Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Ulrich Baumann, 17. März 2008 Reg. Nr.: 05071801 Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Kollision Zug Auto vom Montag, 18. Juli 2005 in Kosthofen (Grossaffoltern BE) (SBB Bahnübergang km 19.173) Ulrich Baumann Birchdörfli 5 8050 Zürich Tel. +41 44 311 77 65 Fax +41 31 323 00 76 ulrich.baumann@uus.admin.ch www.uus.admin.ch
Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR 742.161). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Montag, 18. Juli 2005 um ca. 04:12 Uhr, stiess Güterzug 67637 (Olten Biel RB - Löchligut) von Suberg-Grossaffoltern kommend beim bewachten Bahnübergang Kosthofen km 19.173, gesichert mit Kontrolllicht und Schranken, mit einem Personenwagen zusammen. Dabei wurde der Automobilist tödlich verletzt. 0.2 Untersuchung Die Untersuchungsstelle UUS wurde gleichentags um 04:58 Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Untersuchungsleiter Markus Beer rückte unverzüglich an den Unfallort aus. Der Untersuchungsbericht der UUS, verfasst vom nebenamtlichen Untersuchungsleiter Ulrich Baumann, fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Am Montag, 18. Juli 2005 wurde Güterzug 45637 wegen Bauarbeiten in Rothrist ab Olten via Biel RB nach Löchligut (Bern) umgeleitet. Nach der Ausfahrt aus Suberg- Grossaffoltern bemerkte der Lokführer auf dem bewachten und mit Blinklicht gesicherten Bahnübergang in Kosthofen (Gemeinde Grossaffoltern, BE) ein Auto. Trotz eingeleiteter Schnellbremsung war eine Kollision nicht mehr zu vermeiden. Fahrtrichtung des Automobilisten Ereignisstelle Bahnübergang Kosthofen Seite 2 von 10
1.2 Verlauf der Fahrt Güterzug 67637 verkehrte von Olten via Biel RB Richtung Bern. Sämtliche für Zug 67637 relevanten Signale von Suberg-Grossaffoltern zeigten den Fahrbegriff freie Fahrt. Der Zug verkehrte mit einer Geschwindigkeit von ca. 95 km/h. Kurz nach dem Ausfahrtsignal verläuft die Strecke in einer leichten Linkskurve. Am Ende dieser Kurve befindet sich der bewachte Bahnübergang Kosthofen bei km 19.173. Der Lokführer bemerkte ein Auto auf dem Bahnübergang, betätigte sofort die Lokpfeife und leitete eine Schnellbremsung ein. Die Distanz war aber zu kurz, um vor dem Hindernis anzuhalten, es kam zu einem heftigen Zusammenstoss. Die Autoteile wurden zwischen ca. 0,5 und 77,5 m weggeschleudert der Autofahrer starb noch auf der Unfallstelle an den Folgen seiner Verletzungen. Fahrtrichtung des Automobilisten Unfallendposition des Zugschluss 1.3 Personenschäden Der Autofahrer verstarb noch auf der Unfallstelle. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Schaden an Lok ca. Fr. 10'000. -- Schaden an Güterwagen ca. Fr. 10'000. -- Schaden an der Barrierenanlage (Holm und Blinker) ca. Fr. 50'000.-- 1.5 Sachschäden Dritter Das beteiligte Auto erlitt Totalschaden. Schäden an den auf dem Zug verladenen Autos ca. Fr. 20'000. -- Beschädigte Liegenschaft direkt neben dem Bahngleis ca. Fr. 7'000.-- Seite 3 von 10
1.6 Beteiligte Personen Lokpersonal Lokführer MEV (BAV-Ausweis vorhanden) Dritte Fahrer des verunfallten Autos 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Lok: BLS Cargo; Wagen: FS Italien Zugskomposition: Lok Re 485, 60 Achsen Laaes (Autotransportwagen) Triebfahrzeug: Lok Re 485 014-5 Zugsgewicht: 767 t Bremsgewicht: 494 t Zugreihe / A 65 % Bremsverhältnis: Ausgeschaltete keine Bremsapparate: 1.8 Strassenfahrzeuge Folgendes Strassenfahrzeug war am Ereignis beteiligt: Amtliches Kennzeichen: / Ford Mondeo 2.0 1.9 Wetter, Schienenzustand Nacht, wolkenlos Schienen trocken 1.10 Bahnsicherungssysteme Die Strecke Suberg-Grossaffoltern - Schüpfen ist mit einem Integra-Streckenblock ausgerüstet. Der Bahnhof Suberg-Grossaffoltern ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Integra Domino 67 (mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen) ausgerüstet. Die Lok des Typs 485 ist mit der elektronischen Sicherheitssteuerung Teloc 2000, der automatischen Zugsicherung mit Magnetfeldsonde sowie mit der Zugbeeinflussung ZUB 121 (SBB/BLS) ausgerüstet. Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. 1.11 Zug- und Rangierfunk Das Triebfahrzeug ist mit dem Zugfunk 88 (ZFK 88). Die Funkgespräche werden nicht aufgezeichnet. Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant. 1.12 Bahnanlagen Seite 4 von 10
Die Strecke Suberg-Grossaffoltern Schüpfen ist doppelspurig und mit dem Signalsystem Typ N ausgerüstet. Der Bahnübergang in Kosthofen ist mit Schranken und optischen Signalen gesichert. Die Strecke wird von Bern ferngesteuert. Die Anlagen waren in einwandfreiem Zustand. Bahnübergang aus Sicht des Automobilisten 1.13 Fahrdatenschreiber Die Lok Re 485 014-5 ist mit einer elektronischen Geschwindigkeitsmessanlage Hasler Teloc 2000 ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet. Sie wurden ausgelesen und durch die Verkehrsunternehmung und die UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lokführer unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von 95 km/h gefahren ist und somit die vorgeschriebene Geschwindigkeit für diesen Streckenabschnitt eingehalten hat. Der Lokführer hat die Schnellbremsung korrekt eingeleitet. Der Anhalteweg betrug 476 m. 1.14 Befunde an den Bahnfahrzeugen Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter M. Beer ergab keine Beanstandungen. 1.15 Befunde am Strassenfahrzeug Das Auto erlitt bei der Kollision Totalschaden. Eine visuelle Kontrolle führte zu keinem Ergebnis. Die technische Untersuchung der rechten vorderen Lichteinheit durch die Kantonspolizei Bern zeigte, dass das Abblendlicht und das Fernlicht korrekt funktionierten. Seite 5 von 10
1.16 Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Feststellungen der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Lokführer fühlte sich bei Dienstantritt fit Ob durch die Polizei beim Lokführer und Automobilisten ein Atemlufttest durchgeführt worden ist, geht aus den Akten nicht hervor. 1.17 Feuer Der Hinterteil des auseinander gerissenen PWs fing Feuer und brannte aus. 1.18 Überlebensmöglichkeiten Die schweren Verletzungen des PW-Fahrers führten zu dessen sofortigen Tod. 1.19 Besondere Untersuchungen Die Barrierenanlage und die technischen Anlagen (Relais-Raum) in Suberg- Grossaffoltern wurden durch den SW Dienst der SBB untersucht. Es konnten keine Störungen festgestellt werden. Anhand der Position der Steuerung ist ersichtlich, dass die Schranke im Zeitpunkt der Kollision geschlossen war. 1.20 Information über Organisation und Verfahren Bei Zug 67637 handelt es sich um den umgeleiteten Güterzug 45637 Basel Bad. Domodossola. Wegen Bauarbeiten in Rothrist musste der Zug die Strecke ab Olten via Biel RB bis Löchligut befahren. 1.21 Verschiedenes Untersuchung durch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden: Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch das Untersuchungsrichteramt I in Biel untersucht. Arbeitsrechtliche Bedingungen: Seite 6 von 10
Die arbeitsrechtlichen Bedingungen des am Ereignis beteiligten Lokführers wurden eingehalten. Menschliche Faktoren: Der Lokführer ist im Besitze des BAV Führerausweises für Triebfahrzeugführende für BAV Normalspurbahn / D. Im Dezember 2003 hat er die Zusatzprüfung für Güterzüge bei der BLS erfolgreich bestanden. Es wurden ihm gute Fahrzeugkenntnisse und ruhige Fahrweise attestiert. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter M. Beer ergab keine Beanstandungen. Die Auswertung der Fahrdaten (Anlage 1) zeigt, dass sowohl das Ein- wie auch das Ausfahrsignal freie Fahrt zeigten. (Keine Markierung in der ersten und zweiten Linie kurz vor der Kollision). Ein Ausfahrsignal kann nur auf Fahrt gestellt werden (manuell oder im Automat), wenn alle technischen Bedingungen dafür erfüllt sind. Dazu gehören u. a. die richtige Stellung aller Weichen, die Überwachung der geschlossenen Barrieren, freier Streckenabschnitt bis zum nächsten Hauptsignal usw. Daraus kann mit Sicherheit geschlossen werden, dass die Barriere Kosthofen einwandfrei funktionierten und somit vor Zugsdurchfahrt in Suberg - Grossaffoltern geschlossen waren. Die Taste Barrierenumgehung wurde mit Sicherheit auch nicht gedrückt, sonst gäbe es einen automatischen Protokolleintrag in Bern oder Suberg Grossaffoltern. Beides ist nicht der Fall. 2.2 Betriebliches Der Bahnübergang liegt in Fahrtrichtung des Zugs hinter einer Linkskurve und ist für den Lokführer spät einsichtbar; das mit der Barrierenanlage gekoppelte Blinklicht sieht er bedeutend früher. Da die Blinklichtanlage normal blinkte, deutete nichts auf eine Störung oder ein Hindernis hin. 2.3 Strassenseitig Der Bahnübergang liegt in einer Kurve, die geschlossenen Schranken sind vom Automobilisten nicht sofort erkennbar. Die Anlage ist aber mit Blinklichtern ergänzt, die früh sehr gut sichtbar sind. 3. Schlussfolgerungen 3.1 Befunde Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge ergab keine Beanstandungen. Die Bahnsicherungsanlagen funktionierten einwandfrei 3.2 Ursache Der Automobilist blieb mit seinem PW aus ungeklärten Gründen auf dem Bahnübergang stehen. Seite 7 von 10
4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN keine Die Untersuchungen vor Ort wurden von Markus Beer geführt, die weiteren Untersuchungen von Ulrich Baumann. Der Bericht wurde von Ulrich Baumann verfasst. Zürich, 17. März 2008 Untersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U. Baumann Nebenamtlicher Untersuchungsleiter Fotos: Kantonspolizei Bern, Unfalldienst Biel Seite 8 von 10
Anlage 1 Fahrdaten des Zugs 67637, Lok 485014 Kein Signal überfahren, das Warnung oder Halt zeigte. Seite 9 von 10
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