Anselm Wagner, Petra Eckhard (Hg.) Räume der Gegenwart

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Transkript:

Anselm Wagner, Petra Eckhard (Hg.) Räume der Gegenwart

4 Vorwort 6 Räume der Gegenwart: ein Fotobuch Benjamin Melcher 12 Sie sind unter uns : das Asylantenheim Lukas Enzinger 16 Das Einfamilienhaus der Stadt: der Dachgeschossausbau Lukas Bartaky / Justin Tauscher 20 Dach-/Boden: Dachbodenausbau in St.Leonhard Christina Aschauer 24 The Psychology of Branded Stores Maida Hodzic / Anna Johanna Grill 28 Inklusion und Architektur: das Wohnhaus der Lebenshilfe Katrin Ellmer 32 Dog(ma): die Hundewiese Stefan Kral 36 Verschüttete Reflexionsaufgabe: die Mülldeponie Lukas Niedermayr 40 Grüne Mauern: die Thujenhecke Jasmin Neubauer 44 Containerization Edita Radeljas 48 Die mobile Sauna Thomas Plesiutschnig 50 Discounter für einen Tag: das akk Pia Pöllauer 54 Shared Space am Beispiel Villach Maria Schabernig 58 Nachnutzung von Luftschutzräumen Severin Pichler 62 Das Hospiz Anne Schlebbe 64 Ein Betrieb, zwei Blickwinkel: die Massentierhaltung Dorothea Hamann 3

VORWORT Anselm Wagner/Petra Eckhard Die Idee für diese Lehrveranstaltung geht auf das Buch Ortsregister. Ein Glossar zu Was haben Asylantenheime, Betreutes Wohnen, Branded Stores, Community Gardens, beiden Frankfurter Humangeografi nnen Na- Räumen der Gegenwart zurück, das die Containersiedlungen, Coworking Spaces, dine Marquardt und Verena Schreiber 2012 Dachbodenausbauten, Deponien, Discounter, Gated Communities, Holocaust-Gedenk- zu dem Anselm Wagner einen Essay zum bei transcript herausgegeben haben und stätten, Hospize, Hundewiesen, Lounges, Thema Deponie beigesteuert hat. Acht der Pop-up Stores, Shared Spaces, Informelle oben genannten Raumtypen wurden bereits Architekturen, Terminals, Tiermastbetriebe, in diesem Buch behandelt, das eine wichtige Thujenhecken und Wellnesszonen gemeinsam? Sie stellen Raumtypen oder räumliche die übrigen Begriffe wurden von uns bzw. theoretische Grundlage für uns darstellte; Elemente dar, die für die kulturelle und politische Verfasstheit unserer Gegenwart eine beschränkten uns auf reale, dreidimen- von den Studierenden vorgeschlagen. Wir symptomatische Bedeutung besitzen. In sionale Räume, und schlossen metaphorische Räume wie Bildungslandschaft der Projektübung Räume der Gegenwart, die im Rahmen des Masterstudiums der oder Spekulationsblase aus, um uns auf Architektur im Wintersemester 2013/14 am architektonisch Relevantes zu konzentrieren. Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Das wichtigste Kriterium bestand in der jeweiligen Signifi kanz für die Gegenwart, d.h. Kulturwissenschaften der TU Graz stattfand, wurden ausgewählte Beispiele solcher Räume aufgesucht und mit kulturwissenschaft- oder Raumtypen, die es erst seit kurzem es ging um die Identifi zierung von Räumen lichen, ethnologischen, architekturtheoretischen und phänomenologischen Methoden tome aktueller gesellschaftlicher Probleme gibt und die als Lösungen und/oder Symp- analysiert. Ziel der Lehrveranstaltung war es, und Konflikte zu betrachten sind. Einige der zu erkennen, auf welche Weise sich gegenwärtige Kultur und Politik verräumlichen. Die sische Krisen- oder Abweichungsheteroto- Räume wären mit Michel Foucault als klas- Ergebnisse der gewonnenen Erkenntnisse pien zu bezeichnen, wie das Asylantenheim, wurden auf wissenschaftliche und/oder das Betreute Wohnen, das Hospiz, aber architektonisch-künstlerische Weise dargestellt und sind im vorliegenden Buch do- befristet und typisch für die flexible Netz- auch die Wellnesszone, andere sind zeitlich kumentiert. Thema, Darstellungsmethoden werkgesellschaft, wie die Pop-up Stores und und Medien waren dabei den Studierenden Coworking Spaces, und fast alle besitzen freigestellt. ausgeklügelte Verschluss- und Ausschlie- ßungsmechanismen und sind nur für ganz bestimmte Personengruppen betretbar, wie etwa Lounges oder Gated Communities, die den Segregationswünschen der neoliberalen Wettbewerbsgesellschaft gehorchen. Während viele Räume klare Regeln, Grenzen und Eingangshürden besitzen und darauf ausgerichtet sind, Konflikte im Zusammenleben zu entschärfen, indem jeder Gruppe eigene Räume zugeteilt werden man denke nur an die Hundewiese, gibt es auch solche, welche durch Deregulierung und größtmögliche Informalität gekennzeichnet sind, wie z.b. Shared Spaces, Community Gardens und jede Art informeller Architekturen. Sie reagieren auf die Dysfunktionalität oder auch Überstrapazierung staatlicher Ordnungsmacht durch Selbstermächtigung, welche zur Etablierung einer Gegenöffentlichkeit führen kann. Insgesamt stellen all diese Räume eindrucksvoll unter Beweis, dass auch eine immer stärker in digitalen Netzwerken kommunizierende Gesellschaft nicht aufhört, eine Fülle von realen Raumtypen zu produzieren, um ihren Wünschen nachzukommen und ihre Konflikte (wenn auch oft nur scheinbar) zu lösen. Eine Analyse dieser Räume stellt somit eine Gesellschafts- und Kulturanalyse ersten Ranges dar. Die Lehrverstaltung gehört mit Abstand zu den erfolgreichsten, die jemals an unserem Institut durchgeführt worden sind: Dies ist vor allem den hervorragenden Studierenden zu verdanken, die uns mit ihren Ideen, ihrer Einsatzbereitschaft und ihrer Professionalität immer wieder überraschten. Unsere KollegInnen Univ.-Ass. DI Ana Jeinic (akk) und Univ.-Ass. Mag. DI Dr. Manfred Omahna (Institut für Stadt- und Baugeschichte) legten mit ihren begleitenden Seminaren profunde 5 theoretische und methodische Grundlagen, auf denen die Studierenden aufbauen konnten. Eine Reihe von Personen half uns dankenswerter Weise dabei, institutionelle Hürden zu überwinden bzw. führte uns durch die eigenen Institutionen, sodass wir fachkundige Einblicke in eine ganze Reihe von manchmal der Öffentlichkeit verborgenen Räumen der Gegenwart bekommen konnten: Mag. Johannes Frühmann (EN GARDE), Gunther Jamnik (Caritas Graz), Mag. Leopold Lippert (Institut für Amerikanistik, Universität Graz), Josef Macher (Landwirtschaftskammer Steiermark), Nebojska Milikic (Cultural Center Rex, Belgrad), HR DI Franz Patz (Land- und Forstwirtschaftlichen Fachschule Hatzendorf), Univ.-Prof. DI Dr. Roland Pomberger (Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft, Montanuniversität Leoben), Mag. Ralf de Roja (Abfallmanagement Graz Holding), Arch. DI Dubravka Sekulic (Belgrad) und David Steinwender (Grazer Gemeinschaftsgärten). DI Heidrun Primas sorgte dafür, dass das Forum Stadtpark in bewährter Weise unsere Abschlusspräsentation beherbergen konnte und Univ.-Prof. Dr. Sabine Flach (Institut für Kunstgeschichte, Universität Graz) und Univ.-Prof. Dr. Susanne Knaller (Zentrum für Kulturwissenschaften, Universität Graz) stellten sich dafür als Gastkritikerinnen zur Verfügung. Allen Genannten sei für ihre Mithilfe und ihren Einsatz herzlichst gedankt! Graz, im Juni 2014

Thujenhecke, Grazer Vorort Benjamin Melcher Räume der Gegenwart: ein Fotobuch Asylantenheim Frantschach In dieser Arbeit wird das Thema Räume der Gegenwart mit der Kunstform der Photographie bearbeitet. In einem Fotobuch werden mehrere dieser Räume einander gegenübergestellt, und damit relevante Strukturen und Prozesse unserer zeitgenössischen Gesellschaft in Fotos sichtbar gemacht. Der Betrachter wird damit zur Refl exion über diese Räume angeregt. Jede Abbildung der ausgewählten Räume stellt für sich betrachtet bereits ein eigenständiges Werk dar, aber erst die Gegenüberstellung lässt die teils subtilen aber dennoch relevanten, vielschichtigen Verbindungen klar sichtbar werden. Die zum Teil bewusst polemisch gewählten Vergleiche sollen beim Betrachter aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung verdrängte Räume stärker ins Bewusstsein rücken, wie etwa das Asylantenheim, den Tiermastbetrieb oder die Mülldeponie. Das Abgebildete ist in vielerlei Hinsicht Sinnbild unserer Gesellschaft und genau deswegen so interessant. 7 Bei der technischen Bearbeitung der Fotos wurde auf große Klarheit, die richtige Perspektive und den idealen Bildausschnitt Wert gelegt, um die Ästhetik sichtbar zu machen, die diesen auf den ersten Blick oft trostlos anmutenden Räumen innewohnt. Oft lässt erst der geographische Kontext oder die Reduktion eines Fotos auf einen bestimmten Ausschnitt gewisse relevante Gesichtspunkte in den Blick des Betrachters rücken. Alle Abbildungen: Benjamin Melcher

Hundewiese, Graz Mülldeponie, Lavamünd Tiermastbetrieb, Landwirtschaftliche Fachhochschule, Hatzendorf Räume der Gegenwart: ein Fotobuch 9 Benjamin Melcher

Informelle Architektur, Belgrad Holocaust Gedenkstätte, Jasenovac Tiermastbetrieb (Hühner in Bodenhaltung) Maria Rojach i.l. Räume der Gegenwart: ein Fotobuch 11 Benjamin Melcher

Journalist: I bin Redakteur von der Kronen Zeitung und wir san angrufen worden von Anrainern, die das Schild gsehn ham beim Haus und irgendwie aufgeregt waren, dass da gegenüber von ihnen jetzt ein Asylantenheim entsteht. Lukas Enzinger Sie sind unter uns : das Asylantenheim Der Film Sie sind unter uns entstand im Rahmen eines Kunstprojektes und beschäftigt sich mit dem Asylantenheim als Raum der Gegenwart. Der Film untersucht folgende Fragestellungen: Wie stellen wir uns ein Asylantenheim vor? Wie stellen wir uns die Umgebung eines Asylantenheimes vor? Warum stellen wir uns ein Asylantenheim so vor? Woher kommen diese Vorstellungen? Um diese Fragen zu beantworten, befestigte ich auf einem leerstehenden Haus in der Grazer Innenstadt ein Schild mit der Aufschrift: Hier entsteht ein Asylantenheim. So hoffte ich, Assoziationen der Bevölkerung verörtlichen zu können. Die Reaktionen der Passanten nahm ich mit versteckter Kamera in Bild und Ton auf. Interviews (Film-Transkript) Lukas Enzinger (LE), PassantIn (P) LE: Entschuldigung darf ich Sie etwas fragen? Was Sie sich gedacht haben, als Sie das Schild gesehen haben? P: Goa nix, wos soi i ma denkn? Ma deaf se jo in der Beziehung nichts mehr denken, auch nichts sagen. Ich enthalt mich da jeglicher Äußerung, ob positiv oder negativ, weil es is eh wurscht, wie mas duat is immer foisch. Man wird immer angeschwärzt. LE: Entschuldige, darf ich Dich was fragen, hast Du das Schild dort drüben gerade gesehen? P: Ja LE: Was hast Du dir dabei gedacht? P: Da is nix, ich wollte meine Freund nur schicken, weiterschicken (Anm.: fotografi ert das Schild) LE: An was denkst Du bzw. wie stellst Du dir ein Asylantenheim vor? P: Also wie stell ich mir das vor, das ist ja klar: Messerstecher und Schlägerei, das stell ich mir so vor. Wirklich, weil ich habe nicht gehört, dass das so ist und leider LE: Hast du schon einmal ein Asylantenheim gesehen? P: Ich habe nicht gesehen, aber ich habe in Zeitung gelesen. LE: Und deshalb glaubst du, dass die anderen dann auch so sind? P: Ja (lacht) P: Sie wollen jetzt meine Assoziation wissen? Aha, hat er jetzt die beste Form der Nutzung gefunden. Ich hab jetzt natürlich auch an das neue in Vordernberg gedacht. Dann hab ich gedacht, wie werden die Bürger hier reagieren und 13 dann hab ich mir gedacht, da vorne ist ja so eine Integrationsbehörde, das passt ja vielleicht eh alles zusammen. Ich hab mir gedacht vielleicht ist das eine ganz sinnvolle Nutzung. Ich hab kein negatives Gefühl dabei gehabt, sondern mir gedacht, des passt eh ganz gut. Wie ma drinnen lebt, naja da denk ich halt, dass ma so Gemeinschaftseinrichtungen hat. Ich kenn eigentlich keines, ich kenn s eigentlich nur aus den Fernsehberichterstattungen. Da sieht ma immer nur Ausschnitte, nicht. Da sieht ma immer nur Mehrbettzimmer, die sehr Jugendherbergen-artig sind und mich an frühe Schulskikurse erinnern. LE: Was haben Sie sich gedacht, als Sie Asylantenheim gelesen haben? Also, es ist ein Uniprojekt. P: Das beruhigt! I hob mia grod gedocht, wo ziag i jetzt wieder hin. LE: Was assoziieren Sie mit einem Asylantenheim? Wie stellen Sie sich den Raum vor? Wie sieht das Gebäude aus? P: Oiso i, i woa echt schockiert, weil wir hom jetzt da diese Anlaufstelle für die (überlegt) Asylanten. Und seit des do is homma eingschlogene Fensterscheibn und ois Mögliche und am Abend ka Ruah mehr und wie i des gsegn hob, hob i ma docht, na Bravo. I wohn dort um s Eck und denk ma, so jetzt konnst wieder woanders hinziagn. LE: Sie würden woanders hinziehen? P: Wenn ich s mir leisten könnt würd ich es wahrscheinlich machen, weil wir auch in unserem Haus schon die sogenannten Asylanten hom, die anfoch vor da Tür stehn und betteln. I hob wirklich die Nosn voll. LE: Wie stellen Sie sich ein Asylantenheim vor? Wie sieht es aus und wie wohnen sie? P: Oiso, i waß ned wie s ausschaut und wie sie wohnen. I denk mir nur, wenn Ich jetzt in fremdes Land komme, wenn i jetzt noch Syrien foan würd, würd niemand mir irgendwas bereitstellen und mich unterstützen, sondern die würden sagen entweder putz di wieder oder du schaust wiest wieder kummst. Bei uns werden immer Forderungen gestellt. Es is nix guad gnua und es passt nirgends was und des ärgert mich einfach. Wirklich. LE: Haben Sie schon einmal ein Asylantenheim gesehen? P: I geh immer do auffi in die Keplerstroßn. Dort sind diese Jugendlichen untergebracht. Und i geh jetzt dort nicht mehr sondern mach an Bogen, weil i fühl mi einfach nicht mehr sicher. So schauts aus. LE: Spiegelt das Haus das wieder? Sieht man dem Asylantenheim an, dass es ein Asylantenheim ist? P: Nein, nein sieht man ihm nicht an. LE: Wie sieht der Raum rundherum aus? P: Najo, sie stehen hoid herum, in Gruppen, da fühl i mi

irgendwie unsicher. I hob s ned gwusst bis amoi in der Zeitung abgebildet war und jetzt geh i bewusst dort und jetzt falln ma plötzlich a diese Gruppen auf, die i vorher auch übersehen hab. LE: Wenn Sie es nicht gewusst hätten P:...hätt is heit no ned gmerkt wahrscheinlich. LE: Dann hätten Sie sich wahrscheinlich auch nicht unwohl gefühlt, oder? P: Wahrscheinllich a ned, da haben Sie recht. Do hom s mi jetzt wirklich aufmerksam gmocht, dass i duat immer vorbeigegangen bin und nix hob i empfunden und seit i s waß As Haus schaut immer no gleich aus. Des is in den Köpfen drinnen. LE: Entschuldigung, haben Sie das Schild gerade gesehen? P: Die leer stehenden Häuser sind eigentlich des Problem. Die könnt ma wirklich aktivieren. Des geht insofern ned, weil irgendein Privatmensch sagt, i loss es liaber verfallen bevor ich s irgendjemandem weitergeb. Das ist das Problem. Für mich ist das Asylantenheim so etwas wie eine WG. Leute, die im Prinzip mit anderen zusammenwohnen müssen. Ma muss irgendwie schaun, dass ma zusammenkommt und dass ma gemeinsam irgendwo Erleichterung fi ndet. Indem ma s fi nanziell besser über die Runden bringt. Asyl, Asylanten, das ist ein zweischneidiges Schwert. P1: Eigentlich recht wenig. I würd sogn es wäre ned so in andere Häuser integriert. Eher ein eigenständiges Gebäude. Vielleicht stöh i ma s vor wie a Studentenheim, von der Aufteilung her. Vielleicht a teilweise Gemeindschaftswohnungen LE: Von der Lage? Beide: eher außerhalb LE: Habt Ihr schon mal ein Asylantenheim gesehen? P1: Na eigentlich ned, außer in der Zeitung holt, Fotos P1: Ich habe E-Mail geschrieben an Politiker. Politiker muss dafür sorgen, dass wenn jemand kommt, dass Ausbildung wieder bekommen P2: Dass sie a arbeiten dürfen. P1: Da muss der die Gesetze ändern auch. Der muss denen Ausbildung geben, Hoffnung geben. P2: Man kann halt ned sagen, die Asylanten sind kriminell, sie werden halt kriminalisiert. P1: Es gibt sicher Asylanten, die überhaupt nix mit dieser Sache zu tun haben. Aber da muss ma fragen, wo sind die auch? Es ist, weil die Politik in der ganzen Welt ist falsch. Wenn es eine gute Politik gibts, wenn es für die Menschen überall Arbeit gibts, genug Arbeit gibts und keine Verfolgung gibts wird keiner von zu Hause weggehen auch. Sie sind unter uns : das Asylantenheim 15 Lukas Enzinger

Markus Bartaky / Lukas Tauscher Der Dachgeschossausbau: das Einfamilienhaus der Stadt In unserer Arbeit haben wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede in verschiedenen Lebenssituationen untersucht. Die Ergebnisse stellten wir mit Aquarellen und einer Radiosendung dar. Diese wurden im Rahmen einer Ausstellung im Forum Stadtpark präsentiert. In früheren Zeiten herrschte die Meinung, dass man im Dachgeschoss nicht wohne. Was in dieser Aussage schon damals verborgen lag, waren die Problematiken, mit denen man sich in einem Dachausbau herumschlagen muss. Nur wenn man sich über die Schwierigkeiten im Klaren ist, kann ein sowohl im Sommer, als auch im Winter bewohnbares Domizil entstehen. Früher gab es kein reines Wohnhaus. Bei den Landwirten, zum Beispiel, diente der Dachboden als Vorratskammer um das Vieh über den Winter zu bringen und die Überbleibsel sicherten die Ernte im darauffolgenden Jahr. Dieser Vorratsspeicher war also Ausdruck ihres Reichtums. In der Stadt wurde das Dachgeschoss aufgrund des durch den mittelalterlichen Stadtmauerring bedingten Platzmangels auch ausgiebig genutzt. Hier lagerten die Materialien für das sich meist im Erdgeschoss befi ndliche Geschäftslokal. In diesen wachsenden Städten 17 wurde der Platz also knapp und so mussten die Räume unter dem Dachstuhl als Wohnungen dienen. Heutzutage können Dachräume mit verhältnismäßig geringen Mitteln im innerstädtischen Bereich in Wohnräume verwandelt werden. 1 Wie auch die Prognose der Statistik Austria zeigt, zeichnet sich der Trend ab, zurück in die Stadt zu ziehen, Graz wird bis 2031 um ca. 27000 Einwohner wachsen. 2 Die Gemeinsamkeiten der zwei Typologien fi nden sich in verschiedenen Bereichen. Beide haben durch ihre exponierte Lage eine lange natürliche Belichtung. Auch in der Individualität und im Charme zeigen sich Überschneidungen. Rein formal gesehen, weisen beide, bedingt durch ihre Dachform Schrägen im Innenraum auf, die wiederum den individuellen Charme unterstreichen. Der Blick nach Außen unterscheidet sich in der Vertikalen, jedoch ist bei beiden ein direkter Bezug zum nicht verbauten Umfeld gegeben. Das Herantreten an die zwei Objekte lässt erkennen, dass sie in ihrer Lage sehr unterschiedlich sind. Das Einfamilienhaus präsentiert sich für jeden ersichtlich, doch der Dachgeschossausbau entzieht sich den Augen des Be-

trachters. Wie auch das Wohnen in der Stadt selbst ist der Ausbau im Dach anonym. Während man den Wohnbereich des Einfamilienhauses direkt über das Erdgeschoss erreichen kann, muss man sich beim Dachgeschossausbau über ein bereits bestehendes öffentliches Treppenhaus bis zur Eingangstüre bewegen, sofern kein Lift vorhanden ist. Zusammengefasst muss man sagen, dass der Dachgeschossausbau keinen Einfamilienhausersatz im innerstädtischen Bereich darstellt. Wenn man jedoch bereit ist, Kompromisse in Kauf zu nehmen ist er durchaus eine gute Alternative. 1 KÖNIG, Holger: Das Dachgeschoß, Geschichte, Staufen bei Freiburg, Ökobuch-Verl., 1993 2 Statistik Austria: http://www.statistik.at Alle Abbildungen: M. Bartaky / L. Tauscher Der Dachgeschoßausbau: das Einfamilienhaus der Stadt 19 Markus Bartaky / Lukas Tauscher

2 1 Weil ich in einer Dachgeschosswohnung, 2 Es ist halt wie ein Haus über den oder zumindest unter dem Dächern von Graz. Wir haben eine Dach in einem alten Bauernhaus grosse Terrasse, wir können draussen gewohnt habe, wollte ich das wieder sitzen wie in einem Garten und haben. Wohnen unterm Dach ist wie haben dabei noch eine tolle Aussicht. Wohnen unterm Sternenhimmel. Es ist wie ein Haus, das auf Dieser Bezug zum Himmel ist irgendwie das Haus draufgestellt wurde. eine Befreiung. Christina Aschauer Dach-/Boden: Dachbodenausbau in St. Leonhard 1 Dachbodenausbauten nehmen zu. Das Grazer Viertel St. Leonhard ist fast schon übersät davon. Es gibt fast kein Gründerzeithaus mehr, das nicht einen ausgebauten Dachboden besitzt. Auf Google Maps kann man sich davon überzeugen. Viele Dachböden werden in der Art ausgebaut, dass nur Fenster hinein geschnitten werden und Wohnraum unter dem Dach entsteht. Andere werden zu luxuriösen Penthäusern ausgebaut, mit Dachterrasse und Fensterfronten zum Hof hin. Dachbodenausbauten verändern Stadtviertel, nicht nur das Erscheinungsbild, sondern oft auch soziale Strukturen. Die Gentrifi zierungsdebatte sieht einen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Dachbodenausbauten und der Veränderung, beziehungsweise der Verdrängung von ärmeren Bewohnern in Vierteln, wo ein Gentrifi zierungsprozess eingesetzt hat. Das macht sie zu einem Raum der Gegenwart. Mit meinem Projekt möchte ich die Ausbauten in St. Leonhard stärker in das Bewusstsein der Betrachter rücken. Die zahlreichen Dachbodenausbauten werden im Straßenbild wenig wahrgenommen, die Vielzahl der Eindrücke und die eingeschränkte Sicht auf den engen Straßen in dem Gründerzeitviertel lassen uns oft übersehen, was auf den Dächern passiert. In den Collagen werden die Dachbodenausbauten auf Augenhöhe gesetzt. Die entstehende Verfremdung des Straßenraumes soll verdeutlichen, wie dominant die ausgebauten Dachböden sind. Das Heruntersetzen auf Straßenniveau nimmt den Ausbauten deren Exklusivität. Das Herabsehen wird verhindert. Der zweite Teil der Arbeit, die Interviews und die Zitate daraus, sollen dem Betrachter beim Lesen ein Gefühl dafür vermitteln, wie es sich an- 21

fühlt, in einem ausgebauten Dachgeschoss zu wohnen. Es geht weniger um konkrete Schilderungen die meisten Aussagen der Bewohner drehen sich um Gemütlichkeit und Heimeligkeit, zwei sehr vage aber, charakteristische Begriffe unserer Zeit sondern um die Vorstellungskraft des Betrachters. Dieser soll sich durch die geschilderten Gefühle und Assoziationen ein Bild vom Leben unter dem Dach machen können, über die eigene Vorstellung des Gemütlichkeitsbegriffes nachdenken. Mit diesen zwei unterschiedlichen Methoden soll der Dachbodenausbau erfahrbar gemacht werden. Der erste Teil des Projektes beschäftigt sich mit dem öffentlich sichtbaren Teil, mit der Hülle der Dachbodenausbauten, der zweite dringt in die Privatsphäre der Bewohner ein, in das Innenleben. 4 4 Ich fi nd das grundsaetzlich sehr angenehm, ich fi nd das total heimelig irgendwie, also das ist ungefaehr so wie eine Höhle. Es macht den Raum irgendwie vertraut. Und meine Wohnung ist auch schön hell, das ist schon toll. Aber im Sommer ist es halt auch ein Nachteil, weil es extrem heiss wird. 3 3 Das war ein Zufall, dass wir das gefunden haben. Es ist so ausgebaut, dass man eben oben ist, aber nicht, dass man denkt, dass es ein Dachgeschoss ist. Es ist sehr heiss im Sommer und im Winter, naja, dadurch dass es sonnig ist, geht es. Es ist alles aus Pappkarton. Es ist einfach billig gebaut. Dach-/Boden: Dachbodenausbau in St.Leonhard 23 Christina Aschauer

The walls surrounding the staircase are covered in murals by the artist Mark Beard. Commissioned by Abercrombie & Fitch, they depict scenes of young male nudes lounging on the edge of a river. Source: myparisblog.com The division of the retail space into smaller chambers creates a cosy atmosphere and makes the customer feel somewhat comforted. Source: qualityconstruction.info Anna Johanna Grill / Maida Hodzic The Psychology of Branded Stores Essentially, the manipulation of space is the key of architecture. The creation of atmospheres which evoke emotions, is what distinguishes good architecture from the mediocre. As (future) architects, we know that a successful creation of an atmosphere is achieved through a sensitive use of all available elements. A careful composition, fi nely tuned and balanced in order to create a specifi c experience. All available tools are used to achieve a single goal: to evoke emotions and make people feel something. The space is manipulated. Sometimes it is noticeable and in some cases it affects us subconsciously. However, when it comes to manipulating atmospheres which are intended to effect people s behavior, it becomes controversial, and even more so if the purpose has a commercial background. Branded stores are a prime example of this. Here, the architecture and the atmosphere which is created, are reinforcing a pre-established concept: The brand. The two work in symbiosis, fuelling and strengthening each other. Essentially they are a unity. What would one be without the other? -Less powerful. 25 The success lies in the ability to evoke emotions. Whether it is the thrill of being unique or the comfort of being accepted as part of a social group. The specifi c emotion will vary among individuals, but the provocation of the emotion itself, remains. Several methods are used to remind the consumer of a strong experience with a positive value. The mind of the consumer is tricked by creating unusual associations: Buying a t-shirt and fi nding a soul mate. Getting a bag and automatically becoming young, liberated and overwhelmed with happiness. The atmosphere provokes a certain feeling, and while this is already happening subconsciously, the consumer is further guided, through the use of light, music, and circulation space. It is manipulation in its purest essence. The store is no longer a shop, it is an experience which stretches far beyond the actual action of buying.

Essentially, the The interior of Hollister stores is characterized by loud music, distinct smell, and low light, with strategically placed spotlights showcasing the merchandise. Anna Johanna Grill Every Abercrombie & Fitch fl agship store features an imposing staircase decorated with wall-murals. While the murals have a common theme, they are adapted for every store location. Source: myparisblog.com manipulation of space is the key of architecture. The entrance hall of the Abercrombie & Fitch store in Munich. A large bronze statue of a nude male is located at one end, while an imposing staircase on the other end leads to the upper fl oors. Anna Johanna Grill 3 The opening of the Abercrombie and Fitch store in Munich was marked by the presence of thirty male models dressed in the same clothes, greeting the customers and attracting crowds to the newly opened store. Source: literatortura.com The Psychology of Branded Stores 27 Anna Johanna Grill / Maida Hodzic

Katrin Anna Ellmer Inklusion und Architektur: das Wohnhaus der Lebenshilfe In meiner Projektarbeit zum Thema Räume der Gegenwart beschäftigte ich mich mit der Frage, ob Architektur Einfl uss auf den Inklusionsgedanken in der Gesellschaft haben kann. Laut dem Wörterbuch der Soziologie, hg. von Karl-Heinz Hildmann, wird der Begriff wie folgt defi niert: Inklusion (von lat. inclusio = Einschließung, Einsperrung), bezeichnet als soziolog. Begriff die Einbeziehung von Gesellschaftsangehörigen in soziale Gebilde, in gesellschaftl. Funktionsbereiche und in die jeweils umfassende Gesellschaft. I. Bezieht sich nicht nur auf einzelne Individuen, sondern auch auf Personenaggregate und -kategorien sowie auf Bevölkerungsteile.... Um die Frage zu untersuchen, wählte ich als Beispiele zwei Wohnhäuser der Lebenshilfe. In beiden Häusern werden Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten, meist mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, betreut. Das Lebenshilfe Wohnhaus in Deutschlandsberg, einer Kleinstadt 29 mit 8200 Einwohnern, liegt zentrumsnah. Es wurde auf ein bereits vorhandenes Grundstück der Lebenshilfe gebaut, auf dem sich bereits eine Tageswerkstätte befi ndet. Eine Inklusion in die Stadtgemeinde ist nicht vorhanden. Abgrenzung stellt beim Wohnhaus in Deutschlandsberg das größte Problem dar. An drei Seiten ist das Grundstück eingezäunt, doch die größte Barriere bildet eine Lärmschutzwand an der Vorderseite. Diese schirmt das gesamte Grundstück festungsartig ab, unterstützt wird dieser Eindruck zusätzlich durch eine Brandschutzwand mit der selben Ausrichtung. Die eingesetzten Glasscheiben in der Mauer verstärken den Eindruck von Exklusivität zusätzlich, von außen sowie auch von innen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Klingelschilder. Jeder Bewohner besitzt eine eigene Klingel, jedoch wurden diese, ohne logische Begründung, nicht mit dem Namen des jeweiligen Bewohners versehen, sondern mit einer Wohnungsnummer. Die Klingeln der vermieteten Wohnungen, die nicht durch die Lebenshilfe betreut werden, wurden wie

bei Mehrparteienhäusern üblich, mit den Namen der Bewohner versehen. Also sind auch von Seiten der Lebenshilfe selbst noch Punkte vorhanden, die deutlich verbessert werden können um ihren Klienten ein menschenwürdiges, eigenständiges Leben zu ermöglichen. Das Wohnhaus in Söding, eine kleine, ländliche Gemeinde, liegt am Ortsrand in einer neuen Wohnanlage umgeben von Einfamilienhäusern und Ackerfl ächen. Die Bewohner haben guten Kontakt zur näheren Nachbarschaft, mit der restlichen Gemeinde ist kaum Kontakt vorhanden. Im Gesamten wirkt die Anlage offen, weite Ackerfl ächen umgeben die Wohnsiedlung. Die ganze Anlage wirkt jedoch ausgelagert und an den äußersten Rand der Gemeinde geschoben. Die exklusive Lage macht den Kontakt zur Gemeinde schwierig und erschwert den Bewohnern, durch die relativ weiten Wege ins Zentrum den selbstständigen Alltag. Architektur kann mit überlegter Planung den Inklusionsgedanken unterstützen. Die Positionierung und Gestaltung eines Gebäudes kann ein kleiner Baustein sein um die Eingliederung zu erleichtern. Jedoch ist nicht nur der Architekt dafür verantwortlich ob Inklusion (in diesem Fall eines Wohnhauses) funktionieren kann. Die Institution der Lebenshilfe selbst, alle beteiligten Planer, sowie natürlich Bewohner und Umgebung sind dafür verantwortlich, ob der inklusive Gedanke gelebt werden kann oder nicht. Architektur kann mit überlegter Planung den Inklusionsgedanken unterstützen. Inklusion und Architektur: Wohnhaus der Lebenshilfe 31 Katrin Anna Ellmer

Stefan Kral Dog(ma): die Hundewiese Bevor ich begann mich näher mit dem Raum der Hundewiese zu beschäftigen, hatte ich keine Ahnung wie vielschichtig und weitläufi g dieses Thema ist. Das Phänomen der Hundewiese hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten. Da es dem Vierbeiner nicht gestattet ist, seinem Drang nach Auslauf im Stadtgebiet nachzukommen, wurde ein Kompromiss gefunden, der sich Hundewiese nennt. Auf diesem geschaffenen Areal, das durch einen Zaun begrenzt ist, haben Hunde die Möglichkeit ohne Maulkorb und Leine, unter Einhaltung gewisser Regeln (siehe Schilder), frei zu laufen und mit anderen Hunden zu spielen. Sie sind auf dieser Wiese geschützt oder weggesperrt, das liegt ganz im Sinne des Betrachters. Der Hundewiese als solche wird in der Gesellschaft eher geringe Aufmerksamkeit geschenkt, da es keine Zwischengruppe gibt; entweder man ist Benützer oder eben nicht. Der Ort an sich wird eher peripher wahrgenommen, denn er ist entweder Mittel zum Zweck oder fällt komplett aus der bewussten Wahrnehmung. Es wird höchstens festgestellt ob es sich um eine schöne Anlage handelt oder ob es etwas an ihr auszusetzen gibt. Das Hauptaugenmerk der Benützer liegt eher auf ihren Hunden, deren Artgenossen und deren Besitzern. Von den Nicht-Benutzern wird die Wiese entweder ignoriert oder als Anstoß des Unmuts angeführt, falls auf der Hundewiese etwas geschieht, das 33 ihnen missfällt. So driften diese beiden Parteien immer weiter auseinander, was nicht zu einem förderlichen Diskurs beiträgt. Die Hundewiese kann als Spiegel der Gesellschaft gesehen werden. Sie refl ektiert ein weites Spektrum der menschlichen Natur und ihren Umgangsweisen. Die auffälligsten Beobachtungen waren: Die Hundewiese ist ein Beispiel dafür, dass Probleme nicht an ihren Ursachen bekämpft werden, sondern man versucht, die Folgen zu bekämpfen. Kurz gesagt, bevor man sich mit den Herrchen und deren Erziehung des Hundes beschäftigt, sperrt man sie lieber weg, was am eigentlichen Problem aber wenig ändert. Weiters bilden sich auf einer Hundewiese hierarchische Strukturen, bei denen jeweils eine/r Hundebesitzer/in das Sagen hat. Die Sympathie beim ersten Eindruck wird nicht an der Person, sondern am Hund gemessen. Erst wenn das Tier für passend empfunden wird, kann entschieden werden ob auch der Besitzer ins Rudel passt. Ziel meines Projektes war es, die Hundewiese als einen Raum der Gegenwart aus dem Kontext zu reißen und sie somit in den Fokus der räumlichen Wahrnehmung zu rücken. Ich habe am Unicampus der TU Graz einen für Men-

schen bestimmten Ort, zwei Plateaus mit Sitzgelegenheiten, in eine temporäre Hundewiese verwandelt, inklusive der Verbots - und Hinweistafeln. Dieses Herausnehmen aus dem gewohnten Kontext und das Implantieren in ein fremdes Umfeld, wenn auch nur für kurze Zeit, ließ der Hundewiese mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Bei Gesprächen mit Passanten, die mein Projekt einer näheren Betrachtung unterzogen, konnte ich Reaktionen wahrnehmen die nicht unbedingt speziell mit der Hundewiese als solches zu tun hatten. Am Beispiel der Hundewiese ist sehr schön zu sehen, wie weit die Kontrolle und Reglementierung schon voran getrieben wurde. Wenn meine Hundewiese bei manchen einen kritischen Denkprozess angeregt oder bestätigt hat, sehe ich mein Projekt als gelungen an. Mein Dank gilt den Betreuern der Lehrveranstaltung, die uns in unserem kritischen Denken unterstützt und gefördert haben, was ein universitäres Studium zur Aufgabe hat. Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren. Benjamin Franklin Die Verbotspolitik der Stadt Graz hat inzwischen ein Ausmaß angenommen, das seinesgleichen sucht. Da die Verbote aber immer in kleine n Etappen vorangetrieben werden, was zur Folge hat, dass im Großen und Ganzen ein massiver Einschnitt in unser Leben und unsere Freiheit erfolgt, entzieht Sie sich der Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit. Der sukzessive Entzug der Selbstverantwortung führt dazu, dass sich immer weniger Menschen Gedanken machen und sich auf Gesetze oder Verordnungen berufen, die als wahr angenommen werden, ohne diese zu hinterfragen oder zu refl ektieren. Die Absurdität mancher Verordnungen wird bei näherer Betrachtung eindeutig. Dog(ma): die Hundewiese 35 Stefan Kral

Lukas Niedermayr Verschüttete Reflexionsaufgabe: die Mülldeponie Der gegenwärtige Zustand von ehemals aktiven Müllablagerungsplätzen ist meist ein eher idyllischer denn sie schaffen Freifl ächen im innerstädtischen Bereich, welche von Bebauung verschont werden (müssen). Die Tatsache, dass diese Idylle trügerisch ist, verrottet im gesellschaftlichen Gedankengut im Gegensatz zu den überschütteten und kaschierten Müllbergen zunehmends. Diese Arbeit konzentriert sich auf den individuellen, sozialen, ökonomischen und politischen Kontext der Entstehung einer Deponie. Der Begriff der Deponie stellt, ähnlich wie jener der Entsorgung, Anspruch auf Endgültigkeit und wird somit als Lösung eines Problems verstanden. Die Deponie suggeriert einen vorerst sicheren Raum für die Entsorgung von unangenehmem Abfall, wobei die Sorge bleibt und die Verantwortung an eine spätere Generation weitergegeben wird. Diese Annahme bestätigt sich im gegenwärtigen Trend des Urban Mining 1, das auch den Unterschied zwischen 37 den Begriffl ichkeiten von Depot und Deponie erahnen lässt, da hier die Rede ist von der Verwandlung der Deponie in ein Depot. Die temporäre Lagerung auf einer Deponie wird so per Defi nition ausgeschlossen. Sie könnte aber durch einen Refl exionsprozess in welchem der ehemalige Abfall als neue Ressource angesehen wird, ihre Endgültigkeit zumindest teilweise verloren haben oder verlieren, also zum Depot werden. Der oben genannte Trend resultiert aber nicht aus einem Aufarbeitungsprozess der Problemverdrängung, sondern aus der Knappheit der natürlichen Rohstoffe aufgrund derer man sich im wesentlichen auf die Erschließung neuer Resourcen konzentriert. Folglich ist es der konsumorientierte Lebensstil der westlichen Gesellschaft, der Druck auf die Handlungsfähigkeit des vorherrschenden Systems ausübt. Die Deponie bleibt also Ort der Ausgrenzung, was sich auch in ihrer Architektur und ihrer räumlichen Positionierung widerspiegelt. Die zeitgenössische Deponie befi ndet

sich an einem uneinsehbaren Ort abseits von städtischen Hochburgen der abfallproduzierenden Gesellschaft. Entstandene Entsorgungsstellen werden dadurch als stumme und unbeachtete Mahnmale ins Stadtinnere aufgenommen werden. Die Funktion der Deponie als Spiegel der Gesellschaft wird also unterdrückt oder (absichtlich) nicht wahrgenommen, obwohl oder gerade weil an ihr einige der wesentlichsten Probleme der kapitalistischen Ökonomie abgelesen werden könnten. Das Sauberkeitsideal der modernen Gesellschaft steht in direktem Widerspruch zur unrefl ektierten Abfallproduktion, welche durch Verdrängung kompensiert wird. Ansätze, die im Schutz der durch den Menschen gepeinigten Natur begründet sind, sind ein Resultat der Selbstwahrnehmung der Menschheit als ein Gegenüber der Natur. So hat die Deponie enormes Potential, die Menschheit und folglich auch die Ökonomie zur Refl exion aufzufordern, um die Kontroversitäten zwischen Lebensstil und Lebenbsraum zu harmonisieren. Anhand eines Gedenksteins für die geschlossene Mülldeponie Schotthof in der Brucknerstraße sollen die Menschen verstärkt darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein Großteil der Systeme unserer Zeit keine Kreisläufe sind. An den Grenzen dieser Systeme befi nden sich meist uneinsichtige Deponien. Das Desinteresse an diesen Orten und ihre örtliche und psychische Verdrängung erfordern eine offene und kritische Auseinandersetzung mit der Müddeponie. 1 Gebäude, Infrastruktur, Fahrzeuge (haben) eine begrenzte Lebensdauer, jede Stadt, jede Siedlung erneuert sich. Urban Mining meint im Prinzip, dass wir uns aus diesen Abfällen, die da entstehen, diesen Sekundärrohstoffen bedienen und dass wir sie zurück in den Kreislauf führen und wieder nutzen, so der Verfahrenstechniker im Interview mit ORF.at Verschüttete Reflexionsaufgabe 39 Lukas Niedermayr

1 Thondorf, Sattlerstrasse, Blick Richtung Osten Jasmin Neubauer 2 Feldkirchen, Warnhauserstrasse, Mühlweg, Gärtnerweg Grüne Mauern: die Thujenhecke Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Thujenhecke wie sie weit verbreitet in unseren Gärten vorkommt. Hecken als lebende Zäune, deren Aufgabe es ist, Leben und Besitz von Menschen in Vorstädten gegen den Blick von außen abzuschirmen. Im Laufe dieser Arbeit soll es einen Einblick darüber geben, wie sich die Hecke im Laufe der Zeit entwickelte, wo sie vorzugsweise eingesetzt wird, in Beispielen zeigen, wie weit die Hecke architektonisch in die Umgebung eingreift und sie aktuell wieder mehr an Bedeutung gewinnt, obwohl sie als Thuje langsam wieder verschwindet. Geschichte der Hecke Die geschnittene Gartenkunst hat eine lange Tradition. Erzählungen und Texten aus dem alten Rom zufolge kann davon ausgegangen werden, dass die geschnittene Gartenkunst bereits von den Römern praktiziert wurde. Auch in der Renaissance wusste man um den hohen gestalterischen Wert geschnittener Hecken. Die Einheit von Haus und Garten, die Übertragung der äußeren Gebäudelinie auf den Garten, standen im Mittelpunkt der Gartenkunst. Auch in den Barockgärten feiert die Heckenkunst ihre großen Triumphe. Im 19. Jahrhundert verloren Hecken als Gestaltungselement an Bedeutung, doch im 20. Jahrhundert wurden Ihre Möglichkeiten wieder neu entdeckt. Der Englische Garten bzw. die Gartenkunst waren hierbei wichtige Wegbereiter. Auch in der aktuellen Garten- und Landschaftsarchitektur kommt geschnittenen Hecken eine zentrale Bedeutung zu. Sie gliedern Gärten und Parks in einzelne Räume und rahmen Grabfelder auf Friedhöfen. Sowohl im Schrebergarten als auch im Villengarten schätzt man die Hecke als gestalterisches Mittel zum Schutz von Privatsphäre. Die geschnittene Hecke als Entwurfselement Hecken haben, wie architektonisch die Mauern, raumbildende Funktionen. Die geometrischen Formen der Hecken steigern den Reiz freiwachsender Bäume und Sträucher in der Nachbarschaft, geben Staudenpfl anzungen einen ruhigen Hintergrund und erhöhen deren dekorative Wirkung. Hecken gliedern den Garten und Freiraum, geben ihm Struktur und Gesicht. Vor allem im Winterhalbjahr, wenn es sonst kaum Reize gibt, kann die Hecke entscheidende Akzente setzen. Neben dem Vorteil der klaren Raumbildung und der damit verbundenen Schaffung von Intimität bieten Heckenräume auch Windschutz und sind deshalb in windreicheren Gebieten besonders geschätzt. Die Thuje - Herkunft, Vorkommen, Verbreitung Thujen sind Zypressengewächse, die als immergrüne Bäume oder Sträucher wachsen. Der Name Thuja geht (ebenso wie der Name des Thymians) auf das griechische Wort thýein (= Rauchopfer darbringen) zurück. Die Gattung Thuja ist in Ostasien und in Nordamerika beheimatet. 41 Seinen Namen Lebensbaum bekam der Thuja auf folgende Weise: Jaques Cartier, ein französischer Entdecker und Seefahrer segelte 1534 mit zwei Schiffen nach Neufundland. Als er 1535 den Sankt Lorenz Strom hochsegelte litt seine 100 Mann starke Besatzung unter Skorbut, einer damals noch unbekannten Krankheit. Indianer vom Stamm der Huronen zeigten Cartier, dass man aus der Rinde von Thuja einen sehr Vitamin-C-reichen Tee zubereiten kann, der die Krankheit seiner Männer schnell heilte. Daher nannte Cartier den Baum Arbor vitae, zu Deutsch: Lebensbaum. 1 1536 wurde der Abendländische Lebensbaum nach Europa eingeführt. Hierzulande zählte er neben dem Buchs und der Eibe zu den beliebtesten Pfl anzen für die Gestaltung des Gartens. 1800 Kilometer, von Wien bis nach Madrid, würden allein die Thujenhecken in Niederösterreich reichen, reihte man sie aneinander. (Quelle: Umweltberatung Niederösterreich, berechnet vor 10 Jahren.) Insbesondere Zweigspitzen, Holz und Zapfen sind durch ein enthaltenes ätherisches Öl sehr stark giftig und können bei empfi ndlichen Personen Hautreizungen verursachen. Oral in ausreichender Menge aufgenommen kann das Gift tödlich sein! In vielen Gemeinden sind Thuien daher bereits verboten, nicht zuletzt auch wegen der Tatsache, dass man heimischen Pfl anzen Vorrang geben möchte. Die Thujen haben eine vielseitige Bedeutung in freier Natur, im Garten, Park und in der Stadt: - als freistehender Baum - als Skulptur Die Hecke - als Sichtschutz von außen (immergrün, schnellwachsend) - als Abgrenzung von Grundstücken und natürlicher Zaunersatz ( lebende Zäune ) - als Schutz vor Zugluft - als Schutz vor Winderosion und Sturmschäden, speziell in freier Landschaft - zur Luftreinigung: Filterung von Abgasen und Staubschutz - als Lärmschutz und Lärmminderung (z.b. an Straßen) Die Thujenhecken als Phänomen der urbanen Peripherie Am Beispiel von Einfamilienhaussiedlungen in Feldkirchen und Thondorf bei Graz wird eindrucksvoll ersichtlich, in welchem Ausmaß die Thuje erstrangig als Hecke gepfl anzt wurde (Abb. 2). Zwei Typen von Bewohnern lassen sich hierbei deutlich ablesen. Einerseits der Isolierte, der die komplette Intimität und Abgeschiedenheit bevorzugt und sich nicht nur stra-

ßenseitig, sondern auch zum Nachbarn hin abschottet. Auf der anderen Seite der zum Nachbarn hin offenere Typ, der die Hecke jedoch straßenseitig als Sicht-, Lärm- und Schmutzschutz pfl anzt. Phänomenologie : hortus conclusus - der geschlossene Garten Dieser Typus des Bewohners, der verschlossene, sich abgegrenzte, bevorzugt eine bewusste Isolation und Blickschutz von allen Seiten. Es besteht eine klare Trennung der Innen- und Außenwelt. Die Sehnsucht nach Intimität ist vorherrschend. Im Luftbild (Abb. 3) wird der ringsum mit Thujenhecken umschlossene Garten deutlich erkennbar. Thujen werden ebenso 90 versetzt in der Einfahrt gepfl anzt, um kompletten Sichtschutz zu gewährleisten. Am Grundstück selbst wurde eine ca. 2 Meter lange Thujenhecke gesetzt, um die Menschen im Pavillon vor den Blicken der Spaziergängern oder Autofahrern zu schützen. Am Beispiel in Thondorf (Abb. 3) wird ebenso wie in Feldkirchen eindrucksvoll ersichtlich, in welchem Ausmaß die Thuje erstrangig als Hecke gepfl anzt wurde. Im Gegensatz zu Feldkirchen wird die Hecke hier fast ausschließlich straßenseitig gepfl anzt. Zum Nachbarn hin zeigt man sich hingegen hier viel offener. Sie wurde nur als Sicht-, Lärm- und Schmutzschutz gepfl anzt. Hier sieht man auch noch deutlicher die Wirkung der Thujenhecken auf den Straßenraum. Sie schaffen einen eigenen Raum, grenzen deutlich Privates von Öffentlichem ab und erzeugen Tiefe. (Abb. 1) Abschied der Thujenhecke Lange Zeit stand der Garten in Österreich unter dem Vorbild des englischen Gartens. Kurz geschnittene Rasen, umzäunt von geradlinig geschnittenen Hecken, galten als Charakteristikum für die österreichische Gartenkultur. Allmählich ist die über Jahrzehnte hartnäckig gehalten Thuje neuerdings ein passendes Symbol einer darniederliegenden Gartenkultur in Österreich: Düster-dichte, immergrüne Hecken, die fremde Blicke aus dem eigenen Garten aussperren, eine blütenlose Mauer, an der sich keine Insekten ernähren und kein Leben gedeihen kann. Ist sie mittlerweile in vielen Gemeinden verboten, wird sie mancher Orts immer noch gerne als klassische Einfriedung des Einfamilienhauses gewählt. Dennoch lässt sich feststellen, dass in vielen neugebauten Gebieten die Thujenhecke längst der Vergangenheit angehört und sie in ihrer Form am häufi gsten nur mehr in den Siedlungen zu fi nden ist, die in den 70er und 80er Jahren gebaut wurden. Privatheit ohne Thujenhecke Ein weiterer Trend sei ein Bedürfnis nach Abgeschiedenheit, nach Privatheit: Die offenen Designergärten, die aus nicht viel mehr als zwei Buchskugeln bestanden haben, sind nicht mehr Mainstream, so der Gärtner Reinhard Kittenberger. Hecken sind wieder im Kommen, pfl ichtet ihm Elisabeth Koppensteiner, Gartenberaterin der niederösterreichischen Umweltberatung, bei: Die Leute kommunizieren heute so viel, da wollen sie sich einfach ein paar Stunden im Garten abschotten können. Also ein Comeback der Thujen? Eine Gefahr, wieder ins Einkasteln der vergangenen Jahrzehnte zurückzufallen? Nein, erklären die Gartenplaner unisono gefragt seien heute blühende, lebendige Hecken, die nicht nur Sichtschutz, sondern auch Naturerlebnis bieten. Zwischen deren Hainbuchen oder Holundern sich auch allerlei Nützlinge einfi nden könnten. 2 (Abb. 4) Conclusio Die Hecke ist ein weit in die Geschichte zurück reichendes Element der Kunst von Landschaft-, Garten-, und Parkgestaltung. Ein Phänomen, welches sich in jeder geschichtlichen Epoche einmal mehr oder weniger an Bedeutung erfreut. In den 70er und 80er Jahren erfuhr die Hecke aus Thujen enormen Aufschwung in der Gartenlandschaft, speziell in den Umlandgemeinden der Städte. Auch wenn die Thuje heute an Bedeutung verloren hat, ja sogar in vielen Gemeinden verboten wurde, erfüllt sie dennoch die Rolle eines Raumes der Gegenwart. In unserer schnelllebigen Gesellschaft des 21. Jhd., in der lange Bürozeiten und der damit oft verbundenen wenigen Freizeit, social medias und der ganzen Hektik der Zeit den Wunsch und Drang nach Anonymität und Zurückgezogenheit mit sich bringt, ist die Thujenhecke ein Synonym für all diese Wünsche. Man will sich in seinen vier Wänden, sei es im Haus oder außerhalb, zurückziehen können, die Ruhe genießen und einfach abschalten ohne den Blicken oder Redelust des Nachbarn ausgesetzt sein zu müssen. Diese Thematik verspürt man heute vermutlich noch viel deutlicher als man sie damals vor 30 Jahren wahrgenommen hat. Anmerkungen: 1 http://www.martin-dieck.herrenkampergaerten.de/wordpress/ 2 Georg Renner / Jutta Sommerbauer, Abschied von der Thuienhecke, in: Die Presse, 29.08.2009, diepresse.com 3 Feldkirchen, Gärtnerweg, Luftbild google maps 4 Luftbild EFH Hausmannstätten, google maps Grüne Mauern: die Thujenhecke 43 Jasmin Neubauer

Vinzidorf, Graz Vinzidorf, Graz Edita Radeljas Containerization Container sind hauptsächlich Behältnisse im Transit, ihre Bestimmung der Transport. Erfunden wurden sie im Jahre 1937 vom Spediteur Malcom McLean. Die Stahl-Box erhielt Normierungen und Standardisierungen und hat seitdem die Maße 6058 x 2436 x 2591 Millimeter. Durch diese Containerisierung wurden die Transportkosten gesenkt und das Transportaufkommen stieg exponentiell an. Danach kam man auf die sekundäre Nutzung. Mit dem Container konnte auch die Idee des mobilen Wohnens, bzw. die Idee der Raumzelle verwirklicht werden. Raumzellen, die vollständig vorproduziert und eingerichtet sind und bewegliche Gebäudeeinheit darstellen. Als Vorbild nahm man die Autoindustrie, welche die ersten Erfolge mit den trailer couches hatte. Wegen der damaligen Wirtschaftskrise wurden die 45 Wohnwägen zur Behausung der Arbeitslosen. Die einheitlichen Maße des neuen Containers erwiesen sich als erfolgreich und durch weltweit vorhandene Verladestellen war es auch möglich, die Raumzellen kostengünstig herzustellen. Am Anfang wurden noch alte Container mit einfach aufgeschnittenen Öffnungen für Fenster und Türen, später wurden neue Container aus leichtem Material produziert. Heute werden die Container für Bürosysteme, Ausstellungen und Unterkünfte verwendet, jedoch mit neuen Fassadenelementen, um den Container-Charakter zu verstecken, oder auch mit Innenausbauten. Der Trickfi lm Containerization beinhaltet drei Beispiele in der Steiermark.

Commod House, outside, Graz, 2013 Tamara-Frisch Genussregal-11- Vinofaktur Vogau, Steiermark, BWM-Architekten-und-Partner-1315 2011 Commod House Genussregal Containerization 47 Edita Radeljas

Thomas Plesiutschnig Die mobile Sauna Der Ort für Wellness und Spaß hat sich gewandelt - von einem sozialen Treffpunkt hin zu einem Ort der funktionalen Entschleunigung, einem symptomatischen Raum der Gegenwart in einer Welt, in der die Selbstentlastung zur gesellschaftlichen Pfl icht geworden ist. Er erfüllt heute die Aufgabe kurzfristiger Entspannung, schneller Regeneration, Heilung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit für noch höhere, effi zientere Produktivität und verhindert Zivilisationskrankheiten wie Burnout oder Depressionen. Als Ort des legitimierten Nichtstuns wird er in unserer heutigen Zeit, in der Stillstand und Ineffektivität als Übel betrachtet werden, gleichzeitig aber die gesellschaftliche Pfl icht sich gesund, fi t, und leistungsfähig zu halten herrscht, immer notwendiger und gleichzeitig immer mehr. Man hat sich mit dem Übertreten der Schwelle gleichsam freigekauft, die Erlaubnis erlangt, nichts zu tun und schnell ein bisschen glücklich zu sein. Der Wellnessbereich wurde also von einem Raum der gemeinschaftlichen Aktivität zu einem Raum der vermeintlichen Entspannung, der Beschleunigung und der Ressourcenvermehrung, welcher 49 dazu dient, das System noch weiter anzutreiben. Mit der mobilen Sauna wird der Gegenwartsraum für Wellness und Spaß entortet und am Ort des Geschehens sichtbar gemacht. Sie verlässt ihren gewohnten Kontext, die Mauern der Wellnesstempel in der Peripherie, und taucht unerwartet in der Öffentlichkeit, an einem belebten Ort auf. Sie provoziert durch ihre Präsenz in einer Umgebung, die durch Geschwindigkeit, Effi zienz, und Anonymität geprägt ist, mit den gegenteiligen Qualitäten Ruhe, Entspannung und Privatheit. Die Provokation soll nicht aus dem in die Jahre gekommenen Prinzip Nackt in der Öffentlichkeit bestehen, vielmehr soll sie sich spielerisch mit den Themen Privatheit versus Öffentlichkeit, dem Wunsch und Bedürfnis nach dem Nichtstun und der Gemeinsamkeit auseinandersetzen. So lässt ein negativer Zensurstreifen auf Kopfhöhe der Saunagäste Einblicke von Außen und Ausblicke von Innen zu. Durch die Mobilität der Sauna ist das Glück nicht mehr ortsgebunden.

Pia Pöllauer Discounter für einen Tag: das akk Discounter äußern sich meist in gleicher Art und Form. Sie besitzen große vorgelagerte Parkplätze, einen Standort außerhalb des Stadtkerns und sind durch große Werbetafeln gekennzeichnet. Die Gestaltung des Raumes ist einfach und bedingt einen hohen Wiedererkennungswert. Die Anordnung ist meist gleich, die Beschilderung klar und die Warenpräsentation bescheiden, welches einen unordentlichen, fast ramschigen Eindruck hinterlässt. Es handelt sich hierbei um kein Erlebnisshopping, sondern um einen Absatzmarkt des Massenbedarfs. Eigenmarken und ein kleines Sortiment sind wichtige Bestandteile des Discounters. Der Discounter bestimmt sich als ein Raum der Gegenwart durch seine Ausdrucksweise, welche dem Kunden die günstige Preispolitik vermittelt. Architektur, Materialien, 51 Logos, Schilder, Farben, Warenpräsentation etc. konnotieren günstige und schnell verfügbare Waren. Der Kunde wird durch diese Mittel im Verkaufsprozess unterbewusst beeinfl usst, da der Discounter den Begriff billig kommuniziert. Dahinter steckt eine Vermarktungsstrategie, der Preis - und Zeitkampf am Markt wird bewusst und das Zusammenspiel zwischen Gesellschaft und Wirtschaft wird durch den Discounter zu einer gebauten Wirklichkeit. Er ist Ausdruck einer neoliberalen Wirtschaftspolitik und des weiteren ein Beispiel für aktuelles Marketing. Diese Art der Vermarktungsstrategie wurde in diesem Projekt umgesetzt; eine Verbindung zwischen Wirtschaft und Universität wurde hergestellt. Das Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften an der TU Graz

wurde zu einem Discounter, indem dessen Produkte in die Präsentationsform des Discounters übersetzt wurden. Durch eine graphische Auseinandersetzung mit der Präsentationsweise des Discounters wurde jene Ausdrucksweise auf eine universitäre Einrichtung übernommen und auf ihre Themen umformuliert. Zum Verkauf werden hier Publikationen, Veranstaltungen, Exkursionen und Lehrpersonal angeboten. Die Angebote der Universität, werden durch die Sprache des Discounters in einen anderen Kontext gerückt. Der kritische Aspekt der Vermarktung akademischer Disziplinen wird überspitzt dargestellt. Als Präsentationsform wurden Plakate, Beschilderungen und Prospekte gewählt, welche das Institut für einen Tag in einen Raum der Gegenwart verwandelten. Discounter für einen Tag: das akk 53 Pia Pöllauer

Mit welchen Verkehrsmitteln nutzen Sie den Shared Space? Maria Schabernig Shared Space am Beispiel Villach 55 Die ersten Entwü rfe des heute weltweit bekannten Systems Shared Space wurden in den 1990er Jahren vom Hollä nder Hans Modernmann gemacht. Der Begriff selbst stammt vom britischen Verkehrsplaner Ben Hamilton-Baille. Der Shared Space soll den Verkehrsraum um einiges lebenswerter machen sowie den bereits bestehenden Verkehrsfl uss verbessern. Die Grundidee entwickelte sich daraus, dass es heutzutage eine regelrechte Ü berschilderung gibt, welche es den VerkehrsteilnehmerInnen nicht immer leicht macht, sich richtig zu verhalten oder auf der Straße zurecht zu fi nden. In einem Shared Space wird auf sä mtliche Verkehrszeichen, Signalanlagen oder Bodenmarkierungen verzichtet; einzig die Rechtsregel bleibt erhalten. Mit Hilfe dieser Maßnahmen versucht man den Verkehr aus dem Vordergrund zu nehmen, um eine Gleichberechtigung fü r alle VerkehrsteilnehmerInnen zu schaffen. Durch das Aufl ö sen der Verbote entsteht ein vö llig neues Raumgefü hl, welches ein Miteinander von sozialem Leben, Verkehr und auch Kultur schaffen soll. Durch Café s, Geschä fte oder auch durch eine Gestaltung mithilfe von Sitzmö beln in grellen Farben werden Fußgä nger zum Flanieren und Verweilen eingeladen. Da in einem Shared Space das Tempo der AutofahrerInnen reduziert wird, kommt es auch automatisch zu einer Lä rmreduzierung, was sich ebenfalls positiv auf die Lebensqualitä t der Benutzer und Einwohner auswirkt. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung zä hlen Shared Spaces zu sehr sicheren Verkehrskonzepten. Durch das Fehlen von Schildern wird man gezwungen, stä ndigen Blickkontakt mit anderen VerkehrsteilnehmerInnen zu suchen. Auch der natü rliche Instinkt wird in diesem Fall angeregt, in dem man wieder lernt, aufeinander Rü cksicht zunehmen. 1 Ich habe für das Projekt den Shared Space Villach ausgewählt, welcher im Oktober 2012 eröffnet wurde und mittlerweile bereits mit dem Walk Space Award ausgezeichnet wurde und somit zu den besten 10 Projekten Österreichs zählt. Da der Shared Space auch mitten in der Innenstadt, zwischen Bahnhof und Hauptplatz, liegt, wird er auch tä glich sehr stark von sä mtlichen Altersgruppen frequen-

Wird das Shared Space Ihrer Meinung nach angenommen? tiert. Einzig die noch immer geradeausfü hrende Fahrbahn ist vielleicht etwas ungewö hnlich; jedoch gibt es auch hier alle paar Meter eine Unterbrechung mittels Ü bergä ngen und Sitzgelegenheiten. Die Gesamtkosten fü r dieses Projekt betrugen 930.000 Euro. 2 Anhand dieser Arbeit soll sich also herausstellen, wie der Ort von der Bevölkerung angenommen wird und wie mit der veränderten Verkehrssituation umgegangen wird. Aus diesem Grund habe ich neben meinen persönlichen Beobachtungen, dem Aufzeichnen des Verkehrsfl usses und der Dokumentation mittels Photos auch eine Meinungsumfrage mit insgesamt 70 TeilnehmerInnen vor Ort durchgeführt. Besonders interessant ist es auch zu sehen, wie viele Menschen die Bahnhofstraße ohne Vorkenntnisse als Shared Space erkennen würden. Am Ende der Arbeit soll sich also herausstellen ob sich dieser Ort fü r einen Shared Space eignet und auch gut von der Bevö lkerung angenommen wird oder ob das Konzept in der Realitä t vielleicht doch nicht so funktioniert wie in der Theorie beschrieben. 1 vgl. http://www.sharedspace.at 2 vgl. http://www.villach.at/inhalt/29_184528.asp Durch das Auflösen der Verbote entsteht ein völlig neues Raumgefühl. Würden Sie diesen Platz als Shared Space erkennen? Shared Space am Beispiel Villach 57 Maria Schabernig

Severin Pichler Eine Arbeit über die Nachnutzung von Luftschutzräumen für kulturelle Einrichtungen am Beispiel des Grazer Schlossberges und die damit verbundene Bewusstwerdung der Faszination des Ortes. Im markantesten Punkt der Grazer Stadtlandschaft, dem Schlossberg, gibt es zwischen Transit, Stein, Beton, Glas, Stahl und Kunstlicht einen Ort der Ruhe und der Menschenleere, der jedoch gleichermaßen extrem laut sein kann und so dermaßen mit sich bewegenden Menschen gefüllt ist, dass das Innenraumklima tropische Züge annehmen kann. Was an diesem Ort fesselt den Besucher? Ist es seine Geschichte? Ist es der Widerspruch aus seiner unscheinbaren, natürlichen äußeren Erscheinung und dem technoiden, streng geplanten Inneren? Sind archaische Elemente, welche unsere ureigensten und ältesten Mechanismen in Gang setzen, Schuld an der in uns ausgelösten Bewunderung beim Erleben dieses Ortes, oder sind es bloß Banalitäten wie Querschnittsgeometrien, Oberfl ächenbeschaffenheit, die Lichtstimmung und die Möglichkeit zur schnelleren Durchquerung der Stadt? Medizinische und psychologische Aspekte des Bauens unter der Erde Bewohner von Städten müssen sich mit einem Lebensraum zufrieden stellen, welcher immer knapper und lauter wird. Sie leben in einer reizüberfl uteten Umgebung und streben daher oft die Flucht in eine bunte Welt der Ablenkungen an und suchen dort den nötigen Abstand. Andere hingegen ziehen sich zurück um ihre innere Balance zu halten. Laut Freud sind wir im zweitgenannten Zustand auf 59 der Suche nach dem Mutterschoß, wir sind auf dem Weg zurück in den Bauch der Mutter Erde. Dieses Sich-geborgen-Fühlen und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf Körper und Psyche nutzten die Medizin und die Psychotherapie in unterirdischen Anlagen. In der Tiefenpsychologie existiert in diesem Zusammenhang der Begriff der Tunnelangst und meint, dass wir diesen Ort nicht nur wegen seiner typischen Erscheinung merkbar fi nden; er ist ebenfalls eine Zone, in welcher Angst unser ständiger Begleiter ist. Die Angst vor Beklemmung, Angst vor Zusammenstößen, Angst vor Luftmangel, Angst vor Feuer und Materialeinbruch. 1 Zum Begriff der Terratektur Während unserer Laufbahn an der Architekturfakultät wird stets in die Höhe gedacht, wir Hochbauer sind es gewohnt Gebäude zu errichten und in Stand zu halten. In eine Richtung getrimmt fehlt uns das Erkennen der Möglichkeit über das Bauen im Stein und im Erdreich, das Bauen der Höhlen, Stollen und der Räume unter der Erde. 2 Dieses wenig beachtete Feld in der Architektur heisst Lithotektur oder Terratektur und liefert einen anderen Zugang zur Lösung von Bauaufgaben. Das Augenmerk liegt auf den tief in uns verwurzelten Gefühlen und Bedürfnissen der Geborgenheit und des Bei-sich-Seins. Terratektur lässt uns anders denken und verstehen. Diese Strömung will unsere in eine Richtung ausgebaute Phanta-

sie hinterfragen lassen. Sie gibt uns die Möglichkeit, tiefer in uns zu sein, unsere Sinne zu schärfen und Erfahrungen aus der Oberwelt anders zu betrachten und anders umzusetzen. Terratektonische Bestandteile des Schlossbergstollensystems Wenn man den Schlossberg im Inneren betritt, so befi ndet man sich in einer Raumabfolge, welche eine Überlagerung und Verschmelzung einiger Urbilder darstellt: Tunnel: Sind ein an die Größe des Menschen und dessen Transportmöglichkeiten ausgerichtetes horizontalzylindrisches System mit einem klaren Anfang und einem eindeutigen Ende. Sie versinnbildlichen den Fortschritt und machen das mysteriöse und verborgene Innere eines Berges durch die Erfahrbarkeit menschlich. Der Tunnel ist jedoch gleichzeitig ein Ort des Unbehagens, denn er kann in uns Gefühle der Aussichtslosigkeit und der Angst vor einem Zusammenbruch oder einer Kollision hervorrufen. Er ist aus einem Material, monolithisch, und erfährt seine Texturierung durch die Bohrmethode und Verkleidungstechniken sowie durch die Art der Innenausstattung und den damit verbundenen infrastrukturellen Maßnahmen. 3 Licht: Es spielt die leise Hauptrolle in der Architektur und muss mit Erfahrung dosiert und gezielt eingesetzt werden um Gefühle jeglicher Art zu verstärken. Erst durch die Beleuchtung wird Interesse geweckt, immerhin zeigt sie die Oberfl äche und seinen Verlauf, nimmt Angst, oder verstärkt diese. 4 Eingang: Die Pforte zum unterirdischen Gebilde sollte ebenerdig und leicht zu Erreichen sein. Ist sie freundlich oder kryptisch ausgebildet, wird die Spannung beim Besucher erhöht, was sich wohl dahinter verbergen mag. 5 Grotte/Höhle: Die Grotte ist eine naturgeformte Aushöhlung des Steines, die Höhle ein vom Menschen geschaffenes Gebilde. Beide stellen ein sehr ähnliches Raumgefühl her, denn sie sind nur von Innen erlebbar, von außen erfährt man kaum etwas über ihre Existenz. Sie ist Sinnbild für das Unheimliche und Komplizierte und ein Ort der über Leben und Tod entschied, aber auch eine Stelle welche Schutz bietet und dem Verlangen nach Verinnerlichung gerecht wird. Die Einheit und Formbarkeit des Materials Stein bestimmt wesentlich den Charakter der Höhle. Wird jedoch die Höhle aufgelöst, indem man ihr die Schwere durch Abnahme der Decke nimmt, so ist ihr Bann gebrochen und die Faszination genommen. 6 Struktur: Sobald man unterirdischen Raum schafft, kommt sehr fundiertes Wissen über die gewählte Bohrmethode, die Morphologie des Gesteins und die Statik der wirksamen Elemente zum Einsatz. Das Gestein im Zusammenhang mit der entwickelten Struktur gibt schlussendlich den Rahmen für das Erlebnis vor. 7 comm.gr2000az, der Startschuss zur Renovierung im Berg Da es im Zeitraum von 1950 bis 2000 zu keinem Ausbau für kulturelle Einrichtungen in Graz gekommen ist, war bei manchen Menschen der Wunsch groß, einen Ort zu schaffen, der die Gegenwartskunst thematisiert und eine Drehscheibe für lokale, regionale und internationale Kunstproduktion darstellt, ähnlich wie das ARS Electronica Center in Linz, das Dia-Center in New York oder das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Richard Kriesche, der Vater des Dom im Berg, wollte hiermit eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen, einen intelligenten Raum schaffen, welcher informiert, mit dem Besucher interagiert oder über welchen die Benutzer kommunizieren. 8 Dabei hat man bewusst auf eine symbolträchtige Protzarchitektur verzichtet, man wollte vielmehr eine offene Systemarchitektur anlegen, welche den Einfl uss, den die Computertechnologie auf unsere Gesellschaft hat, verdeutlicht und diesem Trend folge leisten kann. Auch war er als Versuchsraum gedacht, der ein Beispiel liefern soll, wie man die Thematik der Kultur des Elektronischen und Telematischen und deren medialer Verknüpfung aufzeigen kann. Graz sollte kein Opfer der globalen gesellschaftlichen Veränderung sein und diese tatenlos hinnehmen, sondern Raum schaffen für die Sichtbarmachung von Leistungen welche den Alltag mitbestimmen, aber unsichtbar sind. 9 Richard Kriesches Bestreben war es also, die Trends der Zeit nicht zu verleugnen, sondern sie sichtbar und erlebbar zu machen. Konkret ging es ihm um die Vernetzung der Begriffe Biospähre mit der Technosphäre. Er wollte die soziale Veränderung im postmechanischen Zeitalter durch die Automatisierung darstellen. 10 Der Dom im Berg war in erster Linie als Ausstellung und als Informations- und Kommunikations environment gedacht, sollte zusätzlich Graz aber auch als Wissenschafts-, Forschungs-, und Kulturstandort im globalen Wettbewerb neupositionieren und somit als Markenzeichen und Gütesiegel der Hochleistungsintelligenz in der globalen Kommunikation im symbolischen Zentrum der Stadt Graz, dem Schlossberg, integriert werden. Für Kriesche ist der Berg ein Ort in dem Stadt entsteht, vergleichbar mit der Akropolis in Athen, indem es ihm gelungen ist, ein natürliches Fragment inmitten der Stadt zu schaffen. Dieses Fragment sollte 46 Jahre nach der Erbauung wieder sozialisiert werden. 11 Erst durch die Modernisierung geringer Teile des Schlossbergtunnelsystems mit der Schaffung des Dom im Berg mit seinen Folgeeinrichtungen, wurde das Innere des Schlossberges zu einem Raum der Gegenwart gemacht, indem die Kunst der Gegenwart, als höchstes Ausdrucksmittel der Entwicklung, ein Zuhause fand. 1 Vgl. Vorstandlechner 1994, 8. 2 Vgl. ebda., 3. 3 Vgl. Zoelly 1989, 107 f. 4 Vgl. ebda., 123 f. 5 Vgl. ebda., 137-139. 6 Vgl. ebda., 33-37. 7 Vgl. ebda., 75-77. 8 Vgl. Kriesche 2000, 24 f. 9 Vgl. ebda., 24. 10 Vgl. ebda., 25 f. 11 Vgl. ebda., 22. Literatur Konrad Helmut, Richard Kriesche(Hg.): Kunst-Wissenschaft-Kommunikation. comm.gr2000az, Wien 2000 Vorstandlechner, Sylvia: Gesamtkonzept für den Ausbau der Grazer Schloßbergstollen. Eine lithotektonische Vernetzung, Dipl.-Arb. TU Graz 1994 Zoelly, Pierre: Terratektur. Einstieg in die unterirdische Architektur, Basel 1989 Nachnutzung von Luftschutzräumen 61 Severin Pichler

Anne Schlebbe Das Hospiz Mit dieser Studienarbeit wurde durch die Analyse von ausgewählten stationären Hospizen untersucht, in welcher Form das stationäre Hospiz einen Raum der Gegenwart darstellt. Das Sterben und der Tod werden heute stets mit einer gewissen Ambivalenz verbunden. Einerseits ist der Tod ausnahmslos jedem Menschen gewiss, andererseits löst er jedoch gleichermaßen Unsicherheit und Befremdung aus. Ein Ort, wo sich diese Problematik zu manifestieren scheint, ist das Hospiz. Obwohl der Wunsch zu Hause zu sterben von der Mehrheit der Menschen geteilt wird, entspricht dies zur Zeit weniger der Realität. Vielmehr stellen Pfl egeheime und im besonderen Krankenhäuser das Umfeld dar, in dem Betroffene und Angehörige dem Tod begegnen. 1 In vielen Fällen geht dem Tod eine lange Phase von schwerer Erkrankung voraus. Doch wenn schließlich alle Maßnahmen ausgeschöpft sind und eine Heilung ausgeschlossen ist, bietet das nach dem Heilsanspruch arbeitende Gesundheitssytem kaum Raum für das Sterben. Seit wenigen Jahrzehnten entstehen daher aus einem humanistischen Anspruch heraus sozial motivierte Initiativen, die diesen Raum schaffen wollen, der im Hospiz seinen Ausdruck fi ndet. 2 Der gesamtgesellschaftliche Wandel der Demographie und der familiären Strukturen beeinfl usst jede Form der sozialen Arbeit nachhaltig. Diese Entwicklungen können als Ursache bewertet werden, welche den Bedarf an stationärer Sterbebegleitung entstehen ließen. Die Ansprüche und Leitbilder der Hospizarbeit setzen ebenfalls ein grundlegendes gesellschaftliches Umdenken voraus. Das ganzheitliche Verständnis des Menschen im Rahmen der Betreuung verdrängt zunehmend die dezidierte Betrachtungsweise unterschiedlicher Teilaspekte. Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht nur der ganzheitliche Betreuungsanspruch im Hospiz dar, sondern ebenso die Gestaltung der Hospizarchitektur. Anforderungen einer medizinischen Behandlungseinrichtung des öffentlichen Systems werden mit sozialen Bedürfnissen verbunden. Hierbei werden sowohl der Wunsch des Einzelnen nach Privatssphäre, als auch die Bildung von sozialer Gemeinschaft durch räumliche Strukturen berücksichtigt. Neben der Betonung von Gemeinschaft spielt ebenso ein Wandel im Verständnis der sozialen Verantwortung eine Rolle. Zunehmend kooperieren unterschiedliche Institutionen und Organisationen im Rahmen der gegebenen Strukturen. Beim Hospiz wird dies in der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und lokalen Hospizvereinen deutlich. Die Form der Zusammenarbeit folgt hierbei dem Netzwerkgedanken, der öffentliche und freie Akteure verknüpft. Dieser Gedanke entspringt jedoch nicht nur dem Ideal von Partizipation und Austausch. Vielmehr verweist er ebenso auf Aspekte der Wirtschaftlichkeit, mit dem Anspruch Ressourcen optimal auszunutzen und die Effi zienz der einzelnen Abläufe 63 zu erhöhen. Ablesbar wird diese Ökonomisierung ebenfalls in einer zunehmenden Professionalisierung der sozialen Arbeit. Im Hospizwesen spielt die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter eine zentrale Rolle, nicht nur zur Qualitätssteigerung der offerierten Dienstleistungen, sondern auch zur Flexibilisierung der einzelnen Arbeitskräfte. Schließlich manifestiert sich im Hospiz nicht zuletzt das Verständnis vom Sterben. Der Tod bleibt auch im Rahmen der institutionellen Realität dem privaten Raum vorbehalten. Dieser Umstand wird zudem vom Prozess der Individualisierung begleitet, der auf der Pluralisierung kultureller und spiritueller Werte auch außerhalb religiöser Kontexte innerhalb der heutigen Gesellschaft basiert. Die kulturelle Identität wird weniger durch gesellschaftliche Konventionen vorgegeben, vielmehr wird sie aktiv vom Einzelnen geschaffen. Dies wird daher auch durch vielfältige Symbole und Rituale der Sterbe- und Trauerbegleitung deutlich. Das Sterben und die Trauer beschreiben weniger einen gesellschaftlichen Status, vielmehr wird die individuelle emotionale Verfassung des Betroffenen betont. Das Ideal der Selbstbestimmung, welches hier wahrnehmbar wird, impliziert ebenso eine Wandlung zum Selbstbezug mit der Herausforderung, diese Phasen des Lebens aktiv gestalten zu müssen. Doch gerade die Vielfalt und die Widersprüche, die im Hospiz erfahrbar werden, machen das Hospiz zum Raum der Gegenwart. Pluralität und Ambivalenz in einem Raum zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, welche in gleicher Weise prägend und relevant für die heutige Gesellschaft sind. 1 Pollak, Karin: Das Beste zum Schluss. Wie und wo Menschen sterben, in: der Standard, 31.10.2013, Online unter: http://derstandard.at/1381370214770/das-beste-zum- Schluss-Wie-und-wo-Menschen-sterben (Stand 19.1.2014) 2 Höfl er, Anne Elisabeth: Die Geschichte der Hospizbewegung in Österreich. Zukunft braucht Vergangenheit, Forschungsbericht, Wien 2001.

Dorothea Hamann Ein Betrieb, zwei Blickwinkel: die Massentierhaltung In den letzten Jahrzehnten wandelte sich die Produktion von tierischen Lebensmitteln zunehmend von einem arbeits- und personenintensiven Gewerk zu einem modernen Produktionszweig mit hohem Mechanisierungs- und Automatisierungsanteil durch hochtechnisierte Stallsysteme. Im Mittelpunkt steht auch hier, wie in jedem Wirtschaftsbetrieb, das Ziel durch stetige Optimierung der Produktionsfaktoren so günstig wie möglich mit einer hohen Qualität zu produzieren und den Ertrag zu steigern, um am Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Die Einführung von Automatisierungstechnik, wie u.a. Melkrobotern, geht einher mit einer innerbetrieblichen Umstrukturierung. Es kommt zur Veränderung der Beziehung zwischen Produzent und Tier. War vorher die ständige direkte Abhängigkeit durch festgeregeltes, täglich zweimaliges Melken durch die Arbeiter im Melkstand vorhanden, so werden diese fi xen Schemen und Rhythmen nun aufgebro- 65 chen. Zwischen Mensch und Tier tritt der Melkroboter als eine Art maschineller Arbeiter, der nun 24 Stunden am Tag das Melken der Tiere übernimmt und einzeltierspezifi sche Daten im großen Umfang elektronisch erfasst, die dann im System nach Entscheidungsrelevanz gefi ltert und graphisch aufbereitet werden, um sie anschließend den Arbeitern als Entscheidungsgrundlage bereitzustellen. Dadurch soll die Prozesssteuerung und Effi zienz optimiert und eine bestmöglich Milchqualität und -leistung durch ein gesteigertes Tierwohl erreicht werden. Durch diese innerbetriebliche Umstrukturierung entsteht eine gewisse Parallelität, da vormals von den Arbeitern durchgeführte Prozesse nun von weitestgehend selbstständig funktionierenden Automaten übernommen werden, sodass die Arbeiter nun parallel in dieser Zeit andere Aufgaben erledigen können, wie u.a. die komplexe Datenkontrolle. Dadurch können weniger Arbeiter eine größere

Anzahl an Tieren versorgen. Es kommt so zunehmend auch zu einer räumlichen Trennung dieser Bereiche. Man kann von zwei entstehenden Parallelwelten sprechen: die Automaten und Kühe im Stall, die Arbeiter im Büro. Die Filminstallation Ein Betrieb, zwei Blickwinkel thematisiert diese zunehmende Trennung der beiden Bereiche abstrakt. Die beiden parallel ablaufenden Filme stehen für die Parallelität der menschlichen und automatischen Handlungsabläufe im Rahmen der Milchproduktion. Es wird auf der einen Seite gezeigt, wie heute der Arbeitsalltag für die Arbeiter in einem Stallbetrieb aussieht, u.a. die vermehrte Verwaltungsarbeit am Rechner, und auf der anderen Seite schaut man aus einem anderen Blickwinkel auf den Stall und die integrierte Stalltechnik und es wird aufgezeigt, wie diese die räumliche Gliederung, Abläufe und Bewegungsschemen im Stall verändert. Nur in der Überlagerung beider Filme entsteht die zurzeit im Betrieb vorhandene Realität. Ein Betrieb, zwei Blickwinkel: die Massentierhaltung 67 Dorothea Hamann