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Transkript:

Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand REDEMANUSKRIPT (es gilt das gesprochene Wort) Reiner Hoffmann Rede des DGB-Vorsitzenden zum 22. Gewerkschaftstag der IG BAU Arbeit. Leben. Gerechtigkeit. 09. Oktober 2017, Berlin Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin gerne zu Euch gekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich eine jahrzehntelange Bindung zur IG Bau-Steine-Erden, zur heutigen IG BAU habe. Mein Vater war Bauarbeiter und gut 40 Jahre Mitglied der IG BAU. Von ihm habe ich eine Menge mitbekommen, wie es auf dem Bau zugeht. Und ich erinnere mich, ich war ein kleiner Stöpsel, da kam wöchentlich, am späten Abend der Kassierer. Und ich habe immer die Beitragsmarken ins Mitgliedsbuch geklebt. Das ist schon ein paar Tage her. Liebe Andrea, toll, dass Du da bist. Und schade, dass Du nicht mehr unsere Arbeitsministerin bist. Ich finde, Du hast einen klasse Job gemacht. Nur zwei Erfolge möchte ich hervorheben: - Mindestlohngesetz: Als eines der letzten Länder in Europa hat nun auch Deutschland seit 2015 den Mindestlohn. Er hat sich bewährt und hat allen Unkenrufen zum Trotz keine Jobs gekostet. - SoKaSiG (für die anwesenden Journalisten: Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz). Nur durch diesen Kraftakt ist es gelungen, das Fortbestehen der Sozialkassenverfahren zu sichern; nicht nur im Baugewerbe, sondern auch in der Brot- und Backwarenindustrie, dem Gerüstbau- und Dachdeckerhandwerk und in vielen anderen Branchen. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in den letzten vier Jahren und viel Erfolg als Fraktionsführerin. Und damit bin ich auch schon bei der Bundestagswahl.

Seite 2 von 7 des Redemanuskripts Die Große Koalition ist abgewählt worden, mit einem Verlust von 8,5% für die CDU/CSU und 5,2% für die SPD. Natürlich gehört es zur Normalität in demokratischen Gesellschaften, dass Regierungen abgewählt werden und andere Regierungskoalitionen Verantwortung für die Geschicke unseres Landes übernehmen. Am 24. September ist aber nicht nur die Große Koalition abgewählt worden. Zum ersten Mal seit 1949 zieht eine rechtsnationale Partei in den Deutschen Bundestag ein. Dies kann ich nicht, dies dürfen wir nicht als Normalität akzeptieren. Ich finde es nicht normal, dass Rechtsradikale und Rechtspopulisten im deutschen Parlament sitzen. Ich finde es auch nicht normal, dass Gewerkschafter AfD wählen. Ich finde es überhaupt nicht normal, dass Wähler glauben, ihren Protest nur noch durch eine solche Wahl ausdrücken zu können. Das muss uns Sorge bereiten, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Der Bedarf an einer gründlichen Aufarbeitung ist enorm. Auch wir müssen uns der Frage stellen, warum so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer letztendlich gegen ihre eigenen Interessen gestimmt haben? Eines ist offensichtlich: Das Motto der Bundeskanzlerin Es geht uns gut ist nicht aufgegangen. Richtig ist: Die meisten Menschen in Deutschland nehmen die wirtschaftliche Lage und ihre eigene Situation positiv wahr. Richtig ist aber auch, dass viele Menschen sich Sorgen um die Zukunft machen und den sozialen Zusammenhalt als gefährdet ansehen. Sie sorgen sich mit Blick auf den technologischen Wandel um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Sie fragen: Wird die Rente für ein ordentliches Leben im Alter reichen? Sie empfinden Kontrollverlust und fühlen sich immer stärker auf sich selbst gestellt. Wie wird die Zukunft ihrer Kinder aussehen? Wir wissen, dass soziale Gerechtigkeit für mehr als 90 Prozent der Menschen von zentraler Bedeutung ist. Gerade Gewerkschaftsmitglieder sind besonders sensibel für soziale Gerechtigkeitsfragen. Die Wahlen haben aber auch gezeigt wie zuvor schon bei den letzten Landtagswahlen, auch Gewerkschafter die Rechtspopulisten gewählt haben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.

Seite 3 von 7 des Redemanuskripts Die von der HBS geförderte Studie Einstellung und soziale Lebenslage zeigt wie in einem Brennglas, dass die konkreten Erfahrungen von Mitbestimmung, Tarifbindung und Sicherheit am Arbeitsplatz Menschen deutlich weniger anfällig für Rechtspopulisten und Protestwahlen macht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Anforderungen an die zukünftige Bundesregierung lauten daher: Mehr Sicherheit im Betrieb mit Tarifverträgen. Eine starke Mitbestimmung. Eine Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, die Gute Arbeit fördert und sichert. Wir werden die zukünftige Regierung daran messen, dass unsere zentralen Anforderungen, die wir an die Parteien zur Bundestagswahl gestellt haben, in konkrete Politik umgesetzt werden. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die vor uns liegende Reise nach Jamaika für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine gute Reise wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam unter dem Dach des DGB alles dafür tun werden, dass dies keine Irrfahrt wird, die den sozialen Zusammenhalt aufs Spiel setzt. Schauen wir nach Schleswig-Holstein. Dort gibt es schon eine Jamaika-Koalition. Eine der ersten Entscheidungen war es, den Landesmindestlohn nicht zu verlängern. Von wem wird das Sozialministerium geführt? Von der FDP. Ähnlich sieht es im Bund aus. Beim Mindestlohn möchte die FDP unter dem Kampfbegriff Entbürokratisierung Kontrollen abbauen und weitere Ausnahmen zulassen. Die Grünen wollen den Mindestlohn ausnahmslos für alle. Das ist vernünftig. Aber die Grünen, der kleinste der drei Koalitionspartner, ist nicht der Sozialarbeiter einer möglichen Jamaika-Koalition. Alle drei, insbesondere die Union mit Angela Merkel, müssen soziale Verantwortung übernehmen. Sie müssen Antworten geben auf die drängenden Fragen nach mehr sozialer Gerechtigkeit und einem starken sozialen Zusammenhalt.

Seite 4 von 7 des Redemanuskripts Sie müssen Antworten darauf geben, wie wir die Arbeit der Zukunft gestalten, mit ordentlichen Löhnen, gesicherten Arbeitsbedingungen, die ein gutes Leben für alle ermöglichen. Daran werden wir sie messen. Sozial gerecht ist zum Beispiel, sich eine angemessene Wohnung leisten zu können. Auch als Geringverdiener. Auch als Alleinerziehende. Auch als Rentnerin oder Rentner. Vielerorts ist die Situation bereits unerträglich. In den Großstädten zahlen viele Mieter mittlerweile bis zu 50% ihres Einkommens für Mieten. Wohnen wird hier schlicht zum Luxusgut. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pendeln stundenlang, um Wohn- und Arbeitsort zu erreichen. Das ist nicht gesund weder für die Menschen, noch für die Umwelt. Für uns ist doch glasklar: - Niemand sollte mehr als ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgeben müssen. - Niemand darf aus seinem Kiez vertrieben werden. Was wir dafür brauchen, habt ihr klar gefordert: - 400.000 neue Wohnungen insgesamt und 80.000 neue Sozialwohnungen und das jedes Jahr! - Eine Mietpreisbremse, die ihren Namen auch verdient. - Mehr Investitionen in den Bau- und vor allem in den Mietwohnungsbau. Robert [Feiger], Du hast geschrieben, die neue Bundesregierung müsste die Wohnungsnot in Ballungsräumen zur Chefsache machen. Du hast Recht daran werden wir sie messen! Anrede Investitionen brauchen wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Der DGB hat schon vor 5 Jahren ein klares Konzept vorgestellt, wie man zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro jährlich in Europa generieren und finanzieren könnte. Wir haben dieses Investitionsprogramm damals Marshallplan genannt. Damals waren es nur die Gewerkschaften heute reden alle über mehr Investitionen. Das hat auch Jean-Claude Juncker erkannt, als er sein Amt als Kommissionspräsident antrat und den Europäischen Fond für Strategische Investitionen, kurz: EFSI, gründete.

Seite 5 von 7 des Redemanuskripts Aber das reicht nicht. Es fehlt weiter europaweit an öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, in öffentlichen Wohnungsbau, in die energetische Sanierung von Wohnungen und staatlicher Gebäuden. Deshalb fordern wir, dass der EFSI zu einem ambitionierten Marshallplans umgebaut wird. Dafür werden wir, zusammen mit dem EGB, weiter kämpfen. Wir haben aber noch andere Baustellen. Als Gewerkschafter kämpfen wir jeden Tag dafür: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Die Entsenderichtlinie und das sogenannte EU-Dienstleistungspaket verfolgen ein völlig anderes Ziel. Geplant ist, dass ich mir als Fliesenleger aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat schnell im Heimatland die Dienstleistungskarte ausstellen lassen kann, obwohl mir dafür die hierzulande nötigen Qualifikationen und Zulassungen fehlen. Damit kann ich in der Kolonne der Berliner Großbaustelle als Solo-Selbständiger beschäftigt werden. Durch die Dienstleistungskarte werden Arbeitnehmer zum sozialversicherungspolitischen Freiwild. Hiervon profitiert nur einer der Auftraggeber, der um jeden Preis zulasten der Beschäftigten die Kosten senken und sich eine goldene Nase verdienen will. Das darf nicht passieren. Wer in Deutschland auf der Baustelle arbeitet, muss das gleiche Geld bekommen wie die angestellten Kolleginnen und Kollegen, die die gleiche Arbeit tun. Natürlich brauchen wir ein starkes Europa. Natürlich brauchen wir einen funktionierenden europäischen Binnenmarkt. Was wir nicht brauchen, ist ein Unterbietungswettbewerb bei Löhnen und Sozialleistungen! Europa wird das Vertrauen der Menschen nur dann zurückgewinnen, wenn klar ist, dass das Europäische Projekt nicht nur den Investoren und Konzernen, sondern vor allem den Menschen hilft, mit Guter Arbeit, die ein gutes Leben für alle ermöglicht. Jeder weitere Vertrauensverlust in eine Politik, die nichts für die Verbesserung ihrer Arbeitsund Lebensbedingungen tut, treibt Menschen in die Arme von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. Daher appelliere ich an die Europäische Kommission: Stärkt endlich die soziale Dimension der Europäischen Union! Zieht das Dienstleistungspaket zurück! Und noch eine andere Baustelle. Beschließt die Revision der Entsenderichtlinie! Nächsten Montag wird im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments über die Entsenderichtlinie beraten. Erst letzte Woche am 04. Oktober wurde im DGB-Bundesvorstand eine Resolution zur Entsenderichtlinie beschlossen.

Seite 6 von 7 des Redemanuskripts Wir fordern: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Womit ich bei einem unserer wichtigsten Themen bin. Wir wollen als Sozialpartner mit gestalten über fair verhandelte Tarifverträge. In Euren aktuellen Tarifverhandlungen für die Gebäudereinigung fordert Ihr zurecht: Sauberkeit hat ihren Preis. Ich wünsche Euch im Namen aller DGB-Gewerkschaften viel Energie und maximalen Erfolg. Denn Guter Lohn für Gute Arbeit gilt immer weniger. Dafür gibt es Gründe: - Deregulierung des Arbeitsmarktes. - Ausufernde sachgrundlose Befristungen. - Viel zu viele Mini- und Midijobs. - Eklatanter Missbrauch von Werkverträgen. Für viel zu viele Arbeitgeber ist es zum Volkssport geworden, sich der Tarifbindung zu entziehen. Über - Ausgründungen, - tägliche Tarifflucht durch Nicht-Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. - und schließlich auch OT-Mitgliedschaften. Wir wollen, dass Tarifverträge - deutlich leichter als allgemeinverbindlich erklärt werden können und - nachwirken, bis ein neuer Tarifvertrag besteht, wenn sich die Arbeitgeber aus ihrem Verband regelrecht verpissen. Angela Merkel hat sich vor der Bundestagswahl mehrfach öffentlich für eine Stärkung der Tarifbindung augesprochen. Nun ist es Zeit, das Versprechen einzulösen. Daran werden wir sie messen. Aber nicht nur die Tarifflucht, auch die Behinderung von Betriebsräten scheint ein neuer Volkssport geworden zu sein. Lasst mich nur ein Beispiel bringen:

Seite 7 von 7 des Redemanuskripts Kuhlmann Leitungsbau in Hannover. Der Kollege, der zur Wahlversammlung aufgerufen hatte, wurde fristlos gekündigt. Alle anderen dem Arbeitgeber bekannten IG BAU-Mitglieder bekamen die Kündigung. Nach etlichen Gerichtsverfahren wurde ein Wahlvorstand für die Betriebsratswahl eingesetzt und die Kündigungen mussten ausnahmslos zurückgezogen werden. Das Recht ist auf unserer Seite. Wichtig ist, dass wir die Demokratie in den Betrieben noch besser schützen. Wer die Wahl oder die Arbeit von Betriebsräten behindert, macht sich strafbar, und muss hart bestraft werden. Das ist kein Kavaliersdelikt - Auch hier wird die neue Regierungskoalition in die Pflicht genommen. Durch systematische Betriebsratsbehinderung wird ein demokratisches Grundrecht das Recht auf freie Wahlen straflos mit Füßen getreten. Bei der Betriebsratsbehinderung gilt es, diese zu verteidigen. Auch daran werden wir die neue Bundesregierung messen. In knapp 2.500 Betrieben werden von März bis Mai 2018 neue IG BAU-Betriebsräte gewählt. Jedes gewählte Betriebsratsmitglied trägt zur Gestaltung von Guter Arbeit bei. Jedes gewählte Betriebsratsmitglied stärkt die Demokratie im Betrieb. Jedes gewählte Betriebsratsmitglied sorgt dafür, dass die Rechtspopulisten im Betrieb nicht Fuß fassen werden. Viel Erfolg bei den Betriebsratswahlen und auch beim weiteren Verlauf des Kongresses. Glück auf!