Einfluss von Migration auf Diabeteseinstellung und Betreuungsqualität

Ähnliche Dokumente
Diabetes-Tag 19. November 2005 Diabetes mellitus bei jungen Menschen

* Diabetes Mellitus Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund

Sind dicke Kinder auch kranke Kinder? Gesundheitsrisiken und Folgeerkrankungen des Uebergewichtes im Kindes- und Jugendalter

Empfehlungen aus aktuellen evidenzbasierten Leitlinien recherchiert und zusammengestellt

Soziale Determinanten der Gesundheit

Der Diabetes liegt mir am Herzen

Hilfe mein Kind ist übergewichtig! - Was Eltern betroffener Kinder tun können.

» Ihre Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt» Alle Fachdisziplinen in einem Haus» Medizinische Diagnostik & Therapie wissenschaftlich fundiert

Diabetes mellitus Relevante Qualitätsdaten mit Blick auf Prävention und Therapie

45% derer, die sich selbst nur als übergewichtig einschätzen, sind tatsächlich sogar adipös.*

Auf in eine neue Welt wenn Migration von Angst & Depression begleitet wird. Dr. med. Janis Brakowski Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Bulimie bei Diabetespatientinnen: Psychotherapie hilft

Zusammenhänge zwischen Übergewicht / Gewichtszunahme und Stoffwechselerkrankungen

Fachklinik für Innere Medizin

JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbh

TELEMEDIZIN IN IHRER PRAXIS. Ein Gewinn für Sie und Ihre Patienten. Wir unterstützen Sie dabei.

DEMENZ IST DEMENZ. Trotz gleicher Gegebenheiten eine angepasste Versorgung für MigrantInnen?

Übergewicht und Adipositas im Kanton Zürich

Häufigkeit und Gefährlichkeit von Übergewicht:

Ernährungszustand und Essgewohnheiten

Ernährungszustand und Essgewohnheiten

Dieses Diabetes-Tagebuch gehört: In Notfällen zu alarmieren: Herr/Frau. Adresse. Telefon, Fax. Herr/Frau. Adresse. Telefon, Fax

Anlage 1 zur Vereinbarung über die Durchführung und Vergütung von Gesundheitsbildungsmaßnahmen im Rahmen des Rehabilitationssport in Herzgruppen

Qualitätssicherung in der Diabetologie

Versorgungslage und Bedürfnisse türkischer Migranten mit Diabetes mellitus in der medizinischen Rehabilitation

ADIPOSITAS BEHANDLUNG. Dr. Sylvia Mirus

St. Martinus-Krankenhaus Düsseldorf

SAKAM Seminar

17. Welt Diabetes Tag. Wie häufig ist Diabetes mellitus?

Was ist normal? ao.univ.prof.dr. Michael Krebs

Patient Safety Global Ministerial Summit The Vast Amount of Apps for Diabetics

Diabetes, die stille Gefahr wie erkannt wie gebannt?

Aus der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Direktor: Prof. Dr. med. H.

Diabetes: Millionen Menschen von Blindheit bedroht

Depression als Risikofaktor für Adipositas und Kachexie

Epidemiologische Beobachtungsstelle. Die Ernährung PASSI

Gestationsdiabetes. Diagnostik

Modellbildung und Simulation der Prävalenz von Adipositas

Gesundheit & Armut. Zahlen und Fakten für die Schweiz. Wally Achtermann Wissenschaftliche Grundlagen

Prävalenz und Epidemiologie von gestörtem Essverhalten und von Essstörungen im Kindes- und Jugendalter

Die beste Möglichkeit Spätschäden zu vermeiden, ist, Diabetes so frühzeitig wie nur irgend möglich zu

Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

Ernährung und Krankheiten Gesundheitsmesse der 3D

Adipositasprävention in der Arztpraxis

Diabetes mellitus und Ernährung Mythen und Fakten. Gesundheitsmesse Dr. med. Sven Becker

Vorbereitung auf die Schwangerschaft 13

SKA-RZ Bad Tatzmannsdorf

Impressum. Interdisziplinäres Adipositaszentrum. Herausgeber: Klinikum Ibbenbüren GmbH Große Str. 41, Ibbenbüren. Große Str Ibbenbüren

Telemedizinisches Betreuungsprogramm für Menschen mit Diabetes mellitus

Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen

IST DIE HEUTIGE LESESCHWÄCHE UNSERER KINDER DAS GESUNDHEITSPROBLEM VON MORGEN?

Bielefelder Studien zur Gesundheit von Studierenden. Methoden, Ergebnisse und offene Fragen

Checken Sie Ihre Werte. lyondellbasell.com

Diafit Rehabilitationsprogramm

Gewichtsregulation und Ursachen der Adipositas im Kindes- und Jugendalter

Gelsenkirchen, den 14.November 2013 BAGSO - Fachtagung Reinhard Streibel AWO Bezirk Westliches Westfalen, Dortmund

Raucherzahlen seit 10 Jahren gleichbleibend, verändertes Konsumverhalten beim Alkohol

Gewicht und Ernährungsweise

Mit Typ-1-Diabetes gut leben Deutsche Diabetes Gesellschaft legt neue Leitlinie vor

Unterschiede in der Therapie im Lebensverlauf: Diabetes mellitus

1. Lebenslaufperspektive von Migration und Gesundheit: Überwiegend ähnliche Krankheiten, aber unterschiedliche Verteilung (Alter, Häufigkeit)

HERZINSUFFIZIENZ. Präsentation der Ergebnisse der österreichweiten Befragung im Rahmen des Österreichischen Patientenberichts

Kardiovaskuläre Vorerkrankung Wie schütze ich meine Typ 2 Diabetiker

Wie steht es um die Gesundheit der Migrationsbevölkerung?

Medizinische Hilfe und soziale Beratung für Flüchtlinge ohne Krankenversicherung

GESUNDHEIT LEICHT GEMACHT

Psychosoziale Beeinträchtigungen

Evviva! Gesund und aktiv trotz chronischer Erkrankung

können sowohl die Zahl unserer Lebensjahre als auch deren Qualität maßgeblich beeinflussen. Wir können uns selbst dabei helfen, Krankheiten und

Herzensbildung. Gesundheitsförderung zur Stärkung von Gesundheitskompetenzen für kardiologische Patientinnen und Patienten

Transfer der MOSEB-Indikatoren in NCD-Monitoring-System

Was sagen die Guidelines - aus der Sicht der ERB? IDW 2015, Murten

Psychische Belastungen/ Störungsbilder bei migrantinnen

Neue Horizonte eröffnen. Das Zentrum für Adipositas-Chirurgie und Bariatrische Medizin an den Westküstenkliniken

So dick war Deutschland noch nie. Das Körpergewicht ist viel zu oft viel zu hoch. Prof. Dr. Helmut Heseker

Stand eines internationalen Projektes

Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten 2014

Schicksal Diabetes kann ich es verhindern? I.Suschko-Kück Hausärztlich tätige Internistin Schiffdorfer Chaussee 98 Bremerhaven-Geestemünde

Tabelle - Gesamtüberblick über das neue österreichische Vorsorge-Früherkennungsprogramm 16. Dezember 2004

Diabetes mit Magenoperation oder Lifestyle-Änderung stoppen

Gelius Heidelberg 12/2014

Prävention. Was kann ich selber tun und was tut mein Hausarzt/meine Hausärztin für mich?

PROGRAMM. 7. Österreichischer Pankreastag. Samstag, , Uhr Campus Altes AKH, Hörsaal C1, Hof 2

Schulungsverein Ohrekreis e.v. ZUCKERSÜSS - FOLGENSCHWER Diabetes mellitus und seine Folgeschäden. Haldensleben, den (Welt-Diabetestag)

Inhaltsverzeichnis. Entstehung von Übergewicht und Adipositas: Ursachen, Hintergründe und Folgen

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 1

Presse- gespräch. Allianz Arbeitsmarktbarometer: Berufszufriedenheit von Migrantinnen und Migranten in Österreich

Migration & Integration

Diabetes mellitus Typ 2 AOK-Curaplan Gute Betreuung von Anfang an

Chronisch kranke Kinder und Jugendliche Bedürfnisse und Krankheitsbewältigung

The cost of overweight and obesity in Switzerland in 2012

-GESTATIONSDIABETES - GESTATIONSDIABETES. Ernährung in der Schwangerschaft. Diabetes-Schwerpunktpraxis Dr. med. M. Gloge

bist du einer von 300?

Wie hoch ist die Zahl der Erwachsenen mit Diabetes in Deutschland?

Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich

DIAFIT REHABILITATIONSPROGRAMM BEI DIABETES MELLITUS

Transkript:

Einfluss von Migration auf Diabeteseinstellung und Betreuungsqualität Bernhard Ludvik Univ.Klinik f. Innere Medizin III Klinische Abteilung f. Endokrinologie u. Stoffwechsel

Migration nach Österreich 1.5 Mio Menschen mit Migrationshintergrund Sonstige 17% Türkei 17% Ehem. Jugoslawien 33% EU 33% http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_migrationshintergrund/033240.html

Migration und Gesundheitszustand Healthy migrant Flüchtling Akkulturation Chronische Erkrankungen Adipositas, Hypertension und KHK, Diabetes,

HINTERGRUND MigrantInnen sind häufiger chronisch krank Frauen haben ein 3,4 fach höheres Diabetes Risiko Source: STATISTIK Austria

Projekt 1 Befragung von türkischen MigrantInnen in der Muttersprache in allgemeinmed. Ordinationen mit dem Ziel der Erhebung der Prävalenz von Übergewicht, Diabetes und Diabetes- Risiko Gesundheitskompetenz: Wissen über Risikofaktoren

Prävalenz: Übergewicht und Adipositas Türkische MigrantInnen in allgemeinmedizinischen Praxen: 60 n = 442 60 % Patienten 40 20 40 20 0 <18.5 18.5-25 25-29.9 >30 0 TR Mig (m) TR Mig (w) BMI (kg/m²) <18.5 18.5 bis 25 25 bis 30 über 30

Risiko innerhalb von 5 Jahren an DM Typ 2 zu erkranken 40 n=383 30 % Patienten 20 10 0 niedrig noch niedrig 11% DiabetikerInnen erhöht hoch sehr hoch

Risiko innerhalb von 5 Jahren an DM zu erkranken 70 60 50 % Patienten 40 30 20 10 0 ALTER unter 30 30-50 unter 50 niedrig noch niedrig erhöht hoch sehr hoch

80 60 40 20 0 Wissen über Risikofaktoren Genetik Alter Gewicht Bewegung Ernährung Stress n=442 % Patienten

Zusammenfassung - 1 MigrantInnen in der Allgemeinmedizinischen Praxis Jede/r 2. ist adipös Jede/r 10. ist an DM Typ 2 erkrankt Jede/r 3. hat ein hohes Risiko, innerhalb von 5 Jahren an Diabetes zu erkranken

Limitierungen der Studie im Vergleich zu üblichen Gesundheitsbefragungen nicht repräsentative Population, da die PatientInnen eine Ordination aufsuchten ABER, Einschluss von MigrantInnen, die Nicht Lesen/Schreiben können Nicht Deutsch sprechen

Projekt 2 Migration, Diabetes und Ernährung Ernährungs- und Gesundheitsverhalten von MigrantInnen aus Ex-Jugoslawien mit Diabetes im Vergleich zu in Österreich geborenen DiabetikerInnen und PatientInnen in Bosnien

Patientencharakteristika PatientInnen mit Typ 2 Diabetes mellitus Mig vs. i.heimatland Mean ± SEM *p<0,05 Migranten (Ex-Jugosl.) N=50 Im Heimatland (Bosnien) N=50 Weiblich/männlich 17/33 27/23 Sig. Jahre in Österreich 27 ± 1,4 Alter [a] 56 ± 1,2 * 64 ± 1,4 p<0,001 Erkrankung bekannt seit [a] 6,3 ± 0,9 10,7 ± 1,3 1 p=0,06 BMI [kg/m²] 30,5 ± 0,7* 26,9 ± 0,7 p<0.05 HbA1c [%] 8,3 ± 1,2 7.9 ± 1,8 n.s. 1 unbekannt n=32

Diabetes-Schulung 100 p=0.001 Migranten Heimatland Mean Mig Heimat % Patienten 80 60 40 BMI [kg/m²] HbA1c [%] 30,5 26 8,3 7.9 20 erfolgreiche Schulung? 0 ambulant stationär keine

Gesundheitsverhalten: Rauchen Heimat Heimat

Gesundheitsverhalten: Bewegung Heimat

Anpassung des Essverhaltens: Konsum von Fleisch (Ex-Jugosl.) Heimat

Fast-Food : Anpassung des Essverhaltens Heimat Heimat Heimat Heimat Heimat Heimat

Zusammenfassung - 2 MigrantInnen mit Diabetes haben im Vergleich zu DiabetikerInnen im Herkunftsland einen besseren Zugang zu Schulung, sind aber deswegen nicht zwingend besser geschult. MigrantInnen haben Schwierigkeiten, traditionelle, oft gesündere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten beizubehalten. Migration ist mit einer deutlichen Veränderung des Ernährungs- und Gesundheitsverhaltens assoziiert.

Projekt 3 Migration und Diabetes (in Kooperation mit dem Center for Migration and Health, Geneva) Gesundheitszustand und Wissen von MigrantInnen mit Diabetes im Vergleich zu in Österreich geborenen DiabetikerInnen und Patienten im Heimatland Schwierigkeiten der erfolgreichen Diabetesprävention bzw. -behandlung

Patientencharakteristika Mig vs. i.heimatland Mean ± SEM *p<0,05 Migranten (Türkei, Ex-Jugosl.) N=106 Im Heimatland (Türkei, Ex- Jugosl.) N=104 Österreicher N=100 Weiblich/männlich 63/43 49/55 50/50 Jahre in Österreich 26.3 ± 1.0 Alter [a] 51.6 ± 0.8* 55.3 ± 0.8 52.3 ± 0.7 Alter bei Diagnose [a] 42.5 ± 1,0 47.4 ± 0.8 45,4 ± 0,9 BMI [kg/m²] 32.1 ± 0.6* 28.8 ± 0.6 32.9 ± 0.6 HbA1c [%] 8.4 ± 0.3 8.0 ± 0.3 8.3 ± 0.2

Komplikationen Kidneys * ## Natives Austrians Migrants Cerebrovasc. p<0.05 Mig vs. A # p<0.01mig vs. N ### p<0.001 Mig vs. N Patients [%] Cardiovasc. Nerv. System Ophthalmology * Teeth ### No problem 0 25 50

Unter welchen Umständen wurde der Diabetes diagnostiziert? 100 80 Österr. vs. Mig p=0.012 Österreicher Migranten im Heimatland % Patienten 60 40 20 0 Fühlt sich nicht gut andere Erkrankung regelmäßige Kontrolle

Selbsteinschätzung Ist Ihr Diabetes gut eingestellt? Sind Sie übergewichtig? 100 Österreicher Migranten im Heimatland % Patienten 75 50 25 Korrekte Klassifikation Österreicher 92% Migranten 81% im Heimatland 66% 0 JA HbA1c <7%

Wissen über die Ursachen von Diabetes % Patienten 100 80 p=0.0001 p=0.0001 p=0.0001 p=0.0001 p=0.0001 p=0,02 n.s. 60 40 20 0 Genetik Alter Übergewicht Ernährung Bewegung Stress Schicksal Österreicher Migranten im Heimatland

Wissen über die Ursachen von Diabetes in Abhängigkeit vom Herkunftsland (Türkei und Ex-Jugoslawien) 100 T-A S-A p=0.006 p=0.001 p=0.04 p=0.001 80 60 40 20 0 Genetik Alter Übergewicht Ernährung Stress

Therapie-Empfehlungen bei Diagnose Sprache? 100 ÖsterreicherInnen MigrantInnen % Patienten 80 60 40 ns p=0.04 p=0.0001 p=0.0001 20 0 Nichts Medikamente Insulin Diät Bewegung

Wissenstransfer in das tägliche Leben? Körpergewicht und Bewegung % Patienten 80 ÖsterreicherInnen MigrantInnen 60 40 ÖsterreicherInnen BMI 33kg/m² 20 MigrantInnen: BMI 32 kg/m² 0 nie 1x/Woche 2x/Woche >=3x/Woche Wissenstransfer bei ÖsterreicherInnen UND MigrantInnen unzureichend

Herausforderungen aus Sicht der Behandlerinnen (FOKUSGRUPPEN) Sprachbarriere Einfachere Behandlungsschemen unklare rechtliche Aspekte der PatientInnenaufklärung Mehr Komplikationen Unzureichendes Verständnis des kulturellen Hintergrunds und der Ernährung der PatientInnen

Zusammenfassung - 3 Migration ist assoziiert mit einer selteneren Diagnose im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen häufigerem Auftreten von Komplikationen einem geringeren Wissen über Diabetes mangelnder Sprachkompetenz wird von Behandlerinnen als größtes Hindernis für eine optimale Betreuung wahrgenommen unzureichendem Wissenstransfer in ALLEN PatientInnengruppen

Zusammenfassung Erfolgreiche Behandlung von DiabetikerInnen Gesundheitskompetenz zusätzliche minimale Anforderung an MigrantInnen Sprachkompetenz Kulturkompetenz zusätzliche minimale Anforderung an BehandlerInnen Kulturkompetenz neue Wege im Wissenstransfer

K. Schindler H. Brath M. Carballo G. Vlajic B. Stanetic H. Yaman Gefördert durch: Medizinisch-Wissenschaftlicher Fonds des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien Nr.09027