt und Notar Dr. Hubertus Rohlfing, Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg 16.30 18.00 Arbeitsgemeinschaft Internationaler Rechtsverkehr Neueste Rechtsentwicklungen innerhalb Europas Rom I und Rom II, Prof. Dr. Ansgar Staudinger 17.30 18.30 Arbeitsgemeinschaft Familienrecht und Arbeitsgemeinschaft Erbrecht Gemeinsamer Empfang Samstag, 19. Mai 2007 11.30 15.00 Schlussveranstaltung Ort: Onyx Bar & Restaurant, Friedrichsplatz 12, 68165 Mannheim (gegenüber dem Congress Center Rosengarten) Diese Veranstaltung erfolgt auf Selbstzahlerbasis. Samstag, 19. Mai 2007, Fachveranstaltungen 10.00 12.00 Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte ADR-Konfliktmanagement ADR-Konfliktmanagement eine Aufgabe für unternehmensinterne und externe Anwälte, Rechtsanwalt Dr. Ulrich Bauer (1), Rechtsanwalt Christian Stubbe (2) 1 2 Preliminary Relief in Arbitration, Marc E. Appel (1), Rechtsanwalt Dr. Siegfried Schwung (Moderation, 2) 1 2 Der Deutsche Anwaltverein wird von diesen Unternehmen bei der Ausrichtung des 58. Deutschen Anwaltstag unterstützt: 352 AnwBl 5 / 2007

MN Anwaltsblatt Karriere

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Gehälter- und Einstellungsreport r report Arbeitsrecht, Verkehrsrecht + Urheber- und Medienrecht 100.000 Euro pro Jahr, wer träumt nicht davon? Die Spitzenkanzleien locken den Nachwuchs mit attraktiven Startgehältern. Wer zwei gute Examen, Doktortitel, LL.M. und sehr gute Fremdsprachenkenntnisse hat, kann sich den Arbeitgeber auswählen. Aber auch mit zwei vollbefriedigenden Examina sind die Chancen immer noch bestens. Und der Rest? Von den 10.000 Absolventen des zweiten Staatsexamens werden mehr als 8.000 Anwalt. Anwaltsblatt Karriere blickt in seinem ersten Heft auf den Markt jenseits der Spitzenkanzleien. Der etwas andere Gehälter- und Einstellungsreport: Was verdient ein Anwalt im Arbeitsrecht, im Verkehrsrecht oder im Urheber- und Medienrecht? Gibt es überhaupt Stellen? Anwaltsblatt Karriere befragte 300 Kanzleien. Der Wettbewerb in der Anwaltschaft ist hart. Ob es die großen Kanzleien sind oder die kleineren, ob es exklusive Mandate sind oder die Massensachen: Die Lizenz zum Gelddrucken gibt es in keinem Rechtsgebiet mehr. Nur wer Ideen hat, schnell arbeitet, besser als die anderen ist und sich intelligent vermarktet, hat Chancen. Die Anwaltschaft wächst unvermindert unter Berücksichtigung der Abgänge vor allem aus Altersgründen jedes Jahr um 5.000 Anwältinnen und Anwälte. 1995 gab es 75.000 Anwälte, Anfang 2007 lag die Zahl fast doppelt so hoch (143.000). Wer stellt ein? Und dochgibtes(wieder) Perspektiven,wie die Umfragevon Anwaltsblatt Karriere zeigt. Fast ein Viertel (23,5 Prozent) der befragten Kanzleien mit einem Schwerpunkt Arbeitsrecht (ohne Großkanzleien) planen für 2007 im Arbeitsrecht Neueinstellungen. Diese Kanzleien sind auch ansonsten einstellungsfreudig: Rund ein Drittel dieser Kanzleien wollen 2007 noch weitere Einstellungen vornehmen. Gesucht wird für benachbarte Rechtsgebiete wie das Gesellschaftsrecht. Optimistisch schauen vor allem die Kanzleien in die Zukunft, die überwiegend die Arbeitgeberseite vertreten. Dass sich eine Erholung im Markt abzeichnet, macht ein Rückblick deutlich: In 2005 hatten dreiviertel der befragten Kanzleien im Arbeitsrecht überhaupt keine Anwälte eingestellt, in 2006 waren das immerhin noch fast 60 Prozent. Trotz eines Schwerpunkts im krisensicheren Arbeitsrecht waren die Kanzleien bei ihrer Einstellungspraxis zurückhaltend gewesen. Die Umfrage zeigt aber noch etwas: Es gibt eine Gruppe von Kanzleien im Arbeitsrecht, die trotz aller Schwankungen im Markt beständig wachsen und auf der Suche nach Nachwuchs sind. Die Umfrage Der Gehälterreport von Anwaltsblatt Karriere beruht auf einer telefonischen Umfrage bei Anwältinnen und Anwälten sowie Recherchen der Redaktion. Bei der telefonischen Umfrage wurden 300 Kanzleien in ganz Deutschland befragt. Nur 26 Kanzleien verweigerten die Mitwirkung gänzlich, wenige beantworteten nicht alle Fragen. Die zwanzigminütigen Telefoninterviews wurden mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten geführt, die Mitglied im Deutschen Anwaltverein sind. Die Gesprächspartner wurden aus dem Mitgliederbestand der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (mehr als 5.600 Mitglieder), der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht (rund 2.600 Mitglieder) und der Deutschen Anwaltadresse gewählt. Es wurden nur Anwälte befragt, die nachhaltig in dem jeweiligen Rechtsgebiet tätig sind. Aus diesem Grunde wurden auch überproportional viele Anwälte befragt, die in Sozietäten arbeiten. Ihr Anteil bei der Umfrage lag bei mehr als 75 Prozent, während der Anteil der Einzelanwälte im Deutschen Anwaltverein bei rund 45 Prozent liegt. Internationale Großkanzleien wurden beim Arbeitsrecht sowie beim Urheber- und Medienrecht nicht berücksichtigt (siehe dazu Gehälter in Spitzenkanzleien, S. 26). Anwälte mit einer Anwaltszulassung von weniger als fünf Jahren waren in der Minderheit. Die Ergebnisse der Umfrage wurden durch Recherchen der Redaktion bei Vorsitzenden von örtlichen Anwaltvereinen überprüft. anwaltsblatt karriere / 25

report Gehälter in Spitzenkanzleien Die Kanzleien mit den höchsten Einstiegsgehältern sind in Deutschland die internationalen Großsozietäten plus einige nationale Großkanzleien und die so genannten transaktionsbezogenen Boutiquen (kleinere Kanzleien, die im Geschäft der Großen mitmischen). Einstiegsgehälter von 75.000 Euro bis mehr als 100.000 Euro (mit Prämienzahlungen) sind möglich. Voraussetzung: Die Kandidaten haben Doppelprädikat, LL.M. oder Doktor und beste Fremdsprachenkenntnisse. Diese Kanzleien bieten auch Arbeitsrechtlern und Anwälten im Bereich IP/IT (Intellectual Property und Information Technology) gute Startchancen. In vielen Kanzleien gilt dabei, dass bei den Einstiegsgehältern nicht nach den Rechtsgebieten differenziert wird (z.b. Gleiss Lutz). In einigen Kanzleien wird erwartet, dass der Berufsanfänger neben seinem Spezialrechtsgebiet auch im Bereich M&A (Mergers &Acquisitions) Erfahrungen sammelt (z.b. Hengeler Mueller). Für die Umfrage im Gehälter- und Einstellungsreport von Anwaltsblatt Karriere wurde dieses Marktsegment nicht berücksichtigt, weil es die Durchschnittswerte verfälscht hätte. Gute Einstiegschancen gibt es auch im Urheber- und Medienrecht. Rund 60 Prozent der befragten Kanzleien (ohne Großkanzleien) mit einem Schwerpunkt im Urheberund Medienrecht wollen 2007 einen jungen Kollegen oder eine junge Kollegin einstellen. Allerdings: Nur ein Drittel dieser Kanzleien suchen im Urheber- und Medienrecht. Andere gefragte Rechtsgebiete sind der Gewerbliche Rechtsschutz, das IT-Recht und immer noch und immer wieder das Patentrecht. Auch im Urheber- und Medienrecht gilt: Der Markt erholt sich. 2005 hatten nur 36 Prozent der befragten Kanzleien Anwältinnen oder Anwälte eingestellt, 2006 lag der Wert dann schon bei 54 Prozent. Schlechte Nachrichten kommen aus dem Verkehrsrecht, einem Rechtsgebiet, das Tausende von Einzelanwälten und kleinere Kanzleien beackern. Nur gerade drei Prozent aller befragten Kanzleien mit Schwerpunkt Verkehrsrecht wollen 2007 einen Verkehrsrechtler einstellen. Nur weitere rund 12 Prozent der Kanzleien suchen überhaupt Nachwuchs. Auffallend im Verkehrsrecht: Fast 60 Prozent aller befragten Kanzleien haben in den vergangenen fünf Jahren keinen Anwalt mehr eingestellt und auch 2005 und 2006 hatten nur rund 16 bzw. 13 Prozent der Kanzleien neue Anwälte an Bord genommen. Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielschichtig: Es gibt im Verkehrsrecht einen Konzentrationsprozess, immer mehr Haftpflichtversicherer arbeiten mit immer weniger Kanzleien zusammen, sagt Rechtsanwalt Jörg Elsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV. Die Folge dieser Entwicklung: Eine kleine Gruppe von Kanzleien suche händeringend nach Nachwuchs, während viele ehemals sehr erfolgreiche Kanzleien eher zurückhaltend seien. Und noch einen Grund nennt Elsner: Die Versicherungen hätten das Schadensmanagement ausgebaut, um die Anwälte zurückzudrängen. Das erschwert vielen Kanzleien das Geschäft, sagt Elsner. Was zählt bei der Bewerbung? Die Kanzleien schauenbei den Kandidatennachwie vor stark auf die Examensnoten, allerdings eher auf die schlechten. Ansonsten kommt es immer stärker auf andere Leistungen in der Ausbildung an. Solides Jurawissen wird als selbstverständlich vorausgesetzt: Ich will erkennen können, dass ein Bewerber in unserer Kanzlei als Anwalt reüssieren kann, sagt ein Anwalt. Vor allem ein ausreichendes Examen beendet in vielen Kanzleien die Bewerbung. Im Urheber- und Medienrecht wollen 73 Prozent der Kanzleien, im Arbeitsrecht 65 Prozent und im Verkehrsrecht rund 43 Prozent keine schlechten Examensnoten sehen. Bei den besseren Noten sind die Vorstellungen dann so vielfältig wie die Kandidaten. Allerdings mit einem klaren Trend: Zumindest ein Prädikatsexamen wird von fast dreiviertel aller befragten Kanzleien egal aus welchem Rechtsgebiet als sehr wichtig oder wichtig bezeichnet. Das seltene Doppelprädikat ist dann schon deutlich weniger Kanzleien sehr wichtig (im Urheber- und Medienrecht 23 Prozent, im Arbeitsrecht 19 Prozent, im Verkehrsrecht nur drei Prozent). Auffällig ist: Während das Doppelprädikat im Verkehrsrecht und Arbeitsrecht immer noch vielen Anwälten wichtig ist (38,1 Prozent und 30,8 Prozent), sinkt der Wert im Urheber- und Medienrecht auf nur noch rund acht Prozent. Dafür zählen im Urheber- und Medienrecht dann andere Leistungen: Nichts ist dort so wichtig wie Fremdsprachenkenntnisse (für fast 58 Prozent der befragten Kanzleien sehr wichtig und für 23 Prozent wichtig ). Kein Wunder ist es dann, dass auch 60 Prozent der Kanzleien im Urheber- und Medienrecht Auslandserfahrung wünschen. Immerhin die Hälfte aller Kanzleien im Urheber- und Medienrecht erwarten einen Doktortitel auch ein Spitzenwert in der Umfrage. Im Arbeitsrecht und Verkehrsrecht wünschen sich die Kanzleien vor allem Qualifikationen, die ein 26 / anwaltsblatt karriere

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report Wie sieht das Gehalt aus? Die Umfrage zeigt einen deutlichen Trend bei den Gehältern: Das Gehalt des Anwalts ist von Anfang an leistungsbezogen. Prämien- und Umsatzbeteiligungen sind in allen Rechtsgebieten üblich, mehr als die Hälfte der Kanzleien lehnen ein fixes Einheitsgehalt auch für den Berufsstarter ab. Am unternehmerischen Risiko der Einstellung soll sich so wünschen sich die Kanzleien der junge Anwalt beteiligen. Der Markt kennt hier aber viele Spielarten, sagt ein erfahrener Anwalt, auch wenn rund dreiviertel aller Anwälte als angestellte Anwälte anfangen. Als freie Mitarbeiter beschäftigen nur 15 Prozent der befragten Kanzleien junge Anwälte. Am Ende kommt es darauf an, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine faire Lösung zu finden. Es muss partnerschaftlich sein, sonst hat das ganze sowieso keine Zukunft, so ein Arbeitsrechtler. Das erklärt auch, warum immerhin rund 10 Prozent der Kanzleien Mischmodelle fahren und sowohl angestellte Anwälte als auch freie Mitarbeiter beschäftigen. Die Kosten für Fachanwaltskurse werden von den Kanzleien häufig als Gehaltsbestandteil gesehen. Auch die Freistellung für Fachanwaltskurse betrachten die Kanzleien vielfach als Teil der Vergütung. Gerade die professionellen Kanzleien haben aber erkannt, dass in die Qualifikation der eigenen Anwälte investiert werden muss, sagt ein Anwalt. Allerdings berichten Vorsitzende von Anwaltvereinen, dass sich gerade kleinere, finanzschwächere Kanzleien mit den Kosten der Fortbildung schwer tun. Andererseits: Eine Kanzlei im Urheber- und Medienrecht sagte ganz selbstbewusst: Wir besuchen keine Seminare, wir halten sie ernsthaftes Interesse für das Rechtsgebiet belegen. Eine einschlägige Station im Referendariat ist im Arbeitsrecht für mehr als 65 Prozent der befragten Kanzleien sehr wichtig oder wichtig. Im Verkehrsrecht liegt der Wert bei rund 60 Prozent. Einen abgeschlossenen Fachanwaltslehrgang Verkehrsrecht schätzen rund 35 Prozent der Kanzleien im Verkehrsrecht. Bei den Großkanzleien ist der LL.M.-Titel inzwischen eine Alternative zum Doktor. Diesen Trend kann die Umfrage für andere Kanzleien nicht bestätigen. Bei den meisten befragten Kanzleien gilt: Weder hilft er, noch schadet er. Er kann allenfalls Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung belegen, die aber gerade im Verkehrsrecht von vielen Kanzleien nicht benötigt werden. Auch der Doktortitel zieht außerhalb des Urheberund Medienrechts immer seltener. Für fast die Hälfte der befragten Verkehrsrechtler und für fast ein Drittel der befragte Arbeitsrechtler ist er schlicht unwichtig. Hilfreich ist der Doktortitel nur noch bei einer kleineren Gruppe von Kanzleien: Im Verkehrsrecht finden immerhin noch rund 20 Prozent der befragten Kanzleien ihn sehr wichtig oder wichtig, im Arbeitsrecht liegt der Wert bei etwas über 30 Prozent. Wer promovieren will, sollte sich daher genau überlegen, was er damit erreichen will. Was zählt beim Gehalt? Den Job bekommen, ist schon schwierig genug. Anwaltsblatt Karriere fragte aber auch, welche Qualifikationen das Gehalt erhöhen. Die Antwort ist schlicht: Allein konkrete Berufserfahrung in dem Rechtsgebiet steigert das Gehalt. Wer vom ersten Tag an richtig eingesetzt werden kann, darf mit einer höheren Vergütung rechnen. Längere Praktika in einer Kanzlei, die einjährige DAV-Anwaltausbildung, praktische Erfahrungen in Anwaltsstationen oder regelmäßige Mitarbeit in einer Kanzlei können müssen aber nicht das Gehalt steigern. Im Arbeits- und Verkehrsrecht wird inzwischen auch ein abgeschlossener Fachanwaltslehrgang honoriert, eine Investition in die Ausbildung, die sich also gleich doppelt lohnen kann. Die junge, erst 2006 eingeführte Fachanwaltschaft Urheber- und Medienrecht hat sich dagegen noch nicht etabliert. Keine der befragten Kanzleien im Urheber- und Medienrecht legte Wert auf einen solchen Kursus. Und die Partner- und Karrierechancen? Doch das Gehalt ist nicht alles. Eine wichtige Frage für Berufsstarter sind die Chancen, Partner einer Sozietät zu werden also unmittelbar am Erfolg des Unternehmens Sozietät beteiligt zu sein. Die Partnerchancen in den großen Kanzleien sind in den vergangenen Jahren gesunken. Wie sieht es bei den kleineren Kanzleien aus? Im Urheber- und Medienrecht suchen fast drei Viertel der befragten Kanzleien zukünftige Partner. Beim Arbeitsrecht und Verkehrsrecht liegen die Werte geringer, wobei viele Kanzleien auch eine klare Aussage gescheut haben. Für immer mehr Kanzleien ist es denkbar, dass angestellte Anwälte auch dauerhaft in der Kanzlei arbeiten können, ohne jemals Partner zu werden. Wenn der Weg offen ist, dauert es in der Regel drei bis fünf Jahre, wobei auch immer mehr Kanzleien Zeiträume von fünf bis acht Jahren angeben (im Urheber- und Medienrecht sagen dies sogar mehr als 36 Prozent der Kanzleien). Es mag daher ein Trugschluss sein, dass die Partnerchancen bei den großen Kanzleien generell schlechter als bei kleineren Kanzleien seien. Die Wahrheit ist vielleicht, dass die Partneraussichten generell schlechter geworden sind. Die Frage nach den Zeiten bis zur Assoziierung sind dann auch eher theoretischer Natur: Am Ende muss die persönliche Chemie stimmen, sagt ein Anwalt aus einer Zweimann- Kanzlei im Verkehrsrecht. Wartezeit hin oder her. // Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin 28 / anwaltsblatt karriere

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MN Meinung &Kritik Beratungsmonopol aufgeben? Bitte nicht! Eine Erwiderung Rechtsanwalt Dr. Frank Engelmann, Oranienburg Rechtsanwältin Dr. Margarete Gräfin von Galen stellte im Februar-Heft des Anwaltsblatts (Seite 135) die Frage: Anwaltschaft stärken Beratungsmonopol aufgeben? Sie beantwortete diese mit ja. Der Autor widerspricht der Autorin in dieser Leserzuschrift. Zunächst kann dahinstehen, ob derzeit absehbar ist, wie eine über das neue Rechtsdienstleistungsgesetz hinausgehende weitere Liberalisierung des Rechtsberatungsmarktes auf Dauer verhindert werden kann. Die Vertreter der Anwaltsorganisationen sind allerdings zu Recht der Forderung der Monopolkommissionen in ihrem 16. Hauptgutachten zur Regelung der freien Berufe entgegengetreten. Die Monopolkommission hatte gefordert, neben den Diplom- Wirtschaftsjuristen seien auch alle Juristen mit erstem Staatsexamen und gegebenenfalls Bachelor- und Masterabsolventen zur außergerichtlichen Rechtsberatung zuzulassen. Diese von rein ökonomischem Herangehen geprägte Auffassung verkennt die Bedeutung des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege. Sie will den Anwalt zum reinen Gerichtsvertreter degradieren, was insgesamt zu einer Schwächung des Anwaltsberufes und auch zu einer Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen führen würde. Hier liegt auch der Grund, warum unter den derzeitigen berufspolitischen Vorzeichen der Bologna-Prozess in der Juristenausbildung nicht umgesetzt werden sollte. Bislang wird dies damit begründet, dass insbesondere Bachelorabsolventen auf einem unterhalb der reglementierten Berufe für Juristen neu entstehenden Arbeitsmarkt Beschäftigung finden könnten. Wenn dies aber nicht so ist, wenn selbständige Rechtsberatung außerhalb der nicht reglementierten Berufe und damit außerhalb der Anwaltschaft zugelassen werden soll, so ist dies keineswegs zu begrüßen weder aus Sicht der Rechtsanwaltschaft noch aus Sicht der Verbraucher. Es kann auch nicht als Vorzug gewertet werden, dass Anwälte Mandate eines vom Nichtjuristen oder Nichtanwalt schlecht beratenen Verbrauchers zu erwarten haben. Vielmehr ist es doch die Zweiseitigkeit von berufsständischen und Verbraucherinteressen, die bislang das Rechtsberatungsmonopol der Anwaltschaft wenn auch in eingeschränkter Weise hält. Der Verbraucher hat daerim Gegenzuge zu anderen Dienstleistungen die Qualität des Rechtsrates nicht oder nur zu spät selbst einschätzen kann ein Interesse daran, nur von einem umfassend ausgebildeten, zur Verschwiegenheit verpflichteten und dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen unterliegenden Juristen auch außergerichtlich beraten und vertreten zu werden. Die Anwaltschaft wiederum definiert sich genau über diese drei Kriterien als unabhängiges Organ der Rechtspflege und wesentliches Element der Justizgewährung und damit unseres Rechtsstaates. Es ist daher nicht einsichtig, warum der Verbraucher ein Interesse an außergerichtlicher Rechtsberatung ohne Qualifikation, Geheimhaltung und Unabhängigkeit haben soll. Aus diesem Grunde ist es gerade aus Sicht der Anwaltsvereine, vor allem aber auch der Rechtsanwaltskammern wichtig, auf den notwendigen Zusammenhang zwischen unabhängigem Rechtsrat und Stellung der Anwaltschaft hinzuweisen. Wenn unter Bezugnahme auf den heutigen Wettbewerb in dem Beitrag konstatiert wird, dass immer mehr Anwälte den Regeln der BRAO nicht mehr gerecht werden oder gar nicht mehr gerecht werden wollen, so kann doch die Antwort auf diesen Umstand nicht in der freiwilligen Freigabe des außergerichtlichen Rechtsberatungsmarktes durch die Anwaltschaft liegen. Das Gegenteil ist richtig. Je mehr insbesondere auch die Kammern dafür Sorge tragen, dass alle Rechtsanwälte ihrer Fortbildungspflicht genügen, dass alle Rechtsanwälte ihrer Verschwiegenheitspflicht nachkommen und das kein Rechtsanwalt widerstreitende Interessen vertritt, um so eher wird auch der Gesetzgeber weiter davon überzeugt sein, dass wie beim Rechtsdienstleistungsgesetz besondere Interessen der Allgemeinheit, insbesondere der Verbraucher, das Fernhalten anderer Juristen vom Rechtsberatungsmarkt rechtfertigt. Daran ändern weder die Diskussionen zur Aufgabe des Einheitsjuristen durch die Spartenausbildung noch diejenigen zur Einführung des Bologna-Prozesses in die Juristenausbildung etwas. Im übrigen hängt jedenfalls außerhalb der Großstädte die Aufrechterhaltung unseres Berufsstandes auch von der Beantwortung dieser Frage ab. Denn es sollte Einigkeit darüber bestehen, dass es auch in Zukunft im ländlichen Bereich den nicht spezialisierten Allgemeinanwalt geben muss. Nicht überall ist einer hoher Grad der Spezialisierung auch Garant für das notwendige berufliche Einkommen. Gerade im ländlichen Bereich hat auch der gut fortgebildete und seriös arbeitende Rechtsanwalt die Konkurrenz von Gewerbetreibenden mit juristischer Ausbildung durchaus zu fürchten. Mit der Aufgabe des Beratungsmonopols würde auch der Kampf für die Stellung des Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und für die Einhaltung der Berufspflichten durch alle Anwälte verloren gehen. Dr. Frank Engelmann, Oranienburg Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt f r Arbeitsrecht. Er ist Pr sident der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg 360 AnwBl 5/2007 Beratungsmonopol aufgeben? Bitte nicht!, Engelmann

MN Meinung &Kritik Beratungshilfe ein Prüfstein für die Justizpolitik Rechtsanwalt Detlev Heyder, Freiburg i. Br. Auch der Bürger mit geringem Einkommen soll sein Recht durchsetzen können. Viele nennen diese Ratsuchenden obwohl das mehr als missverständlich ist immer noch Minderbemittelte. Dabei sind sie keine Bedürftigen, sondern Berechtigte. Doch auch beim Etat für die Beratungshilfe soll gespart werden. Die Gesetzesinitiative einiger Bundesländer zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe (siehe AnwBl 2007, 267) hat schon Schlimmes befürchten lassen. Jetzt zeichnet sich auf der Ebene der Bundesländer eine Entwicklung bei der Beratungshilfe ab, die unter dem bekannten Stichwort der Kostendämpfung dafür sorgt, dass die Grundrechte der Bürger mit geringem Einkommen tangiert werden. Bei fast allen örtlichen Anwaltsvereinen und den Landesanwaltsverbänden fragen immer mehr Anwältinnen und Anwälte nach, die besorgt beobachten, dass die Praxis der Rechtspfleger bei der Erteilung von Berechtigungsscheinen für die kostenfreie Rechtberatung und die nachfolgende Abrechnung schlagartig restriktiver geworden ist und das in einer Intensität, die Zweifel aufkommen lässt, ob eine kostenfreie Rechtsberatung überhaupt noch gewollt ist. Es war schon immer so: Die Akte zur Begründung der Bewilligung und der Gewährung von Beratungshilfe war oft umfangreicher, als die Korrespondenz im eigentlichen Rechtsfall. Für viele Anwälte eine schlichte Zumutung, betrachtet man die Gebühren, die in derartigen Fällen zu realisieren sind (Beratungsgebühr nach RVG VV Nr. 2501 = 30,00 E ; mit Einigung oder Erledigung RVG VV Nr. 2501/2508 =155,00 E ;Geschäftsgebühr RVG VV Nr. 2503 = 70,00 E ; mit Einigung oder Erledigung RVG VV Nr. 2503/2508 = 195 E ). Es verwundert deshalb nicht, wenn Anwältinnen und Anwälte was immer wieder berichtet wird eher auf das Beratungshilfehonorar verzichten, bevor sie sich diesen zusätzlichen Aufwand zumuten. Eine berechtigte Frage ist die, ob die Vorschrift des 49aBRAO mit der Pflicht zur Übernahme der Beratungshilfe verfassungsrechtlich Bestand haben kann. Welchen Berufstand gibt es denn sonst noch (außer vielleicht den Ärzten), der vom Gesetzgeber verpflichtet wird, Dienstleistungen zu unwirtschaftlichen Sätzen zu erbringen? Die Auswirkungen des Sparzwangs zeigt das Beispiel Baden-Württemberg. Der Bezirksrevisor hat die Amtgerichte in Baden-Württemberg geprüft und eine unterschiedliche Bewilligungspraxis gerügt. Die Konsequenz ist jetzt, dass sich die Rechtspfleger vernetzt haben, um eine einheitliche Praxis zu erreichen aber auch, um möglichst effektiv relevante Urteile auszutauschen. Was wird das in der Praxis bedeuten? Es ist damit zu rechnen, dass die Betroffenen ihren Beratungshilfeschein schwieriger erhalten werden. So konfrontieren die Gerichte in Baden-Württemberg die Ratsuchenden neuerdings mit der Frage, ob der Ratsuchende nicht auf den Anwalt verzichtet hätte, wenn er die Beratung aus eigener Tasche bezahlen müsste. Diese Parallelwertung führt dazu, dass in Beratungshilfefällen begründet werden muss, warum der Mandant nicht ohne Anwalt ausgekommen ist. Das widerspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die Grundlage für das Beratungshilfegesetz sind. Wo ist noch eine Gleichbehandlung mit einem Bürger zu sehen, der sich eine Rechtsschutzversicherung leisten kann? Außerdem können die Rechtspolitiker durchaus auf die Erkenntnisse der Rechtsschutzversicherer vertrauen, die mit der Erfahrung kalkulieren, dass niemand freiwillig und ohne Not zum Anwalt geht. Doch was stört mich persönlich am meisten an der Entwicklung? Dass wieder der Eindruck erweckt wird, die Anwaltschaft wolle nur verdienen und es einen Missbrauch bei der Erteilung von Berechtigungsscheinen gebe, der eine Verschärfung notwendig mache. Haben die Beteiligten in den Ministerien denn immer noch nicht gemerkt, wie kostengünstig die Rechtsberatung der Bürger mit geringem Einkommen ist und wie viel Dank des Engagements der Anwaltschaft gespart wird? In der kostenfreien Rechtsberatung wird Die Beratungshilfe ist keine Einnahmequelle für die Anwaltschaft, sondern bürgerschaftliches Engagement. ein großer Teil der Probleme doch schon dadurch geregelt, dass die Betroffenen zum ersten Mal kompetent erfahren, dass an ihrem Fall nun mal nichts dran ist und dass sie sich mit der Situation abfinden müssen. Das entlastet die Gerichte und damit die Justizkasse. Diese Beratung dient und auch das sollte niemand unterschätzen dem Rechtsfrieden. Die örtlichen Rechtsanwaltsvereine haben über Jahre hinweg dafür geworben, dass die kostenfreie Rechtsberatung von den Anwältinnen und Anwälten gewährt wird. Es musste immer wieder daran erinnert werden, dass es eine gesetzlich vorgegebene Berufspflicht ist, auf Berechtigungsschein zu beraten und Ausreden nicht akzeptiert werden. Damit wurden Bürgern mit geringem Einkommen der Zugang zum Recht ermöglicht. Diese Beratungen sind keine relevante Einnahmequelle für die Anwaltschaft, sondern bürgerschaftliches Engagement. Die Bürger erhalten eine hochqualifizierte Dienstleitung, auch wenn vom Staat am Ende kein angemessenes Honorar gezahlt wird. Jetzt wird uns Anwälten, vorgehalten, dass wir mit unserem sozialen Engagement zu erfolgreich gewesen seien. Sehen die Rechtspolitiker nicht, dass sie eine bewährte, billige und wirksame Sozialleistung gefährden, indem sie die Beratungshilfe auf den Prüfstand stellen? Ohne den Sparzwang würden sie vielleicht die Erfolge der Beratungshilfe hervorheben, die Beratungshilfe fördern (weil sie letztendlich nur geringe Kosten verursacht) und mit dem garantierten Zugang zum Recht in den Wahlkampf gehen. Doch wo sind die Politiker mit Augenmass geblieben? Detlev Heyder, Freiburg i.br. Der Autor ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Freiburger Anwaltvereins. Beratungshilfe--ein Pr fsteinf rdie Justizpolitik, Heyder AnwBl 5/2007 361

MN Mitteilungen Soldan Institut Die wirtschaftliche Situation der weiblichen Anwaltschaft Das Soldan Institut für Anwaltmanagement beleuchtet in einer Serie von drei Beiträgen die Besonderheiten der weiblichen Anwaltschaft. Nachdem in den vergangenen zwei Monaten die Geschlechterverteilung in der Anwaltschaft und die Binnenstruktur der weiblichen Anwaltschaft sowie ihr Berufseinstieg und Qualifikationsniveau beleuchtet wurden, schließt die Artikelserie mit diesem Beitrag zur wirtschaftlichen Situation der Rechtsanwältinnen. 1. Indikatoren zur Bestimmung der wirtschaftlichen Situation Die wirtschaftliche Situation der Anwaltschaft ist zwar seit längerem Gegenstand empirischer Forschung 1,systematische Erkenntnisse zur Einkommenssituation der Rechtsanwältinnen im Vergleich zu ihren männlichen Berufskollegen liegen aber bislang nicht vor. Einige Einzelergebnisse aus Forschungsprojekten des Soldan Institutes geben aber Hinweise auf deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der wirtschaftlichen Situation der Anwälte. Solche Unterschiede finden sich beim Vergleich der Umsätze, die Kanzleien tätigen, in denen Frauen den Anwaltsberuf ausüben, beim Vergleich der Gehälter, die junge Rechtsanwältinnen beim Berufseinstieg erzielen, und beim Vergleich der Vergütungen, die Rechtsanwältinnen mit ihren Mandanten vereinbaren. Diese drei Einzelaspekte sind zwar nur Mosaiksteine bei einer Betrachtung der wirtschaftlichen Situation der weiblichen Anwaltschaft; sie lassen aber interessante Rückschlüsse auf das Gesamtbild zu. 2. Umsätze Im Rahmen des Forschungsprojektes Anwaltliche Vergütungspraxis 2 wurden Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen nach den Umsätzen der Kanzlei gefragt, in der sie tätig sind. Die entsprechenden Antworten bezogen sich nicht auf den persönlichen Umsatz der Berufsträger, sondern auf den Gesamtumsatz der jeweiligen Kanzleien. Die Zahlen lassen sich daher mit Ausnahme jener für die Einzelkanzleien nicht unmittelbar einem männlichen oder weiblichen Anwalt zuordnen. Gleichwohl ist auffällig, dass Rechtsanwältinnen deutlich häufiger als Rechtsanwälte in Kanzleien tätig sind, die einen Umsatz von unter 100.000 E pro Jahr tätigen (Abb. 1). Der Unterschied zwischen den Geschlechtern beträgt in dieser Teilgruppe 25%. Anschaulich werden die Unterschiede bei einem Blick auf die absoluten Zahlen. Rechtsanwältinnen gaben für ihre Kanzleien einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 280.248 E an, ihre männlichen Kollegen einen Umsatz von 543.023 E.Da aus diesen Zahlen Kanzleien mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen E pro Jahr herausgerechnet wurden, erklärt sich der Unterschied nicht ohne weiteres aus den extrem hohen Umsätzen großer Kanzleien, in denen Rechtsanwältinnen deutlich unterrepräsentiert sind 4.Dazudem nach dem Kanzleiumsatz und nicht nach dem persönlichen Umsatz des Berufsträgers gefragt war, lässt sich diese Diskrepanz nur sehr eingeschränkt mit der Tatsache erklären, dass weibliche Berufsangehörige häufiger Teilzeit tätig sind und aus diesem Grunde zwangsläufig niedrigere Umsätze generieren. Eine offensichtliche Erklärung liegt darin, dass Rechtsanwältinnen in kleineren Kanzleien tätig sind als Rechtsanwälte 5.Dass diese Tatsache allerdings nicht der einzige Grund für die niedrigeren Kanzleiumsätze ist, zeigt ein Vergleich der Umsätze ausschließlich der Einzelkanzleien. Bei einem solchen Vergleich ist eine eindeutige Zuordnung auf die Geschlechter möglich. Der Anteil der weiblichen Rechtsanwältinnen, die maximal 100.000,- E Jahresumsatz mit ihrer Einzelkanzlei erzielen, liegt mit 75% 16 Prozentpunkte über dem Wert der männlichen Eigentümer von Einzelkanzleien (Abb. 2). Abb. 2: Kanzleiums tze von Rechtsanw ltinnen und Rechtsanw lten ineinzelkanzleien 6 Auffallend ist, dass sich der für die Gesamtanwaltschaft gewonnene Eindruck überdurchschnittlich viele Frauen in umsatzschwächeren Einzelkanzleien bei einem Blick auf die Teilgruppe der nach 1996 zugelassenen Rechtsanwälte nicht bestätigt (Abb. 3): Sie erzielen tendenziell in ihren Einzelkanzleien höhere Umsätze als ihre männlichen Kollegen: 86% der ab 1996 zugelassenen und in Einzelkanzlei tätigen Rechtsanwälte geben an, weniger als 100.000 E Umsatz p.a. zu verbuchen (alle Rechtsanwälte in Einzelkanzlei: 59%). Abb. 1: Kanzleiums tze nach Geschlecht 3 1 Vgl. die regelmäßigen STAR-Untersuchungen des Instituts für Freie Berufe. 2 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen deutscher Rechtsanwälte: Eine empirische Analyse der Vergütungspraxis der deutschen Anwaltschaft, Bonn 2006. 3 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. 4 Vgl. Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf, AnwBl 2007, 219, 222. 5 Vergleiche hierzu bereits Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf, AnwBl 2007, 219, 222. 6 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. 362 AnwBl 5/2007 Die wirtschaftliche Situation derweiblichenanwaltschaft, SoldanInstitut

MN Mitteilungen dem freien Spiel der Marktkräfte unterliegt, also die Vergütungsvereinbarung im Sinne von 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, und nicht eine Vergütung, die sich aus den gesetzlichen Gebühren des Vergütungsverzeichnisses ergibt. Abb. 3: Kanzleiums tze von Rechtsanw ltinnen und Rechtsanw lten ineinzelkanzleien nur Zulassungsjahrg nge ab 1996 7 Der Vergleichswert der Frauen liegt bei 80% (alle Rechtsanwältinnen in Einzelkanzlei: 75%). 3. Einstiegsgehälter angestellter Anwältinnen und freier Mitarbeiterinnen Die Höhe des Einkommens von Rechtsanwältinnen wurde im Rahmen der Studie des Soldan Instituts zur Situation der Berufseinsteiger 8 erhoben. Es zeigt sich, dass Berufseinsteigerinnen unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses und der Kanzleiform deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen (Tab. 1). 9 Im Einzelnen ergeben sich eklatante Differenzen in den durchschnittlichen Einkommen, die je nach Kanzleiform bei 6.000 E bis knapp 8.000 E jährlich zum Nachteil der Rechtsanwältinnen liegen. Sieerreichen je nach Kanzleiform im Mittel nur zwischen 78 %und 87 % des Gehalts ihrer männlichen Kollegen. angestellte Anw lte in EK* und BG* angestellte Anw lte in Soziet ten freie Mitarbeiter in Soziet ten Syndici Frauen 25.700 E 45.000 E 28.000 E 51.300 E M nner 31.800 E 52.000 E 35.700 E 58.000 E Tab. 1: Durchschnittliche Jahresbruttoeink nfte angestellter Anw lte und freier Mitarbeiter des Zulassungsjahrgangs 2003 im Jahr 2005 nach Geschlecht, Besch ftigungsverh ltnis und Kanzleiform sowie von Syndici. 10 * EK=Einzelkanzlei, BG =B rogemeinschaft Diese Unterschiede verweisen auf zwei weiterführende Aspekte: Zum einen wird in der Anwaltschaft nach wie vor Rechtsanwältinnen bei gleicher Arbeitszeit offenkundig eine spezielle Opferbereitschaft abverlangt, 11 zum anderen finden sich möglicherweise unter dem Druck der schwierigen Marktverhältnisse in nennenswertem Umfang junge Juristinnen, die Arbeitsverträge zu derartigen Konditionen akzeptieren. Diese geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede sind allerdings keine Besonderheit des Anwaltsberufs, sondern finden sich in allen Beschäftigtengruppen. Die entsprechenden Werte liegen bei einer Prozentuierung auf das durchschnittliche Einkommen männlicher Einkommensbezieher bei weiblichen Selbständigen aller Statusgruppen 87%, bei Angestellten 70% und bei Arbeiterinnen 67%. 12 4. Vergütung Ein weiterer Indikator für die wirtschaftliche Situation der Rechtsanwältinnen sind die von ihnen am Markt erzielten Vergütungen. Interessant ist hierbei nur jene Vergütung, die a) Verwendungshäufigkeit Da Vergütungsvereinbarungen ganz überwiegend abgeschlossen werden, um eine höhere als die gesetzliche Vergütung zu erzielen, ist ein erster interessanter Ansatzpunkt einer Analyse die Frage, mit welcher Häufigkeit Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Mandate nicht über die gesetzlichen Gebühren, sondern über eine Vergütungsvereinbarung abrechnen. Obwohl überdurchschnittlich viele Rechtsanwältinnen (64%) in Einzelkanzleien tätig sind im Vergleich 45% der Rechtsanwälte 13 und sie somit bereits aufgrund ihrer Organisationsform seltener Vergütungsvereinbarungen treffen 14, besteht ein von der Kanzleigröße unabhängiger signifikanter Zusammenhang zwischen Geschlecht und Häufigkeit von Vergütungsvereinbarungen. Rechtsanwälte treffen Vergütungsvereinbarungen häufiger als ihre Kolleginnen (Abb. 4). Knapp ein Drittel (35 %) der befragten Rechtsanwältinnen trifft nie Vergütungsvereinbarungen, während dies nur auf 23 %ihrer männlichen Kollegen zutrifft. Abb. 4: Anteil der Befragten, die ihre Mandate nie auf der Grundlage von Verg tungsvereinbarungen abrechnen, nach Geschlecht 15 Teilweise lässt sich dieser Befund also mit den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der Geschlechter erklären. Rechtsanwältinnen befassen sich unter anderem überdurchschnittlich häufig mit dem Familienrecht, einer Rechtsmaterie, in 7 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. 8 Hommerich/Kilian, Die Berufssituation junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte: Eine empirische Untersuchung des Zulassungsjahrgangs 2003, Bonn 2006, S. 71. 9 Diese Unterschiede lassen sich nicht auf den höheren Anteil Teilzeit beschäftigter Anwältinnen zurückführen, da hier nur Vollzeit beschäftigte Anwältinnen und Anwälte verglichen werden. 10 Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden nur die vollzeittätigen Anwältinnen und Anwälte berücksichtigt. Hommerich/Kilian, Berufssituation, S. 76 und S.136. 11 Vgl. bereits Hommerich, Die Anwaltschaft unter Expansionsdruck. Eine Analyse der Berufssituation junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Essen 1988, S. 118; ders.,der Einstieg in den Anwaltsberuf. Eine empirische Untersuchung der beruflichen Situation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Bonn 2001, S. 164. 12 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gender Datenreport: Kommentierter Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland 2005, Berlin 2005, Kap. 3.4. 13 Vgl. Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf, AnwBl 2007, 219, 221f. 14 39% aller Mandate, die in mittelgroßen Sozietäten (6-10 Berufsträger) betreut werden, werden per Vergütungsvereinbarung abgerechnet. In den Großsozietäten (11 und mehr Anwälte) macht ihr Anteil hingegen über der Hälfte der Mandate (61%) aus. Je kleiner die Kanzlei ist, desto seltener werden Mandate auf der Grundlage von Vergütungsvereinbarungen abgerechnet. Sowohl inkleinen Sozietäten (2-5 Anwälte) als auch ineinzelkanzleien wird weniger als ein Viertel (22%) der Mandate über eine Vergütungsvereinbarung abgerechnet; vgl. Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen deutscher Rechtsanwälte, Bonn 2006, S. 34. 15 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. DiewirtschaftlicheSituation derweiblichen Anwaltschaft,Soldan Institut AnwBl 5/2007 363

MN Mitteilungen der die gesetzlichen Gebühren tendenziell auskömmlicher sind als in anderen Rechtsgebieten 16.Ein Beleg hierfür mag sein, dass Vergütungsvereinbarungen von Rechtsanwältinnen zwar insgesamt seltener eingesetzt werden, die Abweichung ihren männlichen Kollegen aber im Bereich der gerichtlichen Vertretung signifikant auffälliger ist als in anderen anwaltlichen Tätigkeitsfeldern (Beratung, Begutachtung und außergerichtliche Vertretung) (Abb. 5). Keine signifikanten Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Verwendungshäufigkeit der verschiedenen Vergütungsmodelle. Zeit-, Pauschal- und Erfolgshonorare werden in nahezu identischer Häufigkeit von beiden Geschlechtern verwendet wie auch Modifikationen des RVG durch Vergütungsvereinbarung. Abb. 5: Verwendungsh ufigkeit von Verg tungsvereinbarungen nach T tigkeitsfeld und Geschlecht 17 b) Stundensätze Der bei einer Betrachtung der wirtschaftlichen Situation der weiblichen Anwaltschaft im Bereich der Vergütung aussagekräftigste Wert ist der im Vergleich zu den männlichen Kollegen erzielte Stundensatz. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, die mit Stundensätzen arbeiten, vereinbaren zu 27% einen festen Stundensatz, 73 % arbeiten mit variablen Stundensätzen. Im Bereich der weniger genutzten festen Stundensätze ergeben sich kaum Abweichungen zwischen den Geschlechtern (Tab. 2): Mit 184 E liegt der durchschnittliche Stundensatz für Rechtsanwältinnen zwei Euro höher als jener für Rechtsanwälte. Wesentlich häufiger finden allerdings in der Berufspraxis variable Stundensätze Verwendung. Hier sind die Zahlen für Rechtsanwältinnen ungünstiger als für Rechtsanwälte. Während die Spanne zwischen Minimum und Maximum bei beiden Geschlechtern mit 84 E bzw. 85 E praktisch identisch ist, liegt der Mindestsatz mit 129 E bei den Frauen 21 E unter dem mittleren Mindestsatz der Männer. Gleiches gilt für den mittleren Höchstsatz: Während die Spanne bei den Rechtsanwältinnen bei durchschnittlich 213 E endet, beträgt der Höchstwert der männlichen Kollegen im Durchschnitt 235 E.Es lässt sich damit sagen, dass im Bereich der flexiblen Stundensätze Rechtsanwältinnen am Markt Werte erzielen, die rund 20 E unter dem liegen, was ihre männlichen Kollegen vereinbaren. 16 Vgl. Hommerich/Kilian/Jackmuth/Wolf,AnwBl2007, 219, 223sowie AnwBl2007, 286, 289. 17 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. 18 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen. 19 Hommerich/Kilian, Vergütungsvereinbarungen, S.131. fester Stundensatz variabler Stundensatz Mindestsatz* H chstsatz* Rechtsanw ltinnen 184 E 129 E 213 E Rechtsanw lte 182 E 150 E 235 E Gesamtanwaltschaft 182 E 146 E 231 E *p#0,05 Tab. 2: Durchschnittliche Stundens tze in Abh ngigkeit vom Geschlecht 18 c) Sonstige Aspekte Über die genannten Unterschiede hinaus ergaben sich aus der Studie des Soldan Instituts zur Vergütungspraxis der deutschen Anwaltschaft keine signifikanten geschlechtsspezifischen Abweichungen. Lediglich eine weitere, durchaus interessante Auffälligkeit zeigte sich bei der Frage, ob die Thematisierung der Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten als angenehm oder als eher unangenehm empfunden wird. Rechtsanwältinnen ist es deutlich unangenehmer als ihren männlichen Kollegen, die Vergütungsfrage aktiv anzusprechen (Abb. 6). Während 34 % der Rechtsanwälte diese spezielle Gesprächssituation grundsätzlich nicht als unangenehm empfinden, liegt der Vergleichswert für Rechtsanwältinnen bei 24 %. Die weiblichen Befragten empfinden es zu 21 % als unangenehm bzw. sehr unangenehm, die Vergütungsfrage zu thematisieren, eine Empfindung, die lediglich 11 % ihrer männlichen Kollegen teilen. Diese Abweichung lässt sich nur zum Teil damit erklären, dass Rechtsanwältinnen seltener als Rechtsanwälte Vergütungsvereinbarungen schließen und deshalb insgesamt weniger routiniert sind, über ihre individuell zu vereinbarende Vergütung zu sprechen. Abb. 6: Bewertung der Gespr chssituation bei Ansprache der Verg tungsfrage nach Geschlecht 19 Die im Rahmen dieser Serie vorgestellten Einzelbefunde zeigen deutliche Unterschiede in der Berufsausübung und der wirtschaftlichen Situation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Sie verdeutlichen zugleich die Notwendigkeit einer umfassenden systematischen Analyse dieser Problematik, die das Soldan Institut derzeit vorbereitet. Projektteam: Prof. Dr. Christoph Hommerich, Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Dipl.-Soz. Heike Jackmuth Mag. rer. publ., Thomas Wolf, M.A. Hommerich und Kilian sind Vorstand des Soldan Instituts f r Anwaltmanagement e. V.. Jackmuth und Wolf sind dort wiss. Mitarbeiter. Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, kilian@soldaninstitut.de. 364 AnwBl 5/2007 Die wirtschaftliche Situation derweiblichenanwaltschaft, SoldanInstitut

MN Mitteilungen Anwaltsrecht Der Wissenschaftsbegriff des 15S.1FAO Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen als Fortbildung des Fachanwalts? Rechtsreferendar Dr. Daniel Schnabl, LL.M. (Miami), Frankfurt a. M. und Rechtsreferendar Stefan Richter, Leipzig 15FAO konkretisiert für Fachanwälte die allgemeine Pflicht aller Rechtsanwälte zur Fortbildung aus 43aAbs. 6BRAO. 1 Dabei gewährt 15S.1FAO zwei grundsätzliche Alternativen die Erfüllung dieser Pflicht nachzuweisen. Der Fachanwalt muss entweder in seinem Fachgebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen. Der AnwGH Schleswig hat sich unlängst zu der Frage geäußert, welche Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit einer Publikation zu stellen sind, um 15S.1 Alt. 1FAO zu genügen. 2 Die praktische Bedeutung der Fragestellung ist erheblich. 3 Der Beitrag erläutert, inwieweit Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen die Fortbildungspflicht erfüllen. I. Die Entscheidung des AnwGH Schleswig 4 In dem vom AnwGH Schleswig zu entscheidenden Fall hatte der Antragsteller, ein Fachanwalt für Familienrecht, jährlich circa 9 bis 10 kurze Beiträge zu obergerichtlichen und höchstrichterlichen Urteilen verfasst und diese in der Fachzeitschrift Der Familien-Rechts-Berater veröffentlicht. Die Anerkennung als wissenschaftliche Publikationen wurde durch die Rechtsanwaltskammer mit der Begründung versagt, dass es sich lediglich um Urteilsanmerkungen handele. Dagegen wendete sich der betroffene Fachanwalt vor dem AnwGH Schleswig mit Erfolg. Der AnwGH Schleswig setzt in seiner Entscheidung zunächst am Wortlaut des 15S.1Alt. 1FAO an. Dazu bedient er sich methodisch zweifelhaft eines Rückgriffs auf die entsprechende Definition von Wissenschaft bei der Online- Enzyklopädie Wikipedia, um dann erst in einem zweiten Schritt festzustellen, dass die dortigen Ausführungen deckungsgleich mit denen des BVerfG zu Art. 5 Abs. 3 GG seien. 5 Von dieser Definition des Wissenschaftsbegriffs seien auch Urteilsbesprechungen erfasst, ja gehörten sogar zu den klassischen Formen rechtswissenschaftlicher Betätigung. 6 Quantität und Qualität der Publikation könnten kein taugliches Abgrenzungskriterium bieten, da man insoweit über die allgemeine sprachliche Definition von Wissenschaft hinausginge. 7 Der AnwGH Schleswig vertritt damit letztlich eine weite Auslegung des Wissenschaftsbegriffs unter Anlehnung an den verfassungsrechtlichen Parallelterminus. II. Eigenständige Untersuchung 1. Anlehnung an den verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff 15 FAO selbst enthält keine nähere Konkretisierung des Wissenschaftsbegriffs. Auch eine Begründung oder nähere Erläuterung zur Einführung des 15 S. 1 Alt. 1 FAO findet sich in dem diesbezüglichen Beschluss der 2. Satzungsversammlung (Sitzung vom 25. und 26.6.2002) 8 nicht. 9 Jedoch ist der Begriff unserer Rechtsordnung nicht fremd, so dass man mittels eines Vergleichs zu anderen Bereichen des Rechts durchaus eine nähere Konkretisierung des Begriffs wissenschaftlich gewinnen könnte. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung, an deren Spitze schließlich die Verfassung steht, erscheint es jedenfalls nicht von vornherein fernliegend, den Begriff in 15 S. 1 Alt. 1 FAO mit dem Inhalt des verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriffs in Art. 5Abs. 3Satz 1GGzufüllen. 10 Nach der Formel des BVerfG zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist Wissenschaft jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. 11 Dafür sind Voraussetzung ein gewisser Kenntnisstand und methodisch geordnetes Denken. 12 Legt man das weite verfassungsrechtliche Verständnis von Wissenschaft zugrunde, so ist letztlich jede Fachpublikation als wissenschaftlich im Sinne von 15 S. 1 Alt. 1 FAO anzusehen. Denn im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG werden weder formale, noch inhaltlich-wertgebundene Abgrenzungen vorgenommen. 13 Eine rein formale Abgrenzung danach, ob es sich um einen Aufsatz oder eine Urteilsanmerkung handelt, kommt damit nach diesem Ansatz nicht in Betracht. 14 Es würden insbesondere auch Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen vom Wissenschaftsbegriff des 15S.1FAO erfasst. 15 Zwingend ist der Schluss vom verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG auf den einfachrechtlichen Begriff in 15 S. 1 FAO freilich nicht. Denn 15 S. 1Alt. 1FAO sieht eine doppelte Einschränkung hinsichtlich der Anerkennung von Publikationen eines Fachanwalts vor. Die Publikation muss zum einen auf dem Gebiet der jeweiligen Fachanwaltsbezeichnung und zum anderen wissenschaftlich sein. Insoweit legt die Bestimmung in systematischer Hinsicht eine eigenständige Bedeutung beider Einschränkungskriterien nahe. Wenn aber nach dem Wissenschaftsbegriff des BVerfG bereits jede Publikation auf dem 1 AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218; Schmidt/ Gr ser-herrmann, AnwBl 2001, 560; Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2. Aufl. (2004), 15 FAO Rdnr. 1; vgl. allgemein zur Fortbildungspflicht des Rechtsanwalts Kellner, NJW 2002, 1372ff. 2 Vgl. AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218. 3 Bei fehlendem Nachweis der Voraussetzungen des 15FAO kommt ein Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung in Betracht, vgl. 43c Abs. 4Satz 2BRAO; Kellner, NJW 2002, 1372, 1375; Kleine-Cosack, BRAO, 4.Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 8; Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S. 1, 6; Dahns, NJW- Spezial 2006, 333; vgl. auch Schmidt/ Gr ser-herrmann, AnwBl 2001, 560, 561. Im Vergleich zu den Kosten, die für eine zehnstündige Fortbildungsveranstaltung anfallen, dürften sich die mit einer Fachpublikation verbundenen Kosten in Grenzen halten, was diese Nachweisalternative insbesondere für junge selbständige Fachanwälte attraktiv macht. Hinzu kommt, dass 15FAO ab 2007 auch für Fachanwaltsanwärter gelten wird, vgl. dazu Dahns,NJW-Spezial 2006, 237, 238. Die Bedeutung der Voraussetzungen für die Führung der Fachanwaltsbezeichnung wird auch angesichts der neu hinzugekommenen Fachanwaltschaften weiter wachsen, vgl. Grunewald, NJW 2006, 2306, 2309. 4 NJW 2006, 1218. 5 AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218 f. 6 AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. 7 AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. 8 Vgl. BRAK-Mitt 2002, 122, 123. 9 Vgl. AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218. 10 So letztlich auch AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. 11 BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367; 90, 1, 12; mit diesem Ansatz AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. 12 Pieroth / Schlink, Grundrechte, 21. Aufl. (2005), Rdnr. 621; Jarass / Pieroth Jarass, GG, 8.Aufl. (2006), Art. 5Rdnr. 122; Epping,Grundrechte, 2.Aufl. (2004), Rdnr. 246. 13 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GGI,5.Aufl. (2005), Art. 5Rdnr. 352. 14 So aber Feuerich/ Weyland, BRAO, 6.Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 2,obgleich ohne verfassungsrechtliche Anknüpfung. 15 Vgl. AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. Der Wissenschaftsbegriff des 15 S. 1FAO, Schnabl/Richter AnwBl 5/2007 365

MN Mitteilungen Fachgebiet eines Fachanwalts als wissenschaftlich anzusehen ist, so verbleibt für den einfachrechtlichen Wissenschaftsbegriff damit kein eigenständiger Anwendungsbereich neben dem Erfordernis der Fachgebietsbezogenheit mehr. Dies legt nahe, für Wissenschaftlichkeit im Sinne von 15S. 1FAO mehr zu verlangen als bei Art. 5Abs. 3Satz 1GG. Auch die unterschiedliche Schutzrichtung des Art. 5 Abs. 3Satz 1GGimVergleich zu 15S. 1Alt. 1FAO steht einer Übertragung des verfassungsrechtlichen Begriffsverständnisses entgegen. Denn 15FAO bezweckt nicht, dem Fachanwalt einen wissenschaftlichen Freiraum im Sinne eines individuellen Freiheitsrechts zu gewähren, 16 sondern 15 FAO soll die Qualitätssicherung der Fachanwaltschaft gewährleisten. 17 Aus Art. 5Abs. 3Satz 1GGkann insoweit jedenfalls kein Anspruch auf Anerkennung einer Fachpublikation als wissenschaftlich i. S. v. 15S. 1Alt. 1FAO hergeleitet werden. 2. Selbständiger einfachrechtlicher Wissenschaftsbegriff Die Feststellung, dass eine Gleichsetzung des verfassungsrechtlichen mit dem einfachrechtlichen Wissenschaftsbegriff nicht überzeugt, beantwortet freilich noch nicht die Frage, wie der einfachrechtliche Begriff auszulegen ist. Es wird sich sogleich zeigen, dass sich diese Frage methodisch überzeugender mit Hilfe von Sinn und Zweck des 15S.1FAO und dessen Systematik, sowie dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG und nicht des Art. 5 Abs. 3 GG beantworten lässt. a) Ratio Legis des 15 S.1 FAO Sinn und Zweck der Bestimmung des 15FAO ist die Aufrechterhaltung eines gewissen Qualifikations- und Wissensstandards der Fachanwälte. 18 Es soll ein einheitlicher Qualitätsstandard der Fachanwälte gesichert werden, um die Leistungsfähigkeit der Fachanwaltschaften zu gewährleisten. 19 Die Bestimmung dient damit letztlich auch dem Schutz der Mandanten, 20 die angesichts der Verwendung der Fachanwaltsbezeichnung von einer besonderen Qualifikation des Anwalts auf dem jeweiligen Gebiet ausgehen. 21 Von dieser Zielsetzung ausgehend, stellt sich die Frage, ob daraus für die Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit einer Publikation etwas gewonnen werden kann. Die Auslegung nach Sinn und Zweck verlangt insoweit jedenfalls nach einer Interpretation des Wissenschaftsbegriffs, welche diese Qualitätssicherung gewährleistet, sollte gleichzeitig aber im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1GGnicht über diese Zielsetzung hinausgehen. Wenn es in erster Linie um die Qualitätssicherung im Hinblick auf die Rechtsberatung gegenüber dem Mandanten geht, wäre es verfehlt formal abzugrenzen und nur Aufsätze und Monografien, nicht aber auch Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen als wissenschaftliche Publikationen anzuerkennen. Denn für die qualitativ hochwertige Beratung des Mandanten ist in erster Linie die Kenntnis aktueller Rechtsprechung und Entwicklungen im jeweiligen Rechtsgebiet maßgeblich. 22 Diese Kenntnisse können jedoch auch im Rahmen von Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen erlangt werden. Für die Qualitätssicherung der Fachanwaltschaft und damit für die Wissenschaftlichkeit im Sinne von 15S. 1Alt. 1FAO kann daher nicht entscheidend sein, ob etwa im Rahmen der Publikation neue dogmatische Erkenntnisse erzielt werden. b) Verhältnis zu 15S.1Alt. 2FAO im Hinblick auf die Ratio Legis Man kommt letztlich kaum umhin die beiden Alternativen des 15S.1FAO hinsichtlich des Normziels zueinander in Beziehung zu setzen. 23 Neben dem wissenschaftlichen Publizieren sieht 15S.1FAO als weitere Möglichkeit des Fortbildungsnachweises die dozierende oder hörende Teilnahme an mindestens einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung vor. Zahlenmäßig dürfte letztere am häufigsten als Fortbildungsnachweis genutzt werden. 24 Gerade bei der hörenden Teilnahme an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung findet jedoch keinerlei über die bloße Anwesenheit hinausgehende Erfolgskontrolle statt. 25 Es ist also nicht erforderlich, dass die im Rahmen der zehnstündigen Fortbildungsveranstaltung vermittelten Inhalte verstanden oder auch nur zur Kenntnis genommen werden. Bereits der formale Nachweis der Anwesenheit genügt. 26 Vor diesem Hintergrund darf man auch die Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit eines publizierten Beitrages nicht zu hoch ansetzen. Es muss genügen, dass die Publikation einen Wissensstand sicherstellt, der dem in einer Fortbildungsveranstaltung vermittelten vergleichbar ist. 27 Für diesen Ansatz spricht in systematischer Hinsicht auch 4 Abs. 3FAO. 28 Denn die Anforderungen an die Fortbildung können keinesfalls höher angesetzt werden, als die Voraussetzungen für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung. 29 Wenn also bereits im Rahmen von 4Abs. 3FAO genügt, dass außerhalb eines Lehrgangs erworbene besondere theoretische Kenntnisse dem im jeweiligen Lehrgang vermittelten Wissen entsprechen, so muss auch im Rahmen von 15 S. 1FAO die Vergleichbarkeit des durch die Publikation erlangten mit dem in einer Fortbildungsveranstaltung vermittelten Wissen genügen. Die eigenständige Erarbeitung eines publikationsfähigen juristischen Beitrages gleich welcher Art bringt jedoch bei typisierender Betrachtung wohl stets einen zumindest gleichwertigen Fortbildungserfolg mit sich, wie die zehnstündige passive Teilnahme an einer Fortbildungsver- 16 So für Art. 5Abs. 3Satz 1GG BVerfGE 35, 79, 114; 47, 327, 367; Starck,in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GGI,Art. 5Rdnr. 351. Art. 5Abs. 3Satz 1GGenthält daneben freilich auch eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm, vgl. BVerfGE 111, 333, 353. 17 Vgl. BGH, NJW 2001, 1945, 1946; Schmidt/ Gr ser-herrmann, AnwBl 2001, 560. 18 Schmidt / Gr ser-herrmann, AnwBl 2001, 560. 19 Vgl. BGH, NJW 2001, 1945, 1946. 20 Der Rechtsprüfungspflicht gegenüber dem Mandanten kann der Anwalt auf Dauer nur bei stetiger Fortbildung vollumfänglich nachkommen, vgl. Schnabl, JA2005, 896, 897. 21 Vgl. auch BGH, AnwBl 1999, 562, 563. 22 Vgl. Schnabl, JA2005, 896, 897. 23 Dafür spricht in systematischer Hinsicht auch 4Abs. 3FAO. Deutlich gegen eine Ersatzfunktion der Publikation für die Teilnahme anfortbildungsveranstaltungen AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1220. 24 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO, 4.Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 7. 25 Kellner, NJW 2002, 1372, 1375; zur zukünftigen Entwicklung vgl. AnwBl 5/2006, VIII. 26 BGH, NJW 2001, 1945, 1946; Kleine-Cosack,BRAO, 4. Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 6spricht insoweit pointiert vom zehnstündigen Veranstaltungsschlaf ; vgl. auch Hartung, MDR 2000, 300 ( über sich ergehen lassen); zur Anerkennung von Online-Seminaren vgl. AnwGH Schleswig, NJW-RR 2005, 1295, 1296. 27 Vgl. Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2.Aufl. (2004), 15FAO Rdnr. 6;nach AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1220 soll es dagegen auf die Vergleichbarkeit nicht ankommen. 28 Vgl. Kilian/ vom Stein/ Offermann-Burckart, Praxishandbuch für Anwaltskanzlei und Notariat (2005), 16 Rdnr. 270; Offermann-Burckart,Fachanwalt werden und bleiben (2003), Rdnr. 516. 29 Ähnlich Schmidt/ Gr ser-herrmann, AnwBl 2001, 560; Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2. Aufl. (2004), 15FAO Rdnr. 7. 366 AnwBl 5/2007 DerWissenschaftsbegriff des 15 S. 1FAO, Schnabl/Richter

MN Mitteilungen anstaltung. Denn insbesondere bei Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen muss der Primärtext zunächst gelesen, verstanden und durchdrungen werden, 30 was als Fortbildungsnachweis sogar besser geeignet sein dürfte als die bloße Anwesenheit bei einer Fortbildungsveranstaltung. 31 c) Verfassungsrechtlicher Aspekt Vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wäre es zudem kaum haltbar einen gleich- oder höherwertigen Nachweis der Fortbildung nicht genügen zu lassen. 32 Man darf hier zwar nicht aus den Augen verlieren, dass beide Alternativen des 15 S.1 FAO letztlich nur eine formalisierte Form des Nachweises der Fortbildung darstellen. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und der insoweit zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Bestimmung erforderlichen ausreichenden Gründe des Gemeinwohls, 33 muss jedoch auch der Fortbildungserfolg maßgeblich sein. Setzt man daher beide Alternativen des 15 S.1 FAO im Hinblick auf den bei typisierender Betrachtung zu erwartenden Fortbildungserfolg in Beziehung, so legt dies eine weite Auslegung des Wissenschaftsbegriffs nahe, wonach insbesondere auch Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen erfasst werden. 3. Mindestanforderungen im Hinblick auf 15S. 1Alt. 2FAO Zwar hat die bisherige Untersuchung gezeigt, dass eine formale Abgrenzung danach, ob es sich um eine Urteilsanmerkung handelt oder aber um einen Aufsatz, nicht überzeugt. 34 Dies beantwortet jedoch noch nicht die Frage, ob nicht andere Mindestanforderungen für die Bejahung der Wissenschaftlichkeit einer Publikation zu verlangen sind. 35 Auch hier hilft der Blick auf die Systematik des 15S.1 FAO. Hinsichtlich der zweiten Alternative des 15S. 1FAO sind qualitative Mindestanforderungen nur insoweit gesetzt als es sich um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung handeln muss, 36 wofür bereits genügt, dass sich die Fortbildungsveranstaltung an Juristen richtet. 37 Daraus kann man in systematische Hinsicht schlussfolgern, dass sich auch die Publikation, um wissenschaftlich zu sein, an ein juristisches Fachpublikum richten muss. 38 Dem ist nur dann genügt, wenn der Beitrag in einer juristischen Fachzeitschrift publiziert wird. 39 Dagegen können Mandantenrundschreiben, sowie Rechtstipps und Leserbriefe in Tageszeitungen oder Verbraucherratgebern nicht genügen, 40 mögen sie auch auf dem Gebiet des Fachanwalts sein. 41 Zwar handelt es sich auch bei dieser Differenzierung letztlich um eine formale Abgrenzung. Diese lässt sich jedoch wie gezeigt mit der FAO selbst begründen, während eine formale Abgrenzung danach, ob es sich um einen Aufsatz oder um eine Urteilsanmerkung handelt, in der FAO keinen Anhalt findet. 4. Mindestanforderungen im Hinblick auf 15 S.2 FAO Nicht unbeantwortet bleiben soll letztlich auch die Frage, ob und inwieweit die Bestimmung des 15 S. 1 Alt. 1 FAO quantitative Mindestanforderungen setzt. Der Wortlaut des 15 S. 1 Alt. 1 FAO verlangt lediglich das jährliche wissenschaftliche Publizieren, ohne eine bestimmte Mindestanzahl von Veröffentlichungen, einen Mindestumfang oder einen zeitlichen Mindestaufwand vorauszusetzen. Jedoch bestimmt 15 S. 2 FAO, dass die Gesamtdauer der Fortbildung zehn Zeitstunden nicht unterschreiten darf. Nicht ganz unproblematisch ist gleichwohl, ob diese Mindestanforderung überhaupt für die Fortbildung durch wissenschaftliches Publizieren gilt. Im Schrifttum wird auch für das wissenschaftliche Publizieren ein Mindestaufwand von zehn Zeitstunden verlangt 42 und in der Entscheidung des AnwGH Schleswig wird diese Tendenz ebenfalls deutlich, obgleich die Frage nicht entscheidungserheblich war. 43 Fortbildung im Sinne von 15S.2 FAO ist der Oberbegriff für die in 15S.1 FAO genannten Fortbildungsalternativen, was deutlich für eine Anwendung des 15S.2auf 15S.1Alt. 1FAO spricht. Auch im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Verhältnis der beiden Alternativen des 15S.1FAO zueinander erscheint es dogmatisch überzeugend und folgerichtig, hinsichtlich des zeitlichen Mindestaufwands gleiche Maßstäbe anzulegen. Man sieht sich hier freilich mit nicht unerheblichen praktischen Problemen konfrontiert. Denn eine quantitative Beurteilung von Veröffentlichungen findet üblicherweise nicht nach dem Zeitaufwand, sondern allenfalls nach Anzahl und Umfang der Publikationen statt. Nur letztere Kriterien sind letztlich objektiv messbar, während die Frage, wieviel Zeit die Erstellung eines juristischen Beitrags in Anspruch nimmt, ganz entscheidend von der individuellen Arbeitsweise sowie dem jeweiligen Thema abhängt und daher kaum einem objektiven Nachweis zugänglich ist. Man wird sich daher an der Auskunft des Fachanwalts über seinen zeitlichen Aufwand für die Veröffentlichung zu orientieren haben. Zwar genügen nach Rechtsprechung des BGH Eigenerklärungen über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nicht als Fortbildungsnachweis. 44 Hier geht es jedoch nicht um die Frage, ob eine Fortbildung überhaupt stattgefunden hat, sondern lediglich um den Nachweis des zeitlichen Mindestumfangs. Dafür ist ein anderer Nachweis als die Eigenauskunft des Fachanwalts nicht denkbar. In die Berechnung des Zeitaufwandes für die wissenschaftliche Veröffentlichung sind dabei nach dem Sinn und Zweck des 15FAO alle Tätigkeiten einzubeziehen, die der Fortbildung dienen. Dazu gehören neben dem eigentlichen Verfassen des Beitrags auch schon die Themensuche, sowie 30 Vgl. Offermann-Burckart,FA-Spezial 2005, Beilage zuheft 10, S. 1, 2. 31 Denn bei Fachpublikationen findet sogar eine Art Erfolgskontrolle statt, da die Redaktion der jeweiligen Fachzeitschrift einen Qualitätsfilter bietet. 32 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO, 4.Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 6. 33 Vgl. BGH, NJW 2001, 1945, 1946; vgl. Kleine-Cosack,BRAO, 4. Aufl. (2003), Vorbemerkung FAO Rdnr. 6;vgl. auch AnwGH Bayern, NJW 2002, 2041, 2042; vgl. auch Kellner, NJW 2002, 1372, 1374. 34 So auch Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S. 1, 2. Dass eine solche formale Abgrenzung imhinblick auf das Normziel nicht überzeugt, zeigt letztlich auch vorliegender Aufsatz, welcher ebenso gut als Urteilsanmerkung hätte ausgestaltet werden können, ohne dass sich inhaltlich und hinsichtlich des Fortbildungserfolgs der Autoren eine Veränderung ergeben hätte. 35 Deutlich gegen die Heranziehung jeglicher qualitativer Abgrenzungskriterien AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219. 36 Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2. Aufl. (2004), 15 FAO Rdnr. 5. 37 Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2. Aufl. (2004), 15 FAO Rdnr. 5. 38 Vgl. Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2.Aufl. (2004), 15FAO Rdnr. 6. 39 Nur dort findet letztlich auch die bereits angesprochene juristische Qualitätskontrolle durch die Redaktion statt, weiter Hartung-Scharmer, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Auflage (2006), 15 FAO Rdnr. 32( Berater-Fachzeitschrift ). 40 Henssler/ Pr tting Henssler, BRAO, 2. Aufl. (2004), 15 FAO Rdnr. 6; Kilian/ vom Stein/ Offermann-Burckart,Praxishandbuch für Anwaltskanzlei und Notariat (2005), 16Rdnr. 271; Offermann-Burckart,FA-Spezial 2005, Beilage zuheft 10, S. 1, 2; Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben (2003), Rdnr. 518. 41 Insoweit ist auch sichergestellt, dass für das Merkmal der Wissenschaftlichkeit neben dem der Fachbezogenheit ein eigener Anwendungsbereich verbleibt; vgl. oben diesbezüglich die Kritik ander Entscheidung des AnwGH Schleswig. 42 Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S. 1, 4, Hartung-Scharmer, Anwaltliche Berufsordnung, 3.Auflage (2006), 15FAO Rdnr. 34. 43 AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1220. 44 BGH, BRAK-Mitt. 2001, 188, 189. Der Wissenschaftsbegriff des 15 S. 1FAO, Schnabl/Richter AnwBl 5/2007 367

MN Mitteilungen die Literatur- und Rechtsprechungsrecherche. 45 Vor diesem Hintergrund dürfte die Wahrung des zeitlichen Mindestaufwands von zehn Zeitstunden wohl ohnehin nur selten problematisch sein. 46 Ist der zeitliche Mindestaufwand gleichwohl nicht erreicht worden, so kann dies noch durch weitere Veröffentlichungen 47 oder die Kombination mit einer kürzeren Fortbildungsveranstaltung geschehen. 48 5. Maßgeblicher Zeitpunkt 45 Vgl. auch AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1219; Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S.1,4. 46 Kilian/ vom Stein/ Offermann-Burckart, Praxishandbuch für Anwaltskanzlei und Notariat (2005), 16Rdnr. 277; Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben (2003), Rdnr. 516; Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S.1, 4. In dem vom AnwGH Schleswig entschiedenen Fall gab der Fachanwalt freilich an für eine Urteilsanmerkung lediglich mindestens 1,5 Stunden benötigt zu haben. 47 Vgl. AnwGH Schleswig, NJW 2006, 1218, 1220; Offermann-Burckart,FA-Spezial 2005, Beilage zuheft 10, S. 1, 4. 48 Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S. 1, 4. 49 Abgestellt wird dabei nicht etwa auf einen Zwölf-Monatszeitraum beginnend mit der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung, sondern auf das Kalenderjahr, vgl. Hartung Scharmer, Anwaltliche Berufsordnung, 3.Aufl. (2006), 15FAO Rdnr. 42; Offermann-Burckart, FA-Spezial 2005, Beilage zu Heft 10, S. 1, 5m.w.N 50 Dabei handelt essich freilich nicht um eine Frage des Wissenschaftsbegriffs. Sie soll gleichwohl andieser Stelle auf Grund des Sachzusammenhangs nicht unbeantwortet bleiben. 51 Henssler/Pr tting Henssler, 2.Aufl. (2004), 15FAO Rdnr. 6; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. (2003), 15FAO Rdnr. 2;vgl. auch Offermann-Burckart,FA-Spezial 2005, Beilage zuheft 10, S. 1, 5m.w.N. 52 Vgl. Hartung Scharmer, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl. (2006), 15FAO Rdnr. 11und 43; J hrig, Fachanwaltschaften: Entstehung, Entwicklung und aktuelle Fragen (2002), S.136 f. 53 Auch Offermann-Burckart,FA-Spezial 2005, Beilage zuheft 10, S. 1, 5meint letztlich, es müsse hier eine gewisse Flexibilität gelten. 54 Freilich gewährt man damit dem Fachanwalt letztlich eine Art Wahlrecht, ober eine Publikation für das Entstehungsjahr oder das Erscheinungsjahr anerkennen lassen will. Vor dem Hintergrund von Art. 12Abs. 1GG ist dies jedoch hinzunehmen. 55 Vgl. zur mangelnden Nachweisbarkeit der geistigen Urheberschaft und der damit verbundenen Missbrauchsproblematik, Schmidt,AnwBl 2001, 560; Holl, BRAK-Magazin, 3/2002, S. 6. 56 Vgl. auch Hartung Scharmer,Anwaltliche Berufsordnung, 3.Aufl. (2006), 15 FAO Rdnr. 32. 57 Vgl. dazu oben. Es empfiehlt sich auch hier unaufgefordert entsprechende Angaben über den jeweils entstandenen Zeitaufwand zumachen ( 15S.3FAO), vgl. Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben (2003), Rdnr. 517. 15 S. 1 Alt. 1 FAO verlangt, dass der Fachanwalt jährlich publiziert. 49 Leider kommt es nicht selten vor, dass ein Beitrag erst lange nach seiner eigentlichen Entstehung tatsächlich publiziert wird. Dies wirft die Frage auf, ob eine Anerkennung als Fortbildung für das Jahr, in dem der Artikel entstanden ist oder aber das Jahr, in dem er letztlich publiziert wurde, zu erfolgen hat. 50 Im Schrifttum überwiegt die Ansicht, maßgeblich sei allein der Zeitpunkt des Erscheinens des Beitrags. 51 Im Grundsatz ist das sicherlich richtig. Denn sowohl der Wortlaut des 15 S. 1 FAO ( publizieren ) als auch die Nachweisbarkeit und damit Praktikabilität sprechen für diesen Ansatz. Die ratio legis des 15S.1FAO und die damit in Zusammenhang stehenden verfassungsrechtlichen Aspekte gebieten jedoch bestimmte Ausnahmen von diesem Grundsatz. Soll 15 S. 1 FAO die stetige Fortbildung zur Qualitätssicherung der Fachanwaltschaft gewährleisten, 52 so muss eine Anerkennung für das Jahr erfolgen können, in dem die eigentliche Fortbildung stattgefunden hat. Beim wissenschaftlichen Publizieren bildet sich der Fachanwalt im Rahmen der Entstehung des Manuskripts fort (Recherche etc.). Das spätere Erscheinen der Publikation dürfte insoweit kaum mit einem neuerlichen Fortbildungserfolg des Autors verbunden sein. Es wäre daher auch mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG bedenklich, wenn einem Fachanwalt, der alles getan hat, um seiner Fortbildungspflicht zu genügen, die Anerkennung der Fortbildungsmaßnahme auf Grund eines äußeren Umstandes versagt würde, der allenfalls mittelbar von ihm beeinflusst werden kann. Schließlich hat die Verzögerung der Veröffentlichung keinerlei Einfluss auf die bereits stattgefundene Fortbildungsleistung. Daher ist folgende Ausnahme von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Erscheinungsjahres zuzulassen. Hat der Fachanwalt ein druckreifes Manuskript bei einer Fachzeitschrift eingereicht und diese den Beitrag zur Veröffentlichung angenommen, so kann eine Anerkennung für das Jahr erfolgen, in dem diese Voraussetzungen gegeben sind. 53 Für den Nachweis dürfte insoweit die Vorlage des Manuskripts und eines Schreibens der Redaktion, aus dem die Annahme zur Veröffentlichung hervorgeht, genügen. 54 6. Mehrere Autoren Eine weitere Frage, die vom AnwGH Schleswig nicht zu entscheiden war, ist die, wie bei mehreren Autoren zu verfahren ist. Fest steht jedenfalls, dass Wissenschaftlichkeit im Sinne von 15S. 1FAO nicht verlangt, dass die Publikation allein verfasst wurde. 55 Die Rechtswissenschaft lebt gerade vom Diskurs. Die Diskussion zwischen mehreren Autoren dient daher in besonderem Maße der Fortbildung der Beteiligten, so dass mit Blick auf das Normziel des 15S.1 FAO auch die Mitautorenschaft genügt. 56 Damit reduziert sich die Problematik auf eine solche des zeitlichen Mindestumfangs der Fortbildung. 57 III. Fazit Im Ergebnis ist dem AnwGH Schleswig weitgehend zuzustimmen, nicht jedoch bezüglich der Begründung. Obgleich eine Übertragung des verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriffs aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auf 15 S. 1 Alt. 1 FAO nicht zu überzeugen vermag, gebietet doch eine an der ratio legis des 15 FAO orientierte Auslegung, welche auch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Art. 3 Abs. 1 GG im Blick behält, ein weites Verständnis des Begriffs, welches insbesondere auch Urteilsanmerkungen und Buchbesprechungen als wissenschaftliche Publikationen erfasst. Zu fordern ist lediglich, dass sich die Publikation an ein juristisches Fachpublikum richtet, also in einer juristischen Fachzeitschrift veröffentlicht ist. Dr. Daniel Schnabl, LL. M. (Miami), Frankfurt a. M. Der Autor ist Rechtsreferendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Frankfurter B ro der Soziet t Gleiss Lutz. Stefan Richter, Leipzig Der Autor ist Rechtsreferendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Soziet t Hemmelrath &Partner in Leipzig. 368 AnwBl 5/2007 DerWissenschaftsbegriff des 15 S. 1FAO, Schnabl/Richter

MN Mitteilungen RVG-Frage des Monats Das Überraschungsei in der Betriebsprüfung Umsatzsteuerprobleme bei durchlaufenden Posten Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg Dass die Aktenversendungspauschale mehrwertsteuerpflichtig sein kann (siehe Henke im März-Heft des Anwaltsblatts, AnwBl 2007, 224), hat viele Leser gewundert. Sie haben gefragt, wie denn andere verauslagte Positionen umsatzsteuerrechtlich behandelt werden sollten. Hier die Antwort (siehe auch ausführlicher Schons in AGS 2007, 109 f.). Es gibt Gefahren bei der Umsatzsteuer, die weitestgehend unbekannt sind und die sich unter dem Stichwort durchlaufende Posten schlagwortartig beschreiben lassen. In Anwaltsrechnungen werden üblicherweise zwar die eigentlichen anwaltlichen Gebühren mit der Umsatzsteuer belegt, die Gebühren für die Handelsregisterauszüge, die Kosten für eine Einwohnermeldeanfrage sowie die Aktenversendungspauschale werden als sog. durchlaufende Posten umsatzsteuerfrei dem Auftraggeber berechnet. Von dieser Handhabung wird sich der Rechtsanwalt verabschieden müssen, will er nicht Gefahr laufen, demnächst in erheblichem Umfange Umsatzsteuer nachzuzahlen. Je nach Kanzleigröße können über mehrere Jahre hinweg durchaus beachtliche Beträge auflaufen, wenn man sich den aktuellen Umsatzsteuersatz von 19% vor Augen führt. Kosten für Grundbuchauszüge usw. Worum geht es? Das Bayerische Oberlandesgericht war in einer Entscheidung vom 27. Oktober 2004 (3 Z Br 185/04) der Frage nachgegangen, ob Notare die Gebühren, welche sie nach der Verordnung über Grundbuchabrufverfahrensgebühren vom 30. November 1994 für die Einsichtnahme in die elektronischen Grundbücher an die Justizkasse zu entrichten haben, dem Klienten, in deren Auftrag und Interesse die Einsichtnahme erfolgt, als verauslagte Gerichtskosten in Rechnung stellen dürfen (nach 140 S. 1 KO besteht sogar eine Pflicht zur entsprechenden Weitergabe dieser Kosten). Nach Bekanntwerden dieser Entscheidung wurde an das Bundesministerium der Finanzen und das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die Frage gestellt, ob die insoweit verauslagten Gerichtskosten durchlaufende Posten seien oder ob sie als Leistung des betroffenen Notars mit Umsatzsteuer belegt werden müssten. Beide Ministerien haben die Umsatzsteuerpflicht mit der Begründung bejaht, dass es entscheidend auf die Gebührenschuldnerschaft des Rechtsberaters ankomme. Schuldet der Notar bzw. Rechtsanwalt dem Leistungserbringer gegenüber den in Rechnung gestellten Betrag, so sei die Weitergabe an den Auftraggeber kein durchlaufender Posten, sondern eine umsatzsteuerbare Leistung des Rechtsberaters. Damit kann als Zwischenergebnis wohl festgehalten werden, dass jedenfalls die eingangs erwähnten Kosten für Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge, Kosten für Anfragen beim Einwohnermeldeamt und die Aktenversendungspauschale mit Umsatzsteuer zu versehen ist. Wer hier Zweifel hat, sollte jedenfalls das Problem mit dem eigenen Steuerberater nochmals besprechen, um Umsatzsteuernachzahlungen nach einer Prüfung auf jeden Fall zu vermeiden. Gerichtskosten Noch bedeutender wird die Problematik dann, wenn man sie auch auf Gerichtskosten erstreckt, die einige Anwaltskanzleien nach wie vor für die eigene Partei vorlegen und sich dann als durchlaufenden Posten umsatzsteuerfrei vom Auftraggeber erstatten lassen. Wer jetzt vorschnell erklärt, das sei doch ersichtlich kein Problem, da die Klage ja namens und im Auftrag des Mandanten eingereicht werde, verkennt, dass auch die Einsicht ins Grundbuch jedenfalls in der Regel im Auftrag und im Interesse des Klienten erfolgt. Gleichwohl gehen die Auskünfte der Ministerien dahin, dass derart verauslagte Gerichtskosten keine durchlaufenden Posten sind. Es kommt erschwerend hinzu, dass die Gerichte Gerichtskostenrechnungen fälschlicherweise wie ich meine an den bevollmächtigten Rechtsanwalt adressieren statt an die klagende Partei. Hier wird dann zumindest der Schein einer Kostenschuldnerschaft gesetzt, der später zu Schwierigkeiten führen kann. Praxisempfehlung 1. Jeder Anwalt sollte in Zukunft Registerauszugsgebühren, Aktenversendungspauschalen und die Kosten für Anfragen beim Einwohnermeldeamt oder beim Gewerbeamt mit Umsatzsteuern belegen, auch wenn dies zu einer erheblichen Verteuerung der Anwaltsleistung bei nicht vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten führt. Ansonsten kann es im wahrsten Sinne des Wortes zu einem späteren Zeitpunkt teuer für den Rechtsanwalt werden! 2. Es besteht nunmehr ein schwerwiegender weiterer Grund dafür, die Gerichtskosten sofort und ausschließlich von der eigenen Partei zahlen zu lassen. Entweder der Mandant stellt die benötigten Gerichtskosten nachweislich vorab als durchlaufendes Geld zur Verfügung oder man veranlasst ihn, unmittelbar an die Gerichtskasse zu zahlen. Zu denken wäre auch daran, dass der Klageschrift nicht der Scheck der Kanzlei wie heute noch zu beobachten beigefügt wird, sondern der Scheck des Mandanten. 3. Bei den Gerichten ist dafür Sorge zu tragen, dass Gerichtskostenrechnungen an die Person adressiert werden, die auch tatsächlich Kostenschuldner ist, nämlich die Partei. Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf bemüht sich bereits um eine entsprechende Handhabung. Den Kolleginnen und Kollegen kann angesichts der hier geschilderten zumindest unsicheren Rechtslage nur der Rat gegeben werden, es mit den eigenen Interessen so zu halten wie mit den Interessen der Mandantschaft: Es ist immer der sicherste Weg zu beschreiten! Herbert P.Schons, Duisburg Der Autor ist Rechtsanwalt und Notar. Erist Mitglied des Ausschusses RVG und Gerichtskosten des Deutschen Anwaltvereins sowie 1. Vizepr sident und Vorsitzender der Geb hrenabteilung der Rechtsanwaltskammer D sseldorf. Vorsicht Falle!,Schons AnwBl 5/2007 369

MN Mitteilungen Bücherschau Anwaltsrecht Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln 1. Fünf Jahre nach Erscheinen der Vorauflage hat das Autorenteam um Wolfgang Hartung den Kommentar Anwaltliche Berufsordnung indritter Auflage vorgelegt. Die seit 2001 vergangene Zeit hat einige Änderungen in der BORA und der FAO, die ebenfalls kommentiert wird, gebracht. Sie waren in der Neuauflage zu berücksichtigen. Die umfassendsten Änderungen hat Anwaltliche Berufsordnung von Wolfgang Hartung; 3. Aufl.; M nchen: Verlag C.H. Beck, 2006; 1.350 S., geb.; 978-3-406-54060-8; 128, EUR. Fachanwalt werden und bleiben von es im Bereich der FAO gegeben. Hier waren nicht weniger als 11 zusätzliche Fachanwaltschaften einzuarbeiten, ferner mussten insbesondere die Änderungen im Bereich des Fachgesprächs ( 7 FAO) nachvollzogen werden. Dieser Aufgabe hat sich mit Hartmut Scharmer, Geschäftsführer der RAK Hamburg, ein neuer Autor gestellt, der an die Stelle des ausgeschiedenen, bisherigen Mitherausgebers Holl getreten ist. Weitere Überarbeitungen standen insbesondere im Bereich des reformierten 7 BORA (Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit) und des neuen 7a BORA (Führen der Bezeichnung Mediator) an. Eine grundlegende Überarbeitung musste auch 3BORA erfahren, der sich mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und insbesondere mit dessen Erstreckung in Sozietätssachverhalten beschäftigt. Diese wichtige Norm kommentiert Hartung in nicht weniger als 180 Randnummern. Eine derart umfangreiche Kommentierung bietet viel Raum für interessante Überlegungen, wenngleich der Rezensent mit Einigem, was Hartung ausführt, durchaus nicht einer Meinung ist. So ist die Annahme problematisch, dass 3 BORA in seiner gegenwärtigen Fassung von der Satzungsermächtigung nicht gedeckt sei, weil die Norm zulasse, was nach 43a Abs. 4BRAO verboten sein müsse (Rdnr. 106 ff.). Überzeugender scheint mir das Verständnis zu sein, dass sich 43 a Abs. 4 BRAO überhaupt nicht zur sozietätsweiten Geltung des Verbots äußert. Die Satzungsversammlung hat durch 3 BORA daher nicht ein existierendes Verbot beschränkt, sondern ein zuvor nicht existierendes Verbot geschaffen. Bereits diese kursorischen Anmerkungen zeigen, dass der Kommentar auch in seiner Neuauflage zahlreiche interessante Thesen über die Vereinbarkeit einzelner Satzungsnormen mit dem höherrangigen Recht zur Diskussion stellt, ein nicht auch zuletzt vor dem Hintergrund der kritischen Würdigung des nationalen Berufsrechts durch die europäischen Kartellwächter unerlässlicher Anstoß zur kritischen Auseinandersetzung mit der Arbeit der Satzungsversammlung. Das Werk hat insgesamt nicht an Seiten, wohl am Inhalt zugenommen: Dies beruht darauf, dass es nunmehr in einem größeren Format erscheint. Kehrseite der Medaille ist, dass der Preis um fast 40% zugelegt hat. Bekanntes ist beibehalten worden: So wie die Standardkommentierungen zur BRAO mittlerweile sämtlich auch eine Kommentierung der BORA enthalten, bietet der Hartung wie in den Vorauflagen komplementär zur Erläuterung des Satzungsrechts (BORA, FAO und CCBE-Regeln) auch eine fast 400seitige Kommentierung des dritten Teils der BRAO ( 43 bis 59m). Vertraut ist auch die akribische Dokumentation der Genese einzelner Normen des Satzungsrechts unter Auswertung der Materialien und Protokolle der Satzungsversammlung wenngleich als eines der ungelösten Geheimnisse des Berufsrechts wohl die Bedeutung der SV-Mat. und SV-Prot. für die Normauslegung gelten muss. 2. Ebenfalls in Neuauflage erschienen ist das von der Susanne Offermann-Burckart; 2. Aufl.; K ln: Verlag Dr. Otto Schmidt, 2006; 378 S., geb.; 978-3-504-18056-0; 39,80 EUR. Hauptgeschäftsführerin der RAK Düsseldorf, Susanne Offermann-Burkart, verfasste Kompendium Fachanwalt werden und bleiben. Es ist erstmals im Jahr 2003 vorgelegt worden und die einzige systematische Darstellung der FAO geblieben. Nicht nur die Tatsache, dass die Autorin die Kammergeschäfte im Bezirk Düsseldorf führt, sondern auch ihre Tätigkeit als stellvertretende Vorsitzende des für die Fachanwaltschaften zuständigen Ausschusses der Satzungsversammlung stellt sicher, dass das Werk praxisnah und am Puls des Geschehens geschrieben worden ist. Der Umfang des Buchs hat sich im Vergleich zur Vorauflage fast verdoppelt. Umso erfreulicher ist es, dass das vom Rezensenten als zu hoch kritisierte Preis der Erstauflage trotz des nunmehr gebotenen, erheblichen Mehrwerts lediglich um fünf Euro gestiegen ist. Der Zuwachs an Umfang erklärt sich vor allem mit der Ausweitung der Fachanwaltsgebiete von acht auf 18. Die Anforderungen an die theoretischen und praktischen Kenntnisse, die für den Erwerb des Titels notwendig sind, werden für jede Fachanwaltschaft sorgfältig erörtert. Aber auch in der Darstellung der allgemeinen Fragen finden sich neue zusätzliche Überlegungen, so etwa zum Problem der Kontinuität des Fachanwaltslehrgangs, der Überschneidung von Lehrgangsinhalten oder zu Einzelfragen des höchst problematischen Fallbegriffs. In den Anhang aufgenommen worden sind die Berliner Empfehlungen 2006 zur Auslegung und Fortschreibung der FAO sowie die Mustergeschäftsordnung für Vorprüfungsausschüsse. Wie bereits die Vorauflage kann der Rezensent das Werk jedem Rechtsanwalt, der sich mit dem Erwerb eines Fachanwaltstitels beschäftigt, uneingeschränkt empfehlen. 3. Wer das Werk Anwaltsstrategien im Berufsrecht von Mario Axmann, Geschäftsführer Anwaltsstrategien im Berufsrecht von Mario Axmann; Stuttgart: Boorberg- Verlag, 2006; 131 S., kart.; 978-3-415-03768-7; 19,80 EUR. der Rechtsanwaltskammer Stuttgart, erstmals in die Hand nimmt, ist möglicherweise ob des Titels ein wenig irritiert, legt er doch nahe, als ob Berufsrecht gestaltet werden könne, es eine gewisse Unverbindlichkeit mit sich bringe. Der Titel erklärt sich aber bei näherem Hinsehen aus der Tatsache, dass das 130 seitige Werk Teil einer neuen Schriftenreihe An- 370 AnwBl 5/2007 Anwaltsrecht, Kilian

MN Mitteilungen waltsstrategien ist, die auch Titel zur Vergütungsabrechnung, zum Zivilprozess, zur Steueroptimierung, zur Zwangsvollstreckung und zum Kanzleimanagement enthält. Da sich dickleibige Bücher zum Anwaltmanagement oder Anwaltsrecht nicht allzu gut verkaufen, erscheint der Ansatz, durch ein Reihenkonzept Einzelthemen besser dosiert an den in berufsrechtlichen Fragen häufig der Hilfestellung bedürfenden Rechtsanwalt zu bringen, in der Tat einen Versuch wert. Vor diesem Hintergrund wird im Titel zum Berufsrecht ein knapper Abriss über die Grundstrukturen von BRAO und Berufsordnung präsentiert. Ganz im Zentrum der Erörterung stehen die Berufspflichten des Rechtsanwalts. Zulassungswesen und Verfahrensrecht werden nur kursorisch erörtert, die anwaltliche Selbstverwaltung auf drei Seiten abgehandelt. Insoweit vermittelt das Werk, das sich wohl primär an junge Rechtsanwälte richtet, in leicht konsumierbarer Form das unverzichtbare Mindestwissen, das der Rechtsanwalt in eigenen Angelegenheiten besitzen muss. 4. Das anwaltliche Satzungsrecht hat in der Vergangenheit bereits wiederholt das Interesse Die Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer imsystem der anwaltlichen Selbstverwaltung von Immo Funk; K ln: Verlag Heymann, 2006; 391 S., kart.; 978-3-452-26449-7; 98, EUR. wissenschaftlicher Untersuchungen gefunden. Bereits vorgestellt worden sind im Rahmen der Bücherschau höchst interessante Studien zur Regelungskompetenz der Satzungsversammlung von Wirtz und zu den zivilrechtlichen Wirkungen der Berufsordnung von Steinkraus. Eine weitere interessante Grundlagenstudie hat nunmehr Immo Funk vorgelegt, der Die Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer im System der anwaltlichen Selbstverwaltung analysiert hat. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine in Erlangen betreute Dissertation mit öffentlichrechtlicher Annäherung an die Satzungsversammlung: Sie ist nach Funk keine selbstständige juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern ein zusätzliches, unselbstständiges Organ der BRAK, in dem die regionalen Kammern vertreten werden. Die Tatsache, dass damit Beschlüsse durch Rechtsanwälte als Nicht-Mitglieder der BRAK getroffen werden, hält Funk für unbedenklich, solange es sich bei diesen um die von Entscheidungen eigentlich Betroffenen handelt. Die mittelbare Betroffenenbeteiligung durch die Wahlen auf Regionalebene sieht der Verfasser nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der verbandsinternen Demokratie; rechtspolitisch plädiert er aber für einen bundesweit einheitlichen Wahlgang und eine unmittelbare Vertretung der Rechtsanwälte in der Satzungsversammlung. Den umstrittenen 191e BRAO sieht Funk nicht als gesetzliches Inkrafttretungsverbot, sondern lediglich als qualifiziertes Anzeigeverfahren. Die lesenswerte Arbeit schließt eine weitere, bislang bestehende Lücke der Erforschung des Rechts der Satzungsversammlung 5. Bereits seit einigen Monaten liegt der Titel Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten von Oliver Knöfel auf dem Schreibtisch des Rezensenten und hat seitdem einiges Kopfzerbrechen bereitet: Wie soll die Bücherschau mit ihrem beschränkten Raum eine Doktorarbeit angemessen würdigen, die sich dem Leser auf 1.050 Seiten Dünndruckpapier und mit mehr als 4.000 Fußnoten Grundfragen der internationalen Berufsaus bung von Rechtsanw lten von Oliver Kn fel; Bonn: Anwaltverlag; 2005; 1050 S., kart.; 978-3-8240-5231-8; 58, EUR. präsentiert? Eine auch nur in Ansätzen ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Mammutwerk ist hier nicht möglich, der Versuch sei daher gar nicht erst unternommen. Dem Leser des AnwBl. ist Knöfel in den vergangenen Jahren bereits wiederholt als Autor von Beiträgen begegnet, die sich zumeist mit der Schnittstelle des Anwaltsrechts mit dem IPR befassen. Dort ist auch die Dissertation des Verfassers angesiedelt. Wie grundlegend Knöfel an das Thema herangeht, zeigt bereits, dass die Einleitung des Werks 60 Seiten umfasst und einen breiten Strauß hoch interessanter Aspekte auffächert, denen der Verfasser sodann mit enormem Tiefgang nachgeht. Besonders wichtige Anliegen seiner Untersuchung sind die sorgfältige Trennung von Anwaltsprivatrecht und öffentlichem Recht der Anwaltstätigkeit, deren Bedeutung bei der Entwicklung IPR-rechtlicher Grundsätze augenfällig wird, und die Lösung des Blicks vom Anwaltsberuf auf andere freiberufliche Professionen, um auf diese Weise berufsgruppenübergreifende Lösungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu ermöglichen. Zunächst untersucht Knöfel die allgemeinen Grundlagen der internationalen Berufstätigkeit von Rechtsanwälten und hier in einzelnen Abschnitten den Umgang des Anwaltsrechts mit Auslandssachverhalten durch das deutsche Internationale Anwaltsrecht, das aus dem Sekundärrecht gewonnene Europäische Anwaltsrecht und das Weltanwaltsrecht als Verbandsrecht. Knöfel entwickelt sodann einen eigenen Lösungsvorschlag zur Lokalisierung der anwaltlichen Berufstätigkeit im IPR, im internationalen Steuerrecht und im internationalen Berufsrecht. Die Komplexität der Darstellung erschließt sich auf den ersten Blick, ihre Qualität werden wohl nur intime Kenner des Kollisionsrechts in vollem Umfang zu würdigen wissen. Auf rund 400 Seiten befasst sich schließlich ein abschließender Teil IV mit den Rechtsproblemen der internationalen Anwaltssozietät, untergliedert in Abschnitte zur Struktur der Sozietät als Berufsrechtsproblem, zu Interessenkonflikten, angestellten Anwälten und zum Briefbogen in der internationalen Sozietät. Wer sich fragt, was man überhaupt in Inlandsachverhalten zum Briefbogen schreiben könne, dem sei versichert, dass Knöfel ohne Schwierigkeiten 150 Seiten zu den besonderen Problemen des Briefbogens der internationalen Sozietät füllt. Ein überaus bemerkenswertes Werk, dem zu wünschen ist, dass sein hoher Anspruch einer breiteren Rezeption nicht im Wege stehen wird. Dr. Matthias Kilian, K ln Der Autor ist Rechtsanwalt und Vorstand des Soldan-Instituts f r Anwaltmanagement e.v. (Essen). Er ist erreichbar per E-Mail: kilian@soldaninstitut.de. Anwaltsrecht,Kilian AnwBl 5/2007 371

MN Haftpflichtfragen Haftungsfallen im Verkehrszivilrecht Rechtsanwältin Bettina Laschke, Allianz Versicherungs-AG München Die Abwicklung eines Verkehrsunfalls gilt unter Anwälten als einfach. Doch warum wurde dann 2004 der Fachanwalt für Verkehrsrecht eingeführt? Der zweite Blick zeigt, dass es mit dem simplen Mandat schnell zu Ende ist. Es gibt viele Fallen und der Mandant muss umfassend aufgeklärt werden. Wer das auf die leichte Schulter nimmt, sieht sich schnell Haftpflichtansprüchen ausgesetzt. Der Beitrag erläutert beispielhaft einige Themen, denen Anwälte die notwendige Aufmerksamkeit widmen sollten. I. Der Sachschaden 1. Quotenvorrecht des Kaskoversicherten, 67Abs. 1Satz 2VVG Das Quotenvorrecht ist die in der anwaltlichen Praxis wohl am häufigsten übersehene (oder gar nicht bekannte) Abrechnungsmöglichkeit eines Unfallschadens. Sie wird bei einem Mitverschulden des kaskoversicherten Mandanten relevant und kann für ihn erhebliche finanzielle Vorteile bringen. Die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung neben dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer darf daher nie aus den Augen verloren werden. a) Rechtsgrundlage Ein Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger geht gemäß 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den (Kasko)Versicherer über, soweit der (Kasko)Versicherer dem Geschädigten den Schaden ersetzt hat. Nach 67Abs. 1Satz 2VVG kann der Übergang der Schadenersatzansprüche aber nicht zum Nachteil des Geschädigten geltend gemacht werden. Nach Inanspruchnahme des Kaskoversicherers gehen auf diesen daher nur diejenigen Schadenersatzansprüche über, die noch übrig sind, nachdem der Geschädigte seinen eigenen unmittelbaren Sachschaden vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer voll (quotenbevorrechtigt) ersetzt bekommen hat. Dahinter steht der Grundsatz, dass freiwillige Versicherungen, welche eine private Vorsorge gegen Schäden darstellen, den Schädiger nicht entlasten sollen. Insgesamt muss der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer aber nicht mehr leisten, als er bei quotaler Abrechnung sämtlicher Schadenersatzansprüche insgesamt hätte leisten müssen (sog. modifizierte Differenztheorie; absolute Kappungsgrenze). b) Beispiel (50 % Mithaftung) Schadenpositionen Reparaturkosten Wertminderung Sachverständigenkosten Abschleppkosten Nutzungsausfall Unkostenpauschale Gesamt 10.000, E 2.000, E 1.000, E 500, E 1.000, E 30, E 14.530, E Abrechnung gegenüber Kaskoversicherer Reparaturkosten 10.000, E./. Selbstbeteiligung 1.000, E Anspruch 9.000, E Abrechnung gegenüber Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach Quotenvorrecht: quotenbevorrechtigt (voll) Wertminderung Sachverständigenkosten Abschleppkosten Selbstbeteiligung gemäß Quote (hier 50 %) Nutzungsausfall Unkostenpauschale Gesamt 2.000, E 1.000, E 500, E 1.000, E 500, E 15, E 5.015, E Von Kaskoversicherer und Schädiger zusammen erhält der Mandant so also 14.015, E.Bei direkter quotaler Abrechnung (nur) gegenüber dem Gegner würde der Mandant lediglich 7.265, E erhalten (50 % des Gesamtschadens i. H. v. 14.530, E ). Der Mandant erhält demnach bei Abrechnung nach Quotenvorrecht 6.750, E mehr. Die Abrechnung nach Quotenvorrecht ist für ihn im Beispiel also günstiger, selbst wenn man den Höherstufungsschaden durch Inanspruchnahme der Kaskoversicherung berücksichtigt. Dieser Rückstufungsschaden ist gemäß Quote (im Beispiel zu 50 %) vom Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer zu ersetzen (BGH NJW 2006, 2397). Nachdem für die Zukunft nur ein Feststellungsanspruch besteht, empfiehlt sich ggf. ein Vergleich hinsichtlich des Rückstufungsschadens. Auch bei zeitlich umgekehrter Inanspruchnahme (erst Schädiger bzw. dessen Versicherer, dann eigener Kaskoversicherer) ergibt sich im Ergebnis kein Unterschied für den Mandanten. 2. Reparaturkosten und Totalschaden a) Abrechnungsmöglichkeiten Wegen des sog. Wirtschaftlichkeitsgebots ist der Geschädigte bei mehreren zum Schadenausgleich führenden Möglichkeiten grundsätzlich auf diejenige beschränkt, welche den geringeren Aufwand verursacht. Dazu sind die Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung auf der einen und der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert auf der anderen Seite zu vergleichen. Wegen seines Integritätsinteresses kann der Geschädigte zum Ausgleich des Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwerts ersetzt verlangen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter genutzt hat. Der BGH hat kürzlich klargestellt, dass das Fahrzeug hierzu nicht zwingend repariert werden muss (Urteil vom 23.5.2006, VI ZR 192/05). Halten sich die voraussichtlichen Reparaturkosten innerhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes, ist ebenfalls noch eine Abrechnung der Reparaturkosten (auch auf Gutachtenbasis) möglich. Voraussetzung ist dann allerdings, dass der Geschädigte beweist, dass die Reparatur vollständig, 372 AnwBl 5/2007 Haftungsfallen im Verkehrszivilrecht, Laschke

MN Haftpflichtfragen sach- und fachgerecht durchgeführt wurde und er das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiternutzt. Vorsicht ist allerdings bei einem Leasingfahrzeug geboten. Ob ein schützenswertes Integritätsinteresse besteht, hängt von der Art des Leasings ab: Ist der spätere Eigentumserwerb durch den Leasingnehmer beabsichtigt oder vorgesehen, besteht ein schützenswertes Integritätsinteresse anders hingegen, wenn ein Eigentumserwerb nicht vorgesehen oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen ist. b) Restwert Die Veräußerung des Fahrzeugs vor Erhalt des Sachverständigengutachtens kann einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht darstellen, weil der Geschädigte vor Kenntnis des ermittelten Restwerts nicht prüfen kann, in welcher Höhe ein Verkauf wirtschaftlich ist. Ein vom Haftpflichtversicherer eingeholtes höheres konkretes und bindendes Restwertangebot muss der Geschädigte annehmen, wenn ihm Telefonnummer (und Anschrift) des Aufkäufers mitgeteilt werden und zugleich erklärt wird, dass das beschädigte Fahrzeug kostenlos abgeholt wird. 3. Fahrzeugausfall a) Ersatz der Mietwagenkosten Hinsichtlich der Inanspruchnahme eines Mietwagens ist die Vorgehensweise zu klären, damit der Mandant nicht Aufwendungen tätigt, die er später nicht ersetzt bekommt. Mietwagenkosten werden z. B. nicht ersetzt bei nur geringem Fahrbedarf oder wenn ein Zweitwagen zur Verfügung steht. Daneben gibt es häufig Probleme bei der Erstattung des (teueren) Unfallersatztarifs. Inwieweit der Geschädigte Preiserkundigungen hinsichtlich anderer Tarife und/oder bei anderen Anbietern anzustellen hat, ist umstritten. Auf den Abzug ersparter Eigenaufwendungen wird in der Regel verzichtet, wenn ein klassentieferes Fahrzeug angemietet wird. Häufig wird der Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten an die Mietwagenfirma abgetreten. Haftungs- und auch Deckungsprobleme können für den Rechtsanwalt dann auftreten, wenn er die Abtretung übersieht, den Betrag an den Mandanten weiterleitet und dieser zahlungsunfähig ist (vgl. Chab, Ansprüche gegen Anwälte aus Treuhand, AnwBl 2004, 440). b) Nutzungsausfall Sofern der Mandant seinen Pkw privat nutzt, ist ihm zu erläutern, dass und in welcher Höhe er Nutzungsausfallentschädigung statt Ersatz von Mietwagenkosten in Anspruch nehmen kann. c) Besonderheiten bei gewerblich genutzten Fahrzeugen/ Vorhaltekosten Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen wird häufig übersehen, dass es keine Nutzungsausfallentschädigung gibt. Es besteht entweder Anspruch auf Ersatz (verhältnismäßiger) Mietwagenkosten. Alternativ kann entgangener Gewinn konkret nachgewiesen werden. Grenze ist selbstverständlich die Schadenminderungspflicht, d. h. es muss ggf. ein Ersatzfahrzeug angemietet werden. Sind Reservefahrzeuge vorhanden, müssen diese in der Regel eingesetzt werden und es können auch nur die (relativ niedrigen) Vorhaltekosten geltend gemacht werden. Voraussetzung für die Geltendmachung von Vorhaltekosten ist im Übrigen nicht, dass tatsächlich ein Reservefahrzeug vorgehalten wird, sondern lediglich, dass derartige Reservekosten in der allgemeinen Betriebsreserve berücksichtigt werden und die Reservehaltung insoweit messbar erhöht ist. Neben der Geltendmachung von Vorhaltekosten entfallen weitergehende Entschädigungen für entgangene Gebrauchsvorteile. 4. Besonderheiten beim Bagatellschaden a) Sachverständigenkosten Bei geringfügigen Schäden ist die Einholung eines Gutachtens nicht erforderlich i. S. d. 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, so dass diesbezügliche Kosten nicht ersetzt werden. Wo genau die Wertgrenze liegt ist strittig; überwiegend dürfte sie aber bei ca. 700, bis 750, E angenommen werden. Dies ist jedoch kein starrer Wert, vielmehr ist immer auf die Umstände des Einzelfalles Rücksicht zu nehmen (vgl. z. B. BGH NJW 2005, 356 f.). Bei Bagatellschäden genügt es, die Höhe des Schadens durch Kostenvoranschlag oder Reparaturrechnung nachzuweisen. Bestehen Zweifel, dürfte der sicherste Weg sein, mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer abzuklären, ob die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich ist. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass auch bei Bagatellschäden eine Wertminderung denkbar ist, deren Höhe letztlich nur durch einen Sachverständigen bestimmt werden kann. Eine darauf beschränkte Beauftragung des Sachverständigen ist möglich. Der sicherste Weg dürfte auch hier sein, sich zunächst mit der Versicherung abzustimmen. b) Fahrzeugausfall Zwar kann der Geschädigte im Rahmen der Wirtschaftlichkeit bzw. seines Integritätsinteresses (s. o.) grundsätzlich zwischen Reparatur und Ersatzanschaffung wählen und hat für die objektiv notwendige Dauer Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten bzw. des Nutzungsausfalles. Allerdings würden bei einem Bagatellschaden die Mietwagenkosten in der Regel dazu führen, dass der Aufwand für die Wiederbeschaffung den Aufwand für die Reparatur deutlich übersteigt. Diese zusätzlichen Mietwagenkosten bzw. der zusätzliche Nutzungsausfall sind daher in der Regel nicht ersatzfähig. II. Der Personenschaden 1. Zweites Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften Seit Inkrafttreten des 2. SchErsÄndG zum 1. August 2002 besteht gemäß dem neuen 253 Abs. 2BGB auch im Rahmen der Gefährdungshaftung Anspruch auf Schmerzensgeld. Jedoch ist die Gefährdungshaftung auf Höchstbeträge limitiert ( 12, 12 a StVG), so dass es bei Ansprüchen jenseits der Haftungshöchstgrenzen nach wie vor auf das Deliktsrecht mit der Voraussetzung des Verschuldens ankommt. Durch die Änderung des 8a StVG sind auch die Fahrzeuginsassen in die Gefährdungshaftung der 7, 18 StVG einbezogen. Werden bei einem Unfall Insassen verletzt, bestehen daher Ansprüche nicht nur gegenüber dem Unfallgegner, sondern auch gegen den Fahrer und den Halter des Fahrzeugs. Bei Mandatierung durch Fahrer, Halter und Insassen besteht für den Anwalt eine Interessenkollision. Noch problematischer wird es, wenn die verletzten Insassen minderjährige Kinder des Fahrers und/oder Halters Haftungsfallen im Verkehrszivilrecht, Laschke AnwBl 5/2007 373

MN Haftpflichtfragen sind. Dann sind die Eltern aufgrund ihrer Interessenkollision als mögliche Anspruchsgegner von einer Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen und können dem Anwalt daher keine Vollmacht für das Kind erteilen. Um standes- und vertretungsrechtliche Probleme zu vermeiden, sollte der Anwalt sich daher nicht von Fahrer, Halter und Insassen zugleich mandatieren lassen. 2. HWS-Verletzungen Im Verkehrsunfallmandat wird der Mandant immer auch zu möglichen Verletzungen befragt werden. Insbesondere bei HWS-Verletzungen sollte auf mögliche Probleme hinsichtlich der Geltendmachung des Personenschadens hingewiesen werden (z. B. auch darauf, dass die Beweischancen sich mit zunehmender Anzahl der Arztbesuche und sonstiger Heilbehandlungsmaßnahmen bzw. unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit erhöhen, ebenso wie die Höhe des Schmerzensgeldes danach bemessen wird). 3. Haushaltsführungsschaden Der Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens wird vielfach ganz übersehen oder zu niedrig angesetzt. Voraussetzung ist ein Bedarf an Haushaltstätigkeit, der wegen einer unfallbedingten Einschränkung nicht gedeckt werden kann (sog. haushaltsspezifische MdE). In diesem Fall besteht Anspruch auf die unfallbedingt erforderlichen (tatsächlichen oder fiktiven) Kosten einer Ersatzkraft oder die Beschaffungskosten für Hilfsmittel. Es ist folglich unbeachtlich, ob eine Hilfskraft tatsächlich eingestellt wurde bzw. ob und durch wen die Arbeiten aufgefangen werden. Zur Haushaltstätigkeit zählen neben der eigentlichen Hausarbeit auch das Einkaufen, die Gartenarbeit, das Schneeräumen und die Reparatur- und Unterhaltungsarbeiten an Haus bzw. Wohnung. Der Anspruch steht demnach nicht nur der Hausfrau/dem Hausmann, sondern auch Berufstätigen und Kindern zu, soweit sie o. g. Arbeiten tatsächlich regelmäßig ausführen. 4. Andere Versicherungen Der Mandant sollte auch auf mögliche Ansprüche aus Unfall-, Berufs- oder Lebensversicherungen etc. hingewiesen werden, sowie die dabei zu beachtenden Fristen. Wird auch diesbezüglich ein Mandat erteilt, ist zu beachten, dass in den verschiedenen Versicherungssparten oftmals unterschiedliche Gesellschaften (desselben Versicherungskonzerns) Vertragspartner sind. Nicht selten werden Ansprüche gegen die falsche Gesellschaft gerichtet mit der Folge, dass Fristen gegenüber der aktivlegitimierten Gesellschaft versäumt werden. 5. Verjährung Seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist für den Verjährungseintritt nicht mehr zwingend positive Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers erforderlich, sondern es genügt bereits grob fahrlässige Unkenntnis ( 199 BGB n. F.). Da der Gesamtschaden als einheitlicher Anspruch gesehen wird, kommt es nicht darauf an, dass der Geschädigte jede einzelne Schadenposition kennt. Die Verjährung beginnt vielmehr für alle Schadenfolgen, die als möglich vorauszusehen sind. Ausgenommen sind nur Spätfolgen, die nicht vorhersehbar waren; für sie beginnt die Verjährung ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Spätfolgen. Gleiches gilt auch für den Schmerzensgeldanspruch. Er umfasst alle Spätschäden, die möglich und vorhersehbar sind. Für die Vorhersehbarkeit wird auf die Sicht eines Mediziners abgestellt. Wenn also Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden können, muss der Eintritt der Verjährung verhindert werden. Dies kann durch Feststellungsklage geschehen oder durch eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger bzw. dessen Versicherer mit dem Inhalt, dass die Haftung auch für künftige Schäden mit der Wirkung eines Feststellungsurteils anerkannt wird. Nur wenn explizit auf die Wirkung eines Feststellungsurteils Bezug genommen wird, gilt die 30-jährige Verjährung des 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Alternativ kann auch ein Verjährungsverzicht vereinbart werden. 6. Abfindungsvergleich Sehr haftungsträchtig ist der Abschluss eines Abfindungsvergleichs, gleichgültig ob gerichtlich oder außergerichtlich. Er umfasst grundsätzlich alle bestehenden und künftigen Ansprüche des Geschädigten auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens. Sofern bestimmte Ansprüche oder Spätfolgen nicht umfasst sein sollen, müssen sie so genau wie möglich bezeichnet und vorbehalten werden. Auch ein solchermaßen vorbehaltener Anspruch muss vor Verjährung geschützt werden. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass der Vorbehalt einem Feststellungsurteil gleich gestellt wird oder ein Verjährungsverzicht aufgenommen wird (siehe oben). Weiterhin sollte in den Abfindungsvergleich auch ein Vorbehalt hinsichtlich des Anspruchsübergangs auf Dritte aufgenommen werden. Dieser sollte so formuliert sein, dass nicht nur Ansprüche vorbehalten werden, die auf Dritte übergegangen sind, sondern auch solche, die auf Dritte übergehen werden. Letzteres ist vor allem für Ansprüche der privaten Krankenversicherung entscheidend. Diese Ansprüche gehen nämlich nicht schon im Unfallzeitpunkt auf die private Krankenversicherung über, sondern erst später, nämlich nach (jeweiliger) Zahlung durch die Krankenversicherung an ihren Versicherungsnehmer. Der Anwalt muss seinen Mandanten vor Abschluss eines Abfindungsvergleiches umfassend über den Inhalt, sowie die Vor- und Nachteile aufklären, auch im Hinblick auf eine ggf. alternative Rentenzahlung. Bettina Laschke, M nchen Die Autorin ist Rechtsanw ltin und bei der Allianz Versicherungs-AG t tig. Der Beitrag gibt ihre pers nliche Auffassung wieder. 374 AnwBl 5/2007 Haftungsfallen im Verkehrszivilrecht, Laschke

MN Rechtsprechung Anwaltsrecht Zulässige kostenlose Beratung für Hartz-IV-Bezieher BRAO 49bAbs. 1Satz 1;RVG 34 Eine unzulässige Gebührenunterschreitung liegt nicht vor, wenn Hartz-IV-Bezieher kostenlos beraten werden. Auf jeden Fall sind mit Inkrafttreten des neuen 34RVG am 1. Juli 2006 die gesetzlichen Gebühren für die außergerichtliche Beratung ersatzlos weggefallen, so dass eine unzulässige Gebührenunterschreitung per se ausscheidet. (Leitsatz der Redaktion) AGH Berlin, Beschl. v.22.11.2006 IIAGH 4/06 Sachverhalt: Die Antragstellerin ist seit dem 3. Juni 1992 als Rechtaanwältin zugelassen und Mitglied der Rechtsanwaltskammer. In der Berliner Zeitung vom 14. Oktober 2007 erschien folgende Anzeige des Berliner Anwaltsvereins: Umzug wegen Harz-IV kostenlose Beratung Eine Rechtsberatung für Hartz-IV-Bezieher bietet der Berliner Anwaltverein am nächsen Mittwoch von 10bis 15 Uhr an. Im Haus des Deutschen Anwaltvereins in der Littenstraße 11 in Mitte beantworten Fachanwälte Fragen zur Angemessenheit von Wohnraum und zum Umzug bei Hartz-IV. Betroffene können ihre Unterlagen mitbringen und sich kostenlos beraten lassen. Die Antragstellerin hat sich als Rechtsanwältin an den angebotenen kostenlosen Rechtsberatungsaktionen in der Vergangenheit beteiligt, indem sie Betroffene beraten hat. Mit Schreiben vom 12. Januar 2006 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß 73Abs. 2 Ziffer l der BRAO auf ihre Berufspflichten nach der derzeit gültigen Rechtslage hingewiesen und sie angehalten, diese künftig zu beachten, weil nach ihrer Auffassung die kostenlose Rechtsberatung unter anderem wegen Verstoßes gegen 49bBRAO rechtswidrig sei. Gegen diese missbilligende Belehrung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 9.Februar 2006, eingegangen am 11. Februar 2006, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die missbilligende Belehrung einen rechtserheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit des Artikel 12 Abs. 1GGoder zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit des Artikel 2 Abs. 1 GG darstelle. Ein Verstoß gegen 49bBRAO scheide aus, weil kein Beratungsvertrag zwischen dem Rechtsanwalt und den Rechtsuchenden zustande komme und der Anwaltverein sich seiner Vereinsmitglieder als Erfüllungsgehilfen bediene. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege ebenfalls nicht vor. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuwesien. Aus den Gründen: Der gemäß 223 Abs. 1 BRAO zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung richtet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Januar 2006, in dem der Antragstellerin eine Belehrung gemäß 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO erteilt worden ist. Der Antrag hat Erfolg, weil die missbilligende Belehrung der Antragsgegnerin nicht gerechtfertigt ist. 1. Die missbilligende Belehrung stellt weder einen rechtserheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Antragstellerin dar. Beide Grundrechte gelten nicht uneingeschränkt und werden durch eine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrende Ahndung eines Rechtsverstoßes nicht verletzt. 2. Das Verhalten der Antragstellerin ist jedoch kein Verstoß gegen 49 babs. 1Satz 1BRAO, auf den die Antragsgegnerin ihre missbilligende Belehrung stützen könnte. a) Zwar geht die Antragsgegnerin zurecht davon aus, dass ein Beratungsvertrag zwischen den Rechtsanwälten und nicht dem Berliner Anwaltverein und den Ratsuchenden zustande kommt. Die Frage, mit wem der Beratungsvertrag geschlossen wird, knüpft an eine Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien an. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung. Mit wem der Beratungsvertrag zustande kommt, hängt in erster Linie davon ab, an wen der Ratsuchende die auf den Abschluss eines Beratungsvertrags zielende Willenserklärung richtet ( 133, 157 BGB). Die objektiven Umstände erlauben zwar keine eindeutige Aussage, sprechen aber für ein Angebot gegenüber dem Rechtsanwalt, der die Hartz IV-Bezieher anhand ihrer Unterlagen kostenlos beraten soll. Zwar stammt die Anzeige inder Berliner Zeitung von dem Berliner Anwaltsverein und er preist die Beratung wie eine eigene Leistung an. Der Text der Anzeige ist jedoch nicht eindeutig. Er kann auch so verstanden werden, dass der Berliner Anwaltsverein den Kontakt zu den Rechtsanwälten lediglich vermittelt. Denn er kündigt in der Anzeige an, dass Fachanwälte Fragen zur Angemessenheit von Wohnraum und zum Umzug bei Hartz IV beantworten. Er erweckt damit nicht den Eindruck, als seien die Fachanwälte als seine Erfüllungsgehilfen tätig und erbrächten eine von ihm geschuldeten Beratungsleistung. Wenn die Rechtsberatung jedoch nicht eindeutig als alleinige Veranstaltung des Berliner Anwaltsverein gekennzeichnet ist, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Vertrag mit dem jeweils beratenden Rechtsanwalt zustande kommt (vgl. auch KG, NJW- RR 2002, 14397). b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin verstößt die von der Antragstellerin angebotene unentgeltliche Beratung nicht gegen die ihr gemäß 49bAbs. 1 BRAO auferlegte Beschränkung hinsichtlich der Bemessung des für ihre Tätigkeit in Ansatz zu bringenden Honorars. aa) Gemäß 49 babs. 1Satz 1BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. bb) Für einen mündlichen, schriftlichen Rat oder eine Auskunft (Beratung) also für Leistungen, die die Antragstellerin angeboten hat sah das RVG inder bis zum 30. Juni 2006 gültigen Fassung gemäß Nr. 2100 VV-RVG grundsätzlich eine 0,1 bis 1,0-Beratungsgebühr vor. Bei dem in der Werbung des Berliner Anwaltsvereins angesprochenen Personenkreis handelte es sich jedoch um Hartz IV-Empfänger, um Menschen also, die ohne weiteres Beratungshilfe hätten inanspruch nehmen können, so dass gegenüber dem Auftraggeber gemäß Nr. 2600 VV-RVG lediglich eine Beratungshilfegebühr inhöhe von 10, E entstanden wäre, die zudem hätte erlassen werden können (Nr. 2600 Satz 2VV-RVG). cc) Es kann jedoch offen bleiben, ob bereits zu dem Zeitpunkt der Erteilung der missbilligenden Belehrung diese nicht gerechtfertigt war, denn jedenfalls zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung ist sie es nicht mehr. Die in der bis zum 30. Juni 2006 gültigen Fassung des RVG vorgesehenen gesetzlichen Gebühren sind in Folge der Änderung des VV-RVG und des 34RVG durch Art. 5 KostRMoG mit Wirkung zum 1. Juli 2006 ersatzlos weggefallen. Damit sieht das RVG für die außergerichtliche Beratung seit diesem Zeitpunkt keine konkret bestimmte gesetzliche Gebühr mehr vor (vgl. Hartung inhartung/römermann/schons, RVG 2. Aufl., 34 Rdn. 8ff; Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG 9. Aufl., 34 Rdn. 27). Vielmehr soll der Rechtsanwalt gemäß 34 Abs. 1 Satz 1RVG n. F. hinsichtlich dieser Leistungen nunmehr auf Anwaltsrecht AnwBl 5/2007 375

MN Rechtsprechung eine Gebührenvereinbarung hinwirken, die Festlegung der Vergütung also den Parteien des Beratungsvertrags überlassen bleiben. Lediglich wenn eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist, erhält der Rechtsanwalt gemäß 34Abs. 1Satz 2 n. F. Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, für die Beratung als Dienstleistung also gemäß 612 Abs. 2 BGB. Neben dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich ebenfalls aus der Begründung des Gesetzesentwurfs, dass der Gesetzgeber durch die zum l.juli 2005 wirksam gewordene Neuregelung des 34 RVG und des VV- RVG die bis dahin in dem RVG für die außergerichtliche Beratung vorgesehenen gesetzlichen Gebühren ersatzlos wegfallen lassen wollte. Denn in der Begründung wird hierzu ausgeführt (BT-Drucksache 15/1971, S.238); Die vorgeschlagene Neufassung des 34RVG-E betrifft die Beratung, die Erstattung von Rechtsgutachten und die Tätigkeit als Mediator. Für die Beratung und für die Erstattung von Rechtsgutachten soll dann wie für die Mediation keine konkret bestimmte Gebühr im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehen werden. Stattdessen soll bestimmt werden, dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken soll. Wenn keine Gebührenvereinbarung getroffen worden ist, soll sich die Gebühr nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestimmen.... Zugrunde lag dieser Entscheidung des Gesetzgebers unter anderem der Wille zur Deregulierung; Vom Gesetzgeber sollte nicht mehr reguliert werden, als im Hinblick auf die Prozesskostenerstattung und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtspflege erforderlich ist. dd) Wenn jedoch das RVG in der ab dem l.juli 2006 gültigen Fassung für die außergerichtliche Beratung keine bestimmten gesetzlichen Gebühren mehr vorsieht, so kann in diesem Bereich eine Gebührenvereinbarung, die auch den Verzicht auf Gebühren umfasst, nicht gegen 49bAbs. 1Satz 1BRAO verstoßen, weil es keine gesetzlichen Gebühren gibt, die durch die Vereinbarung unterschritten werden könnten. 3. Eine Berufspflichtverletzung der Antragstellerin gemäß 43BRAO inverbindung mit einem Verstoß des Berliner Anwaltsvereins gegen das Rechtsberatungsgesetz kommt nicht in Betracht, weil wie oben dargelegt ein Beratungsvertrag zwischen den Ratsuchenden und dem Rechtsanwalt zustande kommt. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. Werbung mit Sonderpreis (9,99 Euro) RVG 34, 4Abs. 2S. 3; BRAO 49b Abs. 1S.1und Abs. 3S.3;UWG 3, 8 Abs. 3Nr. 2 Bewirbt eine Anwaltskanzlei anwaltliche Beratungsmandate in Zeitungsanzeigen oder anderen Medien mit der Aussage Vereinbaren Sie für eine erste Beratung mit uns in allen Angelegenheiten ein Honorar von 9,99 EUR. handelt es sich dabei um eine aus mehreren Gründen wettbewerbswidrige und daher unzulässige Werbung. (Leitsatz der Redaktion) LG Freiburg, Urt. v. 11.10.2006 10O72/06 Sachverhalt: Die Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) verlangt als berufsständische Organisation von den Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagten) die Unterlassung einer Werbemaßnahme unter den Gesichtspunkten der Irreführung sowie des unzulässigen Verdrängungswettbewerbs durch Dumpingpreise. Die Beklagten haben in dem Werbeblatt E. T. vom 19. Juli 2006 mit einer Anzeige unter der fettgedruckten Zeile Leisten Sie sich den Anwalt Ihrer Wahl! potenzielle Mandanten dazu aufgefordert: Vereinbaren Sie für eine erste Beratung mit uns in allen Rechtsgebieten ein Honorar von E 9,99!. Im Eingang der Anzeige wird darauf hingewiesen, dass die Vergütung von Rechtsanwälten sich am 1.7.2006 geändert hat und für die Beratung die Honorare jetzt frei vereinbart werden können. Potenzielle Interessenten werden darauf hingewiesen, dass das Honorar von E 9,99 nur für die erste mündliche Beratung gelten solle, die Originalanzeige abgegeben werden und vor der Beratung Barzahlung gegen Rechnung und Quittung erfolgen solle. ImÜbrigen enthält die Anzeige die Adresse der Anwaltskanzlei der Beklagten, die Telefon- und Fax-Nr. sowie deren E-Mail- und Internetadresse. Der Vorstand der Klägerin hält diese Werbung für wettbewerbswidrig und hat daher unter dem 16. August.2006 die Beklagten auf die Unzulässigkeit der Werbung hingewiesen. Ferner wurde eine strafbewehrte Unterlassungserklärung eingefordert. Hierauf reagierten die Beklagten mit Schreiben vom 28. August 2006 mit dem sie darauf hinwiesen, dass sie in keiner Weise eine Beratung inallen Rechtsgebieten für E 9,99 irgendjemandem angedient hätten. Sie hätten vielmehr dazu aufgefordert, mit uns eine Vereinbarung über eine Beratung zu einem solchen Preis zu schließen. Es bestehe kein Anspruch, ihre Dienste für einen Betrag von E 9,99 zu kaufen ( Mitnichten müssen wir jemanden mit einem schwierigen Testament oder im Rahmen einer AGB-Prüfung hierfür beraten ). Die Anzeige stelle lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar. Selbstverständlich behielten sich die Beklagten im Einzelfall vor, dies zu tun oder abzulehnen. Ferner haben sie darauf hingewiesen, dass dies in der Vergangenheit auch erfolgt sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich auch aus dieser Einlassung der Beklagten ergebe, dass die Werbemaßnahmen als unlauter zu qualifizieren sei. Ein unbefangener Leser werde die Anzeige nur so verstehen, dass er für E 9,99 einen Anspruch auf eine Beratung erwerben könne, wenn er die Originalanzeige mitbringe, vor der Beratung bar bezahle und nur ein erstes Beratungsgespräch beanspruche. Falls sich demgegenüber die Beklagten vorbehielten, den Verbraucher dann zurückzuweisen, wenn er eine testamentarische Beratung oder eine anderweitig komplizierte Beratung benötige, führten sie den Verbraucher mit ihrer Werbeanzeige indie Irre. Darüber hinaus sei die Werbeanzeige unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Verdrängungswettbewerbs durch Dumpingpreise unzulässig. Auch nach Inkrafttreten des 34RVG, wonach Rechtsanwälte mit Mandanten bei Beratungen eine Gebührenvereinbarung abschließen sollen, müssten diese Honorare für die Beratung nach wie vor ineinem angemessenen Verhältnis zur Leistung und zum Haftungsrisiko bzw. zur Verantwortung des Rechtsanwalts stehen. Für ihre Auffassung stützt sich die Klägerin auch auf ein Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 28.7.2006 (8O89/06 KFH 2). Die beanstandete Werbung strebe mit der Preisunterbietung einen Verdrängungswettbewerb an, damitbewerber gezwungen würden, ebenfalls vergleichbare Leistungen nicht kostendeckend anzubieten. Auch stelle der angebotene Preis ein Lockvogelangebot dar, da Kunden lediglich in die Kanzlei gelockt werden sollten, dann aber ggfs. in der Beratungssituation mit einem höheren Preis konfrontiert würden, falls angesichts des erforderlichen Umfangs der Beratung diese nicht für E 9,99 erbracht wird. Die Werbeanzeige sei auch geeignet, zur Marktverwirrung beizutragen, da sie die Marktverhältnisse auf dem Rechtsberatungsmarkt nicht nur unerheblich beeinträchtige. Aus den Gründen: I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der nach 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten berufsständischen Organisation aus mehreren recht- 376 AnwBl 5/2007 Anwaltsrecht

MN Rechtsprechung lich und tatsächlich voneinander unabhängigen Gründen zu, denn die Werbung der Beklagten ist aus mehreren Gründen wettbewerbswidrig und daher unzulässig. 1. Der Text der Werbeanzeige kann von einem durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagten für eine erste Beratung in Rechtsangelegenheiten in jedem erdenklichen Rechtsgebiet nur ein Honorar von E 9,99 verlangen. In ihm wird die Erwartung geweckt, dass erunter Vorlage der Originalanzeige und bei Bezahlung von E 9,99 eine erste Beratung in jedem Rechtsgebiet erhalten kann. Dabei kann eine Erstberatung in diesem Sinne nur eine sich mit der Sache selbst auseinandersetzende Beratung sein und nicht etwa der Hinweis darauf, dass in einer ersten Beratung die Angelegenheit nicht umfassend erörtert werden könne. Nach dem Inhalt der Anzeige bekunden die Beklagten ihre Bereitschaft, zu den angebotenen Konditionen einen Vertrag mit jedem Verbraucher abzuschließen. Auf die Frage, dass hierin nicht ein Angebot im eigentlichen Sinne liegt, kommt esnicht an, da bei jeglicher Werbung das Angebot zum Abschluss eines Vertrages erst vom Kunden ausgeht. Behält sich der Werbende jedoch vor, dieses Angebot imeinzelfall deshalb nicht anzunehmen, weil ihm der beworbene Preis für die Leistung zu niedrig ist, so wirbt er irreführend. Der irreführende Charakter der Werbung liegt angesichts der Einlassung der Beklagten so offenkundig auf der Hand, dass der auf Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag der Beklagten kaum noch nachzuvollziehen ist. Ihr Einwand, die streitgegenständliche Werbung führe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs, geht an der gesetzlichen Voraussetzung des 3UWG vorbei. Danach ist keine wesentliche Beeinträchtigung erforderlich sondern es genügt bereits, wenn der Wettbewerb nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine nur unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs kann jedoch bei einer Werbeanzeige von nicht unbeträchtlicher Größe in einem allgemein zugänglichen Werbeblatt nicht mehr angenommen werden. 2. Die Werbung der Beklagten verstößt ferner gegen die Verpflichtung zur angemessenen Preisgestaltung ( 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO i.v.m. 4 Abs. 2 Satz 3 RVG), der zu einem ruinösen Verdrängungswettbewerb führen könnte und sie stellt überdies ein Lockvogelangebot dar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es den Beklagten wie jedem anderen Rechtsanwalt auch freisteht, für ein erstes Beratungsgespräch im Einzelfall ein Honorar von lediglich E 9,99 zu verlangen. Nach der Neufassung des 34 RVG ist der Anwalt gehalten, für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft (Beratung) auf eine Gebührenvereinbarung hinzuwirken. Dabei hat der Gesetzgeber keinen Mindestbetrag der Gebühr festgelegt, sondern nur geregelt, dass für ein erstes Beratungsgespräch höchstens E 190,00 verlangt werden dürfen, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist. Hieraus lässt sich ohne weiteres der Umkehrschluss ziehen, dass es zulässig sein muss, in geeigneten Einzelfällen, bei ganz einfachen und überschaubaren Sachverhalten auch eine ganz geringe Gebühr zuvereinbaren, die durchaus mit ca. E 10,00 noch angemessen sein kann. Darum geht es allerdings imvorliegenden Fall nicht, denn die Beklagten haben für jedes erdenkliche Rechtsgebiet und für jede erdenkliche Sachverhaltsgestaltung für ein erstes Beratungsgespräch eine Gebühr von E 9,99 beworben. Erst damit verstoßen sie gegen die Vorschriften der 49 babs. 3Satz 3BRAO sowie gegen 4Abs. 2 Satz 3RVG. Nach 49 babs. 3Satz 3 BRAO hat die Honorierung der Leistungen eines Rechtsanwalts der Verantwortlichkeit sowie dem Haftungsrisiko Rechnung zu tragen. Ähnlich formuliert 4Abs. 2 Säte 3RVG, wonach vereinbarte Vergütungen in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen müssen. Davon kann bei einem Honorar von E 9,99 für eine Beratung in jedem Rechtsgebiet nicht mehr die Rede sein. Eine Pauschalvergütung in Höhe von E 9,99 für eine Beratungsleistung in allen Angelegenheiten eines Verbrauchers steht nicht mehr ineinem angemessenen Verhältnis zur Leistung, zur Verantwortung und zum Haftungsrisiko des Rechtsanwalts (ebenso Landgericht Ravensburg für ein Pauschalhonorar von E 20,00, AZ: 8O89/06 KFH 2). Das Argument der Beklagten, in Bereichen der Prozesskostenhilfe, des Sozialrechts sowie einfach gelagerter Sachverhalte, sei ein Betrag inder Größenordnung von E 10,00 ggfs. angemessen, kann zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Werbung nicht herangezogen werden, da diese nach ihrem Wortlaut jegliches Rechtsgebiet bei jeglichem Schwierigkeitsgrad umfasst. Soweit die Beklagten sich daran nicht halten wollen, werben sie wie oben ausgeführt wurde irreführend. II. Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf 890 Abs. 2ZPO. III. (Ausführungen zur Kostenentscheidung) Anmerkung der Redaktion: Das Urteil ist nach Auskunft des LG Freiburg rechtskräftig. Die in dieser Entscheidung in Bezug genommene, auch im Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung des LG Ravensburg, Urt. v. 28.7.2006 8O89/06 KFH 2, wurde veröffentlicht in Anwbl 2006, 677 mit kritischer Anm. Hamacher. Die Ravensburger Eilentscheidung wurde inzwischen in der Berufungsinstanz aufgehoben durch OLG Stuttgart, Urt. v. 28.12.2006 2 U 134/06, Anwbl 2007, 229 mit Anm. Henke. Das OLG Stuttgart verneint u. a. die Anwendbarkeit von 4 Abs. 2 S. 3 RVG aufgrund der Herausnahme der anwaltlichen Beratung aus dem Kreis der bzgl. der Anwaltsgebühren gesetzlich geregelten Anwaltstätigkeiten. Die Haltbarkeit der Freiburger Entscheidung stünde daher in Zweifel, wenn eine Kanzlei eine erste mündliche Beratung in allen Rechtsgebieten zum Preis von 9,99 Euro bewerben und auch tatsächlich anbieten würde (was die in Anspruch genommene Kanzlei offenbar nicht vorhatte). Hinweis auf Abrechnung nach Gegenstandswert BRAO 49 babs. 5 Der Anwalt macht sich nicht schadensersatzpflichtig, wenn er die Pflicht verletzt, den Mandanten vor Übernahme des Auftrags darauf hinzuweisen, dass sich die zu erhebenden Gebühren in dem Mandat nach dem Gegenstandwert richten. Diese Pflichtverletzung kann nur berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. (nicht rechtskräftig) (Leitsatz der Redaktion) AG Charlottenburg, Urt. v.19.12.2006 208 C290/06 Sachverhalt: Der Beklagte beauftragte am 23. März 2005 die Kläger mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegenüber der Schuldnerin X. GmbH hinsichtlich der Zahlungen aus einem Vertrag vom 22. März 2004. Die Kläger unterließen es, den Beklagten bei Mandatserteilung gemäß 49b Abs. 5BRAO darauf hinzuweisen, dass sich die von ihnen ihm gegenüber möglicherweise zu erhebenden Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert der Sache richten. Die Kläger schrieben namens des Beklagten dessen Schuldnerin außergerichtlich an und forderten sie zur Zahlung auf. Darüber hinaus fanden außergerichtliche Einigungsversuche mit den damaligen Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin statt, die aber keinen Erfolg brachten. Am 22. April 2005 reichten die Kläger namens des Beklagten Klage gegen die vorbezeichnete Schuldnerin bei dem Amtsgericht Charlottenburg Anwaltsrecht AnwBl 5/2007 377

MN Rechtsprechung ein, wobei sich die derzeit eingeklagte Forderung auf 5.000, E belief. Das Amtsgericht Charlottenburg erließ am 11. August 2005 gegen die Schuldnerin antragsgemäß ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren (205 C 90/05), aus welchem die Kläger namens des Beklagten die Zwangsvollstreckung betrieben. Diese Bemühungen der Kläger hatten in der Sache keinen Erfolg, weil die Schuldnerin zwischenzeitlich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Die Kläger machten sodann die Anschrift des Geschäftsführers der Schuldnerin ausfindig und erteilten erneut einen Vollstreckungsauftrag, um die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zuerreichen. Umdie Gebühren für den Beklagten gering zu halten, wurde dieser Vollstreckungsauftrag auf den zwischenzeitlich ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss beschränkt. Der dann anberaumte Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehoben. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2005 setzte das AGCharlottenburg die Rechtsanwaltsgebühren zu Gunsten der Kläger gegen die derzeitige Schuldnerin des Beklagten auf 651,69 E fest. Mit Kostennote vom 7.3.2006 rechneten die Kläger gegenüber dem Beklagten neben den festgesetzten Rechtsanwaltsgebühren von 651,69 E wie folgt ab: 9 Gebühren für die aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss betriebene Zwangsvollstreckung nach einem Streitwert von 1.014,69 E in Höhe von 25,50 E (0,3 Geb,) zzgl. Auslagenpauschale 5,10 E und Mehrwertsteuer i. H. v. 4,90 E. 9 Gebühren für die Terminierung der eidesstattlichen Versicherung nach einem Streitwert von 1.014,69 E in Höhe von 25,50 E (0,3 Geb.) zzgl. Auslagenpauschale 5,10 E und Mehrwertsteuer i.h.v. 4,90 E. 9 Gebühren für die hinsichtlich der Hauptforderung betriebene Zwangsvollstreckung (Streitwert (5.000,- E ) von 90,30 E (0,3 Geb.) zzgl. Auslagenpuaschale i.h.v. 18,06 E und Mehrwertsteuer i. H. v. 17,34 E. 9 Verauslagte Kosten und Gebühren in Höhe von 43,00 E nebst 6,88 E Mehrwertsteuer. Insgesamt ergab sich eine Summe von 898,27 E,welche die Kläger aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit gegenüber dem Beklagten neben weiteren verauslagten Gerichtsvollzieherkosten von 18,00 E geltend machten. Nachdem sie den Beklagten wiederholt gemahnt hatten, haben die Kläger das gerichtliche Mahnverfahren gegenüber dem Beklagten betrieben. Der Beklagte hat gegenüber der Klageforderung mit einem von ihm gegenüber den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung aufgerechnet. Er vertritt hierzu die Auffassung, die Kläger hätten dadurch, dass sie esbei Auftragserteilung erlassen hätten, gemäß 49 babs. 5BRAO darauf hinzuweisen, dass die Vergütung ihrer Höhe nach vom Gegenstandswert abhänge, ihre anwaltlichen Pflichten ihm gegenüber verletzt. Insoweit bestehe ein Schadensersatzanspruch zu seinen Gunsten, der deckungsgleich sei mit der Klageforderung. Aus den Gründen: Die zulässige Klage hat in der Sache vollumfänglich Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe der Klageforderung aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrag ( 675, 611 BGB). Wie zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, haben die Kläger den Beklagten in einem die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren auslösenden Umfang außergerichtlich und gerichtlich sowie im Vollstreckungsverfahren gegenüber der damaligen Schuldnerin des Beklagten anwaltlich vertreten. Die hierfür geltend gemachten Gebühren begegnen auch hinsichtlich ihres Wertansatzes keinen Bedenken. Der insoweit in Höhe der Klageforderung gegenüber dem Beklagten entstandene Anspruch ist nicht durch die seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem etwaigen in gleicher Höhe bestehenden Schadensersatzanspruch gegenüber den Klägern erloschen ( 387, 389 BGB). Denn ein solcher Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages ist zu keinem Zeitpunkt zu Gunsten des Beklagten gegenüber den Klägern zur Entstehung gelangt. Zwar haben es die Kläger bei Erteilung des anwaltlichen Mandats unstreitig unterlassen, den Beklagten gemäß 49b BRAO darauf hinzuweisen, dass sich die möglicherweise von ihm zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. InÜbereinstimmung mit den Beschlüssen der Tagung der Gebührenreferenten der Bundesrechtsanwaltskammer vom 19. März 2005 (BRAK-Mitt 6/2005 S. 271 f.) geht das Gericht jedoch davon aus, dass die Verletzung dieser Pflicht lediglich berufsrechtliche Konsequenzen und keinen Schadensersatzanspruch bzw. einen auf Freistellung von der Gebührenforderung gerichteten Anspruch des Mandanten gegenüber dem Rechtsanwalt begründen kann. Nach der auch im Gesetzgebungsverfahren zutage getretenen Intention des Gesetzgebers sollte die Unterrichtungsverpflichtung des 49b Abs. 5 BRAO die allgemeine anwaltliche Berufspflicht gemäß 43BRAO konkretisieren (vgl. Hartung, MDR 2004, 1092 m.w.n.) mit der Folge, dass eine Verletzung dieser besonders ausgestalteten Hinweispflicht zwar berufsrechtliche, nicht jedoch schadensersatzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann (so auch Völtz, BRAK-Mitt. 3/2004, S.103, 104; Hartung, aao S. 1094). Zwar wird insoweit in der Literatur auch die Auffassung vertreten, ein Verstoß des Anwalts gegen 49bAbs. 5BRAO könne jedenfalls dann eine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Auftraggeber auslösen, wenn der Rechtsanwalt invorwerfbarer Weise einen Hinweis nicht, unklar oder verspätet gegeben habe (Hartmann, NJW 2004, 2484). Diese Ansicht mag jedoch nicht zu überzeugen. 49 b Abs. 5 BRAO verpflichtet den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin bei Mandatserteilung lediglich, auf die Berechnungsart Gegenstandswert hinzuweisen (vgl. hierzu auch Hartung. aao S. 1094). Diese Hinweispflicht beinhaltet zum einen nicht die Höhe der vermutlich bzw. möglicherweise anfallenden Rechtsanwaltsgebühren (Hartung. aao), die sich auch oftmals ambeginn des Mandats noch gar nicht absehen lässt. Zum anderen beinhaltet die Hinweispflicht auch nicht die Pflicht, auf das Entstehen von Gebühren überhaupt hinzuweisen. Denn ein verständiger Rechtssuchender und durchschnittlicher Verbraucher (Völtz, aao S. 104) geht üblicherweise nicht davon aus, dass die anwaltiche Leistung rein aus Gefälligkeit erbracht wird. Daraus folgt, dass selbst indem Fall, in dem überhaupt kein Anwaltsvertrag zustande gekommen wäre, der Mandant den anwaltlichen Vergütungsanspruch wegen 818 Abs. 2BGB im Rahmen eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung ( 812 ff, BGB) schulden würde. Danach ist esnicht vorstellbar, dass eine Verletzung des 49b Abs. 5 BRAO einen Schadensersatzanspruch auslöst, welcher auf die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Rechtsanwaltsgebühren gerichtet wäre. Darüber hinaus könnte selbst dann, wenn man von dem Bestehen eines auf Ersatz des rtnichtbelehrungsschadens (Hartung, aao S. 1094) gerichteten Schadensersatzanspruchs zu Gunsten des Mandanten ausginge, dieser nicht auf die Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung der Anwaltsgebühren gerichtet sein. Denn hierfür fehlt es regelmäßig aneiner Kausalität zwischen der fehlenden Belehrung über die Bemessungsweise der Gebühren und der Auftragserteilung. Die neben der Hauptforderung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind in Höhe des nicht in den Verfahrenskosten aufgehenden Anteils von 0,65 Gebührenteilen aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ( 286 BGB) heraus gerechtfertigt. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Oliver Wiehring, Berlin 378 AnwBl 5/2007 Anwaltsrecht

MN Rechtsprechung Anwaltshaftung Berufungsschrift in mehreren Teilen ZPO 519 Abs. 2,522 Abs. 1Satz 2 Eine Berufung darf nicht mehr wegen Mängel bei den Formerfordernissen des 519 Abs. 2 ZPO verworfen werden, wenn sich diese Mängel über einen Abgleich mit den erstinstanzlichen Prozessakten vor Ablauf der Berufungsfrist als unschädlich erweisen. BGH, Beschl. v. 6.12.2006 IVZB20/06 Aus den Gründen: I. Durch das am 25. November 2005 verkündete, der Klägerin am 9. Dezember 2005 zugestellte Urteil wies das Amtsgericht Köln die Klage auf Erstattung ärztlicher Behandlungskosten in Höhe von 4.722,33 E nebst Zinsen ab. Dagegen legte der Streithelfer behandelnder Arzt der Klägerin mit einem am 17. Dezember 2005 bei der gemeinsamen Briefannahmestelle des Landgerichts und des Amtsgerichts Köln eingegangenem Telefax Berufung ein. Die Berufungsschrift enthielt lediglich ein abgekürztes Rubrum bestehend aus dem Nachnamen der Klägerin und einer Kurzform der Firmenbezeichnung der Beklagten, das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils und einen formulierten Antrag (Aufhebung und Zurückverweisung oder im Falle einer Sachentscheidung Zahlung des bezifferten Klagebetrages nebst genauer Zinsforderung). Erstinstanzliches Gericht, Verkündungs- und Zustellungsdatum, Streithelfer, Parteibezeichnungen und Parteirollen im Rechtsmittelverfahren waren nicht angegeben; eine Urteilsabschrift war nicht beigefügt. Auf Verfügung vom 20. Dezember 2005 U. m. A. dem Landgericht Köln Berufung gingen die Vorgänge am 22. Dezember 2005 beim Landgericht ein. Am 27. Januar 2006 verlängerte die Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 9. März 2006. Nach fristgerechtem Eingang der Berufungsbegründung wies sie den Streithelfer auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hin, da die Berufungsschrift nicht die gemäß 519 ZPO erforderlichen Angaben enthielte. Durch Beschluss vom 25. April 2006 hat das Landgericht die Berufung wegen Verstoßes gegen das Formerfordernis des 519 Abs. 2Nr. 1ZPO und der daraus folgenden Nichteinhaltung der Berufungsfrist des 517 ZPO als unzulässig verworfen und zur Begründung weiter ausgeführt: Infolge der fehlenden Ortsangabe des erstinstanzlichen Gerichts habe es sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht die Gewissheit über die Identität des angefochtenen Urteils verschaffen können, zumal dem Landgericht Köln als Berufungsinstanz und damit auch der Sachgebietskammer für Personenversicherung neun Amtsgerichte zugeordnet seien. Ein weiterer Formverstoß liege inder unterbliebenen Bezeichnung des Rechtsmittelführers und der schlechterdings nicht erkennbaren Beteiligung des Streithelfers. Hiergegen richtet sich die vom Streithelfer eingelegte Rechtsbeschwerde. II. 1.Die Rechtsbeschwerde ist statthaft ( 574 Abs. 1Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist ( 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; vgl. BGHZ 165, 371, 372 f. m. w. N.). Sie ist auch begründet, weil sich die Mängel der Berufungsschrift im Streitfall als unschädlich erwiesen haben. Auf die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Grundsatzfrage, ob ein Berufungsgericht rechtzeitig auf formelle Mängel hinzuweisen habe, kommt es nicht an. 2. Im Ausgangspunkt stellt das Berufungsgericht zutreffend fest, dass die Berufungsschrift den an eine wirksame Berufungseinlegung gemäß 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu stellenden Formerfordernissen nicht genügt. Dazu gehört vor allem die vollständige und eindeutige Bezeichnung des Urteils und des Berufungsführers, die ihrerseits die Angaben der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungstermins, des Aktenzeichens, des Berufungsklägers und des Berufungsbeklagten erfordert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. April 2003 III ZB 94/02 VersR 2004, 623 unter 2a;Urteile vom 11. Januar 2001 III ZR 113/00 VersR 2002, 212 unter II 1und 19. Februar 2002 VIZR394/00 BGHR ZPO 518 (i. d.fassung vom 3.12.1976) Abs. 2 Parteibezeichnung 19 ; jeweils m.w.n.). Gemessen daran war die Berufungsschrift, wie auch die Rechtsbeschwerde einräumt, mangelhaft. Insbesondere bleiben bei bloßer Mitteilung des Aktenzeichens ohne weitere Angaben zum Gericht des ersten Rechtszuges nicht behebbare Zweifel an der Identität des angegriffenen Urteils. Diese Unsicherheiten ergaben sich bereits aus der Zuständigkeit des Berufungsgerichts für neun Amtsgerichte (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 1986 IVa ZB 12/86 BGHR ZPO 518 Abs. 2Nr. 1 Urteilsbezeichnung 1 ), und wurden zusätzlich verstärkt durch die Möglichkeit, dass wie im Streitfall auch geschehen der Gerichtsstand der Hauptniederlassung der Beklagten durch den des Versicherungsagenten ( 48 VVG) verdrängt werden kann. Ebenso wenig war inder Berufungsschrift mit der gebotenen Deutlichkeit angegeben, für wen die Berufung eingelegt werden sollte (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2004 III ZR 20/03 BGHR ZPO (1.1.2002) 519 Abs. 2 Parteibezeichnung 1 ); die Antragsformulierung sprach insoweit lediglich gegen die Beklagte. Für die Stellung des Streithelfers als alleinigen Rechtsmittelführer (vgl. RGZ 147, 125; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO 27. Aufl. 67Rdn. 4) fehlte indes jeder Anhalt. 3. Richtig ist ferner der Hinweis des Berufungsgerichts, dass die danach bestehenden Unklarheiten behoben wären, wenn der Berufungsschrift entsprechend der Sollvorschrift des 519 Abs. 3 ZPO eine Abschrift der angefochtenen Entscheidung beigefügt worden wäre (BGHZ 165, 371, 373). Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, über die Mängel einer Berufungsschrift ausgeglichen werden können. Anerkannt ist insbesondere, dass gemessen an den formalen Anforderungen des 519 Abs. 2 ZPO an sich unzureichende Angaben unschädlich sein können, wenn sich vor Ablauf der Berufungsfrist im Zusammenhang mit den Prozessakten für das Berufungsgericht zweifelsfrei ergibt, welches Urteil von wem angegriffen wird (BGH, Beschlüsse vom 24. April 2003 aao unter 2bund vom 25. Februar 1993 VII ZB 22/92 BGHR ZPO 518 Abs. 2 Nr. 1 Urteilsbezeichnung 7 unter 2; Musielak/ Ball, ZPO 5.Aufl. 519 Rdn. 4; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. 519 Rdn. 33; jeweils m.w.n.). Denn die prozessualen Formvorschriften sind kein Selbstzweck. Sie sollen insbesondere dem Rechtsmittelgericht eine rasche und unkomplizierte Anforderung der erstinstanzlichen Akten ermöglichen und damit den Geschäftsgang erleichtern und ihm zu einer eindeutigen Identifizierung des angefochtenen Urteils und Klärung des Rechtsmittelführers verhelfen (vgl. BGHZ 165, 371, 375; BGH, Urteil vom 8. April 2004 aao). Dem hat das Berufungsgericht nicht Rechnung getragen. Ihm lagen ab dem 22. Dezember 2005 die Berufungsschrift und die vollständigen erstinstanzlichen Akten vor; diese waren nach Eingang der Berufung bei der Briefannahmestelle bereits beigezogen und ihre Übersendung zusammen mit der Berufungsschrift am 20. Dezember 2005 verfügt worden. Die Berufungsfrist lief erst am9.januar 2006 ab. Das Berufungsgericht war daher trotz der unvollständigen Berufungsschrift seit Beginn seiner Befassung mit der Sache nicht gehindert, seine prozessvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen (vgl. BGHZ 165, 371, 374). Über einen Abgleich der Berufungsschrift mit dem in den Prozessakten befindlichen erstinstanzlichen Urteil waren zudem unschwer jedwede bestehenden Zweifel mit völliger Si- Anwaltshaftung AnwBl 5/2007 379

MN Rechtsprechung cherheit auszuräumen. Das Aktenzeichen, die Namen der Parteien, der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers und die formulierten Anträge mit den genauen Angaben zum Zahlungsbegehren einschließlich Zinsforderung ergaben nunmehr eindeutig, dass der Streithelfer auf Klägerseite das vorliegende Urteil des Amtsgerichts Köln überprüft wissen wollte. Selbst die anfangs bestehende theoretische Möglichkeit mehrerer Verfahren der Parteien bei verschiedenen Amtsgerichten des Bezirks des Berufungsgerichts war damit lange vor Ablauf der Berufungsfrist ausgeschlossen. Eine Verwerfung der Berufung wegen formunwirksamer Einlegung kam danach nicht mehr in Betracht. Rücknahme eines Rechtsbehelfs BGB 675 Nimmt ein Steuerberater oder ein Rechtsanwalt einen Rechtsbehelf ohne Rücksprache mit dem Mandanten zurück, so liegt hierin kein Verstoß gegen vertragliche Pflichten, wenn der Rechtsbehelf nach dem dem Berater bekannten Sachstand keine Aussicht auf Erfolg hat, der Berater den Mandanten hierüber informiert hat und eine Kontaktaufnahme bis zum Ablauf verfahrensrechtliche Erklärungsfristen gleichwohl erfolglos geblieben ist. OLG Naumburg, Urt. v.21.9.2006 1U37/06 Aus den Gründen: Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. 2. Das Landgericht hat die Widerklage der Beklagten zu Recht als unbegründet abgewiesen. Esfehlt hier jedoch bereits der Nachweis einer schuldhaften Pflichtverletzung der Klägerin im Rahmen ihrer steuerrechtlichen Vertretung der Beklagten im Widerspruchsverfahren, betreffend den Antrag auf Aufhebung des Grunderwerbssteuerbescheids des Finanzamts L. vom 17. April 1997. Die Beklagte sieht eine Pflichtverletzung darin, dass die Klägerin den von der Beklagten selbst eingelegten Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 27. März 2000 am 30. Oktober 2000 überhaupt und zudem ohne vorherige Rücksprache mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten zurückgenommen hat. Dem folgt der Senat nicht. Das Finanzamt L. hatte der Beklagten mit Schreiben vom 12. Oktober 2000 (vgl. Anlage B5,GABd. IBl. 75) angekündigt, dass sie den Antrag auf Aufhebung des Grunderwerbssteuerbescheids abzuweisen beabsichtigt, und hatte der Beklagten eine letzte Stellungnahmefrist innerhalb des Widerspruchsverfahrens gesetzt einschließlich der Aufforderung, den Widerspruch wegen der fehlenden Erfolgsaussichten auch zurückzunehmen. Die rechtlichen Ausführungen des Finanzamts waren zutreffend. Die Beklagte erhielt dadurch einen umfassenden Hinweis zur Rechtslage. Dieser Hinweis enthielt auch Ausführungen zuden Voraussetzungen des 16Abs. 1Nr. 2GrEStG, für deren Erfüllung das Finanzamt keine tatsächlichen Anhaltspunkte sah. Angesichts dieses Schreibens waren weitere steuerrechtliche Hinweise der Klägerin für die Beklagte entbehrlich. Die Beklagte hatte nach dem unstreitigen Sachstand dieses Rechtsstreits damals ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der vom Finanzamt zugrunde gelegte Sachverhalt unvollständig sein könnte. Insbesondere kannte die Klägerin damals unstreitig das Schreiben des Grundstücksverkäufers vom 17. September 1999 noch nicht. Deshalb ist es hier auch unerheblich, ob aus dem Inhalt dieses Schreibens ggf. auf einen Aufhebungsgrund i.s.v. 16 Abs. 1Nr. 2GrEStG zu schließen gewesen wäre. Nachdem die Kontaktversuche der Klägerin mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten erfolglos geblieben waren, hatte die Beklagte angesichts der ablaufenden Stellungnahmefrist zuentscheiden und konnte dabei nur auf den mutmaßlichen Willen der Mandantin abstellen. Objektiv sprach das Schweigen des damaligen Geschäftsführers der Beklagten dafür, dass er aus seiner Sicht keine Einwendungen gegen die Ausführungen des Finanzamts vorbringen konnte, insbesondere keine solchen tatsächlicher Art. Ohne begründete Einwendungen stand eine Zurückweisung des Widerspruchs zu erwarten. Unter diesen Umständen sprach das Kosteninteresse der Beklagten objektiv für eine Rücknahme. Andere, gegen eine Rücknahme sprechende Umstände waren der Klägerin damals nicht bekannt. Mitgeteilt vom 1. Zivilsenat des OLG Naumburg Anmerkung der Redaltion: Die Klägerin (in diesem Fall eine Steuerberaterin) hatte Gebühren für die Erstellung von Steuererklärungen geltend gemacht. Der Beklagte hatte Widerklage erhoben, wegen einer angeblichen Pflichtverletzung der Steuerberaterin in einem Widerspruchsverfahren. Anwaltsvergütung Angemessener Streitwert in Ehesachen GG Art. 12Abs. 1;GKG 48Abs. 2S. 1, Abs. 3S.1und 2 In Ehesachen richtet sich der Streitwert nach dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Eheleute, auch wenn beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt wurde. Das Ziel der Schonung der öffentlichen Kassen ist bei der Prozesskostenhilfe bereits berücksichtigt. Ein Verfassungsverstoß scheidet nicht deswegen aus, weil das Gericht den Streitwert nur auf 3.000 Euro und nicht auf den Mindeststreitwert von 2.000 Euro reduziert hat (im Anschluss an BVerfG AnwBl 2005, 651). (Leitsatz der Redaktion) BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v.21.2.2007 1BvR 2407/06 Aus den Gründen: Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Streitwertfestsetzung in Ehesachen, wenn beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt worden ist. I. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. In einem Scheidungsverfahren mit bewilligter Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für beide Eheleute wurde erdem Ehemann beigeordnet. 1. Das Amtsgericht setzte den Streitwert für die Ehesache ( 48 Abs. 3 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes 5GKG4) auf 3.000 E fest. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer ineigenem Namen Beschwerde und wies darauf hin, dass das monatliche Nettoeinkommen für den Ehemann 1.309 E und für die Ehefrau 1.092,14 E betrage. 2. In seinem Nichtabhilfebeschluss hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, maßgeblich sei nicht das dreifache Nettoeinkommen der Parteien, weil beiden Parteien aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe ohne Raten, habe bewilligt werden müssen (unter Hinweis auf OLG Hamm, FamRZ 2004, S.1297 und S. 1664). Die sofortige Beschwerde blieb auch vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Der Streitwert sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse seien daher nur 380 AnwBl 5/2007 Anwaltsverg tung

MN Rechtsprechung ein Bemessungsfaktor. Das Bundesverfassungsgericht habe lediglich beanstandet, dass bei beiderseitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung per se nur der Mindestwert von 2.000 E festgesetzt werde. Da es sich hier um ein einfaches Verfahren gehandelt habe, sei unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Parteien die Streitwertfestsetzung nicht zubeanstanden. 3. Mit der Verfassangsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Verletzung von Art. 12 Abs. 1GG. 4. Das Niedersächsische Justizministerium und die Parteien des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12Abs. 1GG angezeigt ist ( 93 aabs. 2Buchstabe bbverfgg). Auch die weiteren Voraussetzungen des 93 cabs. 1Satz 1BVerfGG liegen vor. 1. Die Wertfestsetzung durch das Oberlandesgericht verletzt den Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit. a) Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat bereits mit Beschluss vom 23. August 2005 (BVerfGK 6,130) ausgeführt, dass eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Bestimmung des Streitwerts gegen die Verfassung verstößt, wenn sie dazu führt, dass der Streitwert in Ehesachen wegen der beiderseitigen Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe stets oder im Regelfall lediglich auf den Mindeststreitwert festgesetzt wird Da der Streitwert auch für die Bemessung der Anwaltsvergütung maßgeblich ist, wird in solchen Fällen die Berufsfreiheit der beigeordneten Rechtsanwälte berührt. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit ist unverhältnismäßig, weil dem legitimen Ziel der Schonung öffentlicher Kassen bereits durch die Reduzierung der Vergütungssätze der imwege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte in 45Abs. 1, 49des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 5RVG4) umfassend Rechnung getragen worden ist. b) Dem angegriffenen Beschluss liegt wie indem von der Kammer bereits entschiedenen Fall eine Auslegung der gesetzlichen Regeln zur Streitwertberechnung ( 48 Abs. 2Satz 1, Abs. 3Satz 1und 2GKG) zugrunde, die in Verbindung mit den Vorschriften über die Maßgeblichkeit des festgesetzten Streitwerts für die Höhe der Vergütung von Rechtsanwälten ( 32 Abs. 1 RVG) eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers zur Folge hat (vgl. BVerfGE 65, 248 52584; 97, 12 5274). Dies ergibt sich aus der Begründung der angegriffenen Entscheidung. aa) Das Oberlandesgericht führt aus, nach 48Abs. 2Satz 1 GKG seien bei der Bestimmung des Streitwerts neben den Vermögens- und Einkommensverhältnissen alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache, zu berücksichtigen. Insoweit besteht für verfassungsrechtliche Bedenken kein Anlass. Allerdings ist das Oberlandesgericht zur Festsetzung eines Streitwerts von 3.000 E im konkreten Fall nur deshalb gelangt, weil es dem Umstand der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Deutlich wird dies daran, dass das Oberlandesgericht zwar ausführt, das Einkommen der Eheleute sei nur ein Bewertungsfaktor der Streitwertbemessung und es müsse auch berücksichtigt werden, dass es sich hier um ein einfaches Verfahren gehandelt habe. Es ist aber nicht erkennbar, dass das tatsächliche Einkommen der Parteien im konkreten Fall für das Oberlandesgericht von Bedeutung gewesen ist. Vielmehr lässt die angegriffene Streitwertfestsetzung das vom Gesetzgeber vorgegebene Kriterium der Anknüpfung andas dreifache Nettoeinkommen unberücksichtigt; denn der nicht näher begründete Hinweis, es habe sich um ein einfaches Verfahren gehandelt, ist nicht ausreichend, um bei einem Nettoeinkommen für drei Monate von mehr als 7.000 E einen Streitwert von lediglich 3.000 E nachvollziehbar zubegründen. Im Ergebnis teilt das Oberlandesgericht offenbar die imnichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts ausdrücklich vertretene Meinung, wegen der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe für beide Parteien komme es auf das dreifache Nettoeinkommen überhaupt nicht an. bb) Soweit das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang ausführt, das Bundesverfassungsgericht habe inseinem Beschluss vom 23. August 2005 lediglich beanstandet, dass bei beiderseitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung per se der Mindeststreitwert von 2.000 E festgesetzt werde, lässt esdie tragenden Gründe der Entscheidung außer Acht. Das Oberlandesgericht übersieht, dass nicht das Ergebnis der Festsetzung des Mindeststreitwerts, sondern jede erneute Berücksichtigung fiskalischer Interessen zur Begründung einer gegenüber dem gesetzlichen Ausgangswert des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens geringeren Streitwertfestsetzung zur Unverhältnismäßigkeit der damit einhergehenden Beschränkung der Berufsfreiheit führt. Unerheblich ist, dass nicht der Mindeststreitwert festgesetzt wurde; denn auch ein weniger intensiver Eingriff in die Berufsfreiheit beschränkt diese unverhältnismäßig, wenn er nicht durch einen legitimen und nicht bereits anderweitig berücksichtigten Gemeinwohlbelang gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2006 1BvR 2139/05 ). 2. Hiernach ist der Beschluss des Oberlandesgerichts gemäß 93c Abs. 2inVerbindung mit 95Abs. 2BVerfGG aufzuheben, ohne dass esauf die weiter noch erhobene Rüge ankommt. Die Sache selbst ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. 3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf 34a Abs. 2BVerfGG. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Erwin Köhler, Meppen Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung ergänzt den Beschluss der 3 Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 (1 BvR 46/05), abgedruckt in AnwBl 2005, 651 (mit Kommentar von Schons, AnwBl 2005, 697). Die Instanzgerichte hatten sich im vorliegenden Fall über die tragenden (und sehr eindeutigen) Gründe der ursprünglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinweg gesetzt. Terminsgebühr ohne Anhängigkeit RVG 2Abs. 2; RVG VVNr. 3104 Hat der Anwalt bereits einen unbedingten Klageauftrag erhalten, kann eine Terminsgebühr auch dann entstehen, wenn der Rechtsstreit oder das Verfahren noch nicht anhängig ist. BGH, Urt. v. 8.2.2007 IXZR215/05 Sachverhalt: Der Beklagte beauftragte die klagenden Rechtsanwälte, einen Anspruch gegen seine damalige Arbeitgeberin auf Zahlung einer Tantieme geltend zu machen. Als ein erstes Schreiben der Kläger unbeantwortet blieb, erteilte er Klageauftrag. Nach zwei Gesprächen zwischen den Klägern und der Arbeitgeberin kam es zum Abschluss einer Vereinbarung, in der auch der Anspruch auf Zahlung der Tantieme geregelt wurde. Eine Klage wurde nicht mehr eingereicht. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger restliches Anwaltshonorar inhöhe von 954,91 E (einschließlich Umsatzsteuer). Sie meinen, durch die Verhandlungen mit der Arbeit- Anwaltsverg tung AnwBl 5/2007 381

MN Rechtsprechung geberin nach Erhalt des Prozessauftrags eine Terminsgebühr verdient zu haben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Aus den Gründen: Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben durch die beiden Besprechungen, die sie nach Erhalt des Klageauftrags mit der Gegnerin ihres Mandanten über die Erledigung des streitigen Tantiemeanspruchs geführt haben, eine Terminsgebühr verdient. 1. Die Terminsgebühr entsteht gemäß 2 Abs. 2 RVG, Vergütungsverzeichnis (fortan: VV) Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3, Nr. 3104 durch die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. 2. Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso z. B. AG Frankfurt JurBüro 2006, 252) setzt der Gebührentatbestand der Nr. 3104 VV nicht voraus, dass der Anspruch, der Gegenstand der Besprechung ist, bereits bei Gericht anhängig gemacht worden ist (ebenso z. B. OLG Hamm OLG-Report 2006, 882, 883; OLG Koblenz JurBüro 2006, 23, 24; Hansens JurBüro 2004, 249, 250; Bischof JurBüro 2004, 296, 297; Meyer DRiZ 2004, 291; Schons NJW 2005, 3089, 3092; Bonnen MDR 2005, 1084, 1085; Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl. 104 Rn. 21; Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl. VV 3104 Rn. 11 Vermeidung ; Göttlich/ Mümmler, RVG 2.Aufl. Terminsgebühr des Teils 3 Anm. 3.2; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl. Vorbem. 3VV Rn. 90; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG 9.Aufl. VV Teil 3 Vorbem. 3Rn. 48). a) Nach Absatz 3der Vorbemerkung 3zuTeil 3des Vergütungsverzeichnisses zu 2 Abs. 2 RVG entsteht die Terminsgebühr (unter anderem) durch die Mitwirkung an Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Dass bereits eine Klage an- oder rechtshängig ist, wird dabei nicht vorausgesetzt. Erledigt wird ein laufendes Verfahren; vermeiden lässt sich demgegenüber nur ein Verfahren, das noch nicht begonnen hat. Entgegen der Meinung der Revision besagt der Wortlaut des Gesetzes nicht, dass esnur um die Vermeidung weiterer Verfahren gehen solle; dies liegt auch nicht nahe. b) Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diesen Befund. Die Terminsgebühr ist durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 eingeführt worden. Die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung kannte keinen entsprechenden Gebührentatbestand. Der Gesetzgeber des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wollte durch ihn einen Anreiz für außergerichtliche Einigungen schaffen. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es (BT-Drucks. 15/1971, S.148): Die außergerichtliche Streiterledigung soll ferner dadurch gefördert werden, dass die Terminsgebühr auch dann anfallen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klagauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt. Voraussetzung der Terminsgebühr sollte danach der (unbedingte) Klageauftrag sein, nicht jedoch die Einreichung der Klage. Aus der Einzelbegründung des Regierungsentwurfs zu Absatz 3der Vorbemerkung zu Teil 3des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 15/1971, S. 209) folgt nichts Gegenteiliges. Danach soll der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zueiner möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Der Fall der Vermeidung des Verfahrens wird hier nicht behandelt. Der Ausdruck Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten ist außerdem nicht eindeutig. Aus Sicht des Gerichtes kann sich ein Anwalt frühestens mit Einreichung einer Klage- oder Antragsschrift zum Prozessbevollmächtigten seines Mandanten bestellen. Aus der Sicht des Anwalts und des Mandanten wird der Anwalt jedoch schon dadurch zum Prozessbevollmächtigten, dass er sich vertraglich zur Vertretung des Mandanten vor Gericht verpflichtet und eine entsprechende Vollmacht erhält. Die Vorschrift des 31Abs. 1Nr. 1BRAGO, welche die Vergütung des zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts... für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information regelte, ist einhellig dahingehend ausgelegt worden, dass auch der mit der Prozessführung beauftragte Anwalt gemeint war (Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO 8. Aufl. 31 Rn. 6, 24; vgl. Bischof JurBüro 2004, 296, 297 m. w. N.). Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2005 (III ZB 42/05, NJW 2006, 157, 158), auf den die Revision sich bezieht, betraf einen Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, behandelte den Fall einer vorgerichtlichen Einigung also nicht. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat den Regierungsentwurf zu Absatz 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses in dem Sinne aufgefasst, dass ein gerichtliches Verfahren noch nicht anhängig sein muss. Er hat vorgeschlagen, Absatz 2der Anmerkung zu Nummer 3104 VV dahingehend klarzustellen, dass eine Anrechnung auch dann erfolgen solle, wenn in der anderen Angelegenheit zwar ein Prozessauftrag erteilt wurde, aber ausschließlich außergerichtliche Besprechungen stattfinden, die nach Vorbemerkung 3 Abs. 3VVebenfalls die Terminsgebühr auslösen (BT-Drucks. 15/2487, S. 140). c) Die systematische Stellung des Absatzes 3der Vorbemerkung 3 in demjenigen Teil des Vergütungsverzeichnisses, der Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz und ähnliches Verfahren regelt, verlangt ebenfalls keine An- oder Rechtshängigkeit einer Klage oder eines Antrags. Für das Gericht beginnt der Rechtsstreit zwar erst mit dem Eingang der Klage- oder Antragsschrift. Gleichwohl wird die Tätigkeit des Anwalts schon von der Erteilung des Prozessauftrags annach den Gebührentatbeständen des 3.Teils des Vergütungsverzeichnisses entlohnt. Besonders deutlich wird das an der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV. Die Ermäßigungstatbestände in Nummer 3101 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses setzen voraus, dass diese Gebühr schon vor der Einreichung der Klage anfallen kann. Endet nämlich der Auftrag, bevor der Anwalt die Klage einreicht, ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf 8/10 der vollen Gebühr. Auch nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung begann der Rechtsstreit für den Anwalt gebührenrechtlich bereits mit dem Erhalt des Prozessauftrags. Die Abgrenzung zur allgemeinen Geschäftsgebühr (VV Nr. 2400 a. F. =Nr. 2300 n.f.) hat von den übrigen Voraussetzungen einer Terminsgebühr einmal abgesehen (vgl. etwa BGH, Beschl. v.20. November 2006 IIZB9/06, z. V. b) danach zu erfolgen, ob der Anwalt bereits einen (unbedingten) Klageauftrag erhalten hat oder nicht. d) Schließlich bestätigen auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung das bisherige Auslegungsergebnis. Zur Entlastung der Gerichte wollte der Gesetzgeber des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes außergerichtliche Erledigungen durch Schaffung gebührenrechtlicher Anreize für die Anwaltschaft fördern. Die Terminsgebühr vom Einreichen einer Klage abhängig zumachen, würde dieser Zielsetzung entgegenwirken. 382 AnwBl 5/2007 Anwaltsverg tung

MN Rechtsprechung Terminsgebühr ohne Gegner bei Säumnisurteil RVG VVNr. 3104, 3105 Die volle Terminsgebühr entsteht für den Klägervertreter auch dann, wenn der Beklagte im Verhandlungstermin nicht ordnungsgemäß vertreten ist, der Klägervertreter aber über den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils hinaus mit dem Gericht die Zulässigkeit seines schriftsätzlich angekündigten Sachantrags erörtert oder mit dem persönlich anwesenden Beklagten Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung bespricht. BGH, Beschl. v. 24.1.2007 IVZB21/06 Aus den Gründen: I. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat vor dem Landgericht ein Versäumnisurteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus zwei Grundschulden erwirkt, das rechtskräftig wurde. Von Seiten der Beklagten war zum Termin, in dem das Versäumnisurteil erging, nur der Beklagte zu 1) ohne Anwalt erschienen. Aus dem Sitzungsprotokoll geht u. a. hervor, dass vor Erlass des Versäumnisurteils der Sach- und Streitstand kurz erörtert worden sei; der Beklagte zu 1) habe erklärt, dass auf die Schuld bei der Klägerin in Höhe von ca. 250.000 E gegenwärtig regelmäßig Zahlungen geleistet würden. Der Klägervertreter habe den Antrag aus der Klageschrift mit einer Maßgabe hinsichtlich der Bezeichnung des belasteten Grundstücks im Grundbuch gestellt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Klägervertreter u. a. beantragt, für die Wahrnehmung des Termins, in dem das Versäumnisurteil ergangen war, eine 1,2fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG festzusetzen. Auf Rückfrage des Rechtspflegers hat sich der die Verhandlung leitende Richter im Wesentlichen auf das Sitzungsprotokoll bezogen; der Klägervertreter hat erklärt, der Beklagte habe imtermin zur Vorgeschichte des Rechtsstreits vorgetragen, über Versuche berichtet, zu einer einverständlichen Lösung zugelangen, und sich erneut um eine solche Lösung bemüht. Ersei vom Klägervertreter darauf hingewiesen worden, dass auch nach Erlass des Versäumnisurteils weiterhin die Möglichkeit bestehe, mit der Klägerin einvernehmliche Regelungen zu treffen. Diese Darstellung haben die imkostenfestsetzungsverfahren anwaltlich vertretenen Beklagten nicht bestritten. Der Rechtspfleger hat imkostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Februar 2006 die beantragte Terminsgebühr festgesetzt. Dagegen haben die Beklagten sofortige Beschwerde erhoben, der nicht abgeholfen wurde. Das Oberlandesgericht hat die Kostenfestsetzung reduziert und dem Klägervertreter lediglich eine halbe Gebühr nach Nr. 3105 VV-RVG zugebilligt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. 1. Das Oberlandesgericht geht vom Wortlaut der Nr. 3105 VV-RVG aus, wonach die Beschränkung der Terminsgebühr auf den halben Gebührensatz an zwei Voraussetzungen geknüpft ist: Zum einen muss eine Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten sein. Das war hier bezüglich der Beklagten der Fall. Zum anderen darf lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil (oder zur Prozess- oder Sachleitung) gestellt worden sein. Das Oberlandesgericht stellt fest, im vorliegenden Fall sei darüber hinaus vom Gericht auf eine Antragsanpassung durch den Klägervertreter hingewirkt worden; außerdem sei zu den Berichten des erschienenen Beklagten zu 1) und dessen Bemühungen um eine einvernehmliche Regelung Stellung genommen worden. Damit sei nach dem Wortlaut der hier anzuwendenden Vorschriften von der Entstehung der vollen, 1,2fachen Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG auszugehen. Auch nach den Motiven des Gesetzgebers (BT-Drucks. 15/1971 S. 212f.) solle die in Nr. 3105 VV-RVG vorgesehene Reduzierung nur dann gelten, wenn der Rechtsanwalt imtermin tatsächlich keine weitere Tätigkeit als die Stellung des Antrags auf ein Versäumnisurteil entfaltet habe. Inden Motiven werde aber der Hinweis gegeben, dass bei gleichzeitiger Anwesenheit bzw. ordnungsgemäßer Vertretung beider Parteien die Gebühr nach Nr. 3104 VV-RVG auch dann anzusetzen ist, wenn lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird, weil in solchen Fällen in aller Regel weitere Erörterungen stattfinden. Allerdings könne auf das Vorliegen einer Erörterung oder Verhandlung nicht abgestellt werden, weil das RVG diese Begriffe aus Vereinfachungsgründen nicht verwende. Daraus zieht das Oberlandesgericht den Schluss, auf die Frage einer Erörterung oder Verhandlung könne es aufgrund der vom Gesetzgeber erstrebten Vereinfachung des Kostenfestsetzungsverfahrens auch bei der Anwendung der Nr. 3105 VV- RVG nicht ankommen. Vielmehr sei allein entscheidend, dass nur eine Partei anwesend bzw. ordnungsgemäß vertreten war und ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden ist. Darüber hinaus wäre es überraschend, wenn ein Prozessbevollmächtigter, dessen vorbereitender Vortrag nicht schlüssig oder hinreichend substantiiert sei und der deshalb seinen Antrag nach Erörterung mit dem Gericht im Termin abändere, eine höhere, vom Gegner zu erstattende Gebühr erhalten solle. Deshalb müsse der Gebührentatbestand der Nr. 3105 VV-RVG restriktiv dahin ausgelegt werden, dass eine einseitige Erörterung des erschienenen Prozessbevollmächtigten mit dem Gericht oder mit einer nicht ordnungsgemäß vertretenen Partei die in Nr. 3105 VV-RVG vorgesehene Reduzierung nicht ausschließe. 2. Dem folgt der Senat nicht. a) Wie sich aus dem Zitat des Oberlandesgerichts aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt, soll die innr. 3105 VV-RVG vorgesehene Gebührenreduzierung nur dann gelten, wenn der Rechtsanwalt imtermin tatsächlich keine weiteren Tätigkeiten entfaltet. Daraus ist zu schließen, dass ihm die höhere Gebühr aus Nr. 3104 VV-RVG zustehen soll, wenn er über die Stellung der in Nr. 3105 VV-RVG genannten Anträge hinaus tätig wird, also einen höheren Aufwand hat. Das RVG knüpft zwar nicht mehr andas Vorliegen einer Erörterung oder Verhandlung an, wohl aber an den Aufwand des Anwalts. Dass aufgrund der Typisierung des Gesetzes von einem höheren Aufwand regelmäßig auch dann ausgegangen wird, wenn beide Parteien erscheinen bzw. ordnungsgemäß vertreten sind, selbst wenn nur ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird, zwingt nicht zu dem Gegenschluss, dass ein kostenrechtlich beachtlicher Mehraufwand nicht anzunehmen sei, wenn nur eine Partei erschienen oder ordnungsgemäß vertreten ist. Vielmehr setzt Nr. 3105 VV-RVG zusätzlich voraus, dass lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil oder zur Prozess- oder Sachleitung gestellt wird. Erst daran wird inden Materialien die Folgerung geknüpft, insolchen Fallkonstellationen habe der Anwalt in der Regel einen verminderten Aufwand, dem die Gebührenreduzierung Rechnung trage (BT-Drucks. 15/1971 S. 212). b) Kommt es mithin entscheidend auf den Aufwand des Rechtsanwalts an, bestehen keine Bedenken, ihm die volle Terminsgebühr der Nr. 3104 VV-RVG auch dann zuzugestehen, wenn die über die Stellung der in Nr. 3105 VV-RVG vorgesehenen Anträge hinausgehende Tätigkeit des Anwalts darin besteht, diese Anträge zuvor nach Erörterung mit dem Gericht angepasst zu haben. Die Antragsänderung muss keineswegs immer auf einer nachlässigen Vorbereitung des Anwalts beruhen und dient jedenfalls auch den Interessen der durch das Versäumnisurteil betroffenen, nicht erschienenen Partei. Es ist nicht einzusehen, warum die beklagte Partei bei einem gegen sie ergangenen Versäumnisurteil die auf der Erörterung mit dem Gericht beruhenden Anwaltskosten nicht genau so tragen soll, wie wenn das Versäumnisurteil aufgrund eines Termins ergangen wäre, in dem beide Parteien ordnungsgemäß vertreten waren. Eine weitere Berücksichtigung von Besonderheiten Anwaltsverg tung AnwBl 5/2007 383

MN Rechtsprechung des Einzelfalles, insbesondere ob der zusätzliche Aufwand im Termin vermeidbar gewesen wäre oder nicht, widerspräche dem Ziel des Gesetzgebers, nach Möglichkeit eine Vereinfachung des Kostenfestsetzungsverfahrens zu erreichen (BT- Drucks. 15/1971 S. 139 f., 144f., 147). c) Ungeachtet der Anpassung des Klageantrags ergibt sich ein Mehraufwand des Klägervertreters im vorliegenden Fall schon daraus, dass der persönlich zum Termin erschienene Beklagte zu1)mit dem Klägervertreter Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung besprochen hat. Nach der Vorbemerkung 3Absatz 3VV-RVG entsteht eine Terminsgebühr schon dann, wenn der Anwalt an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt, und zwar sogar ohne Beteiligung des Gerichts. Deshalb kann esnicht darauf ankommen, dass der Beklagte zu 1) nicht ordnungsgemäß vertreten war. d) Mithin stimmt die Auslegung der Nr. 3105 VV-RVG, die sich auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass nämlich eine Beschränkung auf den halben Gebührensatz nur eintritt, wenn bei einseitiger Verhandlung lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil oder zur Prozess- oder Sachleitung gestellt wird, mit den Wertungen des Gesetzgebers überein, wie sie sich aus den Materialien und aus anderen, auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Deshalb verdient die den Wortlaut ausschöpfende Auslegung den Vorzug (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2005 III ZB 42/05 NJW 2006, 157 TZ 9a.E.). Sie entspricht der einhelligen Meinung inrechtsprechung und Literatur (OLG Köln JurBüro 2006, 254; KG, Beschluss vom 7.März 2006 1W 78/06 dokumentiert bei juris unter TZ 3; LAG Hessen NZA- RR 2006, 436, 437; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, RVG 17. Aufl. VV3105 Rdn. 27; RAMOLK RVG/ Hergenröder, 9. Aufl. VV RVG Nr. 3105 Rdn. 2; Schons in Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG 2. Aufl. VV3105 Rdn. 8; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG 2. Aufl. Nr. 3105 VV Rdn. 4, 14; Hansens in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts Teil 7Rdn. 366f.; Schneider, Gebührenrecht, Honorargestaltung, Kostenrecht S.55; Enders, RVG für Anfänger Rdn. 1043). Die Prüfung, ob der Anwalt über Nr. 3105 VV-RVG hinaus Tätigkeiten entfaltet hat, führt schließlich nicht zu einer ins Gewicht fallenden Erschwerung des Kostenfestsetzungsverfahrens. In der Regel werden zusätzliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts wie hier bereits aus dem Sitzungsprotokoll hervorgehen. Im Übrigen ist es Sache des Anwalts, der die Kostenfestsetzung betreibt, deren Voraussetzungen darzulegen und glaubhaft zu machen ( 11 Abs. 2 Satz 3RVG, 103 Abs. 2Satz 2, 104 Abs. 2Satz 1ZPO). Danach hat der Rechtspfleger des Landgerichts die Kosten hier zutreffend festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Beklagten war zurückzuweisen. Terminsgebühr nach Erledigung RVG 2Abs. 2S.1,RVG-VV Nr. 3104, Teil 3Abs. 3 Eine Terminsgebühr kann auch dann anfallen, wenn nach Eintritt eines den Rechtsstreit erledigenden Ereignisses der Klägervertreter fernmündlich mit dem Beklagtenvertreter die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen nach 91 a ZPO bespricht. KG, Beschl. v.21.2.2007 5W24/06 Aus den Gründen: I. Die gemäß 104 Abs. 3Satz 1ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet, 91 ZPO. Das Landgericht hat die Festsetzung auch einer 1,2fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 VVRVG) zu Unrecht abgelehnt. 1. Nach 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VVRVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr. Im Vergleich zu diesen Gebühren ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert worden. Im Interesse der Vereinfachung und insbesondere zur Beseitigung früherer Streitfragen sind durch die Fassung des Gebührentatbestandes die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nicht streitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder zur Prozess- und Sachleitung entfallen (BGH, EBE/BGH 2007, 19, juris Rdn. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlichen Austausch von Erklärungen die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (BGH, aao, juris Rdn. 8). Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft, sind an die mündliche Reaktion des Gegners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen. Die Würdigung steht im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1971 S. 209), wonach die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben werden soll (BGH, aao). Die Besprechung kann auch telefonisch erfolgen (BGH, aao, juris Rdn. 7). Vorliegend hatte der Klägervertreter am 23. August 2005 vom Beklagtenvertreter fernmündlich das Einverständnis eingeholt, den für die hier vorliegende negative Feststellungsklage angesetzten Verhandlungstermin vom 25. August 2005 im Hinblick auf die am 17. September 2005 anstehende mündliche Verhandlung über die anderweit zwischen den Parteien anhängige Leistungsklage aufheben zu lassen. Die Aufhebung des Verhandlungstermins ist dann auch erfolgt. In einem weiteren Gespräch zwischen den Parteivertretern vom 21. Oktober 2005 haben diese die Verfahrenslage für die vorliegende negative Feststellungsklage imhinblick auf die durchgeführte mündliche Verhandlung im Leistungsklageverfahren und das zwischenzeitlich ergangene Leistungsklageurteil besprochen und eine beiderseitige Erledigungserklärung in Aussicht genommen. Das vorliegende Feststellungsklageverfahren ist dann auch nachfolgend beiderseits für erledigt erklärt worden. 3. Unter diesen Umständen sind die rechtlichen Voraussetzungen der oben genannten Terminsgebühr für eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens zwanglos gegeben. Die Parteivertreter haben telefonisch den Weg zu einer Erledigung des Feststellungsklageverfahrens erörtert und in Aussicht genommen. a) Dem Vortrag des Klägers zum Inhalt der geführten Telefonate hat die Beklagte nicht widersprochen. Jedenfalls dies genügt zur Feststellung der gebührenauslösenden Umstände im Kostenfestsetzungsverfahren (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, II ZB 6/06, juris Rdn. 6). b) In dem vorliegenden Feststellungsrechtsstreit konnte eine Terminsgebühr dem Grunde nach auch anfallen, denn es unterlag einer notwendigen mündlichen Verhandlung, 128 Abs. 1ZPO. Dass nach der beiderseitigen Erledigungserklärung diese Notwendigkeit entfallen ist, steht nicht entgegen. Denn die hier inrede stehende Terminsgebühr wird auch gerade deswegen gewährt, um eine mündliche Verhandlung vermeiden zu helfen. c) Unerheblich ist auch, dass nach der mündlichen Verhandlung und Entscheidung im Leistungsklageverfahren für 384 AnwBl 5/2007 Anwaltsverg tung

MN Rechtsprechung das vorliegende Feststellungsklageverfahren das Feststellungsinteresse von Rechts wegen bereits vor dem zweiten Telefonat der Parteivertreter entfallen ist und deshalb der von den Parteivertretern besprochene, in Aussicht gestellte und dann auch tatsächlich bestrittene Weg der beiderseitigen Erledigungserklärung verfahrensrechtlich sinnvoll war. aa) Auf eine Ursächlichkeit der Besprechung für eine dann eingetretene Erledigung kommt es grundsätzlich nicht an (OLG Koblenz, RVGreport 2005, 269). Dies ist schon deshalb konsequent, weil wie erörtert der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft. bb) Gebührenrechtlich muss zwischen dem erledigenden Ereignis und den prozessrechtlichen Erledigungserklärungen nicht unterschieden werden. Eine Besprechung kann in beiden Fällen auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Dies gilt zwanglos für die Erörterung eines noch herbeizuführenden erledigenden Ereignisses. Aber auch eine Besprechung nach Eintritt eines nicht zuvor erörterten erledigenden Ereignisses kann auf eine Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Denn der Eintritt des erledigenden Ereignisses erledigt verfahrensrechtlich den Rechtsstreit nicht automatisch. Hierzu bedarf es noch eines Einverständnisses beider Prozessbeteiligter. Der Streitgegenstand reduziert sich erst mit beiderseitiger Erledigungserklärung gemäß 91a ZPO auf die Kosten (BGH, NJW 1989, 2986, juris Rdn. 21; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., 91 ardn. 96). Bei einer Leistungsklage kann unter Umständen beiden Parteien ohne Rechtsnachteil aber auch die Möglichkeit verbleiben, von einer Erledigungserklärung abzusehen. So kann der Kläger jedenfalls bei bestehendem Feststellungsinteresse auf einen Feststellungsantrag (Feststellung der Erledigung der Klage) übergehen (einschränkend Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., 91a Rdn. 29). Jedenfalls aber muss sich der Beklagte nicht einer Erledigungserklärung des Klägers anschließen (Zöller/Vollkommer, aao., 91a Rdn. 1). In diesen Fällen bleibt die Hauptsache Streitgegenstand (BGH, NJW 1990, 2682; Baumbach/Hartmann, aao., 91a Rdn. 70) und der Rechtsstreit ist im Urteilsverfahren auszutragen (vgl. BGH, WRP 2006, 106, juris Rdn. 10). Inbeiden Fällen besteht grundsätzlich die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung fort. Diese soll aber gerade die in Rede stehende Terminsgebühr für eine Besprechung vermeiden helfen. Ein Hinwirken der Prozessbevollmächtigten (auch nach Eintritt des erledigenden Ereignisses) auf die Abgabe beiderseitiger Erledigungserklärungen nach 91 a ZPO kann daher ebenso gebührenrechtlich nach der Vorbemerkung 3Abs. 3VVRVG privilegiert werden. cc) Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass mit Eintritt des erledigenden Ereignisses auch ein Feststellungsinteresse für das hier nur anhängige Feststellungsklageverfahren zwingend entfallen ist. Es kann hier offen bleiben, ob der Kläger deshalb nur eine Erledigungserklärung nach 91 azpo abgeben (und damit bei Zustimmung der Beklagten die Kosten zum Streitgegenstand erheben) konnte, oder ob er auch die Feststellung der Erledigung der Feststellungsklage hätte beantragen (und damit die Hauptsache als Streitgegenstand erhalten) können (wohl ablehnend BGH, NJW-RR 2006, 566, juris Rdn. 7). Jedenfalls aber war auch hier die Beklagte nicht gezwungen, sich der Erledigungserklärung des Klägers anzuschließen (vgl. BGH, NJW 2006, 515, juris Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, aao., 91a Rdn. 58 Feststellungsklage ). Sie hatte es somit noch in der Hand, obder Streitgegenstand auf die Kosten reduziert werden würde oder nicht. So hatte die Beklagte vorliegend auch nach der Erledigungserklärung des Klägers ausdrücklich noch mit einer eigenen Erledigungserklärung imhinblick darauf abgewartet, obimleistungsklageverfahren eine eigene Berufung eingelegt werden sollte. Unter diesen Umständen war das telefonische Hinwirken des Klägervertreters auf eine einvernehmliche Erledigungserklärung gebührenrechtlich ebenso nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2VVRVG zubegünstigen. dd) Hier kommt noch hinzu, dass bereits das erste Telefonat der Parteivetreter vom 23. August 2005 eine Erledigung vorbereiten sollte, indem die Beantragung einer Aufhebung des anstehenden Verhandlungstermins im Feststellungsklageverfahren vereinbart wurde und damit die Möglichkeit einer Erledigung des Feststellungsklageverfahrens durch das Leistungsklageverfahren erhalten blieb. Denn möglicherweise wäre die Feststellungsklage in dem ersten Verhandlungstermin schon zur Entscheidung reif gewesen. Jedenfalls imzusammenwirken der beiden Telefonate (Terminsaufhebung und Besprechung der Erledigungserklärungen) kann vorliegend eine Besprechung imsinne der Vormerkung 3Abs. 3VVRVG nicht verneint werden. ee) Unter diesen Umständen bestehen auch keine Zweifel, dass die Besprechungen des Klägervertreters sachgerecht und damit auch notwendig imsinne des 91Abs. 2 Satz 1ZPO waren (vgl. dazu Hansens, RVGreport 2006, 241, 249). Mitgeteilt vom 5. Zivilsenat des Kammergerichts Kostenrecht Verfahrensgebühr für Berufungsbeklagten trotz Hinweises nach 522 Abs. 2ZPO RVG VV3200; ZPO 91, 97, 522, 568, 574 1. Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach 3200 VV-RVG ist dem Berufungsbeklagten auch dann zu erstatten, wenn sein anwaltlicher Sachvortrag erst nach einer gerichtlichen Ankündigung gemäß 522 Abs. 2 ZPO erfolgte (gegen OLG Schleswig, Beschl. v. 4.7.2005 9 W 103/05) 2. Grundsätzliche Bedeutung i. S. v. 568 Satz 2 Nr. 2, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat eine Sache nicht schon deshalb, weil es eine abweichende gerichtliche Entscheidung gibt, die dem Einzelrichter jedoch unvertretbar erscheint. OLG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 14 W688/06 Aus den Gründen: Gegen das Urteil des Landgerichts legte die Beklagte Berufung ein und begründete das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 20. Februar 2006. Unter dem 8. März 2006 wies der Senatsvorsitzende darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung nach 522 Abs. 2ZPO zurückzuweisen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hatten sich zuvor am 3. Januar 2006 im Berufungsverfahren bestellt. Nach dem Senatshinweis vom 8. März 2006 meldeten sie sich mit der Rüge, ein Teil des Berufungsvorbringens sei verspätet und daher nicht zu berücksichtigen. Durch die nachfolgende Entscheidung nach 522 Abs. 2 ZPO sind der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden. Die von der Klägerin angemeldete 1,6 fache Verfahrensgebühr nach 3200 VVzum RVG hat die Rechtspflegerin antragsgemäß festgesetzt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde meint die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung 9W103/05 des OLG Schleswig, für Sachausführungen habe angesichts der angekündigten Ent- Kostenrecht AnwBl 5/2007 385

MN Rechtsprechung scheidung nach 522 Abs. 2ZPO kein Anlass bestanden. Die Gebühr nach 3200 VV zum RVG sei daher nicht zu erstatten. Dem kann nicht gefolgt werden. Die gerichtliche Ankündigung nach 522 Abs. 2ZPO enthebt den Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelbeklagten nicht der Prüfung der Berufungsangriffe und der gerichtlichen Erwägungen in dem erteilten Hinweis. Denn dieser Hinweis kann unvollständig oder sonst ergänzungsbedürftig sein. Gegebenenfalls ist der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelbeklagten gehalten, das Gericht auch auf die weiteren Gesichtspunkte hinzuweisen, aus denen ihm die Berufung sachlich unbegründet erscheint. Darüber hinaus kann die Berufungsbegründung neues entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten, das zum Erfolg des Rechtsmittels führen kann, wenn es unstreitig bleibt. Das kann den Rechtsmittelbeklagten zu dem Hinweis zwingen, dass er das neue Vorbringen bestreitet. Angesichts dieser Umstände kann der Senat dem OLG Schleswig nicht darin beipflichten, der Rechtsmittelbeklagte sei nach einem gerichtlichen Hinweis nach 522 Abs. 2ZPO gehalten, untätig zu bleiben. Die Erwägung des OLG Schleswig, den schützenswerten Belangen des Rechtsmittelbeklagten sei dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass das Gericht ihm zunächst rechtliches Gehör gewähren müsse, wenn es von der Ankündigung nach 522 Abs. 2ZPO wieder abrücke, überzeugt nicht. Anspruch auf rechtliches Gehör hat der an alsbaldiger Entscheidung interessierte Rechtsmittelbeklagte sofort. Ihm kann nicht verwehrt werden, die aus seiner Sicht maßgeblichen Umstände unverzüglich vorzutragen. Da der erkennende Einzelrichter die Rechtslage für eindeutig und die Entscheidung des OLG Schleswig für unvertretbar hält, besteht auch kein Anlass, die Sache nach 568 Satz 2 ZPO dem vollbesetzten Senat zu übertragen. Dem Senatsbeschluss vom 11. Mai 2006 14 W278/06 (OLGR 2006, 792 =JurBüro 2006, 485) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn dort hatte der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Hinweis erteilt, dass die Berufung unzulässig sei ( 522 Abs. 1 ZPO). Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Mitgeteilt vom 14. Zivilsenat des OLG Koblenz Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung des OLG Schleswig vom 4.7.2005 (9 W 103/05) ist nicht veröffentlicht worden. Sie ist vom Berufungsbeklagten in den Verfahren eingeführt worden. Kosten der Anschlussberufung bei Zurückweisung der Berufung ZPO 522 Abs. 2,92Abs. 1,97Abs. 1,96 Bei einer Zurückweisung der Berufung nach 522 Abs. 2 ZPO trägt der Berufungsführer der Anschlussberufung die Kosten der Anschlussberufung. (Leitsatz der Redaktion) KG, Beschl. v.21.8.2006 20U10/05 Aus den Gründen: Die Berufung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten hat aus den mit Schreiben des Senats vom 6. Juli 2006 mitgeteilten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf 92Abs.1, 97Abs. 1, 96 ZPO Bei einer Zurückweisung der Berufung nach 522 Abs. 2 ZPO ist die Frage der Kostentragungspflicht hinsichtlich einer Anschlussberufung inder ZPO nicht geregelt. Die herrschende Meinung in der Rechtssprechung der Oberlandesgerichte, der sich der Senat anschließt, nimmt eine anteilige Kostentragungspflicht des Anschlussberufungsführers an (OLG Dresden, Beschluss vom 17.5.2004, Az.: 6 U 2010/03, MDR 2004, 1386; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.10.2002, Az.: 24 U 81/02, NJW 2003, 1260; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7.7.2003, Az.: 13U31/03, MDR 2003, 1261; OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2002, Az.: 2U110/02, NJW 2003, 2755; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.1.2004, Az.: 23 U 165/03, NJW-RR 2005, 80; OLG München, Beschluss vom 27.7.2004, Az.: 17U2042/04, OLGR München 2004, 456; entgegen OLG Hamburg, Beschluss vom 3.4.2003, Az.: 1U144/02, MDR 2003, 1251; OLG Celle, Beschluss vom 27.1.2004, Az.: 16 U 158/03, MDR 2004, 592; OLG Köln, Beschluss vom 23.8.2004, Az.: 11 U196/03, JMBl. NW2005, 69). Zur Begründung einer anteiligen Kostentragungspflicht des Anschlussberufungsführers ist auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.3.1981, (Az.: GSZ 1/80, BGHZ 80, 146) hinzuweisen, nach der hinsichtlich der ähnlichen Konstellation der unselbstständigen Anschlussrevision nach 554 bzpo a. F. die Kosten der Anschließung nicht dem Revisionskläger, sondern dem Anschließenden auferlegt werden, wenn die Revision nicht angenommen wurde. Der Gedanke, dass der Anschließende von vornherein weiß, dass sein Anschlussrechtsmittel von der Begründetheitsprüfung des Hauptrechtsmittels abhängt, kann auch hier greifen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., 524 Rn. 44). Anders wäre der Fall nur zubeurteilen, wenn es im Belieben des Berufungsführers steht, die Anschlussberufung indie Wirkungslosigkeit zu führen, z. B. indem er die Berufung zurücknimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 7.2.2006, Az.: XI ZB 9/05, zitiert in juris). Wenn es demgegenüber wie imvorliegenden Fall zu einer gerichtlichen Sachentscheidung kommt, entspricht esdem kostenrechtlichen Grundprinzip, dass der Unterliegende die Kosten eines erfolglos gebliebenen Angriffsmittels, zu dem auch die unselbstständige Anschlussberufung zählt, zu tragen hat. Mitgeteilt vom 20. Zivilsenat des Kammergerichts Anmerkung der Redaktion: Im Ergebnis hat der Berufungsführer der Anschlussberufung die Kosten des Berufungsverfahrens anteilig zu tragen. Nach dem Tenor der Entscheidung hatte in diesem Fall die Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 89 %und die Beklagte zu 11 %zu tragen. Gebührenermäßigung nach Hinweisbeschluss GKG KV1222; ZPO 522 Abs. 2Satz 2. Bei einem nach 522 Abs. 2Satz 2ZPO erteilten Hinweis durch Gerichtsbeschluss handelt es sich nicht um einen Beschluss in der Hauptsache, sondern um eine gerade einen derartigen Beschluss lediglich vorbereitende Maßnahme. Daher ist KV 1222 GKG auch in diesen Fällen anwendbar. OLG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2006 1U894/06 Aus den Gründen: Der Senat hat durch Beschluss vom 21. September 2006 die Berufungskläger darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (Hinweis nach 522 Abs. 2 S. 2 ZPO). Daraufhin haben die Berufungskläger mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 die Berufung zurückgenommen und der Senat hat dann am 25, Oktober 2006 nach 516 Abs. 3 ZPO entsprechend beschlossen. Die Kostenbeamtin des Senats hat mit Kostenrechnung vom 386 AnwBl 5/2007 Kostenrecht

MN Rechtsprechung 31.10.2006 eine Gebühr nach Nr. 1222 Anl. 1 GKG Kostenverzeichnis dem Kostenansatz zugrunde gelegt. Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz vom 16. November 2006, der die Kostenbeamtin des Senats durch Entscheidung vom 23. November 2006 nicht abgeholfen hat (Bl. 372 GA). Der Bezirksrevisor ist der Auffassung, dass wegen des vorangegangenen Hinweisbeschlusses Nr. 1222 weder vom Wortlaut noch vorn Sinn eingreifen könne, so dass eine Kostenreduzierung von 4,0 auf 2,0 nicht in Betracht käme. Die Prozessbevollmächtigten wenden sich gegen diese Auffassung des Bezirksrevisors. Die zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz der Kostenbeamtin des Senats hat inder Sache keinen Erfolg. Der Senat ist wie auch weitere Senate des Oberlandesgerichts Koblenz, insbesondere auch der 14. Senat (Kostensenat), der Auffassung, dass der nach 522 Abs. 2S.2 ZPO erforderliche Hinweis in keinem Fall die Anwendung von Nr. 1222 Kostenverzeichnis sperrt. Eshandelt sich nicht umeinen Beschluss in der Hauptsache, sondern umeine gerade einen derartigen Beschluss lediglich vorbereitende Maßnahme. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass der nach 522 Abs. 2S.2ZPO zuerteilende Hinweis (Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor einer gerichtlichen Entscheidung) keineswegs zwingend als Beschluss gegeben werden muss. Möglich ist dies auch u. a. durch Verfügung und Übersendung eines formlosen Schreibens des Vorsitzenden. Neben der Qualität dieser Maßnahme als lediglich vorbereitendes Handeln für einen abschließenden Beschluss inder Hauptsache ( 522 Abs. 1S. 1ZPO) spricht entscheidend für diese Auslegung von Nr. 1222 Kostenverzeichnis der Umstand, dass das Gericht in dem vorliegenden Fall gerade freigestellt ist, obesdurch einen Beschluss oder durch formloses Schreiben die erforderlichen Hinweise erteilt. Es ist sicherlich weder angängig noch für den Bürger nachvollziehbar, dass die vom Gericht frei zu wählende Form nunmehr zugravierenden Unterschieden in der kostenrechtlichen Behandlung und damit in der Belastung des Bürgers führt. Insoweit trifft auch das Argument des Bezirksrevisors, dass Nr. 1222 Kostenverzeichnis auch deshalb ausgeschlossen sei, weil das Gericht sich bereits mit der materiell-rechtlichen Sachlage auseinandergesetzt habe, nicht zu, denn gleiches gilt auch für den Fall, dass lediglich durch Schreiben des Vorsitzenden auf die entsprechende Sach- und Rechtslage hingewiesen wird. Nach allem ist Nr. 1222 Kostenverzeichnis auch indem Fall des Hinweises nach 522 Abs. 2S.2 ZPO anwendbar, selbst wenn dieser in Form eines Gerichtsbeschlusses erteilt wurde. Dies führt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Rücknahme eines Rechtsmittels grundsätzlich kostenrechtlich privilegiert werden soll, zu einem in sich schlüssigen und auch für den Bürger nachvollziehbaren Ergebnis. Gleiches gilt zur Überzeugung des Senats auch für den Fall, wenn die Parteien vorab fernmündlich, schriftlich oder auch durch Beschluss auf durchgreifende Zulässigkeits- oder Begründungsmängel hingewiesen werden und hierauf die Berufungsrücknahme erfolgt. Auch indiesem Fall kann es nicht von der frei gewählten Form des erteilten Hinweises abhängen, ob eine Kostenreduzierung nach Nr. 1222 Kostenverzeichnis eingreift oder nicht. Auch diese Hinweise führen selbst in dem Fall, dass diese durch Beschluss erteilt wurden, nicht zum Ausschluss der Anwendbarkeit von Nr. 1222 Kostenverzeichnis. Nach allem hat die Kostenbeamtin des Senats Nr. 1222 Kostenverzeichnis zurecht dem Kostenansatz zugrunde gelegt; die hiergegen gerichtete Erinnerung des Bezirksrevisors bleibt ohne Erfolg und ist daher zurückzuweisen. Mitgeteilt vom 1. Zivilsenat des OLG Koblenz Kosten der Nebenintervention nach Hinweis gem. 522 Abs. 2 ZPO RVG VV3200; ZPO 66, 91, 97, 516, 522; BGB 705 Hat das Berufungsgericht eine Entscheidung nach 522 Abs. 2 ZPO angekündigt, sind die Kosten des Nebenintervenienten, der erst hiernach beitritt, nur erstattungsfähig, wenn es einen über das Kosteninteresse hinausgehenden Sachgrund gibt, den Berufungsbeklagten jetzt noch zu unterstützen (Abgrenzung zu OLG Koblenz, Beschluss vom 10. November 2006 14 W 688/06) OLG Koblenz, Beschl. v. 1.3.2007 14 W161/07 Aus den Gründen: Das Landgericht hatte die gegen eine BGB-Gesellschaft gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Durch Beschluss vom 21. September 2006 wies das Berufungsgericht darauf hin, es sei beabsichtigt, das Rechtsmittel nach 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Diese Ankündigung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28. September 2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2006 bestellte er sich erstmals auch für den Nebenintervenienten und beantragte (auch) in seinem Namen die Zurückweisung der Berufung. Beim Nebenintervenienten handelt es sich um einen Mitgesellschafter der beklagten BGB-Gesellschaft. Nach Berufungsrücknahme sind der Klägerin auch die Kosten des Nebenintervenienten auferlegt worden. Dementsprechend hat der Rechtspfleger die von der Klägerin andie Beklagte und den Nebenintervenienten zu erstattenden Kosten auf je4.566,20 E festgesetzt. Das ist die Hälfte einer 1,9-fachen Gebühr nebst Auslagenpauschale (1,6-fache Gebühr nach 3200 VV zuzüglich Erhöhung von 0,3 nach 1008 VV). Gegen die Festsetzung der Kosten des Nebenintervenienten wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie verweist auf die Entscheidung BGH NJW 2006, 2260ff. und meint, die Kosten des Nebenintervenienten seien nicht notwendig und daher auch nicht erstattungsfähig. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Der Kostenfestsetzungsantrag des Nebenintervenienten musste abgelehnt werden. Der Rechtspfleger hat das anders gesehen und insbesondere darauf verwiesen, dass erandie Kostengrundentscheidung des Berufungsgerichts gebunden sei. Das ist richtig, greift jedoch zu kurz. Denn die Kostengrundentscheidung besagt nicht, dass die Klägerin dem Nebenintervenienten auch nicht notwendige Kosten erstatten muss. Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass der Nebenintervenient hier keinen billigenswerten Grund hatte, dem Rechtsstreit beizutreten. Der Senat war bereits wiederholt mit der Frage befasst, ob zweitinstanzliche Anwaltskosten erstattet werden müssen, die erst nach gerichtlichen Verwerfungs- oder Zurückweisungsankündigungen entstanden sind: a. Mit Beschluss vom 11. Mai 2006 14 W278/06 (OLGR 2006, 792 =JurBüro 2006, 485) hat der Senat über einen Fall entschieden, bei dem der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Hinweis erteilt hatte, die Berufung sei unzulässig ( 522 Abs. 1 ZPO). In einem derartigen Fall hat der Berufungsbeklagte keinen Anlass, noch einen Rechtsanwalt für das Berufungsverfahren zu beauftragen. Diese Verfahrenssituation ist mit dem Sachverhalt der in NJW 2006, 2260ff. abgedruckten BGH-Entscheidung vergleichbar. b. Dem Senatsbeschluss vom 10. November 2006 14 W 688/06 (Rpfleger 2007, 115 =JurBüro 2007, 89) lag der Fall zugrunde, dass anwaltlicher Sachvortrag des Berufungsbeklagten erst nach einer gerichtlichen Ankündigung gemäß 522 Abs. 2ZPO erfolgte. Der Senat hat ineinem derartigen Fall die Kostenrecht AnwBl 5/2007 387

MN Rechtsprechung Erstattungsfähigkeit sämtlicher Kosten des Berufungsbeklagten (3200 VV zum RVG) bejaht (gegen OLG Schleswig 9W103/05, wonach nur die Gebühr 3201 VV zum RVG erstattungsfähig ist). Obwohl dieser Sachverhalt dem vorliegenden ähnelt, besteht doch ein entscheidender Unterschied. Anders als der bereits in den Rechtsstreit involvierte Berufungsbeklagte hat ein bisher am Rechtsstreit völlig Unbeteiligter nach einer gerichtlichen Ankündigung gemäß 522 Abs. 2ZPO im Allgemeinen keinen Sachgrund, dem Berufungsbeklagten erstmals in zweiter Instanz zum Zwecke der Unterstützung beizutreten. Das mag anders sein, wenn der Berufungsführer mit der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift einem bisher Unbeteiligten den Streit verkündet. Darum geht es hier jedoch nicht. Im vorliegenden Fall ist der seit Einreichung der Klage über das Verfahren informierte Gesellschafter dem ausschließlich gegen die Gesellschaft gerichteten Rechtsstreit, der inzweiter Instanz keinerlei sachliche Veränderung erfahren hatte, erst nach der gerichtlichen Zurückweisungsankündigung und damit zu einem Zeitpunkt beigetreten, als keine Notwendigkeit bestand, in irgendeiner Weise (erstmals) auf die Sachentscheidung des Gerichts Einfluss zu nehmen. Vor diesem Hintergrund hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin treffend bemerkt, dem Nebenintervenienten bzw. seinem Bevollmächtigten sei es wohl nur darum gegangen, eine günstige Kostenentscheidung mitzunehmen. Der Senat teilt diese Sicht der Dinge. Der Kostenfestsetzungsantrag des Nebenintervenienten war daher abzulehnen. Als unterlegener Beteiligter hat er die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen ( 91 Abs. 1ZPO). Mitgeteilt vom 14. Zivilsenat des OLG Koblenz. Nach herrschender Meinung ersetzt ein Antrag auf Fristverlängerung die Einreichung der Revisionsbegründung nicht (BGH, Beschl. v. 7. Juni 1999 IIZB25/98, NJW 1999, 3051). Es kann offen bleiben, ob an der auf einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften zur Wiedereinsetzung beruhenden Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 9. Juli 2003 XII ZB 147/02, NJW 2003, 2375 ff; v. 25. September 2003 III ZB 84/02, NJW 2003, 3762 f; v. 17. Juni 2004 IXZB208/03, NJW 2004, 2902 f)auch nach der Einfügung des 234 Abs. 1Satz 2 ZPO durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 1. Juli 2004 festzuhalten ist (dahin tendierend etwa Knauer/Wolf NJW 2004, 2857, 2863; Born NJW 2005, 2042, 2044). Jedenfalls hat die Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 26. Oktober 2005 im vorliegenden Fall ein schützenswertes Vertrauen darauf geschaffen, dass das Erfordernis der Nachholung der versäumten Prozesshandlung hier der Revisionsbegründung innerhalb der durch 234 Abs. 1ZPO bestimmten Antragsfrist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung nicht beachtet werden muss. Als dem Beklagten diese Verfügung bekannt geworden ist, hätte er die Frist noch wahren können. Fotonachweis Seiten I, IV,VI,313(Henze), 319, 325, 328, 333, 336, 339, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 360, 361, 368, 369, 374: privat; Seiten: 329, 331, 332, 334, 335, 337, 344 (Kilger), 346 u.348 (Brieske), 349 (D sing, 350 (Hamacher), 351 (L hn, Janssen, Brieske, Henke): Burkhardt; Seiten: 313 (Kokott): Julia Zimmermann; Seite 353: Getty Images; Seite 354, 359: Elektra Vision; Seite 357: Fotolia; Seite 349 (Grimm): Bundesbildstelle; Seite 352: Christine Barnah zi. Prozessrecht Vertrauen versus gesetzliche Frist ZPO 233, 234. Eine Verfügung kann schützenswertes Vertrauen schaffen, so dass die versäumte Prozesshandlung nicht innerhalb der gemäß 234 Abs. 1 ZPO bestimmten Antragsfrist nachgeholt werden muss. (Leitsatz der Redaktion) BGH, Beschl. v. 18.1.2007 IXZR176/05 Aus den Gründen: Der Beklagte war ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten ( 233 ZPO). Er hat rechtzeitig Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm durch Beschluss des Senats vom 29. September 2005, zugestellt am 11. Oktober 2005, gewährt worden ist. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gebeten. Diese ist ihm durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 26. Oktober 2005 gewährt worden. Innerhalb der verlängerten Frist hat er die Revision begründet. Zwar muss die versäumte Prozesshandlung gemäß 236 Abs. 2Satz 2Halbs. 1ZPO innerhalb der Frist des 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt werden. Imvorliegenden Fall betrug die Frist einen Monat ( 234 Abs. 1Satz 2ZPO). Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte die Revisionsbegründung nicht eingereicht. Impressum Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e.v., Littenstr. 11,10179Berlin (Mitte), Tel. 030/726152-0,Fax: 030/726152-191, anwaltsblatt@anwaltverein.de. Redaktion: Dr. Nicolas L hrig (Leitung, v.i.s.d.p.) und Udo Henke, Rechtsanw lte, Anschrift des Herausgebers. Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH, Wachsbleiche 7, 53111 Bonn, Tel. 02 28 /91911-0,Fax: 0228/91911-23; kontakt@anwaltverlag.de, Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr. 17532 458, BLZ 380 500 00. Anzeigen: ad sales &services, Ingrid A. Oestreich (v. i.s.d.p.), Pikartenkamp 14, 22587 Hamburg, Tel. 040 /86628-467, Fax: 040 /866 28-468, info@ad-in.de. Technische Herstellung: Hans Soldan GmbH, Bocholder Str. 259, 45356 Essen, Tel. 02 01 /8612-281, Fax: 0201 /8612-241; info@soldanmedien.de. 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MN B cher &Internet eur-lex.europa.eu Der Zugang zum EU-Recht ist dieses offizielle Portal der Europäischen Union in neuer Gestaltung überschrieben. Die europarechtlichen Datenbanken Eur-lex und Celex werden hier zusammengeführt. Das Portal ist sehr gut zu gebrauchen. Das Amtsblatt der Europäischen Union ist ebenso kostenlos verfügbar wie die unter der Überschrift Sammlungen genannten Verträge, Internationalen Abkommen, Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, Vorarbeiten, Rechtsprechung und parlamentarische Anfragen. Damit sind die wichtigsten Bereiche des Europarechts abgedeckt. Die EU ist eindeutig um Transparenz und Übersichtlichkeit bemüht, was hier erste Früchte trägt. Bei der Auswahl des Links Rechtsprechung erscheint eine lange Liste mit den neuesten verfügbaren Dokumenten der drei europäischen Gerichte. Am Ende dieser Seite können Rechtssachen nach Aktenzeichen oder chronologisch gesucht werden. Wer hier nicht fündig wird, sollte den Weg über die einfache oder erweiterte Suche gehen, die auf den vorherigen Seiten angeboten wurde. Ausreichend wird oft schon die einfache Suche sein. Die Anwendung der erweiterten Suche gestaltet sich komplizierter ihre Anwendung wird von den Herausgebern ausdrücklich nur für professionelle Benutzer empfohlen, die mit den Europarecht und modernsten Suchtechniken vertraut sind. curia.europa.eu Wer nach Rechtsprechung der europäischen Gerichte sucht, kann auch direkt beim Gerichtshof recherchieren. Unter Rechtsprechung öffnet sich u.a. die Option, das Suchformular anzuklicken. Hier ist die Rechtsprechung seit 1997 zu finden. Die Suchoptionen sind vielfältig, dank übersichtlicher Anordnung dennoch gut zu benutzen. Der Umfang der Suche kann auf das gewünschte Gericht und die Art der Entscheidung und der Veröffentlichung eingeschränkt werden. Schön ist, dass darüber hinaus Listen der vorhandenen Aktenzeichen und Parteien angezeigt werden können. So werden fehlerhafte Ergebnisse auf Grund von Schreibfehlern vermieden. Außerdem kann über das Entscheidungsdatum, Sachgebiet und Volltext gesucht werden. echr.coe.int/echr Auf englisch und französisch stellt sich der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) vor. In dessen Datenbank Hudoc kann inzwischen recht komfortabel nach Entscheidungen recherchiert werden. Die Datenbank ist direkt von der Startseite zu erreichen. Auch eine Liste von anhängigen Verfahren sowie ein Sitzungsplan sind abrufbar. Unter Basic texts stehen die Europäische Menschenrechtskonvention, das Protokoll Nr. 14 sowie die Beitrittstermine der Mitgliedsstaaten. Eine deutschsprachige Startseite gibt es unter der wenig einprägsamen Adresse www.coe.int/t/d/ Menschenrechtsgerichtshof. egmr.org Anders als auf der offiziellen Seite des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) gibt es hier ein Fundstellenverzeichnis von Urteilen und Entscheidungen des EGMR in deutscher Sprache. Es handelt sich um eine private Seite von Dr. Marten Breuer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam, mit dem Ziel, der Rechtsprechung des EGMR in Deutschland mehr Bedeutung zu verschaffen. Die Seite ist übersichtlich angelegt. Am interessantesten ist das Fundstellenverzeichnis, das die Entscheidungen sowohl alphabetisch als auch chronologisch anzeigt. Zu jeder Entscheidung wird eine Fundstelle in deutscher Sprache angezeigt, die online verfügbaren Quellen sind leider die Ausnahme, im Übrigen werden die Fundstellen in Zeitschriften genannt. Die chronologischen Nachweise reichen bis in das Jahr 1960 zurück. F r das Anwaltsblatt im Internet: Rechtsanw ltin Isa von Koeller Sie erreichen die Autorin ber anwaltsblatt@ anwaltverein.de. Verg tungsrecht Kompaktkommentar RVG von Hans Helmut Bischof, Sabine Jungbauer, Antje Br uer, Jaka Curkovic, Wolfgang Mathias, Jochen D. Uher; 2. Aufl; Neuwied: Luchterhand 2007; XXIX, 700 S., geb.; 978-3-472-06136-6; 69, E. Die 2. Auflage des Kommentars will eine praxisnahe Kommentierung des RVG bieten. Das Autorenteam wurde auf sechs Autoren erweitert, die allesamt in der anwaltlichen oder richterlichen Praxis arbeiten. Für den Anwalt wichtige Vergütungsverzeichnis-Nummern und Paragraphen werden ausführlich kommentiert. Die am 1. Juli 2006 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen des RVG zur außergerichtlichen Beratung werden übersichtlich kommentiert und in einer Synopse RVG n. F. a.f.zur schnellen Orientierung gegenübergestellt. Die Fassung des RVG bis zum 30. Juni 2006 (Beratung und Gutachten) ist überarbeitet im Anhang abgedruckt. Damit ist dieser Kommentar auch für Übergangsfälle nutzbar. Beispiele, Musterrechnungen und Anwendungshinweise helfen dem Anwalt. Geb hrenkalkulator 2007 Umfassendes Tabellenbuch mit Verg tungsverzeichnis und Geb hrenrad von Hans-Jochem Mayer; 3. Aufl.; Baden-Baden: Nomos 2007; 92S.; 978-3-8329-2276-4, 22, E. Ein Gebührenrad (nicht unähnlich einem runden Rechenschieber) kann nicht nur für den konservativen Anwalt eine Ergänzung zu einer Software- Lösung sein, zumal dieses schmale Werk auch in das Mandantengespräch mitgenommen werden kann. Die vier wichtigsten Tabellen sind auf einer Drehscheibe: Vorgerichtliche Kosten, Kosten der ersten Instanz, Prozesskostenrisiko und Anwaltsgebühren. Dazu kommt ein klassisches Tabellenbuch für die üblichen Anwendungssituationen im Kanzleialltag. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist berücksichtigt worden. Für die erste Orientierung eine praktische Hilfe. LII AnwBl 5/2007

MN B cher &Internet Zivilrecht B rgerliches Gesetzbuch Palandt bearb. von Peter Bassenge u. a.; 66., neu bearb. Aufl.; M nchen: C. H. Beck, 2007; XXXIV, 2901 S., geb.; (Beck sche Kurz-Kommentare; 7); 978-3-406-55266-3; 100, E. Der Platzhirsch unter den einbändigen BGB-Kommentaren: Die Neuauflage des Palandts berücksichtigt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das erste Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesjustizministeriums, die Reform des Unterhaltsrechts sowie wichtige Änderungen im WEG. In der Kommentierung wird auf Reformen, die bis zum 1. April 2007 in Kraft treten, auf der Grundlage der Gesetzentwürfe bereits hingewiesen. Der Palandt beeindruckt nach wie vor mit seiner Verlässlichkeit. BGB Kommentar hrsg. von Hanns Pr tting, Gerhard Wegen und Gerd Weinreich; 2., berarb. Aufl.; Neuwied: Luchterhand, 2007; XLVIII, 3280 S., geb.; 978-3-472-06781-8; 98,- (bis. 15. Mai 2007 89, E ). Der Herausforderer unter den einbändigen BGB-Kommentaren: Die zweite Auflage hat sich in der Farbe des Papiers und im Erscheinungstermin an den Palandt angenährt, ansonsten versucht das 53köpfige Autorenteam neue Wege zu gehen. Der Abschnitt zum Werkvertragsrecht wurde komplett neu geschrieben. Die Neuauflage berücksichtigt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Föderalismusreform- Begleitgesetz und das 2. Justizmodernisierungsgesetz. Der Regierungsentwurf zum Unterhaltsänderungsgesetz ist an wichtigen Stellen eingearbeitet. Stichproben zeigen: Eine Bereicherung für den Markt der BGB-Kommentare. Strategien f r die Berufung imzivilprozess von Hartmut Braunschneider; K ln: O.Schmidt, 2007; 259 S., geb.; 978-3-504-47094-4; 39.80 E. Im Vorwort heißt es zur Berufung, dass vor allem vier Punkte prozessual interessieren: Ich will wissen, was zu schreiben ist (Stoff), wo es zu schreiben ist (Aufbau der Schriftsätze), wie es zu schreiben ist (Formulierungen) und wann es zu schreiben ist (Timing der Einreichung). Diesem Anspruch wird das Werk gerecht. Strategien und die Folgen für die Honorarsituation werden vorgestellt. Das Werk behandelt diese Fragen aus Anwaltssicht in einer skriptartigen, gleichwohl detaillierten Form mit sehr vielen Fallkonstellationen. Die veröffentlichte Rechtsprechung wird zitiert, der Literaturapparat auf ein Minimum reduziert. AnwBl 5/2007 LIII

MN Schlusspl doyer Stellt sich den Fragen des Anwaltsblatts: Rechtsanw ltin Dr. Astrid Christiane Auer-Reinsdorff aus Berlin ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie. Sie ist seit 1997 Rechtsanwältin und arbeitet seit 2002 als Einzelanwältin mit Angestellten. Ihre Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet des IT-, Vertragsrechts und des Gewerblichen Rechtsschutzes. Sie ist Mitglied im Deutschen Anwaltverein, weil Anwältinnen sich in der anwaltlichen und damit eigenen Interessenvertretung engagieren sollten. Warum sind Sie Anw ltin geworden? Eigentlich wollte ich Diplomatin werden. In der Referendarzeit habe ich festgestellt, dass die Freiheit unseres Berufes sehr angenehm ist. Schon einmal berlegt, die Zulassung zur ckzugeben? Nein, Rechtsanwältin kann ich ja auch bleiben, falls ich einmal den Absprung in den sonnigen Süden der EU schaffe. Ihr gr ßter Erfolg als Anw ltin? Die Einführung der Fachanwaltschaft Informationstechnologierecht. Ihr Stundensatz? Mein Stundensatz wird akzeptiert, weil er die Belange der Mandanten berücksichtigt. Ihr Traummandat? Traummandate sind alle, in denen in der Sache hart aber herzlich verhandelt werden kann. Was sollen Ihnen Ihre Kollegen einmal nicht nachsagen?..., dass ich mich nicht um eine konstruktive und lebbare Vereinbarung bemüht hätte. Welches Lob w nschen Sie sich von einem Mandanten? Eine Weiterempfehlung. Mitglieder Service DAV-Haus Littenstr. 11, 10179 Berlin Deutscher Anwaltverein Tel.: 030/ 72 61 52-0,Fax: -190 dav@anwaltverein.de, www.anwaltverein.de Redaktion Anwaltsblatt Tel.: 030/ 72 61 52-141, Fax: -191 anwaltsblatt@anwaltverein.de www.anwaltsblatt.de Deutsche Anwaltakademie Tel.: 030/ 72 61 53-0,Fax: -111 daa@anwaltakademie.de www.anwaltakademie.de Deutsche Anwaltadresse Tel.: 030/ 72 61 53-170, -171, Fax: -177 adresse@anwaltverein.de DAV-Anwaltausbildung Tel.: 030/ 72 61 52-188, Fax: -163 anwaltausbildung@anwaltverein.de www.dav-anwaltausbildung.de Arbeitsgemeinschaften im DAV Infos unter Tel.: 030/ 72 61 52-0,Fax: -190 DAV B ro Br ssel Tel.: +32(2) 28028-12, Fax: -13 bruessel@anwaltverein.de, www.anwaltverein.de/bruessel Deutscher Anwaltverlag Wachsbleiche 7, 53111 Bonn Tel.: 02 28/ 91911-0, Fax: -23 kontakt@anwaltverlag.de, www.anwaltverlag.de Kostenloser Anzeigenpool und Plakate der Werbekampagne Im Rahmen der DAV-Werbekampagne wird den Mitgliedern ein kostenloser Anzeigenpool zur Verf gung gestellt. Damit haben die Kanzleien die M glichkeit, eigene Anzeigen zu schalten, die Anzeigenmuster k nnen kostenfrei verwendet werden. Dar ber hinaus gibt es auch die M glichkeit, Plakate zu bestellen. Weitere Informationen unter www.anwaltverein.de/werbekampagne.html. LVI AnwBl 5/2007