Die neue Europäische Insolvenzverordnung *



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Transkript:

Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 313 Die neue Europäische Insolvenzverordnung * Professor Dr. Ulrich Ehricke, LL.M., M.A., Bremen, Richter am Hanseatischen OLG in Bremen, und Rechtsanwalt Dr. Julian Ries, Bremen Das Recht der grenzüberschreitenden Insolvenzen ist im Geltungsbereich des EG-Rechts durch die Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren neu gestaltet worden. Damit wird auf der einen Seite ein Beitrag für die in der EU dringend fällige Angleichung des Insolvenzrechts geleistet. Auf der anderen Seite gehen mit der Verordnung erhebliche Neuerungen im deutschen internationalen Insolvenzrecht einher. Der folgende Beitrag stellt die wichtigsten Regelungen der neuen Verordnung vor. I. Einführung Am 29. 5. 2000 wurde vom Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) 1 verabschiedet, nachdem das nahezu inhaltsgleiche Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren (EuInsVÜ) 2 daran gescheitert war, dass es vom Vereinigten Königreich nicht gezeichnet wurde. Die Verordnung ist am 31. 5. 2002 in Kraft getreten. Sie füllt in Deutschland eine große Lücke im Regelungsbereich des internationalen Insolvenzrechts, nachdem der deutsche Gesetzgeber diesen Bereich in Art. 102 EGInsO nur kursorisch geregelt und die weitere Ausgestaltung den Regelungen eines späteren (vereinheitlichten) europäischen Insolvenzrechtes überlassen hat 3. Damit hat die EuInsVO nicht nur große Bedeutung für das deutsche Insolvenzrecht, sondern auch und besonders für das nationale Kollisionsrecht. Im Folgenden werden die wichtigsten Inhalte der in Deutschland unmittelbar anwendbaren Verordnung skizziert. II. Anwendungsbereich der Verordnung 1. Erfasste Verfahren Die Verordnung gilt gem. Art. 1 I EuInsVO für alle Gesamtverfahren, die die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben. In der Anlage A zur EuInsVO wird im Einzelnen bestimmt, welche nationalen Verfahren Insolvenzverfahren sind. Demnach fallen in den sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO nicht nur Liquidationsverfahren sondern auch Sanierungs- und Reorganisationsverfahren 4. 2. Räumlicher Anwendungsbereich Die Verordnung gelangt zur Anwendung, wenn das Vermögen des Schuldners in nicht nur einem Mitgliedstaat belegen ist, sondern sich auf verschiedene Mitgliedstaaten verteilt. Erforderlich ist weiter, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in einem Mitgliedstaat befindet. Hinsichtlich Vermögen, das sich in einem Drittstaat befindet, findet die Verordnung keine Anwendung. Die Regelungsautonomie verbleibt insoweit bei den Mitgliedstaaten 5 ; es findet Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 314 dann das autonome deutsche Internationale Insolvenzrecht Anwendung. 3. Persönlicher Anwendungsbereich Die Verordnung gilt grundsätzlich für Verfahren über das Vermögen von Schuldnern jeder Art, also auch für Verbraucherinsolvenzverfahren. Ausgenommen sind gem. Art. 1 II EuInsVO allerdings insbesondere Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten und von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen. Diese haben in eigenen Richtlinien, die noch von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen, ihre Regelung gefunden 6. Keine besonderen Vorschriften enthält die EuInsVO darüber hinaus zur Insolvenz von Unternehmenszusammenschlüssen ( Konzerninsolvenz ). Es bleibt daher dem jeweiligen nationalen Insolvenzverfahrensrecht überlassen, gegebenenfalls Regeln aufzustellen, die eine Konzerninsolvenz erfassen 7.

III. Verfahrensarten und Internationale Zuständigkeit 1. Verfahrensarten Die Verordnung unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Verfahrensarten: Es gibt das (Haupt-) Insolvenzverfahren, das grundsätzlich das gesamte, weltweite Vermögen des Schuldners erfasst. Daneben gibt es Partikularinsolvenzverfahren, die nur territorial beschränkte Wirkung haben und daher nur das Vermögen des Schuldners in dem betreffenden Staat erfassen (Näheres dazu unten VII 2 und 3). 2. Zuständigkeit Für das Hauptinsolvenzverfahren sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, Art. 3 I EuInsVO. Partikularverfahren können in dem Mitgliedstaat durchgeführt werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, Art. 3 II EuInsVO, und sind nur ausnahmsweise zulässig. Die innerstaatliche Zuständigkeit in Insolvenzsachen wird durch die EuInsVO nicht berührt. a) Personen und Gesellschaften. Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer natürlichen Person ist dort, wo der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist 8. Daher muss nach den von dem Schuldner verfolgten Interessen unterschieden werden: Bei einem Verfahren über die Insolvenz eines Verbrauchers wird der Mittelpunkt regelmäßig der Wohnsitz sein. Es kann aber auch ein anderer Ort sein, von dem aus er in überwiegendem Umfang nach außen aufgetreten ist und Verbindlichkeiten eingegangen ist. Bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Kaufmanns oder Angehörigen eines freien Berufes wird es der Ort sein, von dem aus er tätig geworden ist. Bei Gesellschaften und juristischen Personen bestimmt sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nach dem effektiven Verwaltungssitz 9. Bis zum Beweis des Gegenteils wird gem. Art. 3 I 2 EuInsO vermutet, dass dies der satzungsgemäße Sitz ist 10. Die Anknüpfung folgt dem im internationalen Privatrecht maßgeblichen Prinzip der engsten Verbindung. Die Auswahl des satzungsmäßigen Sitzes beruht auf der Überlegung, dass dort auch regelmäßig das Zentrum der wirtschaftlichen Interessen (centre d affaires) liegt. b) Kompetenzkonflikte. Die Verordnung enthält keine ausdrückliche Regelung über Kompetenzkonflikte, also darüber, was zu geschehen hat, wenn sich die Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten zur Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens für zuständig halten. Aus Art. 3 II EuInsVO folgt aber, dass nach der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nur noch ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden kann (vgl. unten VII 3). Da die Entscheidung eines anderen Gerichts über die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahren von den Gerichten der anderen Mitgliedstaaten gem. Art. 16 I EuInsVO anerkannt werden muss, ist somit das Gericht international zuständig, welches zuerst ein Hauptverfahren eröffnet hat 11. IV. Wirkung der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren Der zentrale Inhalt der EuInsVO ist die Anerkennung fremder Insolvenzverfahren. Die Wirkung der Anerkennung unterscheidet sich danach, ob es sich um ein Hauptinsolvenzverfahren oder um ein Partikularinsolvenzverfahren handelt: 1. Hauptinsolvenzverfahren und Partikularinsolvenzverfahren Die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat entfaltet gem. Art. 17 I EuInsVO grundsätzlich diejenigen Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) dem Verfahren beimisst, auch in den übrigen Mitgliedstaaten. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Beschlag des Schuldnervermögens grundsätzlich einheitlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates richtet. So darf der Insolvenzverwalter in einem Mitgliedstaat etwa Herausgabe der Gegenstände des Schuldners von Dritten verlangen, Verträge des Schuldners kündigen, Forderungen einziehen usw. Von dieser Wirkungserstreckung macht die EuInsVO aber zwei Ausnahmen. Zum einen ist die Wirkungserstreckung unterbrochen, wenn in einem anderen Staat ein Partikularinsolvenzverfahren nach Art. 3 II EuInsVO eröffnet wird (Sekundärverfahren) bzw. wurde (Partikularverfahren im engeren Sinne). In diesen Verfahren gilt nämlich das jeweilige Recht des Einzelstaates, und dieses entfaltet seine eigenen Wirkungen. Zum anderen hält die EuInsVO insbesondere für Sicherungsrechte einige Sonderanknüpfungen bzw. Begrenzungen der Wirkungserstreckung in Art. 5ff. EuInsVO vor. Da die Eröffnung von Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahren stets nur territorial begrenzte Wirkungen hat, führt sie nur zum Beschlag des in diesem Verfahrensstaat belegenen Vermögens. Der Insolvenzverwalter ist entsprechend auch hinsichtlich seiner durch das Recht des Eröffnungsstaates vorgegebenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse auf das Territorium des betreffenden Staates beschränkt. Allerdings wird die Eröffnung eines solchen Verfahrens auch in den übrigen Mitgliedstaaten ohne weiteres anerkannt, Art. 17 II EuInsVO. Die

Anerkennung von Partikularverfahren in anderen Mitgliedstaaten ist allerdings dadurch begrenzt, dass die durch das Partikularverfahren eintretenden Beschränkungen der Gläubigerrechte hinsichtlich des in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Vermögens gem. Art. 17 II 2 EuInsVO Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 315 nur gegenüber den Gläubigern gelten, die der Beschränkung zugestimmt haben 12. 2. Sonstige Entscheidungen Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens, die von einem Gericht getroffen werden, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich, werden gem. Art. 25 I Unterabs. 1 EuInsVO ebenfalls ohne weiteres anerkannt; sie entfalten in entsprechender Anwendung des Art. 17 I EuInsVO auch unmittelbare Wirkung 13. Gleiches gilt für Entscheidungen eines anderen Gerichts, die unmittelbar auf Grund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen (Art. 25 I Unterabs. 2 EuInsVO) sowie für Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergriffen werden (Art. 25 I Unterabs. 3 EuInsVO) 14. Zur Vollstreckung bedürfen diese Entscheidungen aber der Exequatur gem. Art. 31 bis 51 EuGVÜ. Art. 34 II EuGVÜ findet dabei keine Anwendung, weshalb die Vollstreckbarerklärung nur aus Gründen verweigert werden kann, die in der Verordnung wurzeln 15. Die Verweigerung kann daher nur mit dem ordre-public-vorbehalt des Art. 26 EuInsVO begründet werden und mit der Begründung, die Vollstreckung führe zur Einschränkung der persönlichen Freiheit oder des Briefgeheimnisses, Art. 25 III EuInsVO. V. Anwendbares Recht Grundsätzlich findet auf das Insolvenzverfahren gem. Art. 4 I EuInsVO das Insolvenzrecht des Staates Anwendung, in dem das Verfahren eröffnet wird. Die Verweisung auf die lex fori concursus ist Ausdruck des Universalitätsprinzips, nach dem das Recht des Verfahrensstaates das gesamte Verfahren umfassend regeln soll 16. Dieses Prinzip wird aber nicht ohne Einschränkung durchgehalten. Zum Schutz des Rechtsverkehrs, der vielfach mit der Geltung fremden Rechts in der Insolvenz des Schuldners nicht rechnet, nimmt die EuInsVO eine Reihe von Sonderanknüpfungen vor. Das betrifft insbesondere die Wirkungen der Verfahrenseröffnung auf dingliche Rechte sowie auf die Aufrechnungslage. 1. Dingliche Rechte Die EuInsVO differenziert zwischen dinglichen Rechten im Allgemeinen und dem Eigentumsvorbehalt im Besonderen. Dieser Differenzierung liegt offenbar das Bemühen zu Grunde, Sicherheiten, die nachträglich dem Gläubiger an Gegenständen des Schuldners eingeräumt werden, vom vorbehaltenen Eigentum zu unterscheiden, das nicht durch nachträgliche Einräumung entsteht, sondern als Sicherheit ursprünglich zurückbehalten wird. a) Dingliche Rechte an Gegenständen des Schuldners. Gem. Art. 5 EuInsVO wird das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners - sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung -, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befinden, von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. Den Begriff des dinglichen Rechts bestimmt die Verordnung nicht ausdrücklich; eine Konkretisierung erfährt er allerdings durch die in Art. 5 II EuInsVO enthaltene, nicht abschließende Liste dinglicher Rechte. Art. 5 EuInsVO erfasst demnach sämtliche gängigen Sicherungsrechte des deutschen Rechts mit Ausnahme des Eigentumsvorbehalts, einschließlich das zur Sicherheit übertragene Eigentum, da es sich um ein dingliches Recht handelt, das zur Verwertung der Sache berechtigt. Den dinglichen Rechten gleichgestellt sind gem. Art. 5 III EuInsVO die in einem öffentlichen Register eingetragenen und gegen jedermann wirksamen Rechte, ein dingliches Recht i.s. des Art. 5 I EuInsVO zu erlangen. Damit wird auch die Vormerkung deutschen Rechts als dingliches Recht geschützt 17. Die EuInsVO bestimmt aber nur die Unberührbarkeit dinglicher Rechte an Sachen, die sich zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Ausland befinden. Sie setzt die (anderweitige) inhaltliche Bestimmung damit voraus. In Deutschland bestimmt sich das Bestehen und der Inhalt von dinglichen Rechten an Gegenständen auch in der Insolvenz gem. Art. 38 EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem sie sich befindet (lex rei sitae) 18. Der Inhalt von dinglichen Rechten an Forderungen bemisst sich dagegen nach dem Forderungsstatut 19. Fraglich ist, welche Wirkungen ausländische dingliche Rechte an im Ausland belegenen Sachen haben 20. Teilweise wird vertreten, die Sicherungsrechte seien so zu behandeln, wie sie in einem Insolvenzverfahren in dem jeweiligen Staat zu behandeln wären 21. Diese Meinung steht allerdings in einem deutlichen Widerspruch zum Wortlaut der Art.

5 EuInsVO, wonach die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Sicherungsrechte eben nicht berühren soll. Weiter spricht gegen diese Meinung, dass die EuInsVO die Geltung des Insolvenzrechts eines anderen Staates an anderen Stellen jeweils besonders anordnet (vgl. Art. 8-12); aus dem Fehlen einer entsprechenden Anordnung bei Art. 5 EuInsVO ist daher zu schließen, dass dies bei der Frage dinglicher Rechte nicht gewollt war. Überzeugender ist daher, die Formulierung des Art. 5 I EuInsVO wörtlich zu nehmen und lediglich die Wirkung der Verfahrenseröffnung zu begrenzen 22. Die Sicherungsrechte an im Ausland belegenen Gegenständen können demnach also noch so ausgeübt werden, als sei kein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Insbesondere ist dann auch insoweit noch eine Einzelzwangsvollstreckung möglich. Ausländische dingliche Rechte sind nicht davor geschützt, dass ihre Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relative Unwirksamkeit nach dem Recht der Verfahrenseröffnung geltend gemacht wird, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, Art. 5 IV, Art. 4 II lit. m EuInsVO. Das kann beispielsweise Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 316 dann der Fall sein, wenn ein Sicherungsrecht nachträglich, aber im Hinblick auf die drohende Insolvenz vereinbart wird, um den Sicherungsnehmer zu begünstigen. b) Behandlung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestehen. Art. 5 I EuInsVO bestimmt lediglich, dass dingliche Rechte durch die Verfahrenseröffnung nicht berührt werden. Damit ist noch nichts darüber gesagt, wie die Gegenstände von der Verfahrenseröffnung berührt werden. Differenziert man nach den Wirkungen der Verfahrenseröffnung auf die Sicherungsrechte einerseits und auf die Vermögensgegenstände andererseits, so kann es für die Wirkung auf die Vermögensgegenstände nur auf die allgemeinen Wirkungen der Insolvenzeröffnung ankommen, denn insoweit hält die Verordnung keine Sonderregelungen bereit, insbesondere lässt die Verordnung nicht die Gegenstände von der Verfahrenseröffnung unberührt. Die Wirkung der Verfahrenseröffnung richtet sich also gem. Art. 4 EuInsVO nach dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird und unterscheidet sich nicht von derjenigen auf Vermögen, an dem keine Sicherungsrechte bestehen. Folge dessen ist allerdings, dass es zu Einschränkungen bei der Verwertung der Gegenstände kommen kann. Da die Sicherungsrechte nicht berührt werden dürfen, ist der Insolvenzverwalter gehindert, die Gegenstände uneingeschränkt zur Masse zu ziehen und zu verwerten. Zur Lösung dieses Problems wird teilweise vertreten, der Insolvenzverwalter könne den überschießenden Vermögenswert zur Masse ziehen oder das Sicherungsrecht durch Erfüllung der Forderung zum Erlöschen bringen 23. Dieser Ansatz ist aber problematisch, weil nicht klar ist, wie allein der überschießende Vermögenswert zur Masse gezogen werden soll, solange der Vermögensgegenstand nicht verwertet worden ist. c) Der Eigentumsvorbehalt im Besonderen. Der Eigentumsvorbehalt ist in der EuInsVO gesondert geregelt, Art. 7 I EuInsVO. Der Eigentumsvorbehalt des Verkäufers wird in der Insolvenz des Käufers genauso behandelt, wie die sonstigen dinglichen Rechte. Art. 7 II EuInsVO bestimmt zudem, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Verkäufer einer Sache nach deren Lieferung nicht die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrages rechtfertigt und dem Eigentumserwerb des Käufers nicht entgegen steht, wenn sich die Sache zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als dem der Verfahrenseröffnung befindet. Damit wird auch das Anwartschaftsrecht des Käufers an einem Gegenstand, der sich nicht im Staat des Hauptinsolvenzverfahren befindet, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt gelassen. 2. Die Wirksamkeit der Aufrechnung in der Insolvenz Die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer Gegenforderung stellt sich praktisch als Sicherheit dar, wenn und soweit die Aufrechnungslage auch in der Insolvenz Bestand hat. Wie dingliche Sicherheiten wird die Aufrechnungslage aber nicht in jedem Fall in der Insolvenz geschützt. Im Falle der Insolvenz des Inhabers der Hauptforderung ist also immer zu prüfen, ob erstens eine Aufrechnungslage materiell-rechtlich besteht und ob zweitens die Aufrechnung in der Insolvenz zulässig ist. a) Materiell-rechtliche Fragen der Aufrechnung. Ob die Aufrechnung materiell-rechtlich möglich ist, wird gem. Art. 32 I Ziff. 4 EGBGB nach dem Statut der Hauptforderung beurteilt 24. Dies wird durch die EuInsVO nicht geändert, weil die Verordnung nicht in die materiell-rechtlichen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten eingreift. b) Zulässigkeit der Aufrechnung. Die Zulässigkeit der Aufrechnung in der Insolvenz bestimmt sich nach deutschem Internationalem Insolvenzrecht gemäß der lex fori concursus, um ein größtmögliches Maß an Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten 25. Nach Art. 4 II lit. d EuInsVO beurteilt sich die Wirksamkeit einer Aufrechnung dagegen grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren durchgeführt wird, und weicht damit von der deutschen Regelung ab. Aus dem systematischen Verständnis des Art. 4 II 1 EuInsVO folgt jedoch, dass Art. 4 EuInsVO nur die Durchführung des Verfahrens betreffen soll 26. Da aber die Frage, ob gegen eine Forderung des Gemeinschuldners in materieller Hinsicht aufgerechnet werden kann, keine Frage des Verfahrensrechts, sondern des materiellen Rechts ist, wird folglich nur die Frage, ob eine materiell-rechtlich bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch im Insolvenzverfahren ausgeübt werden kann, von Art. 4 II lit. d

EuInsVO dem Verfahrensrecht zugewiesen. Die Verordnung lässt die materiell-rechtliche Aufrechnungsbefugnis als solche also unberührt 27. c) Einschränkung. Art. 6 EuInsVO schränkt die Möglichkeit der Aufrechnung, die durch Art. 4 II 1 EuInsVO eröffnet wird, allerdings insofern wieder ein, als die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist. Bei der Einschränkung des Art. 6 I EuInsVO ist aber fraglich, ob sie mit dem Verweis auf das maßgebliche Recht nur auf das materielle Recht, oder auch auf das Insolvenzrecht des Hauptforderungsstatuts verweist. Ersteres wird in der Literatur teilweise angenommen 28 mit der Folge, dass Aufrechnungslagen wie dingliche Rechte umfassend vor den Wirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung geschützt wären. Dagegen wird zu Recht eingewendet, dass Art. 6 EuInsVO generell auf das für die Forderung maßgebliche Recht verweist 29. Dazu gehört auch das Insolvenzrecht. Es ist demnach davon auszugehen, dass eine Aufrechnung dann nicht von der lex fori concursus verhindert werden kann, wenn die Hauptforderung einem anderen Statut als dem des Verfahrensstaates untersteht und nach diesem (materiellen und Insolvenzverfahrens-) Recht die Aufrechnung möglich ist. 3. Laufende Verträge Für die Wirkung der Insolvenzverfahrenseröffnung auf laufende Verträge sieht Art. 4 I lit. e EuInsVO die Anknüpfung an die lex fori concursus vor. Für Verträge über unbewegliche Gegenstände (Art. 8 EuInsVO) und für Arbeitsverträge Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 317 (Art. 10 EuInsVO) gelten zusätzlich besondere Bestimmungen: a) Verträge über unbewegliche Gegenstände, Art. 8 EuInsVO. Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstandes berechtigt, ist gem. Art. 8 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dessen Gebiet der Gegenstand belegen ist. Zweck dieser Sonderanknüpfung ist es, den besonderen Interessen des Lagestaates gerecht zu werden. Da Art. 8 EuInsVO keine Beschränkung auf gegenseitige Verträge enthält, werden auch Schenkungsverträge erfasst 30. Zu den Nutzungsverträgen gehört insbesondere auch der Leasingvertrag 31. Anders als im autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrecht wird nach der EuInsVO jedoch nicht an die Kollisionsregeln des Belegenheitsrechts angeknüpft, sondern es wird unmittelbar und ausschließlich die Geltung der Sachnormen der lex rei sitae bestimmt 32. Dadurch hat eine etwaige Rechtswahl der Parteien in der Insolvenz keine Bedeutung 33. b) Arbeitsverträge, Art. 10. Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis gilt gem. Art. 10 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Das bedeutet, dass zunächst nach den allgemeinen kollisionsrechtlichen Regelungen das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht zu bestimmen ist 34. Dies hat, sofern die lex fori das deutsche Recht ist, gem. Art. 30 EGBGB zu erfolgen. Die Verordnung verweist nur auf das Recht eines anderen Mitgliedstaats. Würde die Anwendung der allgemeinen Kollisionsregeln dazu führen, dass das Recht eines Drittstaates anwendbar ist, so soll es bei dem Grundsatz des Art. 4 II lit. e EuInsVO bleiben, dass die lex fori concursus Anwendung findet 35. Gem. Art. 10 EuInsVO sollen zudem nur die Wirkungen des Insolvenzverfahrens dem Arbeitsvertragsstatut unterfallen. Ausweislich der Erwägungsgründe werden damit also nicht sonstige insolvenzrechtliche Fragen eraßt, wie etwa die Frage, ob die Forderungen der Arbeitnehmer durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht gegebenenfalls erhalten soll. Diese Fragen richten sich wiederum nach dem Insolvenzstatut, Art. 4 II lit. g EuInsVO 36. 4. Wirkungen auf eintragungspflichtige Rechte Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an einem unbeweglichen Gegenstand, einem Schiff oder einem Luftfahrzeug, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, ist gem. Art. 11 EuInsVO das Recht des Staates maßgeblich, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Damit ist eine kumulierte Anwendung beider Rechte gewollt 37 ; es sollen die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens so angepasst werden, dass das Register nicht durch fremdartige Eintragungen gestört wird 38. 5. Gutgläubiger Erwerb a) Verfügungen des Schuldners. Nach deutschem Recht sind gem. 81 I InsO Verfügungen des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam 39. 80 InsO macht keinen Unterschied zwischen im Inland oder im Ausland belegenen Sachen. Befinden sich die Gegenstände im Ausland, kollidiert der Geltungsanspruch des

deutschen Rechts daher mit dem des Rechts am Belegenheitsort. Die Verordnung hält für diesen Konflikt indes nur eine unvollständige Regelung bereit: Grundsätzlich richtet es sich nach dem Recht des Verfahrensstaates, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen, Art. 4 II lit. m EuInsO. Diese Regelung betrifft jedoch Sonderfälle, in denen die (übrigen) Gläubiger benachteiligt werden. Nicht jede Verfügung des Schuldners stellt aber zugleich eine Benachteiligung der Gläubiger dar. Verfügt der Schuldner über einen Gegenstand, für den er eine gleichwertige Gegenleistung erhält und gelangt die Gegenleistung in die Masse, so wird kein Gläubiger benachteiligt 40. Im Übrigen ist zwischen unbeweglichen und beweglichen Gegenständen zu unterscheiden. Für unbewegliche Gegenstände und diesen gleichgestellte Gegenstände sieht Art. 14 EuInsVO eine Sonderanknüpfung vor: Verfügt der Schuldner durch eine nach Eröffnung des Verfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt über einen unbeweglichen Gegenstand, über ein Schiff oder ein Luftfahrzeug, das der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegt, oder über Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzliches Register Voraussetzung für die Existenz ist, so richtet sich die Wirksamkeit gem. Art. 14 EuInsVO nach dem Recht des Staates, in dem das Register geführt wird. Es gelten somit auch die Gutglaubensvorschriften des jeweiligen Rechts. Für den Fall, dass der Schuldner über einen beweglichen Gegenstand verfügt, sieht die EuInsVO dagegen keine besondere Regelung vor 41. b) Leistungen an den Schuldner. Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Insolvenzverwalter hätte leisten müssen, wird gem. Art. 24 I EuInsVO befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. Erfolgte die Leistung vor der ggf. erforderlichen oder durchgeführten öffentlichen Bekanntmachung, wird gem. Art. 24 II EuInsVO vermutet, dass der Leistende gutgläubig war; nach diesem Zeitpunkt wird seine Bösgläubigkeit vermutet. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen derjenigen des 82 InsO. c) Sonstiger Rechtserwerb. In Ausnahmefällen kann ein Dritter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 318 Rechte an Gegenständen des Schuldnervermögens erlangen, ohne dass der Schuldner nach der Eröffnung eine Verfügung vorgenommen hätte 42. Solcher Rechtserwerb wird nach deutschem Recht durch 91 InsO ausgeschlossen, wonach Rechte an Gegenständen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden können, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zu Grunde liegt. Die Verordnung regelt derartige Fälle nicht. Zur Lösung ist daher wiederum auf das allgemeine Internationale Insolvenz- bzw. Privatrecht zurückzugreifen 43. 6. Benachteiligende Handlungen/Anfechtung, Art. 13 EuInsVO Die Möglichkeiten, die Masse zur Verteilung an die Gläubiger zu sichern, bestehen erst ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, frühestens unmittelbar nach Antragstellung durch vorläufige Sicherungsmaßnahmen. Aber auch schon vor Antragstellung kann der Schuldner im Hinblick auf die sich abzeichnende Insolvenz Handlungen vornehmen, die die Gläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligen. Um solche Handlungen rückgängig machen zu können, bestehen Anfechtungsrechte. Die Behandlung benachteiligender Handlungen in der internationalen Insolvenz ist im autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrecht in Art. 102 II EGInsO geregelt 44. Danach kann eine Rechtshandlung, für deren Wirkungen inländisches Recht maßgeblich ist, vom ausländischen Insolvenzverwalter nur angefochten werden, wenn die Rechtshandlung auch nach inländischem Recht entweder angefochten werden kann oder aus anderen Gründen keinen Bestand hat. Die EuInsVO formuliert nun denselben Regelungsgedanken andersherum: Gem. Art. 4 II lit. m EuInsVO kann eine Rechtshandlung, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt, nach dem Recht des Verfahrensstaates angefochten werden. Ausnahmsweise findet diese Regelung gem. Art. 13 EuInsVO dann keine Anwendung, wenn der Anfechtungsgegner nachweist, dass für die angefochtene Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaates gilt und dass die Handlung nach dem Recht dieses Staates in keiner Weise angreifbar ist. Allerdings enthält Art. 13 EuInsVO eine Beweislastumkehr, die das deutsche Internationale Insolvenzrecht nicht kennt: Der Anfechtungsgegner muss behaupten und nötigenfalls beweisen, dass nach dem Wirkungsstatut die Rechtshandlung in jeder Hinsicht wirksam ist. 7. Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten, Art. 15 EuInsVO Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse entscheidet gem. Art. 15 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Dementsprechend sind die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten von Art. 4 II lit. f Halbs. 2 EuInsVO ausdrücklich ausgenommen worden. Auf einen in Deutschland anhängigen Rechtsstreit hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland die Unterbrechung gem. 240 ZPO zur Folge 45.

VI. Kompetenzen des Verwalters, Art. 18 EuInsVO Die Befugnisse des Verwalters richten sich gem. Art. 4 II lit. c EuInsVO nach dem Recht des Verfahrensstaates. Verwalter ist gem. Art. 2 lit. b EuInsVO jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, die Masse zu verwalten oder zu verwerten oder die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen. Um Auslegungsschwierigkeiten zu verhindern, sind diese Personen oder Stellen in Anhang C zu der Verordnung abschließend aufgeführt worden. In Deutschland gehören dazu der vorläufige Insolvenzverwalter, der Insolvenzverwalter, der Sachwalter und der Treuhänder. Nach Art. 18 I 1 EuInsVO darf der Verwalter im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange in dem anderen Staate nicht ein (Partikular-)Insolvenzverfahren eröffnet ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme auf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hin ergriffen worden ist. Das bedeutet, dass ein Insolvenzverwalter aus einem anderen Mitgliedstaat in Deutschland auch die Rechte ausüben darf, die aus seinem Heimatrecht stammen, aber im deutschen Recht unbekannt sind. Welche Konsequenzen das hat und ob bestimmte Grenzen für die Tätigkeit fremder Insolvenzverwalter mit den Befugnissen fremder Rechtsordnungen im Inland notwendig sind, ist noch nicht geklärt. Es ist insbesondere unklar, was damit gemeint ist, dass gem. Art. 18 III 1 EuInsVO der Verwalter bei der Ausübung seiner Befugnisse das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates zu beachten hat, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstandes aus der Masse. Gem. Art. 18 III 2 EuInsVO darf der ausländische Insolvenzverwalter jedenfalls keine Zwangsmittel ergreifen, und er darf nicht über Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen entscheiden. Will der Verwalter auf Zwangsmaßnahmen zurückgreifen, muss er sich der staatlichen Organe des jeweiligen Mitgliedstaates bedienen. Hier wird man möglicherweise exorbitante Maßnahmen fremder Rechtsordnungen mit dem ordre public-gedanken erfassen können. Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, kann dieser zur Sicherung und Erhaltung des sich in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Schuldnervermögens Maßnahmen nur nach dem Ortsrecht ergreifen, Art. 38 EuInsVO. VII. Partikularverfahren 1. Allgemeines Die EuInsVO lässt es zu, dass auf das Vermögen in einem Staat begrenzte Insolvenzverfahren eröffnet werden können. Dies ist ein Kernbereich der Neuregelung. Dabei wird terminologisch unterschieden zwischen Partikularverfahren im Allgemeinen und Sekundärverfahren im Besonderen. Gem. Art. 3 III 1 EuInsVO sind Sekundärverfahren Partikularverfahren, die nach Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens eröffnet werden. Beide Verfahren beschränken sich dann in ihrer Wirkung auf das im Verfahrensstaat belegene Vermögen des Schuldners. Die Eröffnung von Partikularverfahren beschränkt gem. Art. 17 I EuInsVO hinsichtlich des betroffenen Territoriums die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens und wird gem. Art. 16 I EuInsVO in allen Mitgliedstaaten Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 319 ohne weiteres anerkannt. Beschränkungen von Gläubigerrechten, insbesondere Stundungen oder Schuldbefreiungen infolge des Partikularverfahrens wirken gem. Art. 17 II 2 EuInsVO hinsichtlich des in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. Partikularverfahren können nur eröffnet werden, wenn der Schuldner in dem jeweiligen Staat eine Niederlassung hat. Der Begriff der Niederlassung ist in Art. 2 lit. h EuInsVO geregelt und autonom auszulegen. Darunter fällt jeder Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten erfordert. Vorausgesetzt wird damit nur ein gewisser Organisationsgrad und ein zeitliches Moment; nicht erforderlich ist dagegen die Weisungsabhängigkeit der Außenvon der Hauptstelle. Der Begriff der Niederlassung ist in der EuInsVO damit weiter als der des Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ 46. In den Einzelheiten unterscheiden sich die Verfahren: 2. Partikularverfahren Partikularverfahren (im engen Sinne) können nur eingeschränkt durchgeführt werden, nämlich dann, wenn der Schuldner zum einen (lediglich) eine Niederlassung im Inland hat und außerdem gem. Art. 3 IV EuInsVO entweder die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist oder die Eröffnung von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht. Wird nach Eröffnung eines Partikularverfahrens ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so wird das Partikularverfahren automatisch in ein Sekundärinsolvenzverfahren umgewandelt, auf das die Art. 36ff. EuInsVO angewendet werden, soweit das nach dem Stand des Verfahrens möglich ist. Der Hauptinsolvenzverwalter kann gem. Art. 37 EuInsVO beantragen, dass ein in Anhang A genanntes Verfahren, das

zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet wurde, in ein Liquidationsverfahren umgewandelt wird, wenn es sich erweist, dass diese Umwandlung im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens liegt. Hier liegt offenbar ein Redaktionsversehen vor, denn die in Anhang A genannten Verfahren sind Liquidationsverfahren; sie schließen zwar auch Sanierungsverfahren ein, deutlicher käme der Wille aber zum Ausdruck, wenn direkt auf Anhang B verwiesen worden wäre, in dem die Sanierungsverfahren aufgelistet sind (vgl. Art. 2 lit. c EuInsVO ). 3. Sekundärinsolvenzverfahren Für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens ist nur Voraussetzung, dass der Schuldner im Verfahrensstaat eine Niederlassung hat. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass auf irgendeine Weise ein Insolvenzgrund besonders festgestellt wird; die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat ist gem. Art. 27 S. 1 EuInsVO ausreichend. Antragsbefugt sind gem. Art. 29 der Hauptinsolvenzverwalter sowie jede andere Person oder Stelle, der das Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden soll. In Deutschland können gem. 13 I 2 InsO daher der Schuldner und Gläubiger des Schuldners ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragen. Auf das Sekundärinsolvenzverfahren wird gem. Art. 4, 28 EuInsVO das Recht des Verfahrensstaates angewendet, sofern die Verordnung keine abweichende Regelung vorsieht. An dem Sekundärinsolvenzverfahren kann jeder Gläubiger und jeder weitere Verwalter von anderen Verfahren desselben Schuldners teilnehmen, Art. 32 I, III EuInsO. Die Verwalter anderer Verfahren melden die Forderungen ihrer Gläubiger ebenfalls an; die Gläubiger des betreffenden Sekundärverfahrens können der Anmeldung allerdings widersprechen, Art. 32 II EuInsVO. Sekundärinsolvenzverfahren können gem. Art. 3 III 2 EuInsVO nur als Liquidationsverfahren eröffnet werden. Allerdings ist es möglich, ein auf die Liquidation gerichtetes Verfahren durch eine Sanierungsmaßnahme zu beenden, wenn das maßgebliche Verfahrensrecht eine solche Möglichkeit vorsieht. Das deutsche Insolvenzrecht sieht mit dem Insolvenzplanverfahren gem. 217ff InsO ein solches Verfahren vor. Diese Art der Beendigung kann der Hauptinsolvenzverwalter vorschlagen, Art. 34 I EuInsVO. Weitere Voraussetzung für eine Sanierung ist, dass der Hauptinsolvenzverwalter zustimmt oder die finanziellen Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens nicht beeinträchtigt werden, Art. 34 I Unterabs. 2 EuInsVO. Wann die finanziellen Interessen der Gläubiger im Hauptinsolvenzverfahren beeinträchtigt werden, ergibt sich aus einem Vergleich der Quote im Hauptinsolvenzverfahren bei Sanierung und Liquidierung im Sekundärinsolvenzverfahren 47. Im Sekundärinsolvenzverfahren kann eine Beschränkung der Rechte der Gläubiger durch eine Sanierungsmaßnahme gem. Art. 34 II EuInsVO nur dann Auswirkung auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners haben, wenn alle betroffenen Gläubiger zustimmen. Das bedeutet zum einen, dass alle unmittelbar durch die Beschränkung betroffenen Gläubiger der Maßnahme zustimmen müssen. Das sind diejenigen, die an dem Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmen und dort im Vergleich zur Abwicklung des Vermögens einen Nachteil hinnehmen müssen. Zum anderen müssen aber auch die mittelbar betroffenen Gläubiger zustimmen. Das sind diejenigen, die nicht am Sekundärinsolvenzverfahren teilnehmen, die aber im Hauptinsolvenzverfahren eine relative Verringerung der Masse hinnehmen müssen, weil die im Sekundärinsolvenzverfahren verzichtenden Gläubiger ihre Restforderung im Hauptinsolvenzverfahren geltend machen. Soll diese Zustimmung umgangen werden, müssen die Gläubiger im Sekundärinsolvenzverfahren nicht nur hinsichtlich des vom Sekundärinsolvenzverfahren betroffenen Vermögens, sondern auch im Hinblick auf das übrige Vermögen des Schuldners auf ihre Forderungen verzichten. Um eine Koordination von Sekundär- und Hauptverfahren zu gewährleisten, sieht die EuInsVO in Art. 31 I, II die Pflicht der Verwalter von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren zur gegenseitigen Unterrichtung und Zusammenarbeit vor 48. VIII. Verteilung des Erlöses Die Verteilung des Erlöses muss im Interesse der Gläubigergleichbehandlung koordiniert werden. Diese Koordinierung ist der EuInsVO nicht ganz geglückt; Einzelheiten bedürfen daher noch der Klärung 49. Jeder Gläubiger Ehricke, Ries: Die neue Europäische Insolvenzverordnung JuS 2003 Heft 4 320 kann seine Forderung gem. Art 32 I EuInsVO im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. Dass jeder Gläubiger seine Forderung auch in einem Partikularverfahren anmelden kann, bestimmt die Verordnung nicht ausdrücklich. Dies versteht sich aber von selbst; Grund für die Regelung des Art. 32 I EuInsVO ist, dass bei mehreren Verfahren Zweifel daran bestehen könnten, ob der Gläubiger berechtigt ist, seine Forderung in jedem Verfahren anzumelden. Wird ein Partikularverfahren im Anwendungsbereich der Verordnung durchgeführt, gibt es aber keine weiteren Verfahren, da andernfalls das Partikularverfahren in ein Sekundärinsolvenzverfahren umgewandelt worden wäre. Der Rang verschiedener Forderungen ergibt sich aus dem jeweiligen Verfahrensrecht, Art. 4 II lit. i EuInsVO.

Die Forderungen, die von Gläubigern in einem Verfahren angemeldet worden sind, werden von dem jeweiligen Verwalter auch in den anderen Verfahren angemeldet, wenn dies für die Gläubiger zweckmäßig ist, Art. 32 II EuInsVO. Die Gläubiger haben aber ein Widerspruchsrecht und sie können die erfolgte Anmeldung wieder zurücknehmen, wenn dies gesetzlich, d.h. nach dem Verfahrensrecht des jeweiligen Verfahrens, vorgesehen ist, Art. 32 II EuInsVO. * Professor Dr. Ehricke ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Wirtschaftsrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Bremen; Dr. Ries ist Rechtsanwalt in der Anwaltskanzlei Blaum, Dettmers, Rabstein in Bremen. 1 VO (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, ABlEG 2000, Nr. L 160/1 abgedr. in ZInsO 2001, 111. Dazu vgl. Becker, ZEuP 2002, 287; Eidenmüller, IPRax 2001, 2; Deipenbrock, EWS 2001, 113; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533; Wimmer, ZInsO 2001, 97; P. Huber, ZZP 114 (2001), 133; ders., EuZW 2002, 490. 2 Abgedr. ZIP 1996, 679 - vgl. dazu ausf. Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union v. 23. 11. 1995, 2000; H. Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im dt. Recht, 1997. 3 Dazu s. etwa Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb., 2. Aufl. (2001), 127 Rdnrn. 36f.; Lüer, in: Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. (2000), S. 297ff. 4 Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (540). 5 Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (539). 6 Richtlinie 2001/24/EG v. 4. 4. 2001, ABl 2001, L 125/15; Wimmer, ZInsO 2002, 897. 7 Ehricke, EWS 2002, 101; ders., ZInsO 2002, 393; ders.,dzwir 1999, 353; Deipenbrock, EWS 2001, 113 (116); Gottwald (o. Fußn. 3), 131 Rdnr. 9. 8 S. Erwägungsgrund 13, ABlEG 2000, Nr. L 160/1, 2. 9 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (141). 10 Krit. Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (544). 11 Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (545); P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (143ff.). 12 Vgl. dazu P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (148f.). 13 Ehricke, RabelsZ 62 (1998), 712 (737). 14 Beide Erstreckungen sind Konsequenzen aus der weiten Auslegung von Art. 1 II EuGVÜ durch den EuGH, wonach solche Entscheidungen nicht nach dem EuGVÜ vollstreckbar sind; vgl. dazu P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (150). 15 Vgl. P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (149). 16 Zum Universalitätsprinzip vgl. Lüer (o. Fußn. 3), S. 304f., Häsemeyer, InsolvenzR, 2. Aufl. (1997), Rdnrn. 35.08ff.; Wimmer, in: Frankfurter Komm. zur InsO, 3. Aufl. (2002), Anh. I, Rdnrn. 22ff. 17 Zu beachten ist dabei, dass gem. Art. 11 EuInsVO auf Rechte an einem unbeweglichen Gegenstand ( ), die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, das Recht des Mitgliedstaats maßgebend ist, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Allg. zu Sicherungsrechten Liersch, NZI 2002, 15. 18 Wenner, in: Mohrbutter/Mohrbutter, Hdb. der Insolvenzverwaltung, 7. Aufl. (1997), XXIII Rdnr. 215; Kirchhof, WM 1993, 1403; P. Huber, ZZP 114 (2001) 133 (153). Zum EuInsÜ Taupitz, ZZP 111 (1998), 335; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997, S. 33. 19 Kreuzer, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl. (1998), Anh. Art. 38 EGBGB Rdnr. 210. 20 Zur alten Meinungslage, die aber im Anwendungsbereich der Verordnung ihre Grundlage verloren hat vgl. Kuhn/Uhlenbruck/Lüer, KO, 11. Aufl. (1994); 237, 238 Rdnr. 67; Gottwald (o. Fußn. 3), 129 Rdnrn. 26ff.; Kirchhof, WM 1993, 1364; 1401 (1404). 21 Vgl. Flessner in: Festschr.f. Drobnig, 1998, S. 277; ders., IPRax 1991, 1 (7); ders., in: Stoll (o. Fußn. 2), S. 219. 22 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (158); Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (339f.); Gottwald (o. Fußn. 3), S. 34f. 23 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (158); Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (339f.). 24 BGHZ 95, 256 (273); v. Wilmowsky, KTS 1998, 343 (346f.). 25 BGHZ 95, 256 (273); Gottwald (o. Fußn. 3), 129 Rdnr. 55; Kübler/Prütting/Kemper, InsO, Loseblattslg., Stand 2002, Anh. II Art. 102 EGInsO Rdnr. 214; v. Wilmowsky, KTS 1998, 343 (349f.); vgl. dazu auch Bork, ZIP 2002, 690. 26 Ausf. zur historischen, Wortlaut- und systematischen Auslegung im Hinblick auf das EuInsÜ v. Willmovsky, KTS 1998, 343 (358f.), anders, nämlich auf den Wortlaut abstellend Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (343). Unklar insoweit Balz, ZIP 1996, 950, und Gottwald (o. Fußn. 20), S. 36. 27 Der englische Text der Verordnung bringt diesen Willen besser zum Ausdruck, vgl. the conditions under which set-offs may be invoked. 28 Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (343). 29 Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (554f.); v. Wilmowsky, KTS 1998, 343 (360); zust. Eidenmüller, IPrax 2001, 2 (7). Zudem kann sich diese Lesart auf die Aussagen des sog. Erläuternden Berichts zum EuGVÜ stützen, vgl. Virgos/Schmit, in: Stoll (o. Fußn. 2), S. 32 (73f.). 30 Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (345). 31 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (163); Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (345). 32 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (163); a.a. Gottwald (o. Fußn. 3), S. 37, und Balz, ZIP 1996, 950, die Art. 8 EuInsVO (bzw. EuInsÜ) als Verweisung auf das Vertragsstatut verstehen. 33 Taupitz, ZZP 111 (1998), 315 (345). 34 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (162); Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (558). 35 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (163). 36 Vgl. Erwägungsgrund 28, ABlEG 2000, Nr. L 160/1, 4; dazu P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (163). 37 P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (164). 38 Balz, ZIP 1996, 950. 39 Dazu vgl. etwa Köhn, Veräußerungsgeschäfte des Insolvenzschuldners ( 80 I, 81 InsO), Diss. Hannover 2000, S. 8ff.

40 Nach deutschem Verständnis benachteiligt allerdings jede Verfügung die Gesamtheit der Gläubiger, weil jede Verfügung zu einer Minderung oder Belastung des Vermögens führt. Sollte die Bestimmung des Art. 4 II lit. m EuInsVO allerdings in dieser Weise gelesen werden sollen, würde die weitere Einschränkung weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt keinen Sinn ergeben, weil diese Bedingung per definitionem immer erfüllt wäre. Die Vorschrift muss daher so gelesen werden, dass die Verfügung unter Berücksichtigung der Gegenleistung benachteiligend sein muss. 41 Im deutschen internationalen Insolvenzrecht ist es umstritten, nach welchem Recht sich Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung über bewegliche Gegenstände beurteilen. Teilweise wird vertreten, die lex fori concursus habe über die Wirksamkeit der Verfügung zu entscheiden. Die überwiegende Meinung in der Lit. geht davon aus, dass sich die Frage der Verfügungsbefugnis nach der lex fori concursus bestimmt, die Frage der Wirksamkeit einer Verfügung ohne Verfügungsmacht gegenüber Gutgläubigen sich nach der lex rei sitae richte, vgl. Kübler/Prütting/Kemper (o. Fußn. 25), Anh. II Art. 102 Rdnrn. 203ff. 42 Beispiel nach App 91 Rdnr. 1: Der Schuldner tritt eine künftige Forderung, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, zur Sicherheit ab. 43 Da sich Rechte an im Ausland befindlichen Sachen nach der lex rei sitae richten (Art. 43 I EGBGB), richten sich auch Rechte, die in der Insolvenz erworben werden, nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Gleiches gilt für Rechte an Forderungen; ihr Bestand richtet sich nach dem Forderungsstatut, so auch Kübler/Prütting/Kemper (o. Fußn. 25), Anh. II Art. 102 EGInsO Rdnr. 206. 44 S. dazu jüngst Hanisch, in: Festschr.f. H. Stoll, 2001, S. 503. 45 OLG München, EWiR 1996, 383, m.anm. Hanisch; Kübler/Prütting/Kemper (o. Fußn. 25), Anh. II Art. 102 EGInsO Rdnr. 135; zum EuInsÜ: Prütting, ZIP 1996, 1277 (1282). 46 S. Ehricke, EWS 2002, 101 (104). 47 Wimmer, ZIP 1998, 982 (988). 48 Ausf. dazu Ehricke, in: Festschr. 75 Jahre Max Planck Institutf. IPR, 2001, S. 337ff. 49 Vgl. Wimmer (o. Fußn. 41), Anh. I Rdnr. 103.