Weg mit dem ipho ne! Per ma nent on line und er reich bar: Weil E-Mail und So ci al Me dia süch tig ma chen, kommt aus ge rech net aus dem Si li con Val ley die Ge gen be we gung der di gi ta le Ent zug Wer Je ro en van Rooi jen ei ne E-Mail schickt, er hält au to ma tisch fol gen de Ant wort: «Gu ten Tag. Dan ke für Ih re Nach richt. Ich ver su che ge ra de, mei ne di gi ta le Ab hän gig keit et was zu ver rin gern und be ant wor te mei ne E-Mails da her nur noch ein mal täg lich, und zwar vor 10 Uhr mor gens.» Oops. Was ist mit Hel ve ti ens Stil papst los? Neue Eti ket te? Ja, aber nicht nur: «Ich will mich von mei ner On line sucht be frei en», sagt er. Di gi ta le Ent schla ckung ist der zeit en vogue, und dass ein Sti l ex per te auf der Wel le rei tet, ver wun dert nicht. Aber van Rooi jen geht es um mehr: «Durch E-Mail und so zia le Netz wer ke ver lor ich zu neh mend Zeit und Kon zen tra ti on. Da be schloss ich vor ei nem Jahr, mich von den mo der nen Geis seln Han dy und Web zu lö sen.» Der Jour na list ist kein Ein zel fall. Im mer häu fi ger lei den Men schen in ei ner Welt, in der die Gren zen zwi schen Ar beit und Frei zeit zu neh mend ver schwim men un ter den neu en Tech no lo gi en, und kämp fen dar um, sich vom Han dy zu eman zi pie ren. Doch Hil fe naht just von dort, wo sein Sie ges zug den An fang nahm, aus dem Si li con Val ley. Ge wiss, es gab im mer schon Leu te, die mit Klos ter auf ent hal ten oder Off line zei ten den Weg zum Glück such ten. Das lief http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_15_11_2015/gesellschaft/weg mit dem iphone 48772 1/5
eher un ter Tech nik ver wei ge rung oder Nost al gie. Die neue Ge gen be we gung, die sich bei der Te chie-avant gar de in den letz ten Jah ren ent wi ckel te, heisst Di gi tal De tox, di gi ta le Ent gif tung. Aus sen ste hen de mö gen sich ver wun dert die Au gen rei ben. Zu erst woll ten wir al le die neue Su per dro ge Smart pho ne kos ten, und kaum ha ben wir sie, wol len wir uns wie der da von be frei en? Wie lässt sich das er klä ren? Das Smart pho ne er gänzt den Men schen so per fekt, als sei es im mer schon für ihn be stimmt ge we sen. «Es ist ei ne Ver län ge rung des Ich», wie Renan to Poe s po dihard jo sagt, Lei ter der Ab tei lung für Ver hal tens süch te an den Uni ver si tä ren Psych ia tri schen Kli ni ken in Ba sel. Und da mit ist es wie ge schaf fen, mensch li che Schwä chen zu kom pen sie ren. SMS und so zia le Me di en ka schie ren Scheu, di gi ta le Kar ten zei gen uns den Weg, Wi ki pe dia und Goog le hel fen ge gen trä ges Den ken, wäh rend Ga mes, Youtube und die Juke box un ser Be dürf nis nach Un ter hal tung stil len. Wie Poe s po dihard jo sagt: «Das Smart pho ne schiebt ei nen Ne bel über die Lan ge wei le.» Boh ren de Ge dan ken blei ben weg. Die Sym bio se mit dem Han dy fühlt sich gross ar tig an. Wir ver pas sen Freun de, gu te Ge sprä che und die Lie be Je län ger wir je doch die Traum be zie hung le ben, schwant uns in den ra ren Be wusst seins mo men ten, dass nicht al les so ro sig ist. Und dar an ist nicht bloss das Smart pho ne schuld. Wir müs sen uns selbst an der Na se neh men. For scher för dern im mer ein deu ti ger ge sund heit li che Ri si ken wie Ver fet tung, Kon zen tra ti ons schwä che, Schlaf lo sig keit oder De pres si on zu ta ge. Auch die Ab hän gig kei ten neh men zu. Welt weit sind laut ei ner Stu die von Flur ry, ei nem auf die Aus wer tung von Apps spe zia li sier ten Un ter neh men, 280 Mil lio nen Men schen han dy süch tig, 60 Pro zent mehr als im Jahr zu vor. Als süch tig wird da bei ta xiert, wer mehr als 60-mal pro Tag zum Han dy greift. An ders will Psy cho lo ge Poe s po dihard jo die Sucht fas sen: «Wenn ich Kon se quen zen er le be, die ich ei gent lich nicht ha ben möch te, et wa kei nen Schul ab schluss ma chen kann, sind das kla re http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_15_11_2015/gesellschaft/weg mit dem iphone 48772 2/5
An zei chen für ei ne Sucht.» Da bleibt we nig Zeit für das Hier und Jetzt. Wir ver pas sen Freun de, gu te Ge sprä che, die Lie be, weil wir mit dem Ge rät chen in der Hand im mer auch an ders wo sind, wor auf Sher ry Turk le, Wis sen schafts so zio lo gin am Mas sa chu setts In sti tu te of Tech no lo gy, be reits vor Jah ren hin wies. Die Li ai son zum Smart pho ne ist al so nicht per fekt, son dern un ge sund. Per ma nen te Er reich bar keit und In for ma ti ons über fluss ma chen uns kir re. Mul ti tas king be herrscht nie mand, wie neu es te Hirn for schun gen zei gen. Ver zet te lung macht viel mehr un glück lich und ag gres siv. Gut füh len wir uns hin ge gen, wenn wir tief in et was ein tau chen und uns auf ei ne Sa che kon zen trie ren, wie das bei Kin dern noch zu be ob ach ten ist. Im Grun de ken nen wir das ja al le und wis sen, dass ein Wald spa zier gang oder ein gu ter Film oh ne par al le le Twit te rei er hol sa mer wä re. Und vie le seh nen sich auch nach der van rooi jen schen Un er reich bar keit, aber kaum je mand schafft es. Weil es weh tut. Weil die Angst, et was zu ver pas sen, und die Ver lo ckung, rasch E-Mails zu che cken, eben doch zu gross sind. Weil un se re Le ben schon zu sehr di gi tal durch wo ben sind und es oh ne hin nur noch eng ma schi ger wird. Ein vier tä gi ger De tox-kurs kos tet 600 US-Dol lar Doch nicht zu früh das Han dy ins Korn ge wor fen! Di gi tal De tox ist ein ein träg li cher Markt. Lu xus-ho tels bie ten spe zi el le Di gi tal-de tox-fe ri en an. Ring ly ver kauft smar te Rin ge und App le Uh ren, die es er mög li chen, das Ge spenst in der Ta sche zu las sen. Un ter dem Mot to «dis con nect to re con nect» wer den Work shops an ge bo ten, Kur se, Re tre ats oder Camps, in die auch Goog le sei ne Leu te schickt. Ziel ist, «die gan ze Ge ne ra ti on zu ei nem be wuss te ren und aus ge wo ge ne ren Le ben zu be fä hi gen, on- und off line», heisst es auf der Web site. Zu sam men sitzt man am La ger feu er, stickt, wan dert oder me di tiert. Das Cellp ho ne wird bei An kunft weg ge sperrt. Ei ne vier tä gi ge Kur kos tet 600 Dol lar. Nach ah mer-camps gibt es in Deutsch land und auch in der Schweiz. Hier führ te das Ber li ner Start-up Off ti me En de Ok to ber das ers te Wo - http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_15_11_2015/gesellschaft/weg mit dem iphone 48772 3/5
chen end-re tre at mit 20 Teil neh mern durch, für «Füh rungs kräf te und Men schen mit Per so nal ver ant wor tung». Kos ten punkt: 538 Fran ken. Tat säch lich ist bei hie si gen Fir men mit Di gi tal De tox noch ei ni ges zu ho len. Ei ne klei ne Um fra ge bei ABB, Cis co, Swiss com, UBS, IBM, Goog le und Er gon er gab, dass al le um ei ne gu te Work-Life-Ba lan ce ih rer Mit ar bei ter be müht sind, aber ein zig Goog le sei ne An ge stell ten in De tox-kur se schickt. Höchs te Zeit al so, die ers te Di gi tal De tox-kon fe renz ein zu be ru fen, sag ten sich Si mon Künz ler und An drea Ilt gen von der Zür cher So ci al Me dia Agen tur Xe it, bei de nach ei ge nen Schil de run gen hoch gra dig ent schla ckungs be dürf tig. Das Ti cket für den Tag kos tet knapp 200 Fran ken. Die Off ti me-app kennt drei Stu fen der Er reich bar keit Doch auch wenn die Di gi tal-de tox-be we gung pe ne trant ame ri ka nisch da her kommt, kön nen wir uns ei ni ge Ro si nen her aus pi cken. Weil sie Tech nik eben nicht ein fach ab lehnt, son dern nach We gen sucht, wie wir in ei ner di gi ta li sier ten Ge sell schaft ein ge sun des Le ben füh ren kön nen. Ein häu fi ger Tipp et wa lau tet, nach 22 Uhr das Han dy aus zu schal ten. Das ist gut. Braucht aber be reits et was Wil lens kraft. Ein fa cher gehts mit ei ner App. Auch Pro gram mie rer wol len schliess lich vom Ent schla ckungs ku chen ei ne Schei be ab be kom men. So hat Off ti me zu sam men mit Swiss com die Off ti me-app ent wi ckelt. Für drei Fran ken kann der An dro id-nut zer ver schie de ne Er reich bar keits stu fen ein stel len. Kommt ein An ruf oder SMS rein, ant wor tet die App mit ei ner Nach richt. Wä re es nicht an der Zeit, uns selbst zu re gu lie ren, an statt dies, welch Pa ra dox, wie der an ei ne App aus zu la gern? «Das ist ein gän gi ger Irr tum», meint Ste fa nie Laufs von Off ti me. Viel ein fa cher sei es, die App nicht zu nut zen «und die Din ge schön zu re den». Tech nik kön ne uns un ter stüt zen, un se re Zie le zu er rei chen, in dem wir uns in schwa chen Mo men ten von ihr hel fen lies sen. Es gibt so gar Hyp no se-apps wie das fünf frän ki ge Schwei zer Pro dukt Hyp no beep, das zur Vor beu gung und bei leich ten Fäl len von Han dy - http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_15_11_2015/gesellschaft/weg mit dem iphone 48772 4/5
sucht hel fen soll. Je ro en an Rooi jen hat sel ber We ge ge fun den, sei ne On line-ab hän gig keit zu ver rin gern. Das zeugt von Wil lens stär ke, aber auch von Pri vi le gi en. Ana log un ter wegs sein wird näm lich zu ei nem Lu xus. Oder wie er in ei nem In ter view sag te: «Lu xus ist, wenn man es sich leis ten kann, nicht er reich bar zu sein.» Das sei ihm ge gönnt. Wir kau fen uns vor erst viel leicht ein fach mal ei nen We cker. Di gi tal De tox-kon fe renz am 19. 11. in Zü rich, digitaldetox. ch Si mo ne Lu chet ta (Text) und Co ri na Vö ge le (Il lus tra ti on) http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_15_11_2015/gesellschaft/weg mit dem iphone 48772 5/5