Rede des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil in der Sitzung des BR am

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Transkript:

Rede des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil in der Sitzung des BR am 12.04.2019 Aufbau der Batteriezellproduktion zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Klimaschutzes in Deutschland (Es gilt das gesprochene Wort!) Es führt leider kein Weg um die Feststellung herum: Beim Klimaschutz hinkt Deutschland den selbst gesetzten und international zugesagten Zielen weit hinterher. Gleichzeitig ist unbestreitbar, dass die Erderwärmung weiter zunimmt und wir spüren das auch zunehmend in unserem eigenen Land, wenn wir uns einmal an den letzten Sommer erinnern. Ebenso wenig lässt sich bestreiten: Der Verkehrssektor hat unter dem Strich seit 1990 den CO2-Ausstoß nicht reduziert. Natürlich sind die Motoren seitdem wesentlich effizienter geworden, aber die Zahl der Fahrzeuge hat sich deutlich erhöht und die einzelnen Fahrzeuge sind wesentlich leistungsstärker geworden. Wir werden aber die Ziele beim Klimaschutz nicht erreichen können, ohne dass auch der Verkehr seinen Beitrag leistet. Dabei geht es im Kern vor allem auch um die Zukunft der Automobilindustrie der deutschen Leitindustrie schlechthin. Etwa 850.000 Menschen sind bei den Herstellern oder Zulieferern beschäftigt. Es handelt sich zumeist um gute, qualifizierte und übrigens auch tarifgebundene Arbeitsplätze. Wenn wir einmal die indirekten Wirkungen hinzurechnen, dann dürften es mehr 1

als anderthalb Millionen Menschen in unserem Land sein, deren Existenz von der Automobilproduktion abhängt. Wir haben es an dieser Stelle also mit dem klassischen Konflikt zwischen Umwelt und Arbeit zu tun. Die Europäische Union hat unter Mitwirkung der Bundesregierung bei den CO2-Flottenzielen bis zum Jahr 2030 eine Reduktion um 37,5 % vorgegeben das ist Fakt. Ob alle Beteiligten wussten, welche Konsequenzen sie damit auslösen, wage ich zu bezweifeln. Diese Vorgabe wird nach Schätzungen der IG Metall zu einem Verlust von 150.000 Arbeitsplätzen in Deutschland führen. Elektroautos benötigen nun einmal etwa 1/3 weniger Beschäftigung als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. In Niedersachsen machen wir gerade die Probe aufs Exempel. An zwei Produktionsstandorten, die künftig elektrifiziert werden, werden in den nächsten 10 Jahren ca. 7.000 Arbeitsplätze entfallen. Es ist müßig, die geschilderte Vorgabe nachträglich in Frage zu stellen. Umso wichtiger ist es, jetzt endlich einen Umsetzungsplan zu entwickeln, der klugerweise schon vor der Beschlussfassung hätte aufgestellt werden sollen. Und vor allem: Unter den gegebenen Bedingungen müssen wir alle Chancen nutzen, für wegfallende Arbeitsplätze neue Arbeitsplätze bereitzustellen. Damit bin ich bei der Batteriezellfertigung. Die Batterie ist künftig die wichtigste Komponente des Fahrzeugs, sie ist in einem Elektroauto die Komponente mit dem deutlich höchsten Wertschöpfungsbeitrag. Die Batterie ist das Herzstück der Elektrofahrzeuge. 2

Bislang haben wir in Deutschland vor allem auf vollständige Wertschöpfungsketten im Bereich der Automobilproduktion setzen können. Das ist ein entscheidender Vorzug unserer Kfz-Industrie. Wenn wir diese Wertschöpfungsketten erhalten wollen, ist die Batteriezellfertigung am Standort Deutschland ganz und gar unverzichtbar. Der große Bedarf für eine solche Produktion steht fest. Fest steht auch, dass damit in unserem Land viele tausend Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Es steht aber nicht fest, wo die Produktionsstandorte künftig sein werden, in Asien, den USA oder vor allem in Osteuropa. Unsere osteuropäischen Nachbarn locken Investoren mit niedrigen Löhnen, niedrigen Energiekosten und obendrein hohen Subventionen. Das ist die Situation, der wir realistischerweise ins Auge blicken müssen. Wir brauchen auch in Deutschland für die Batteriezellfertigung attraktive Standortbedingungen. Es ist ganz sicher richtig, dass die deutsche Automobilindustrie die Bedeutung von Batterieforschung und Batterieproduktion zu spät erkannt hat. In dieser Hinsicht gibt es jetzt große Anstrengungen. Ohne gute Standortbedingungen wird es dennoch die Produktion in Deutschland kaum geben. Genau darum geht es uns in dem Antrag des Landes Niedersachsen zur Batteriezellproduktion. Wir brauchen ein klares Bekenntnis für die Herstellung von Batteriezellen in Deutschland. Die Bundespolitik muss sich diese Aufgabe zu eigen machen. 3

Dabei geht es um die Energiekosten für eine Batteriezellproduktion. Eine Absenkung von Stromnebenkosten, wie Netzentgelte und Stromsteuer, ist ebenso notwendig wie eine vollständige oder teilweise Befreiung von der EEG-Umlage. Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, muss die Batteriezellproduktion in enger Abstimmung mit der weiteren Energiewende vorangetrieben werden. Vor allem brauchen wir derartige Produktionsstätten in räumlicher Nähe zu den Produktionsstätten der erneuerbaren Energien. Das ermöglicht dann eine ökonomisch und ökologisch effiziente Energienutzung. Wir benötigen Fördermittel zur industriellen Fertigung für mobile oder stationäre Energiespeicher. Wir müssen die stationäre Zweitnutzung von Batterien vorantreiben und Vorhaben für ein Batterierecycling beschleunigen. Wir müssen insgesamt das Tempo der Umstellung von den Verbrennungsmotoren auf die Elektromotoren beschleunigen. Auch wegen des Damoklesschwertes hoher Bußgeldzahlungen beim Verfehlen hoher CO2-Einsparvorgaben gibt es für die Automobilindustrie nur noch den Weg einer beschleunigten Anpassung. Politik kann zwar Unternehmen Vorgaben machen, sie kann aber nicht Kunden zwingen, entsprechende Produkte dann auch zu kaufen. Dafür ist ein umfassendes System von Anreizen notwendig. Es geht um die Verbindung von Arbeit und Umwelt. Klimaschutz braucht mehr als Ziele und Klimaschutz braucht Akzeptanz. Wir müssen alle 4

Chancen energisch dafür nutzen, dass auch künftig viele hunderttausend Menschen in unserem Land gute und sichere Arbeitsplätze in der Automobilindustrie finden können. Dafür brauchen sie die Unterstützung der Politik. 5