Lebensformenpädagogik

Ähnliche Dokumente
Von der Sexualpädagogik zur Menschenrechtsbildung:

Workshop: LGBTI Rechte - Zwischen Diversity Management und Menschenrechtsschutz Berlin Axel M. Hochrein

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule

Kontaktperson für Sexuelle Vielfalt / Diversity. Was verbirgt sich hinter der neuen Aufgabe?

POWER UP der Aufklärungs- Fortbildungsbereich von PLUS e.v. PLUS. Psychologische Lesben-und Schwulenberatung Rhein-Neckar

Sexuelle Vielfalt - (k)ein Thema an Berliner Schulen!?

Vielfalt sehen! Vielfalt sichtbar machen! Sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten in der Schule. Yan Feuge Kerstin Florkiw

Der Fachbereich LSBTI. Fachbereich für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen

Die psychosoziale Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Trans* Jugendlichen

Sexuelle Minderheiten* und Soziale Arbeit Bericht über eine Befragung in Israel

Ausgrenzung g begegnen

Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie Kurzpräsentation zum Projekt

LGBTI-Politik in Europa und Deutschland

Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie

QUEERE UND INTERSEKTIONALE PERSPEKTIVEN IN DER PÄDAGOGIK DR. INES POHLKAMP, GENDERINSTITUT BREMEN

hier kommt das Kultur*imPULS-Newsletter alle wichtigste News rund um Kultur*imPULS! In dieser Ausgabe gibt es folgende Themen:

Das Menschenrecht auf Bildung im deutschen Schulsystem , Dr. Sandra Reitz

Vorwort Inklusion als Werterahmen für Bildungsgerechtigkeit

Partizipation und Vielfalt als Querschnittsthema in der Ausbildung

Dr. Christa Preissing Inklusion ein Thema für alle! Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen

Netzwerk Antidiskriminierung e.v. Region Reutlingen - Tübingen. Beratung Empowerment Bildung Einmischung

Vielfalt denken - Beratungsstellen auf dem Weg zu Regenbogenkompetenz und konzeptioneller Öffnung

Deutsches Institut für Menschenrechte

Partizipation - Anforderungen an eine diversitätsbewusste Jugendarbeit

Bedarfsanalyse und Evaluation eines Handbuches über sexuelle Diversität und kulturelle Differenzen in Erziehung und Beratung

Die Zusatzqualifikation Schule der Vielfalt (Pädagogisches Institut der LH München)

(K)EIN PROBLEM? SEXUELLE UND GESCHLECHTLICHE VIELFALT IM KONTEXT VON JUNGENARBEIT

Elke Schlösser - Fachvortrag Innsbruck. Interkulturelle Pädagogik Erziehung für eine Kultur der Vielfalt in der Gesellschaft

Entschieden verschieden Diversitätsmanagement in Theorie und Praxis

Diversity - ein Konzept zwischen Verwertungs- und Gerechtigkeitslogik

Geschlechtsidentität. Geschlechtsidentität. Geschlechtsidentität Genderdysphorie, Homo- und Bisexualität bei Jugendlichen

Agenda. Modell: Four Layers of Diversity. Definition der Generalversammlungen des IFSW & IASSW, Juli 2014

Inklusion Beitrag von Bildungseinrichtungen zur gesellschaftlichen Implementierung von kultursensiblen Elementen

Wissensgalerie. Informationen über die Lebenssituation von queeren Jugendlichen

VIELFALT LEBEN, AKZEPTANZ FÖRDERN

Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt - Impulse und Handlungsempfehlungen für die Arbeit mit Jugendlichen

Positionspapier zur inklusiven Bildung und Erziehung im Eigenbetrieb Kindergärten NordOst

Jeder ist anders verschieden. Pädagogik der Diversität

Rechtliche Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sowie Sexualität in Mecklenburg-Vorpommern

Grußwort. Svenja Schulze. Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. anlässlich des

schwul bisexuell agender LGBTIQA cisgender pansexuell Asexualität intersexuell Polysexualität

Workshop Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender

Die UN-Behindertenrechtskonvention

Katalog für In-House-Schulungen in Schulen.

im Bereich Schule im Haushaltsjahr 2012

AUCH SEXUELLE IDENTITÄTEN MACHEN SCHULE

Unterschiede, die einen Unterschied machen Intersektionalität: Überschneidungen und Wechselwirkungen von Benachteiligungen

Interkulturelle Kompetenz

Workshop: Gender-Heterogenität als Herausforderung - Vielfalt erkennen und fördern

Aufklärung zu Homosexualität als kulturübergreifende Bildungsarbeit

hier kommt das Kultur*imPULS-Newsletter alle wichtigste News rund um Kultur*imPULS! In dieser Ausgabe gibt es folgende Themen:

Einführend. Der MIKA-Koffer: Vorurteilsreflektierte Pädagogik in der Grundschule

Konzept Schulprojekt

693/J. vom (XXVI.GP) Anfrage

Wie hat sich die Lebenssituation von Trans*menschen seit Inkrafttreten des Landesaktionsplans gegen Homo- und Transphobie verändert?

Inklusion als (Menschen-)Recht?! Input bei der Netzwerkversammlung des Bundesforums Familie 19. September 2014

Workshop, DEAE, Interkulturelle Qualifizierung begleitet durch Organisationsentwicklung

Vielfalt bereichert Verwaltung! Forum im Rahmen des 3. Berliner Verwaltungskongresses am 2. Mai 2016 im Olympiastadium Berlin

KVJS-Jahrestagung Schulsozialarbeit am in Bad Boll

PRÄDIKAT BESONDERS UNGERECHT

Der neue Lehrplan Fachschule Sozialpädagogik. Vorstellung des neuen Lehrplans NRW in Sachsen-Anhalt Juni 2014

Diversity: ViElfaltals Ressource

Inklusion an Oldenburger Schulen: Grundlagen und Planung

Herzklopfen. Sexualpädagogische Konzeption der evangelischen und Frauen beraten Schwangerenberatungsstellen in Bayern. Inhalt

Gender Mainstreaming in der Kinder- und Jugendarbeit...

Buchbare Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz und Beratung

Vielfalt leben in der Migrationsgesellschaft

Rechtliche Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sowie Sexualität im Land Bremen

Referent: Birol Mertol Dipl. Erziehungswissenschaftler

Heterosexismus, Homophobie und Diskriminierung! von Lesben und Schwulen! Prof. Dr. Melanie C. Steffens! Friedrich-Schiller-Universität Jena

Inklusion und Integration. Ein Beitrag zur Begriffsklärung

Landeshauptstadt Magdeburg - Der Oberbürgermeister - Datum

Diversity Glossar. Februar 2018 Zusammengestellt von Dr. I. Sievers. Ageism. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Anti-Bias. Awareness-Training

Anti-Bias: ein präventiver Ansatz vorurteilsbewusst mit Vielfalt umzugehen

Die Regenbogengruppe der MedUni Wien und des AKH Wien

Inter* und Trans* Kinder sexuelle Identität im Kontext von Kinderrechten

Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Pflege im Alter LSBT*I und Pflege. Dr. Ralf Lottmann Prof. Dr. Claudia Gather Berlin, 25.

Bildungsinitiative QUEERFORMAT

Vielfalt fördern Ausgrenzung begegnen

Einführung in die Sexualpädagogik

Handbuch Kinderwelten

Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Deutsches Institut für Menschenrechte

GEW Positionen zu Tageseinrichtungen für Kinder

Kulturelle Diversität

Radikale Differenzen und Institutionen im Gesundheitsbereich

Dei-Wer-City oder Treptow-Köpenick Dorf?

Wie steht Ihre Partei dazu, dass das Tragen von Verantwortung und nicht ein bestimmter Familienstatus unterstützt wird?

Wider die sexuelle Apartheid 15 Jahre RKL

Synopse: Integration versus Inklusion

3 Vielfalt im Betrieb

Transkript:

Lebensformenpädagogik Ein praktischer Beitrag zum diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung

Education is the most powerful weapon which you can use to change the world Nelson Mandela

Hintergrund: Etappen Bis 1969: schwule Lehrer müssen nach der Rechtsprechung der Disziplinargerichte mit einer Entlassung aus dem Dienst rechnen, wenn ihre sexuelle Orientierung bekannt wird 2001: offen lesbisch oder schwul lebende Lehrkräfte werden als Vorbilder bezeichnet (A V 27: Sexualerziehung) 1990: Biologisch normal ist die Heterosexualität Schulsenator Jürgen Kleemann (CDU), Berlin 2004: es wird davon ausgegangen, dass heterosexuelle und homosexuelle Lebensweisen prinzipiell als gleichwertig zu betrachten sind und die Einladung von Experten/innen in den Unterricht begrüßt Bildungssenator Klaus Böger (SPD), Berlin, in seinem Grußwort zum 25-jährigen Bestehen der Schwulen Lehrergruppe der GEW

Normative Ebene: Sexualerziehung Sprache Geschlechterrollen Gleichgeschlechtliche Lebensweisen Verschiedene Kulturen Behinderung Körper und Sexualität Sexuelle Gewalt Allgemeine Hinweise zu den Rahmenplänen für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule A V 27: Sexualerziehung, 2001

Normative Ebene: Kinder- und Jugendhilfe Beschluss der Bundes-AG der Landesjugendämter: Sexuelle Orientierung ist ein relevantes Thema der Jugendhilfe. Sexuelle Orientierung als Querschnittsthema für die Fortentwicklung der Leistungen für Kinder und Jugendliche Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 2003

Resümee Die fortbestehende Tabuisierung im Bildungsbereich macht - trotz positiver Entwicklungen auf der normativen Ebene LGBT-Jugendliche weiterhin zu Personen in vulnerablen Situationen.

Was muss in der pädagogischen Praxis getan werden? Vorurteile abbauen Diskriminierung umfassend bekämpfen Thema Sexuelle Vielfalt integrieren Klima der Wertschätzung für Vielfalt schaffen Bezugsrahmen erweitern: Menschenrechte als Fundament Diversity als Ansatzpunkt

Diversity-Ansätze in der Pädagogik Diversity Education Social Justice Education Pädagogik der Vielfalt Lebensformenpädagogik Vorurteilsbewusste Pädagogik (Anti-Bias-Ansatz)

Theorie-Praxis-Gap Positive Regelungen auf der normativen Ebene finden den Weg zu selten in die pädagogische Praxis. Die starke Präsenz von Homophobie macht Schule - wie Familie - nach wie vor zum gefährlichen Ort für LGBT-Jugendliche (vgl. ausgewählte Forschungsergebnisse).

Praxisbeispiel: Lebensformenpädagogik als Bildungsansatz von KomBi 1981: KBZ e.v. Empowerment und Bildungsarbeit 1996: Vielfalt bereichert! Diversity-Ansatz

Ziele und Angebote Zielsetzung für die Erwachsenenbildung Erweiterung der pädagogischen Handlungskompetenz Akzeptierender Umgang mit Diversität im pädagogischen Feld Befähigung zur Unterstützung Jugendlicher im Coming-out Angebote Zielsetzung für die Jugendbildung Förderung von Akzeptanz und Respekt Differenz wertschätzen lernen Demokratisches Bewusstsein schärfen Fortbildung und fachliche Beratung pädagogischer Fachkräfte Pädagogische Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen mit Jugendlichen

4 Aspekte der Lebensformenpädagogik Antidiskriminierung Gewaltprävention Emanzipatorische Sexualpädagogik Politische Bildung

Vielfalt bereichert! Diversity-Ansatz Das Mitte der 1990er Jahre ausformulierte Konzept der Lebensformenpädagogik thematisiert nicht nur gleichgeschlechtliche Lebensweisen, sondern weitere Diversity-Kategorien wie Gender, Ethnizität, Religion, Behinderung und Alter.

Konzeptionelle Grundlagen Was ist uns wichtig für das pädagogische Arbeiten? Gender in seiner Komplexität vermitteln Mehrfachzugehörigkeiten veranschaulichen (intersektionale Perspektive) hierarchisierungsfrei mit sozialen Unterschieden umgehen (egalitärer Differenzbegriff) Machtverhältnisse thematisieren und Privilegien hinterfragen Inklusion als Grundhaltung vermitteln

Komplexer Gender-Ansatz: Sexuelle Identität Biologisches Geschlecht Psychisches Geschlecht Soziales Geschlecht Sexuelle Orientierung Heteronormativität als Machtverhältnis, das Ausschlüsse produziert

Menschenrechte als Bezugsrahmen der Lebensformenpädagogik Universalismus: Menschrechte gelten für alle Menschen Diskriminierungsschutz: Alle haben das Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung Demokratieerziehung: Partizipation und Verantwortungsübernahme Empowerment und Power-Sharing

Menschenrechtsbezug... our watchword should be: all people, all countries, all rights.... We must reject persecution of people because of their sexual orientation or gender identity who may be arrested, detained or executed for being lesbian, gay, bisexual or transgender. They may not have popular or political support. But they deserve our support in safeguarding their fundamental human rights. I understand that sexual orientation and gender identity raise sensitive cultural issues. But cultural practice can not justify any violation of human rights. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Rede vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, Genf, 25. Januar 2011

Trias der Menschenrechtsbildung Lernen über Menschenrechte Lernen durch die Menschenrechte Lernen für die Menschenrechte

Lebensformenpädagogik Reflexion Wissensvermittlung Handlungsorientierung

Didaktische Grundlagen Wissensvermittlung Reflexion Handlungsorientierung (Kopf-Herz-Hand) Zielgruppen- und Prozessorientierung Partizipation Perspektivwechsel Lösungs- und Praxisorientierung Teamteaching Modelling...

Einschluss des Themas Sexuelle Vielfalt in der Bildung bedeutet Empowerment für LGBT-SchülerInnen und LGBT- PädagogInnen Stärkung von demokratischem Bewusstsein für alle Flexibler und angstfreier Umgang mit Gender Expression (bei sich und anderen) für alle Kompetenzerweiterung für PädagogInnen Qualitätszuwachs für Bildungsinstitutionen

Vision Ziel der Arbeit ist eine Gesellschaft, die verschiedene Lebensweisen akzeptiert, weil sie gelernt hat, Vielfalt als bereichernd und nicht als bedrohlich zu erleben. Das bedeutet für Schule und Jugendhilfe: Schule / Päd. Einrichtung als diskriminierungsfreier Raum Schule / Päd. Einrichtung (auch) ohne Homophobie Inclusive School / Inklusive Jugendhilfe

Menschenrechtsbezug in der Praxis der Bildungsarbeit: 3 Beispiele Globaler Blick: die rechtliche Situation von LGBT- Personen in Europa und weltweit thematisieren Sprachliche Sensibilität: Diskriminierungsfreie Begriffe in relevanten Sprachen einbeziehen Differenzierung statt Homogenisierung: Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer Vielfalt wahrnehmen und ansprechen

ILGA-Weltkarte (Mai 2009)

Diskriminierungsfreie Begriffe: Russisch гей Schwuler лесбиянка Lesbe

Diskriminierungsfreie Begriffe: Türkisch eşcinsel schwul, Schwuler lezbiyen lesbisch, Lesbe

Diskriminierungsfreie Begriffe: Polnisch gej Schwuler lesbijka Lesbe

Diskriminierungsfreie Begriffe: Arabisch schwul, Schwuler 1. Lesbisch, Lesbe 2. gleichgeschlechtliche Liebe متلي mithli مثلية mithliya

SINUS-Milieustudie "Lebenswelten von Migranten" (2007) Die Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind keine soziokulturell homogene Gruppe. Vielmehr zeigt sich eine vielfältige und differenzierte Milieulandschaft. Insgesamt acht Migranten-Milieus mit jeweils ganz unterschiedlichen Lebensauffassungen und Lebensweisen konnten identifiziert werden. (Zitiert nach BMFSFJ, 16.10.07)

Die Migranten-Milieus unterscheiden sich weniger nach ethnischer Herkunft und sozialer Lage als nach ihren Wertvorstellungen, Lebensstilen und ästhetischen Vorlieben. Dabei finden sich gemeinsame lebensweltliche Muster bei MigrantInnen aus unterschiedlichen Herkunftskulturen. (Zitiert nach BMFSFJ, 16.10.07)

parada zum ròwnosci diskriminierungsfreien (Gleichheitsparade), Zugang zu Warschau Bildung 2006