Diro Practice Group Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten ausländischer Verwalter im Inland Länderbericht: Schweiz



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04. Mai 2009 Diro Practice Group Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten ausländischer Verwalter im Inland Länderbericht: Schweiz, Rechtsanwalt, Sachwalter, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Inhaltsverzeichnis 1. Grundsätzliches 2 2. Förmliche Voraussetzungen 3 2.1. Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets (Art. 166 IPRG) 3 a. Anerkennungsvoraussetzungen: 3 b. Vollstreckbarkeit 3 c. Verweigerungsgründe 3 d. Gegenrecht 4 2.2. Verfahren und Zuständigkeit (Art. 167 IPRG) 5 a. Anerkennung 5 b. Sekundärverfahren 5 c. Verteilung 5 2.3. Publikation (Art. 169 IPRG) 6 3. Zur Verfügung stehende Sicherungsmassnahmen (Art. 168 IPRG) 6 4. Verwertungshandlungen im Inland: Verfahren des Sekundärverfahrens 7 4.1. Grundsatz: Verfahren nach SchKG (Art. 170 IPRG) 7 4.2. Ausnahmen: Abweichungen vom SchKG 7 5. Zusammenarbeit mit inländischen Organen 9 6. Praktische Erfahrungen / Fälle 9

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 2/10 1. Grundsätzliches Die Europäische Insolvenzverordnung ist von der Schweiz nicht übernommen worden. Die Vollstreckung ausländischer Konkursdekrete in der Schweiz richtet sich daher nach Schweizer Recht bzw. nach allenfalls abgeschlossenen individuellen Staatsverträgen. Soweit keine Staatsverträge Anwendung finden, sind ausländische Konkursdekrete in der Schweiz nach den Bestimmungen der Art. 166 bis 175 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) zu vollziehen. Die Schweiz gehört in Konkurssachen keinem multilateralen Staatsvertrag an. Bilateral sind noch drei alte Staatsverträge in Kraft, welche allerdings kaum mehr Bedeutung haben, nämlich: Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und die gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825 / 13. Mai 1826; Übereinkunft vom 11. Mai und 27. Juni 1834 zwischen schweizerischen Kantonen und dem Königreich Bayern über gleichmässige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen im Konkursfall; und Übereinkunft vom 4. und 18. Februar 1837 zwischen schweizerischen Kantonen und dem Königreich Sachsen über gleichmässige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen. Das Schweizerische IPRG regelt das internationale Konkursrecht nach folgenden drei Grundprinzipien: es sieht ein einheitliches Rechtshilfeverfahren vor (Art. 166 bis 175 IPRG); es bestimmt einheitliche, für die ganze Schweiz geltende Exequaturbedingungen (Art. 25 bis 29 IPRG); und es zwingt die schweizerischen Gerichte und Behörden, das ausländische Recht von Amtes wegen anzuwenden (Art. 16 IPRG). Das in den Art. 170 ff. IPRG geregelte Verfahren zur Vollstreckung ausländischer Konkursdekrete (Konkurseröffnungsentscheid) in der Schweiz ist durch folgende Elemente charakterisiert: Ein ausländisches Konkursdekret wird in der Schweiz unter präzis umschriebenen Voraussetzungen anerkannt (Art. 166 IPRG) und setzt in der Schweiz ein dem ausländischen Verfahren zudienendes Verfahren (Sekundärkonkurs, auch Sekundärverfahren genannt) in Gang (Art. 170 IPRG); im Verlauf des Sekundärkonkurses werden die in der Schweiz gelegenen Aktiven des ausländischen Schuldners realisiert und es wird eine kleine Gruppe von Gläubi-

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 3/10 gern mit rechts- und sozialpolitisch sensiblen Privilegien der Schweiz vorab befriedigt; der nach dieser Vorabbefriedigung verbleibende Überschuss wird der Verwaltung des Hauptkonkurses zur Verfügung gestellt. 2. Förmliche Voraussetzungen 2.1. Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets (Art. 166 IPRG) Das ausländische Konkursdekret wird in der Schweiz anerkannt (a.), wenn: das Dekret im Staat, in dem es ergangen ist, vollstreckbar (b.) ist; kein Verweigerungsgrund (c.) nach Art. 27 IPRG vorliegt und der Staat, in dem das Dekret ergangen ist, Gegenrecht (d.) hält. a. Anerkennungsvoraussetzungen: Um in der Schweiz anerkannt zu werden, muss das ausländische Konkursdekret von der Konkurseröffnungsbehörde am Wohnsitz / Sitz des Schuldners ausgesprochen sein; die die Anerkennung nachsuchende Person muss aktivlegitimiert sein. Aktiv legitimiert sind nach Schweizerischem Recht die Konkursverwaltung (Person oder Institution, die zur Anhebung, Leitung, Durchführung des Konkursverfahrens nach ausländischem Recht zuständig ist) oder ein einzelner oder mehrere Gläubiger. b. Vollstreckbarkeit Die Vollstreckbarkeit setzt voraus, dass das Konkursdekret im Staat des Hauptkonkurses selber endgültig sein muss. Ein Rechtsmittel gegen die Konkurseröffnung darf nicht mehr zur Verfügung stehen. c. Verweigerungsgründe Nicht anerkannt werden Konkursdekrete, welche den ordre public der Schweiz verletzen. Der Entscheid darf deshalb in keinem Widerspruch zu fundamentalen materiellen (Bsp. Ungleichbehandlung von Gläubigern) oder formellen (Verletzung der Gebote der gehörigen Ladung, der Gewährung des rechtlichen Gehörs, der Litispendenz, der Verfahrenspriorität) Grundsätzen der Schweizerischen Rechtsordnung stehen.

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 4/10 d. Gegenrecht Nachdem heute keine Staatsverträge von Bedeutung mehr bestehen und bisher keine Regierungserklärungen auf Gegenrecht erfolgt sind, kann sich das Gegenrecht nur aus der zwischenstaatlichen Übung ergeben. Ausschlaggebend ist hierbei, ob es unter der Rechtsordnung des ausländischen Staates einer Schweizerischen Konkursmasse möglich ist, direkt oder indirekt (das heisst durch ein Sekundärverfahren) auf in diesem Staat gelegenen Vermögenswerte des Schuldners zu greifen. Inwieweit die Europäische Insolvenzverordnung ein Gegenrecht nach sich zieht, wurde bisher nicht geklärt. Für folgende Staaten besteht u.a. das Gegenrecht: Kein Gegenrecht besteht u.a. für: Australien Dänemark Bahamas Finnland Belgien Japan British Virgin Islands Liechtenstein Deutschland Niederlande Frankreich Norwegen Griechenland Österreich Grossbritannien Portugal Hong Kong Schweden Italien Kanada Luxemburg Schottland Spanien Südafrika USA Über eine Niederlassung einer ausländischen Unternehmung in der Schweiz kann zudem der Niederlassungskonkurs eröffnet werden (Art. 166 Abs. 2 IPRG und Art. 50 Abs. 1 SchKG). Hierbei handelt es sich um ein ordentliches Konkursverfahren für sämtliche auf Rechnung dieser Niederlassung eingegangen Verbindlichkeiten. Ein solches Verfahren geht dem Sekundärverfahren vor, es sei denn, der Kollokationsplan des Sekundärverfahrens sei bereits in Rechtskraft erwachsen.

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 5/10 2.2. Verfahren und Zuständigkeit (Art. 167 IPRG) a. Anerkennung Der Antrag auf Anerkennung ist an das zuständige Gericht am Ort des Vermögens in der Schweiz zur richten. Befindet sich das Vermögen an mehreren Orten, so ist das zuerst angerufene Gericht zuständig. Der Antrag auf Anerkennung muss enthalten: eine vollständige und beglaubigte Ausfertigung des ausländischen Konkursdekrets; eine Rechtskraftbescheinigung des ausländischen Konkursdekrets; bei einer Konkurseröffnung im Abwesenheitsverfahren: der Nachweis, dass der Konkursschuldner gehörig und so rechtzeitig geladen worden ist, dass er die Möglichkeit gehabt hatte, sich zu verteidigen. Das Verfahren der Anerkennung und der Eröffnung des Sekundärverfahrens richtet sich nach dem kantonalen Recht. Je nach Kanton kann das dazu führen, dass sachlich zwei Gerichte angerufen werden müssen. Das Vorhandensein ausländischer Vermögenswerte braucht aber generell nur glaubhaft gemacht zu werden. b. Sekundärverfahren Mit der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets wird das Sekundärverfahren in der Schweiz eröffnet und das in der Schweiz gelegene Vermögen mit Konkursbeschlag belegt. Das Verfahren des anschliessend durchzuführenden Sekundärverfahrens bis zur Verteilung richtet sich nach Schweizerischem Recht (siehe nachstehend 4.). c. Verteilung Die Verteilung der im Sekundärverfahren sichergestellten Aktiven erfolgt schliesslich nach Art. 173 IPRG. Diese Bestimmung sieht folgende Besonderheiten vor: Gestützt auf Art. 172 IPRG können nur Gläubiger mit Wohnsitz / Sitz in der Schweiz bzw. Gläubiger mit Pfandsicherheit in der Schweiz (zusammenfassend: Gläubiger in der Schweiz) vom Ergebnis des Sekundärverfahrens profitieren; der nicht für die Befriedigung der Gläubiger in der Schweiz verwendete Erlös bzw. nicht versilberte Werte aus dem Sekundärverfahren werden in die Masse des ausländischen Hauptverfahrens abgeführt; die Überweisung in die Masse des ausländischen Hauptverfahrens erfolgt erst, nachdem der Verteilungsplan des Hauptverfahrens vorliegt und vom für die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zuständigen Richter (bestimmt sich nach kantonalem Recht) anerkannt worden ist. Dieser hat dabei insbesondere zu überprüfen, dass die Rechte der Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz im Hauptverfahren gleichberechtigt Berücksichtigung gefunden haben und gleichwertig kolloziert worden sind. Hierzu hat der zuständige Richter die Gläubiger anzuhören;

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 6/10 kann der Kollokationsplan des Haupt-Konkurses nicht anerkannt werden, so ist der zur Abführung in den Hauptkonkurs gedachte Erlös aus dem Sekundärverfahren an die in der Schweiz domizilierten 3. Klassgläubiger gemäss Art. 219 Abs. 4 SchKG zu verteilen (Art. 174 IPRG). Diese haben in der Kollokation des Sekundärverfahrens keine Berücksichtigung gefunden. 2.3. Publikation (Art. 169 IPRG) Die Publikation der Anerkennung und der Eröffnung des Sekundärverfahrens hat durch das Gericht zu erfolgen. Das hierfür zuständige Gericht wird durch das kantonale Prozessrecht bzw. das darin vorgesehene Verfahren bestimmt. Ebenso richtet sich die Publikationsform nach dem kantonalen Recht. In der Regel erfolgen die Publikationen im Kantonsblatt und/oder dem Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB). Nebst der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets und der Eröffnung des Sekundärverfahrens sind auch alle wesentlichen Verfahrensänderungen und der Verfahrensabschluss (nach Überführung des Überschusses in das Hauptverfahren) zu publizieren. Überdies sind verschiedene Ämter (Betreibungs-, Konkurs-, Grundbuch- und Handelsregisteramt, evtl. Amt für geistiges Eigentum) zu informieren. Die Publikation der Anerkennung bzw. der Eröffnung des Sekundärverfahrens soll der Information der in der Schweiz lebenden Gläubigern und Schuldnern des Konkursiten dienen, so dass dieselben ihre Rechte (Forderungsanmeldungen im inländischen Sekundärverfahren oder ausländischen Hauptkonkurs) oder Pflichten wahrnehmen können. 3. Zur Verfügung stehende Sicherungsmassnahmen (Art. 168 IPRG) Sobald die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets beantragt ist, kann das Gericht auf Begehren des Antragstellers im Sekundärverfahren die sichernden Massnahmen nach den Art. 162 bis 165 und 170 SchKG anordnen. Das sind: Aufnahme eines Güterverzeichnisses verbunden mit einer Strafandrohung für den Fall der Widerhandlung; Sperrungen öffentlicher Register (Grundbuch, Handelsregister); Versiegelung von Räumen und Behältnissen; Verwahrung von Gegenständen.

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 7/10 4. Verwertungshandlungen im Inland: Verfahren des Sekundärverfahrens 4.1. Grundsatz: Verfahren nach SchKG (Art. 170 IPRG) Die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zieht, soweit das IPRG nichts anderes vorsieht, für das in der Schweiz gelegene Vermögen des Schuldners die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich. Nach der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets entsprechend den Bestimmungen der Art. 167 bis 169 IPRG wird also ein Konkursverfahren nach den Bestimmungen des Schweizerischen SchKG eröffnet und durchgeführt. Der positive Anerkennungsentscheid ist als Konkursgrund im Sinne der Art. 190 bis 193 SchKG anzusehen. Er gibt dem ausländischen Konkursverwalter bzw. einem interessierten Konkursgläubiger das Recht, in der Schweiz eine Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zu verlangen (Art. 190 SchKG). Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen: der Konkursrichter spricht die Konkurseröffnung umgehend aus und teilt diese dem Konkursamt mit; der antragstellende Konkursverwalter bzw. Gläubiger hat für die anfallenden Kosten bis Klarheit über die Art und den Umfang der vorhandenen Vermögenswerte besteht, aufzukommen. Der Konkursrichter kann hierfür einen entsprechenden Vorschuss verlangen; mit der Konkurseröffnung wird das gesamte in der Schweiz gelegene Vermögen des ausländischen Konkursschuldners mit Konkursbeschlag belegt. Es bildet damit eine einzige Masse, die der Befriedigung der Gläubiger dient. Das wirkt sich auch auf die Rechte Dritter aus: - gepfändete oder mit Arrest belegte, aber noch nicht verwertete Vermögensgegenstände fallen in die Konkursmasse (Art. 199 SchKG); - hängige Betreibungen fallen dahin (Art. 206 SchKG); - Zivilprozesse werden eingestellt und Verjährungs- und Verwirkungsfristen laufen nicht weiter (Art. 207 SchKG); - Der Zinsenlauf für Forderungen gegen den Konkursiten hört auf (Art. 209 SchKG). Gegen den Konkurseröffnungsentscheid steht den Parteien der Rechtsmittelweg offen. Das durch die Eröffnung des Sekundärverfahrens ausgelöste Verfahren wird vom zuständigen Konkursamt nach den Vorschriften des SchKG durchgeführt. 4.2. Ausnahmen: Abweichungen vom SchKG Das durch die Eröffnung des Sekundärverfahrens ausgelöste Rechtshilfeverfahren soll möglichst einfach, rasch und kostengünstig sein. Das IPRG greift daher mit den Bestimmungen der Art. 171 bis 174 IPRG überall dort ein, wo anbetrachts der Subsidiarität des Sekundär-

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 8/10 verfahrens nicht der gesamte Aufwand eines ordentlichen Konkursverfahrens notwendig erscheint. Im Wesentlichen sind folgende Abweichungen zu beachten: Erfasste Vermögenswerte: Das Sekundärverfahren erfasst nur die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte (Art. 170 Abs. 1 IPRG). Fristen: Fristen, welche ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung zu berechnen sind, sind im Sekundärverfahren ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets zu berechnen (Art. 170 Abs. 2 IPRG). Gläubigerversammlung: Es wird weder ein Gläubigerausschuss gebildet, noch eine Gläubigerversammlung durchgeführt (Art. 170 Abs. 3 IPRG). Anfechtungsklage: Ergänzend zu den Bestimmungen im SchKG (Art. 285 ff. SchKG: Schenkungsanfechtung, Überschuldungsanfechtung, Absichtsanfechtung) sind zur Anfechtung (paulanische Anfechtung; Art. 171 IPRG): - die Konkursverwaltung des Sekundärverfahrens, - die Gläubiger des Sekundärverfahrens, - die ausländische Konkursverwaltung und - die dazu berechtigten Konkursgläubiger des Hauptverfahrens aktivlegimitimiert. Das Verfahren hierfür richtet sich nach dem SchKG. Anwendbar ist Schweizer Recht. Der Überschuss aus einem Anfechtungsverfahren ist in die Masse des Sekundärverfahrens abzuführen. Die Frage, ob die ausländische Konkursverwaltung auch ohne Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets gemäss IPRG in einem Gerichtsverfahren in der Schweiz aktivlegitimiert ist, wird von der neueren Lehre verneint, da erst die Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets die konkursrechtlichen Folgen des schweizerischen Rechts nach sich zieht. Beschränkter Kollokationsplan: Im Kollokationsplan des Sekundärverfahrens nicht berücksichtigt werden Forderungen, für deren Sicherheit ein nicht in der Schweiz gelegenes Pfand bestellt ist. Ebenso werden die 3. Klassforderungen gemäss Art. 219 Abs. 3 SchKG nicht Gegenstand des Kollokationsplans im Sekundärverfahren. Entsprechend sind nur die privilegierten Klassen 1 (Forderungen des Arbeitnehmers der letzten 6 Monate vor Konkurseröffnung; Versicherungsansprüche aus Unfallversicherung und nicht obligatorischer beruflicher Vorsorge; familiäre Unterhalts- und Unterstützungsansprüche) und 2 (Kraft elterlicher Gewalt anvertrautes Vermögen; Beitragsforderungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung, der Unfallversicherung und der Arbeitslosenversicherung; Prämienforderungen der Krankenkasse, Beiträge an die Familienausgleichskasse) zugelassen und

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 9/10 dies auch nur dann, wenn der Gläubiger Wohnsitz in der Schweiz hat (Art. 172 Abs. 1 IPRG). Beschränkte Legitimation zur Kollokationsklage: Zur Kollokationsklage im Sekundärverfahren sind nur Gläubiger berechtigt, deren Forderungen Aufnahme in den Kollokationsplan gemäss Art. 172 Abs. 1 IPRG finden können (Art. 172 Abs. 2 IPRG). Anrechnung: Im Ausland erzielte Befriedigungen werden bei der Verteilung im Sekundärverfahren (Art. 172 Abs. 3 IPRG) angerechnet. Die für die Befriedigung im Ausland aufgewendeten Kosten werden von der Befriedigung in Abzug gebracht. Verteilung: siehe oben Ziffer 2.2 lit.c. 5. Zusammenarbeit mit inländischen Organen Beim oben beschriebenen Verfahren des Sekundärverfahrens handelt es sich nicht um eine Ausweitung des ausländischen Konkursverfahrens auf die Schweiz, sondern um ein Rechtshilfeverfahren der Schweiz zu Gunsten des ausländischen Konkurses. Entsprechend wird das Verfahren des Sekundärverfahrens durch die zuständigen Behörden in der Schweiz durchgeführt. Eine Mitwirkung des ausländischen Konkursverwalters ist hierbei grundsätzlich nicht nötig. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, dass der ausländische Konkursverwalter die Schweizerischen Behörden bei der Führung des Sekundärverfahrens unterstützt und sie insbesondere über Aktiven in der Schweiz informiert. Nicht schaden kann es zudem, wenn der Konkursverwalter im Rahmen des Möglichen auch auf die speditive Bearbeitung des Sekundärverfahrens Einfluss nimmt. Zudem hat der Konkursverwalter natürlich auch die Rechte der Masse im Verfahren des Sekundärverfahrens (Kollokationklage, Anfechtungsklage) zu wahren. 6. Praktische Erfahrungen / Fälle Vorfrageweise Prüfung der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets (134 III 366) Internationales Privatrecht über den internationalen Konkurs (Art. 166 ff. IPRG); Prozessführungsbefugnis einer ausländischen Konkursmasse. Die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets kann in der Schweiz nicht vorfrageweise verlangt werden (E. 5.1). Eine ausländische Konkursmasse, die in der Schweiz nicht vorgängig die Anerkennung des im Ausland ausgesprochenen Konkursdekrets erwirkt hat, ist nicht befugt, in der Schweiz eine materiellrechtliche Klage gegen einen angeblichen Schuldner des Konkursiten zu erheben (E. 9).

DIRO Handlungs- und Verwertungsmöglichkeiten 04. Mai 2009 10/10 Aktivlegitimation einer ausländischen Konkursmasse (129 III 683) Anerkennung und Vollstreckung eines österreichischen Urteils (Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 LugÜ, Art. 9 des Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich; Art. 25 ff., Art. 166 ff. IPRG). Ein österreichisches Urteil über die Anfechtungsklage (actio pauliana) im Konkurs fällt weder in den Anwendungsbereich des LugÜ (E. 3) noch des bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages (E. 4), und es ist nicht Objekt der Anerkennung im Sinne von Art. 25 ff. IPRG (E. 5.2). Aktivlegitimation einer ausländischen Konkursmasse (E. 5.3). Voraussetzung der Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets: Vollstreckbarkeit im Ausland (126 III 101) Art. 27 und 166 IPRG; Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes in der Schweiz. Damit ein ausländisches Konkursdekret in der Schweiz anerkannt werden kann, braucht es nicht in Rechtskraft erwachsen zu sein; es genügt, wenn es im Staat, in dem es ergangen ist, vollstreckbar ist. Eine kantonale Behörde verfällt nicht in Willkür, wenn sie das gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG erforderliche Gegenrecht als gegeben erachtet und ein italienisches Konkursdekret anerkennt (E. 2). Der Vollstreckungsrichter kann nicht von der Feststellung der ausländischen Behörde abweichen, die das Vorliegen einer stillen Gesellschaft bejaht hat. Vereinbarkeit mit dem schweizerischen Ordre public von ausländischen Konkursdekreten, welche eine faktische Gesellschaft nach italienischem Recht und ihre Gesellschafter betreffen (E. 3). Kaufmann Rüedi Rechtsanwälte Löwenplatz Zürichstrasse 12 CH-6004 Luzern Zweigbüro D4 Business Center Luzern D4 Platz 3 CH-6039 Root Fon +41 41 417 10 70 Fax +41 41 417 10 77 krlaw@krlaw.ch www.krlaw.ch Zertifiziert nach ISO 9001:2000 und SQS 9004 Mitglied von DIRO Europ. Rechtsanwaltsorganisation Partner MLaw Rechtsanwalt Sachwalter Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Markus Kaufmann Partner Dr.iur. LL.M. Rechtsanwalt Notar Barbara Klett Partnerin MLaw LL.M. Rechtsanwältin/Avvocato Fachanwältin SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht Mediatorin SAV/DAA Hubert Rüedi Partner MLaw Rechtsanwalt Notar Mediator SAV/DAA Risikomanager SAQ A. Ulrich Kröger Partner Rechtsanwalt Bankkaufmann Zulassung Schweiz und Deutschland Christian Leupi MLaw Rechtsanwalt MAS Business Information Technology Barbara Abegg MLaw Rechtsanwältin Ralph Hoerner MLaw Rechtsanwalt Werner Rohner Eidg.dipl. Wirtschaftsprüfer Konsulent Michael Schweitzer Prof.Dr.iur. CEP Konsulent Weitere juristische Mitarbeitende Siehe www.krlaw.ch/team.php