Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verordnung von Medizinischen Kompressionsstrümpfen

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Transkript:

Untersuchung in phlebologischen Praxen Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verordnung von Medizinischen Kompressionsstrümpfen H. Gerlach 1, F. Amsler 2 1 Praxis für Gefäßerkrankungen, Mannheim; 2 Amsler Consulting, Basel, Schweiz Zusammenfassung In einer Untersuchung in 36 phlebologischen Praxen mit 683 kontrollierten Verordnungen für Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) konnte nachgewiesen werden, dass es Wechselwirkungen zwischen dem Geschlecht des Verordners und dem Geschlecht des Behandelten gibt. Ärztinnen verordnen MKS etwas differenzierter als Ärzte. Patientinnen werden von Arzt und Ärztin etwas differenzierter behandelt als Patienten. Die Verordnungspraxis gegenüber Frauen ist kostenbewusster. Insgesamt werden MKS der Klasse I zu selten verschrieben; viele Menschen werden fälschlicherweise mit Klasse II versorgt. Schlüsselwörter: Medizinische Kompressionsstrümpfe, geschlechtsspezifische Effekte, Indikation zur Kompressionstherapie, Summary Horst Gerlach An analysis was made of 683 prescriptions of medical compression stockings (MCS) given by 36 centers for venous diseases in Germany. Interaction effects were found between the sex of prescribers and patients. Female physicians made more specific choices of MCS than male physicians. Female patients were treated with more expertise and cost awareness than male patients. In all, MCS class II were prescribed too often in disregard of many patients opportunity for a less tense compression treatment. Keywords: medical compressions stockings, gender effect, indication of compression therapy, compression pressure Résumé Un examen de 683 prescriptions pour des bas médicaux de contention effectué dans 36 cabinets médicaux a pu montrer qu il existe des interactions entre le sexe du prescripteur et le sexe du patient. Les femmes médecins prescrivent les bas médicaux de contention de manière un peu plus différenciée que les hommes médecins. Les patientes sont traitées par le médecin homme et le médecin femme de manière un peu plus différenciée que les patients masculins. La prescription médicale pour les femmes tient plus compte des coûts. D une manière générale, les bas de contention médicaux de classe I sont trop rarement prescrits, beaucoup de personnes reçoivent une prescription «erronée» de classe II. Mots clés: bas médical de contention, effets spécifiques du sexe, indication du traitement de contention, classe de contention 26 (2014) 80 87 Einleitung Die Verordnung von Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) sollte vom Arzt grundsätzlich wie die Verordnung eines Medikaments gehandhabt werden, also mit Festlegung des Wirkstoffs (Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf), der Wirkstärke bzw. Dosierung (, KKL), der individuellen Abstimmung auf den Patienten (Art und Beschaffenheit des Strumpfes) und der Anwendungsdauer (Tragedauer). Es ist bisher wenig bekannt, wonach sich der Arzt bei der Verordnung dann wirklich richtet. Noch weniger ist erwiesen, ob es eine geschlechtsspezifische Entscheidungsfindung bzw. ein geschlechtsabhängiges Verordnungsverhalten gibt. Und nicht zu allerletzt interessiert die Frage, ob der Arzt 80 26. Jahrgang_2_2014

Geschlecht des Arztes: 1 männlich 2 weiblich Datum: I I I.I I I 2013 Umfrage zur Versorgung mit Medizinischen Kompressionsstrümpfen 1. Geschlecht des Patienten 1 männlich 2 weiblich 2. Alter des Patienten Jahre oder Jahrgang: 3. Indikation für die Verordnung (Mehrfachantworten möglich) 4. Dauer der Kompressionstherapie 5. Ausgewähltes Modell a venöse Beinbeschwerden, Besenreiser (C0, C1) c venöses Ödem (C3) e florides oder abgeheiltes Ulcus (C5-C6) g Phlebitis i statisch bedingtes Ödem k Lymphödem m diffuse Beinbeschwerden ohne definierte Ursache b unkomplizierte Varikose (C2) d CVI mit Hautveränderung (Ekzem, Dermatoliposklerose, C4) f akute Thrombose h PTS-Prophylaxe j Lipödem l anderes Ödem n andere: 1 Einmalversorgung für akute Behandlung 2 Mehrfachversorgung zeitlich begrenzt (bis 1 Jahr) 3 Dauerversorgung beginnend 4 Dauerversorgung wiederholt 1 2 3 4 6. Typ 1 rund Serie 2 rund Mass 3 flach 7. 1 Klasse 1 2 Klasse 2 3 Klasse 3 4 Klasse 4 8. Qualität des ausgewählten Modells (Textur) 1 fein 2 mittel 3 kräftig 9. Farbe des ausgewählten Modells 1 Standardfarbe 2 Wunschfarbe 3 offen gelassen 10. Wahl des Strumpfes aus folgenden Gründen: Unwichtig Eher unwichtig Wichtig Sehr wichtig a. optimale medizinische Wirkung 1 2 3 4 b. ästhetisch (Form, Farbe, Muster) 1 2 3 4 c. Leichtigkeit des Anziehens 1 2 3 4 d. haptisch (Textur, Material) 1 2 3 4 e. Preis 1 2 3 4 f. expliziter Wunsch des Patienten 1 2 3 4 g. andere 1 2 3 4 Abb. 1: Fragebogen der Untersuchung. das therapeutische Spektrum nutzt, das ihm die deutsche Hilfsmittelverordnung lässt bzw. eröffnet. Methode Der von uns entwickelte Fragebogen erfasste das Geschlecht des verordnenden Arztes sowie des Patienten, die Indikation der Verordnung nach der CEAP-Klassifikation sowie nach weiteren typischen Indikationen, die Dauer der geplanten oder laufenden Kompressionstherapie, Fragen zu Art und Modell des verordneten MKS sowie die Abfrage der Gründe für die Verordnungsentscheidung (Abb. 1). Die Fragebogen wurden fortlaufend mit den MKS-Verordnungen vom Arzt ausgefüllt; zur Vermeidung von Zentrumseffekten erhielt jeder Arzt maximal 20 Fragebögen. 683 Fragebögen wurden anonymisiert ausgefüllt aus 36 phlebologischen Zentren, die alle Mitglied im Berufsverband der Phlebologen sind. Die statistische Auswertung erfolgte mit deskriptiver, non-parametrischer (Chi-Quadrat-Test, Spearman-Korrelationen) und parametrischer Statistik (2-faktorielle Varianzanalyse mit Interaktionseffekt). Ergebnisse Insgesamt wurden 500 weibliche und 173 männliche Patienten behandelt, was einem Verhältnis von 3:1 zugunsten der weiblichen Patienten entspricht. Bei 431 Behandelten, die von männlichen Ärzten therapiert wurden, gab es 72 % weibliche Patienten. Bei den 248 von weiblichen Ärzten Behandelten waren 77 % weibliche Patienten (von zwei Ärzten fehlte die Angabe des Geschlechts). Dieser Unterschied war nicht signifikant. Das mittlere Alter der Patienten betrug 55,7 Jahre mit einer Standardabweichung von ±16,3 Jahren. Die Altersverteilung war zweigipflig mit Maxima um das 50. sowie um 75. Lebensjahr. Die Aufschlüsselung der Häufigkeit der Verordnungsindikationen nach Geschlecht zeigt statistisch signifikante Unterschiede zugunsten der männlichen Patienten für akute Thrombose oder PTS-Prophylaxe und für postoperative Indikationen sowie zugunsten der Frauen beim Lipödem (Tab. 1). Art und Dauer der verordneten Kompressionstherapie sind Tabelle 2 zu entnehmen. Hervorzuheben sind die Ergebnisse für die Strickart: In zwei Drittel der Fälle erfolgte eine Versorgung mit einem Serienstrumpf, und es wurde fast ausschließlich (93,4 %) II verordnet. Dies galt auch für 38 Patienten/innen mit der alleinigen Indikation venöse Beinbeschwerden (C 0s oder C 1s ), von diesen erhielten lediglich zwei einen MKS in KKL I. Im Vordergrund der Entscheidung der Verordnung steht eindeutig die medizinische Wirkung (3,6 auf einer Bewertungsskala von 1 bis 4). An zweiter Stelle folgt die Handhabung des MKS beim Anziehen (2,7), danach die Ästhetik und die Haptik (2,5) (Abb. 2). Die Prüfung der Zusammenhänge zwischen den Entscheidungskriterien für den verordneten MKS und den Indikationen ergibt eine stark positive Korrelation zwischen der Diagnose Lymphödem und der Entscheidung zum flachgestrickten Maßstrumpf und einem MKS mit kräftiger Textur (p<0,001). Flachgestrickte MKS werden auch vermehrt bei der Diagnose Lipödem verschrieben, die eher bei Frauen vorkommt. Bei der unkomplizierten Varikose C 0 -C 2 hingegen werden vorzugsweise rundgestrickte MKS mit einer feinen Textur eingesetzt. In dieser Gruppe spielt die medizinische Wirkung für die Verordnungsentscheidung eine unterdurchschnittliche Rolle (p<0,01). Weitere Zusammenhänge können Tabelle 3 entnommen werden. 82 26. Jahrgang_2_2014

Im Folgenden werden Auswirkungen des Geschlechts von Arzt und Patient auf die Verordnungsentscheidungen analysiert. Dafür wurden mittels einer Varianzanalyse die Einflüsse des Geschlechts des Arztes, des Patienten und eines eventuellen Interaktionseffekts überprüft. Die Grafiken zeigen die Häufigkeit des Auftretens für die vier Gruppen: 1. männlicher Arzt behandelt männlichen Patienten (Az m P m), 2. weiblicher Arzt behandelt männlichen Patienten (Az w P m), 3. männlicher Arzt behandelt weiblichen Patienten (Az m P w) und 4. weiblicher Arzt behandelt weiblichen Patienten (Az w P w). Nur Einflüsse mit p<0,05 werden interpretiert: Dauer der Kompressionstherapie: Männliche Ärzte stellen mehr Rezepte zur Dauerversorgung aus (Abb. 3). Kompressionsstrumpfmodell: Patientinnen erhalten mehr Strumpfhosen; Ärzte verschreiben Frauen doppelt so oft Strumpfhosen wie Ärztinnen (Abb. 3). Strickart des MKS: Ärzte differenzieren mehr zwischen Frauen und Männern beim flachgestrickten Strumpf (Abb. 3). : Auch wenn in fast 93 % nur II verordnet wird, so differenzieren männliche Ärzte beim Rest mehr und verordnen mehr die Klasse III (Abb. 3). Textur des MKS: Patientinnen erhalten allgemein weniger kräftige Textur verordnet. Außerdem differenzieren Ärztinnen die Qualität mehr (mehr feine MKS für Patientinnen und mehr kräftige für Patienten) (Abb. 3). Weibliche Ärzte verschreiben den Frauen öfters MKS in der von ihnen gewünschten Farbe (doppelt so oft), außerdem lassen sie bei den Frauen die Farbwahl häufiger offen als männliche Ärzte. Männer erhalten insgesamt weniger MKS in Wunschfarben (Abb. 3). Entscheidung nach medizinischer Wirkung: Weibliche Ärzte gewichten die medizinische Wirkung bei männlichen Patienten höher (Abb. 4). Ästhetik spielt bei weiblichen Patienten und bei weiblichen Ärzten eine größere Rolle (Abb. 4). Aufwand beim Anziehen: Bei weiblichen Patienten ist das leichte Anziehen wichtiger (Abb. 4). Empfinden beim Anfassen des Strumpfmaterials: Haptik spielt bei weiblichen Patienten eine größere Rolle. Weibliche Ärzte gewichten Haptik höher als männliche (Abb. 4). Kosten: Der Preis spielt bei weiblichen Ärzten eine größere Rolle (Abb. 4). männlich weiblich n=173 n=500 Indikation n Anteil n Anteil p unkomplizierte Varikose (C 2 ) 44 25,4% 159 31,8% 0,116 Ödeme: C 3, statisch, andere 24 13,9% 93 18,6% 0,158 Lymphödem 29 16,8% 87 17,4% 0,848 Thrombose akut und Prophylaxe 56 32,4% 59 11,8% 0,000 CVI mit Hautveränderung (C 4 ) 24 13,9% 51 10,2% 0,186 Lipödem ohne Lymphödem 1 0,6% 49 9,8% 0,000 nur C 0s, C 1s oder diffuse Beschwerden 7 4, 30 6, 0,332 postoperativ 14 8,1% 21 4,2% 0,047 florides oder abgeheiltes Ulkus (C 5 -C 6 ) 10 5,8% 20 4, 0,328 Phlebitis 5 2,9% 25 5, 0,247 Summe der Angaben 214 123,7% 594 118,8% Tab. 1: Indikation nach Geschlecht Patientenwunsch: Die Wünsche der Patienten spielen bei weiblichen Ärzten und für weibliche Patienten eine größere Rolle (Abb. 4). Diskussion Den Verfassern ist bewusst, dass die erhobenen Daten nicht sicher widerspiegeln, was sich in der gesamten Verordnungsbreite und über alle Arztgruppen darstellt, die MKS verordnen. Aber die Daten zeigen das Verordnungsverhalten bei einer Arztgruppe, die für sich in Anspruch nehmen darf, dafür spezialisiert zu sein. Darüber hinaus Dauer der Kompressionstherapie Einmalversorgung akut 20,7% ausgewähltes Modell Mehrfachversorgung bis 1 Jahr 9,4% Kniestrumpf 47,8% Oberschenkelstrumpf 42,5% Strumpftyp Tab. 2: Behandlungsoptionen in Prozent. Dauerversorgung beginnend 20,9% Strumpfhose 9,7% rund Serie 68, rund Maß 20,1% flach 11,9% Klasse I 3,2% Klasse II 93,4% Klasse III 3,4% Textur des Modells fein 21, mittel 60,5% kräftig 18,5% Farbe des ausgewählten Modells Standardfarbe 50,1% Wunschfarbe 20, offen gelassen 29,9% Dauerversorgung wiederholt 49,1% 26. Jahrgang_2_2014 83

Mittelwert 4 3 2 1 Medizinische Wirkung Leichtes Anziehen Abb. 2: Wichtigkeit der Indikatoren bei der Verordnung (Skala von 1 = unwichtig bis 4 = sehr wichtig). Preis ist uns bewusst, dass wir natürlich nur das Verordnungsverhalten der Ärzte und Ärztinnen damit erfasst haben. Dies sagt noch gar nichts darüber aus, wie einerseits die Patientenzufriedenheit mit der Verordnung ist und andererseits, welchen MKS denn der Patient nachher wirklich im Sanitätshaus erhalten hat. Es bleiben also viele Fragen offen. Dennoch werfen auch die erfassten Daten einige Fragen auf. Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verordnungsweise ergeben sich zum Teil zu erwartende, zum Teil auch unerwartete Ergebnisse. Nicht verwunderlich ist sicher, dass den Frauen feinere MKS als den Männern verordnet werden, gleiches gilt für die Farbwahl der MKS, die Beachtung der Ästhetik, das leichtere Anziehen der MKS und auch die häufigere Verordnung von Kompressionsstrumpfhosen bei Frauen. Aber warum erfolgt eine solche Verordnung häufiger von Männern? Gibt es dafür medizinische Gründe, wenn Ärztinnen Frauen weniger Strumpfhosen verordnen? Männliche Ärzte scheinen außerdem eine robustere Haltung gegenüber Patienten als auch Patientinnen einzunehmen, wenn sie insgesamt eine häufigere Dauerkompressionsbehandlung initiieren. Nicht verständlich ist aber das Verordnungsverhalten von phlebologischen Spezialisten, wenn in über 90 % der Fälle mehr oder weniger pauschal die Kompressions- Spearman rho Nur C 0s, C 1s oder diffuse Beschwerden unkomplizierte Varikose (C 2 ) Ödeme: C 3, statisch, andere CVI mit Hautveränderung (C 4 ) florides oder abgeheiltes Ulcus (C 5 -C 6 ) Thrombose akut und PTS-Prophylaxe Phlebitis Lipödem ohne Lymphödem Lymphödem postoperativ Alter Patient -0,12** -0,09* -0,03 0,15*** 0,15*** 0,09* -0,01-0,13*** 0,08* 0,00 Geschlecht Arzt weiblich Geschlecht Patient weiblich 0,03 0,11** -0,02 0,01-0,06-0,05 0,01 0,00-0,10** 0,03 0,04 0,06 0,05-0,05-0,04-0,24*** 0,04 0,15*** 0,01-0,08* Beinlänge -0,01 0,14*** -0,14*** -0,03-0,11** -0,15*** 0,08* 0,05 0,07 0,08* Strumpftyp flach -0,04-0,28*** -0,03 0,02 0,06-0,10** 0,02 0,14*** 0,41*** -0,07 Ästhetik Haptik Patientenwunsch -0,05-0,08* -0,08* -0,04 0,14*** 0,13*** 0,00-0,02 0,10** 0,00 Textur kräftiger -0,20*** -0,26*** -0,05 0,11** 0,13** 0,12** 0,00 0,06 0,34*** -0,04 Wunschfarbe 0,10* 0,06-0,01 0,00-0,15*** -0,07-0,04-0,02 0,05 0,04 medizinische Wirkung -0,12** -0,12** -0,02 0,03 0,1* 0,15*** 0,04 0,02 0,00 0,08* Ästhetik 0,11** 0,10* 0,00-0,03-0,05-0,16*** 0,05 0,00-0,10** 0,05 leichtes Anziehen 0,03-0,03-0,01 0,01 0,03 0,04 0,05 0,00-0,02-0,02 Haptik 0,08* -0,04-0,04-0,01-0,04-0,12** 0,03-0,03-0,01 0,08* Preis 0,08* 0,03-0,04-0,11** -0,04-0,08-0,06-0,01 0,13** -0,02 Patientenwunsch 0,05-0,08* 0,05 0,05-0,12** -0,05-0,03-0,03 0,10* -0,04 Tab. 3: Zusammenhänge mit Indikation. Farbig markiert sind die interpretationswürdigen, stark farbig die deutlichen Korrelationen (grün: positive, braun: negative Korrelation, *p<0,05, **p<0,01, ***p<0,001). 84 26. Jahrgang_2_2014

Einfluss von Geschlecht Arzt und Patient sowie Interaktion dieser beiden Variablen auf die verordneten Medizinischen Kompressionsstrümpfe (MKS) ANOVA: (p) Arzt Patient Interaktion Dauer der Kompressionstherapie 0,003 0,541 0,381 Männliche Ärzte versorgen häufiger auf Dauer. ausgewähltes Modell 0,707 0,000 0,050 Patientinnen erhalten häufiger Strumpfhosen, Ärzte verschreiben Frauen doppelt so oft Strumpfhosen wie Ärztinnen. Typ MKS 0,323 0,553 0,026 Ärzte differenzieren stärker zwischen Frauen und Männern beim flachgestrickten Strumpf. 0,008 0,222 0,119 Männliche Ärzte verordnen häufiger Klasse III. Textur 0,284 0,000 0,016 Patientinnen erhalten weniger kräftige Textur. Weibliche Ärzte verordnen häufiger feine Qualität für Frauen und kräftige Qualität für Männer. Farbe 0,055 0,002 0,827 Weibliche Ärzte verschreiben den Frauen mehr Wunschfarbe, und bei den Frauen lassen sie es auch häufiger offen als männliche Ärzte, Männer erhalten insgesamt weniger Wunschfarben und mehr Standardfarben. Dauer der Kompressionstherapie 10 47% 49% 49% 9 95% 93% 96% 35% 25% 23% 18% 19% 22% 18% 7% 5% 13% 9% 11% Einmalversorgung akut Mehrfachversorgung bis 1 Jahr Dauerversorgung beginnend Dauerversorgung wiederholt 2% 9% 4% 2% 4% 3% 3% 1% Kl 1 Kl 2 Kl 3 7 Ausgewähltes Modell 69% 61% 48% 44% 45% 38% 31% 2% 16% 7% 9 7 Textur 77% 52% 53% 43% 24% 6% 17% 6% 16% 17% Kniestrumpf Oberschenkelstrumpf Strumpfhose (inkl. lang) fein mittel kräftig 7 Typ MKS 7 71% 73% 63% 23% 22% 16% 17% 6% 13% 15% 11% 7 Farbe 73% 48% 35% 35% 23% 25% 22% 3% 15% rund Serie rund Mass flach Standardfarbe Wunschfarbe offen gelassen Abb. 3: Einfluss von Geschlecht Arzt und Patient auf verordnete MKS. 26. Jahrgang_2_2014 85

Einfluss von Geschlecht Arzt und Patient sowie Interaktion dieser beiden Variablen auf die Wichtigkeit der Indikatoren bei der Verordnung ANOVA: (p) Arzt Patient Interaktion medizinische Wirkung 0,058 0,009 0,078 Weibliche Ärzte gewichten die medizinische Wirkung bei männlichen Patienten höher Ästhetik 0,000 0,000 0,138 Ästhetik spielt bei weiblichen Patienten und bei weiblichen Ärzten eine größere Rolle. leichtes Anziehen 0,059 0,009 0,943 Bei weiblichen Patienten ist das leichte Anziehen wichtiger. Haptik 0,003 0,001 0,971 Haptik spielt bei weiblichen Patienten eine größere Rolle. Weibliche Ärzte gewichten Haptik höher als männliche. Preis 0,000 0,078 0,431 Der Preis spielt bei weiblichen Ärzten eine größere Rolle. Patientenwunsch 0,000 0,007 0,457 Der Patientenwunsch spielt bei weiblichen Ärzten und für weibliche Patienten eine größere Rolle. Abb. 4: Einfluss von Geschlecht Arzt und Patient auf Wichtigkeit der Indikatoren. 86 26. Jahrgang_2_2014

Bei venösen Thrombosen: klasse II verordnet wird, auch wenn man beachtet, dass durchaus verschiedene Materialtexturen der MKS verschrieben wurden. I wurde nur in 3,2 % verordnet. Dem stehen aber C 0 - oder C 1 -Indikationen in 6 % der Frauen und 4 % der Männer (gesamt 5,6 %) gegenüber. Tatsächlich wurden aber nur zwei Patienten aus dieser Gruppe mit I versorgt, die anderen mit II, letztlich bestand also bei fast 95 % dieser Gruppe eine Überversorgung. Sicher wäre auch ein Teil der Patienten mit unkomplizierter C 2 -Varikose (gesamt 30,1 %) mit I zu versorgen gewesen. Dies erhöht sicher die Compliance beim Patienten und hat teilweise auch bessere Wirkung. So hat Blättler (2) in der EFFESTO-Studie nachgewiesen, dass mit einem MKS mit einem Knöchelandruck von 15 mmhg eine gleiche Volumenreduktion wie mit 25 mmhg erzielt werden kann, nach zwei Wochen Tragen Müdigkeit und Schweregefühl bei 15 mmhg Andruck im Mittel mindestens gleich gut reduziert sind und das Anziehen den Patienten erheblich leichter fällt. Insgesamt ist die Bereitschaft zum Weitertragen des Kompressionsstrumpfes bei diesem Strumpf höher als bei II. Des Weiteren konnten Amsler und Blättler (1) in einer Metaanalyse von Studien zur Kompressionstherapie bei Patienten mit C 0s - C 3 -Stadien zeigen, dass diese mit einer leichten Kompression von 10-20 mmhg deutliche Erleichterung und Verminderung von Beschwerden gegenüber Patienten ohne MKS verspüren. Hier zeigt sich also ein mögliches Defizit bei den Spezialisten entweder hinsichtlich der Kenntnis oder der Akzeptanz solcher Studien oder in der Rücksichtnahme auf den Patienten. Literatur 1. Amsler F, Blättler W. Compression therapy for occupational leg symptoms and chronic venous disorders - a meta-analysis of randomised controlled trials. J Vasc Surg 2008;35:366-372. 2. Blättler W et al. Leg symptoms of healthy people and their treatment with compression hosiery. Phlebology 2008;23:214-221. 1x einfach, bitte! Als einziges NMH 1x täglich + gewichtsunabhängig* in der Therapie. Gut verträglich auch für Schwangere. 1 Prophylaxe: Clivarin 5726 I.E. anti-xa/ml (entspricht 3436 I.E. anti-xa/0,6 ml) Therapie der TVT: Clivarodi 17178 I.E. anti-xa/ml (entspricht 10307 I.E. anti-xa/0,6 ml) * Therapie: Über 60 kg Körpergewicht 1 Laskin C, Ginsberg J, Farine D, et al. Low molecular weight heparin and ASA therapy in women with autoantibodies and unexplained recurrent fetal loss (U-RFL). Am J Obstet Gynecol 1997; 176:S125. FI Clivarin 5726. FI Clivarodi. Korrespondenzadresse Dr. med. Horst Gerlach T6 25, 68161 Mannheim E-Mail: drgerlach@t-online.de 26. Jahrgang_2_2014 87 Abbott Arzneimittel GmbH, Freundallee 9A, 30173 Hannover. Wirkstoff: Reviparin-Natrium. Zusammensetzung: Clivarin 5726 I.E. anti-xa/ml Injektionslösung in Fertigspritzen: 1 ml Injektionslösung enthält Reviparin- Natrium 5726 I.E. anti-xa. 1 Fertigspritze enthält 0,6 ml Injektionslösung entsprechend Reviparin-Natrium 3436 I.E. anti-xa. Sonstige Bestandteile: Natriumchlorid, Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke. Clivarodi 17178 I.E. anti-xa/ml Injektionslösung in Fertigspritzen: 1 ml Injektionslösung enthält Reviparin-Natrium 17178 I.E. anti-xa. 1 Fertigspritze enthält 0,6 ml Injektionslösung entsprechend Reviparin-Natrium 10307 I.E. anti- Xa. Sonstige Bestandteile: Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Clivarin 5726 I.E. anti-xa/ml Injektionslösung in Fertigspritzen: Zur Prävention der venösen Thromboembolie in der Allgemeinchirurgie und in der orthopädischen Chirurgie. Zur Behandlung der venösen Thrombose. Clivarodi 17178 I.E. anti-xa/ml Injektionslösung in Fertigspritzen: Zur Behandlung der venösen Thrombose. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Reviparin, andere niedermolekulare Heparine und/oder Heparin, Latex oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwere Erkrankung der Niere, Leber oder Bauchspeicheldrüse. Blutung (Hämorrhagie) oder erhöhtes Risiko dafür (z. B. Magengeschwür, Blutungsstörungen, Gehirnblutung). Endokarditis. Eingriff an Wirbelsäule, Auge oder Ohr. Blutung im Auge. Unbehandelter Bluthochdruck. Nebenwirkungen: Häufig: Kopfschmerzen, Bluterguss unter der Haut, Bildung von Blutgerinnseln, Nasenbluten, Verstopfung, Gliederschmerzen, Fieber, Blutung an der Injektionsstelle, auffällige Leberfunktionstests. Häufigkeit nicht bekannt: Thrombozytopenie, Überempfindlichkeitsreaktionen (einschl. Übelkeit, Erbrechen, Urtikaria oder Ohnmachtsgefühl), Reaktionen an der Einstichstelle (Rötung, Verfärbung, Blutung oder Schmerzen, schmerzhafte Hautwunden (Nekrose)), Dyspnoe, Hypotonie, bei Anwendung über einen langen Zeitraum hinweg Osteoporose. Verschreibungspflichtig. Stand: Februar 2013. Abbott Arzneimittel GmbH Freundallee 9A 30173 Hannover Telefon: 0511 6750-2400 e-mail: abbott.arzneimittel@abbott.com www.einfach-bei-thrombose.de