Systemverständnis für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende

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Transkript:

Systemverständnis für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende Die Wissenschaftsakademien haben ein gemeinsames Projekt zur Begleitung der Energiewende ins Leben gerufen. Über die Grenzen von Fachrichtungen und Forschungseinrichtungen hinweg bündelt das Akademienprojekt Energiesysteme der Zukunft Kompetenzen in der Energieforschung, erarbeitet Handlungsoptionen für eine unabhängige, wissenschaftsbasierte Politikberatung und stellt seine Ergebnisse auf breiter gesellschaftlicher Basis zur Diskussion. Das Energiesystem muss nachhaltiger werden, künftig ohne Kernenergie auskommen und viel weniger Treibhausgase emittieren. Gleichzeitig soll Energie bezahlbar bleiben und in gewohnter Verlässlichkeit bereit stehen. So lassen sich die Herausforderungen der Energiewende in Deutschland unter Beachtung des energiepolitischen Zieldreiecks zusammenfassen. Einen Masterplan für diesen auf mehrere Jahrzehnte angelegten Umbau der Energieversorgung kann es aber schon alleine deshalb nicht geben, weil sich das Energiesystem ständig wandelt. Es geht vielmehr darum, mögliche Lösungswege zu einem nachhaltigen, sicheren und bezahlbaren Energiesystem aufzuzeigen, die im Laufe der Zeit immer wieder hinterfragt und angepasst werden müssen. Vor diesem Hintergrund haben acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften gemeinsam die Initiative Energiesysteme der Zukunft ins Leben gerufen. Das Projekt soll wissenschaftliches Orientierungswissen bereitstellen, das die Politik in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen kann. In unterschiedlichen fachlichen und thematischen Arbeitsgruppen beteiligen sich derzeit mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an dem Akademienprojekt. Technik und Naturwissenschaftler arbeiten mit Fachleuten der Rechtswissenschaft, Soziologie, Ökonomie und Systemforschung zusammen. Sie berücksichtigen die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Ressourcen, vorhandene und noch zu erforschende Technologien, volkswirtschaftliche Kosten und Marktdesigns ebenso wie die gesellschaftlichen und die rechtlichen 1

Rahmenbedingungen. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln sie gemeinsam Handlungsoptionen für die Umsetzung der Energiewende. Wechselwirkungen im komplexen Energiesystem Mit dem interdisziplinären Ansatz wollen wir den systemischen Blick auf die komplexe Energieversorgung schärfen. Denn das Energiesystem ist hochgradig vernetzt und von politischen Maßnahmen sowie zahlreichen Akteuren beeinflusst. Gleichzeitig ist es sowohl über die technische Infrastruktur mit unseren europäischen Nachbarländern verbunden als auch in den europäischen Binnenmarkt und das Emissionshandelssystem ETS integriert. Wenn man nun beim Umbau dieses Systems an einer Stellschraube dreht, hat das oft unvorhergesehene Auswirkungen an ganz anderer Stelle. Solche Wechselwirkungen im Energiesystem hat eine Arbeitsgruppe im Akademienprojekt ausführlich beleuchtet. Weitere Themen waren das Zielsystem der Energiewende sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland. Eine andere Arbeitsgruppe hat aus volkswirtschaftlicher Perspektive Reformoptionen für den Europäischen Emissionshandel ausgearbeitet, die ihn wirksamer im Hinblick auf die europaweite Reduktion des CO 2 Ausstoßes machen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Marktteilnehmer schaffen sollen. Die Ergebnisse werden bis zum Jahresende veröffentlicht. In Arbeit sind auch Analysen zur Versorgung mit metallischen Rohstoffen sowie zum Thema Risiko und Resilienz des Energieversorgungssystems. Flexibilität als Schlüssel des Energieversorgungssystems Eine weitere Arbeitsgruppe des Akademienprojekts nimmt derzeit die mittel und langfristigen Flexibilitätsbedarfe in Energiesystemen mit hohem Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien in den Blick. Zeitliche Referenzpunkte sind die Jahre 2023 und 2050. Im Sinne des systemischen 2

Ansatzes werden Speicherlösungen zusammen mit dem Netzausbau, Demand Side Management und Flexibilisierungsmaßnahmen auf Seiten der Energiebereitstellung betrachtet. Der zeitliche Verlauf der Wind und Solarenergieeinspeisung und des Verbrauchs, die Zusammensetzung des Kraftwerksparks, der Grad der Integration mit den Nachbarländern werden berücksichtigt. Die Datenbasis für die technische Analyse wird von einer Vielzahl an Experten zusammengestellt und soll mit der Veröffentlichung weitgehend transparent gemacht werden. Gleiches gilt für die Auswahl der Szenarien, die einen sinnvollen Möglichkeitsraum für künftige Entwicklungen des Flexibilitätsbedarfs abstecken sollen. Im Ergebnis will die Arbeitsgruppe Handlungsoptionen aufzeigen, wie die Versorgungssicherheit im Energiesystem trotz eines wachsenden Anteils fluktuierenden Wind und Solarstroms zu möglichst geringen Kosten sichergestellt werden kann. Für verschiedene Szenarien soll der Ausbaubedarf an Stromnetzen, Speichern und Stromerzeugungsanlagen quantifiziert werden. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen wie die Akzeptabilität der eingesetzten Technologien sowie der Forschungs und Entwicklungsbedarf werden ebenfalls diskutiert. Gesellschaftlicher Dialog und Energieforschung von morgen Neben der Politikberatung stellt das Akademienprojekt seine Ergebnisse auch zur Diskussion mit gesellschaftlichen Gruppen. Dies geschieht vor allem im Forschungsforum Energiewende, das hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und organisierter Zivilgesellschaft zusammenbringt. Denn letztlich braucht es eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte darüber, welche von der Wissenschaft entwickelten Handlungsoptionen auch politisch umsetzbar sind und von der Gesellschaft mitgetragen werden. Dieser Dialog wird derzeit nicht nur über energiepolitische Fragen, sondern auch über Eckpfeiler der Energieforschung in Deutschland geführt. Aus dem Akademienprojekt heraus haben wir Vorschläge für die Struktur der Energieforschung entwickelt sowie zentrale Projektfelder identifiziert. Letztere umfassen intelligentere Netzstrukturen, Verfahren zur Umwandlung von Überschussstrom in 3

Energieträger ( Power to X ), das Recycling mineralischer Rohstoffe und die Flexibilisierung von Industrieprozessen. Ziel ist es, die Wirtschaft von Anfang an in die Projektentwicklung einzubinden. Über Modellsysteme oder Pilotanlagen gilt es, die benötigten Technologien kontinuierlich bis zur großtechnischen Anwendung zu entwickeln und in Demonstrationsanlagen oder projekten mit systemrelevanten Ausmaßen (grid scale) zu erproben. Darüber hinaus wird in den Projekten das notwendige Wissen darüber geschaffen, unter welchen Rahmenbedingungen die entwickelten Technologien wirtschaftlich realisierbar sind und einen relevanten Beitrag zum Gesamtsystem leisten können. So wird das Tal des Todes überwunden, das heute oft zwischen der Forschung und der industriellen Anwendung neuer Technologien liegt. Der Koordinierungskreis Forschung, in dem die großen außeruniversitären Forschungsverbünde sowie die TU9 vertreten sind, tragen das Konzept mit. Nun werden die Struktur und Projektvorschläge von den Akteuren des Forschungsforums und weiteren Stakeholdern diskutiert, kommentiert und ergänzt. Anschließend erarbeitet das Forschungsforum eine Strategische Forschungsagenda Energiewende. Diese soll in die Weiterentwicklung des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung einfließen. Wissenschaftsbasierte Handlungsoptionen für die Energiepolitik entwickeln, konkrete Vorschläge für die Energieforschung von morgen unterbreiten, und zwar im Dialog mit der Gesellschaft mit diesen Beiträgen wollen wir im Rahmen des Akademienprojekts die Energiesysteme der Zukunft mitgestalten. Robert Schlögl Robert Schlögl ist Direktor des Fritz Haber Instituts der Max Planck Gesellschaft und des Max Planck Instituts für Chemische Energiekonversion. Er leitet das vom Bundesministerium für Bildung und 4

Forschung geförderte Akademienprojekt Energiesysteme der Zukunft und wurde zum Vorsitzenden des Koordinierungskreises Forschung gewählt. 5