Ich erlaube mir zum Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert werden soll, nachstehende Stellungnahme abzugeben:

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Transkript:

34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 1 von 6 Bundesministerium für Justiz Museumsstraße 7 1070 Wien per e-mail: team.s@bmj.gv.at begutachtungsverfahren@parlament.gv.at Wien, am 21.12.2015 2/1-359.docx Strafprozessänderungsgesetz 2015 Stellungnahme im Begutachtungsverfahren BMJ-S58578.029/0002-IV 3/2015 Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erlaube mir zum Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert werden soll, nachstehende Stellungnahme abzugeben: 1. Zu 10 Abs 2 StPO: a. In der Praxis zeigt sich, dass Opfer im Strafverfahren mit einer Fülle von Belehrungen über ihre Rechte und sonstige Verfahrensdetails konfrontiert werden und damit zumeist überfordert sind. Tatsächlich befinden sich Opfer in der Konfrontation mit den Strafbehörden regelmäßig in einer Situation geprägt von Anspannung, Nervosität, Aufregung oder Stress - abhängig von der persönlichen Verfassung, der Betroffenheit durch eine Straftat oder sonstigen persönlichen Umständen. Sie sind nicht in der Lage, all diese Informationen zu verstehen, insbesondere dann, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind oder ihnen der juristische Sprachgebrauch fremd ist oder sie einfach in der Menge an Information und deren Kompliziertheit untergehen. Hier wäre es daher wesentlich, dass die Behörden den Opfern in einer für sie verständlichen Art und Weise, sowie in einer Sprache, die sie verstehen, diese Informationen weitergeben.

2 von 6 34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) Bezugnehmend auf Beschuldigte regelt die StPO in 50 Abs 2, dass die Rechtsbelehrung in einer Sprache, die der Beschuldigte versteht, und in einer verständlichen Art und Weise zu erteilen ist, wobei besondere persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. Einem Opfer sollten die gleichen Rechte zustehen. In diesem Sinne sollte 10 Abs 2 StPO dahingehend ergänzt werden, dass die Information und Belehrung der Opfer in einer für sie verständlichen Art und Weise, sowie einer Sprache die sie verstehen, wobei besondere persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind vermittelt werden um sicherzustellen, dass den Opfern eine Belehrung bzw. Information über ihre Rechte zukommt, die sich auch verstehen können. b. Wesentlich ist weiters, dass Opfer (aber auch Zeugen) in vielen Fällen ein hohes Interesse an der Geheimhaltung ihrer Wohnadresse und Telefonnummer haben, sodass dem Beschuldigten diese Daten durch zb Akteneinsicht nicht bekannt werden. Das ist in der Praxis tatsächlich nur selten möglich. Es wäre daher wünschenswert, wenn im Strafverfahren eine Bestimmung isd 75a ZPO geschaffen wird. 2. Zu 25 StPO: Aufgrund der Betroffenheit eines Opfers wäre es hier jedenfalls notwendig, einem Opfer gemäß 65 Z 1 lit a und lit b StPO auch in Österreich Prozessbegleitung zu gewähren, wenn das Verfahren im Ausland geführt wird. Damit wäre eine Betreuung des Opfers und eine Kommunikation mit einer ausländischen Opferschutzeinrichtung oder den ausländischen Strafbehörden gewährleistet. Ansonsten läge eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Opfern, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, vor, nur weil die Straftat im Ausland begangen wurde. 3. Zu 65 StPO: Trotz der Neuregelung der Bestimmung im Sinne der Opferschutzrichtlinie haben nach wie vor ZeugInnen von Straftaten keinerlei Rechtsanspruch auf Prozessbegleitung, wenn nicht der Tod einer Person herbeigeführt wurde. Insbesondere ZeugInnen von schweren Straftaten (versuchter Mord, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Raub uvm) sind aufgrund ihrer Zeugenschaft massiv psychisch beeinträchtigt und müssen wiederholt Aussagen über die Straftat vor den Strafverfolgungsbehörden tätigen. Im Interesse der Strafrechtspflege und im Interesse der ZeugInnen, sie vor weiteren Retraumatisierungen zu schützen, ist hier eine Prozessbegleitung unbedingt notwendig. 2

34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 3 von 6 In diesem Zusammenhang wird auf aktuelle Strafverfahren verwiesen, in denen Kinder, die bei dem versuchten Mord an oder der Vergewaltigung der Mutter Zeugen waren oder aber auch ZeugInnen, die auf der Straße zufällig einen Mord miterleben mussten. Diese Personen benötigen dringend psychosoziale und juristische Prozessbegleitung während des Strafverfahrens! 4. Zu 66 Abs 3 StPO: Seitens eines Opfers besteht auch regelmäßig ein rechtliches Interesse an einem Strafantrag bzw. einer Anklageschrift. Da in vielen Verfahren bei Verurteilungen nur eine gekürzte Urteilsausfertigung ausgefolgt wird und der Inhalt des Verfahrens aufgrund des Urteiles nicht nachvollziehbar ist, haben die Opfer einen Bedarf an einem Strafantrag bzw. einer Anklageschrift in Übersetzung, weil damit auch Ansprüche nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) oder in einem Schadenersatzverfahren (wegen des Verweises auf den Zivilrechtsweg!) geltend gemacht werden können. Aber auch in familienrechtliche Verfahren hilft die Vorlage eines Strafantrages oder einer Anklageschrift der Durchsetzung von Ansprüchen. Zur Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen muss es dem Opfer aber auch ermöglicht werden sein, die dafür notwendigen Urkunden lesen und verstehen zu können. 5. Zu 66a StPO: Die konkrete Durchführung der Überprüfung bzw. Feststellung der besonderen Schutzwürdigkeit ist nicht geregelt. Es muss jedenfalls durch den Gesetzgeber gewährleistet werden, dass die Privatsphäre und der Datenschutz für das Opfer gewahrt wird. Es muss daher sichergestellt werden, dass zb die Krankengeschichte, die zur Feststellung der besonderen Schutzwürdigkeit eingeholt wird, nicht Bestandteil des Strafaktes (in den der/die Beschuldigte Akteneinsicht nehmen kann) wird, wenn es für das Strafverfahren selbst keine Relevanz hat (zb psychische Erkrankungen in der Vergangenheit, höchstpersönliche Informationen, Details aus dem Familienleben etc). Tatsächlich ist die Kriminalpolizei, mangels entsprechender Ausbildung nicht in der Lage eine psychische Erkrankung, eine geistige Einschränkung, eine Traumatisierung oder den Grad einer solchen etc. festzustellen. Das bedeutet, dass die Kriminalpolizei für die Prüfung oder Feststellung der besonderen Schutzwürdigkeit Fachpersonen, zb Ärzte, in Anspruch nehmen muss. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Prozessbegleitung wäre hier jedenfalls die Zusammenarbeit mit der psychosozialen Prozessbegleitung sinnvoll. Schlussendlich muss gewährleistet werden, dass dem Opfer die Beurteilung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der besonderen Schutzwürdigkeit auch schriftlich ausgefolgt wird, wenn durch nachfolgende oder zusätzliche Informationen eine Änderung der bes. Schutzwürdigkeit 3

4 von 6 34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) eintreten kann. Eine solche Ergänzung kann aber nur erfolgen, wenn dem Opfer und dann zb der Prozessbegleitung Informationen darüber vorliegen, aufgrund welcher Kriterien zb die besondere Schutzwürdigkeit ursprünglich verneint wurde. In Abs 1 Z 4 leg.cit. werden Opfer, die psychisch krank oder geistig behindert sind als besonders schutzbedürftig definiert. Der Begriff geistig behindert ist veraltet und sollte die Bezeichnung dem modernen Sprachgebrauch angepasst und durch eine korrekte und weniger abschätzige Formulierung ersetzt werden. Abs 4 der Bestimmung verlangt, dass einem Opfer, dem auf Antrag Rechte nach Abs 2 nicht gewährt werden, die Gründe dafür mitzuteilen sind. Hier verlangt also das Gesetz, dass das besonders schutzwürdige Opfer gemäß Abs 1, dem das Gesetz mit Abs 2 ex lege bestimmte Rechte gewährt, dennoch einen Antrag auf Gewährung dieser Rechte stellt, damit es die Möglichkeit hat, allfällige Ablehnungsgründe zu erfahren. Diese Einschränkung des Rechtsschutzes für Opfer, denen gewisse Rechte zu gewähren sind, ist unzulässig und führt zu einer Aushöhlung der Opferrechte. Auch Opfer, die keinen derartigen Antrag gestellt haben, müssen ein Recht darauf haben, dass ihnen die Gründe für die Verweigerung dieser Rechte mitgeteilt werden. 6. Zu 70 StPO: Wie bereits zu 10 StPO dargestellt, wäre es auch hier zweckmäßig und notwendig, hinzuzufügen, dass die Information und Belehrung der Opfer in einer für sie verständlichen Art und Weise, sowie einer Sprache die sie verstehen, wobei besondere persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind vermittelt werden. 7. Zu 196 StPO: Zu begrüßen ist, dass nun eindeutig klargestellt wurde, dass für den Antrag auf Fortführung des Verfahrens von minderjährige Opfern keine pflegschaftsbehördliche Genehmigung notwendig ist. Wünschenswert wäre weiters, dass mündige Minderjährige selbst eine Vollmacht für die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung erteilen können. Da im Rahmen der Prozessbegleitung für mündigen minderjährige Opfer gemäß 65 Z 1 lit a und lit b StPO jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren keine Kosten entstehen können, wäre dies, insbesondere wenn die obsorgeberechtigte Person selbst Beschuldigte ist oder sonst eine Interessenskollision vorliegt, im Interesse der Opfer. 4

34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) 5 von 6 8. Zu 149 Abs 5 StVG: Begrüßenswert wäre, wenn einem Opfer im Zusammenhang mit der Information über die Entlassung eines Strafgefangenen auch die Information übermittelt wird, ob und welche Weisungen dem Entlassenen in Bezug auf den Schutz des Opfers erteilt wurden. So könnte man einem Opfer die Mühe ersparen, nachfolgende einstweilige Verfügung auf Kontaktverbot etc. zu beantragen, wenn bekannt wäre, dass z.b. eine Weisung auf Kontaktverbot erteilt wurde. Ergänzende Anmerkung: Im Interesse des Opferschutzes wäre es unbedingt notwendig, die Rechtsmittelmöglichkeiten von Privatbeteiligten zu verbessern: Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage und oberstgerichtlichen Judikatur ist es Privatbeteiligten im Schöffen- und Geschworenenverfahren nicht möglich, eine Berufung gegen Urteile über den Privatbeteiligtenzuspruch, die einen teilweisen Verweis auf den Zivilrechtsweg enthalten, zu erheben. Eine solche Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen. In der Praxis verweisen erstinstanzliche (schöffen- und geschworenengerichtliche) Urteile die Privatbeteiligten mit ihrem Schadenersatzanspruch immer wieder zumindest teilweise auf den Zivilrechtsweg, obwohl ein Gutachten mit der Bestimmung der Schmerzperioden vorliegt (vgl 67 Abs 1 StPO). Auch wenn die Beurteilung des Schadenersatzes von einer vom Gericht zu lösenden Rechtsfrage abhängt und kein aufwendiges Beweisverfahren durchzuführen ist (zb Verunstaltungsschaden, Verdienstentgang), werden Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Obwohl derartigen Ansprüchen zumeist relativ einfache zivilrechtliche Fragen zugrunde liegen, scheinen sich die Strafgerichte aus Prinzip nicht mit derartigen Zivilrechtsfragen auseinandersetzen zu wollen, obwohl sie dazu verpflichtet wären ( 67 Abs 1 StPO). Diese mangelnde Rechtschutzmöglichkeit widerspricht auch Artikel 16 der Opferschutzrichtlinie. Privatbeteiligte haben grundsätzlich ein sehr hohes Interesse daran, ihre zivilrechtlichen Ansprüche im Rahmen des Strafverfahren durchzusetzen, da ihnen damit ein Zivilverfahren, das mit einer weiteren hohen psychischen Belastung verbunden ist, erspart bleibt. Darüber hinaus ist diese mangelnde Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung im Zuge des Strafverfahrens für den Staat mit weiteren wesentlich höheren Kosten verbunden, da die Privatbeteiligten in den meisten Fällen im Zivilverfahren Verfahrenshilfe für die Kosten des Verfahrens und für die anwaltliche Vertretung (ebenso wie die Beschuldigten oder Verurteilten) benötigen und zumindest ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. 5

6 von 6 34/SN-171/ME XXV. GP - Stellungnahme zu Entwurf (elektr. übermittelte Version) Wären diese Ansprüche im Strafverfahren leichter bzw. besser durchsetzbar, würde das den Privatbeteiligten und der öffentlichen Hand Kosten und Mühe sparen. Im Sinne des Artikel 16 der Opferschutzrichtlinie wäre daher eine Bestimmung in die StPO aufzunehmen, die das derzeit bestehende komplizierte Regelwerk ersetzt und in jedem Falle eine Berufungsmöglichkeit gegen Urteile, mit denen Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verweisen, schafft. Mit freundlichen Grüßen e.h. Barbara Steiner 6