Wann ist der serologische Nachweis von Infektionen mit Toxoplasma gondii sinnvoll? G. Schares Friedrich-Loeffler-Institut
Vorstellung Nationales veterinärmedizinisches Referenzlabor für Toxoplasmose seit 2009 Seit 2007 Mitglied der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Zoonosenverbünde Toxonet01 und Toxonet02
Vorstellung Forschungsschwerpunkte: Typisierung in Deutschland vorkommender T. gondii Genotypisierung mittels PCR-RFLP (welche klonale Typen von Toxoplasma kommen vor?) Entwicklung von Serotypisierungsverfahren mittels synthetischer Peptide Charaktersierung von Oozystenwand- und Sporozoitenantigenen Risikofaktorstudien bei Schweinen und Geflügel in Niedersachsen (Zusammenarbeit mit LAVES und TiHo Hannover)
Zoonotische Bedeutung Schätzungen zur Prävalenz der Infektion beim Menschen: Welt: etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert Österreich/Schweiz/Deutschland: Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 28 54% 100 (Tenter et al., 2000) 80 Bei über 40-Jährigen 60 kann die Seroprävalenz 40 bis zu 75% erreichen 20 (Aspöck et al., 1996; 0 Zuber et al., 1995) %-positiv Waldarbeiter, T. gondii <30 30-<40 40-<50 50-<60 60-64 Alter in Jahren
Toxoplasmose Postnatal (hauptsächlich oral) Pränatal (Infektion der Mutter) Oozysten Gewebezyste Toxoplasmose
Antikörperantwort im Zwischenwirt EM-Bilder entnommen aus Dubey, J. P. et al. 1998. Clin. Microbiol. Rev. 11(2):267-299 Freisetzung von Sporozoiten Umwandlung intachyzoiten Oozysten Gewebezyste Freisetzung von Bradyzoiten Eindringen über Darmwand Befall von Wirtszellen, rasche Vermehrung unter Zerstörung der Wirtszelle (Akut) Gewebezyste Umwandlung in Bradyzoiten (Chronisch) Antikörper hauptsächlich gegen Antigene der Tachyzoiten
Antikörperantwort Sabin-Feldmann-Test (Dye Test, DT) Untersuchung der Überlebensfähigkeit lebender Tachyzoiten Komplement vermittelt tote Stadien werden durch Methylenblau NICHT angefärbt Immunfluoreszenztest Untersuchung der peripheren Fluoreszenz intakter, fixierter Tachyzoiten viele unterschiedliche Protokolle; Art der Fixierung kann entscheidend sein kommerziell verfügbar Agglutinationstest DAT Formalin-fixierte Tachyzoiten kommerziell verfügbar MAT modifizierter DAT: Zusatz von 2-Mercaptoethanol, um unspezifische IgM zu eliminieren. LAT T. gondii-antigen an Latexpartikel gekoppelt IHAT Antigen an Erythrozyten gekoppelt ELISA Indirekte ELISA kommerziell verfügbar Kompetitive ELISA Sandwich-ELISA Westernblotting kommerziell verfügbar
Bedeutung als Tierkrankheit Aborte Schafe Ziege (Schwein experimentell, vereinzelte Fallberichte) Toxoplasmosen, oft generalisiert Katzen Hunde Zootiere Wildtiere Heimtiere
Toxoplasma-Aborte bei Schafen Erstinfektion während der Trächtigkeit (orale Aufnahme von Oozysten) Oozysten 200-2000 Zeitpunkt der diaplazentaren Infektion Infektion letal für bis zu 3 Monate alte Föten Resorption möglich bei bis zu 2 Monate alten Föten Abort bei 2-3 Monate alten Föten Infektion im letzten Monat der Trächtigkeit verursacht in der Regel nur milde Krankheitssymptome (Geburt toter oder lebensschwacher Lämmer möglich)
Aborterreger bei Schafen Fälle in DE: tatsächliche Zahl unbekannt (TSN?) In DE zugelassener serologischer Test Bedeutung der Serologie Seineke, 1996: 1122 Schafe untersucht 33% positiv Häufige Infektion; positiver serologischer Befund ist auch bei nicht-abortierenden Schafen zu erwarten; positive Serologie ist wenig aussagekräftig und genügt nicht, um eine ursächliche Beteiligung von T. gondii am Abort zu belegen Andere diagnostische Möglichkeiten (Immun-)Histologische Untersuchung des Abortmaterials (v.a. ZNS, Plazenta, Leber, Lunge) DNA-Nachweis im Abortmaterial (Untersuchung der Avidität der Antikörperantwort)
anti-igg-pod Avidity ELISA6 M Harnstoff Endpunkttiter mit Harnstoff / ELISA to obtain information on the duration of Endpunkttiter infection ohne Harnstoff = Serum-Antikörper Aviditätsindex ELISA measures the strength of antigen binding (low: recent infection; high: Antigen chronic infection) Y Y Y Y Test Y Y Y Y Y Y Kontrolle Y Y anti-igg-pod Serum-Antikörper Antigen Sager et al., (2003) Immunodiagnosis of primary Toxoplasma gondii infection in sheep by the use of a P30 IgG avidity ELISA. Parsitol. Research 91, 171
Bedeutung als Tierkrankheit Aborte Schafe zugelassener serologischer Test Ziege Toxoplasmosen, oft generalisiert Katzen Hunde Zootiere bislang keine zugelassene serologische Tests Wildtiere (oft praktiziert: Einsatz von Agglutinationstests; Heimtiere Validität der Resultate?)
Prüfung eines in der Entwicklung befindlichen kommerziellen Testsystems 1000000 Untersuchung von Katzenseren: ELISA vs IFAT 100000 10000 IFAT titer 1000 100 10 1 0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 Indizes im LDL Pigtype Toxoplasma
Zoonotische Bedeutung Postnatale Infektion des Menschen Inzidenz? Vermutlich hoch, da ca. 50% der Bevölkerung infiziert Symptome: Meist symptomlos oder unspezifische grippeartige Symptomen Komplikationen: Okuläre Toxoplasmose, generalisierte ToxoplaPränatale Infektion des Menschen smosen bei immunsuppremierten Patienten Geschätzte Inzidenz pränataler Infektionen in Europa: 0,1-6,1 pro 1000 Schwangerschaften Symptome (Tenter & Fehlhaber, 2002): Abort/Totgeburt (ca. 10%); neonatale Toxoplasmose (10-23%); keine Symptome bei der Geburt aber oft Spätschäden (67-80%)
Toxoplasmose sollte überwacht werden EU-Richtline 2003/99/EC: Toxoplasmose und deren Erreger sind von den Mitgliedstaaten entsprechend ihrer epidemiologischen Situation zu melden EFSA-Q-2007-038: Gutachten des wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren Entwicklung von standardisierten Analysemethoden zum Nachweis und zur Identifizierung von Toxoplasma gondii (Sensitivität/Spezifität) Gemeinschaftliche Referenzlaboratorien sollen Standardreagenzien langfristig zur Verfügung stellen Toxoplasma gondii-überwachung im Preharvest -Sektor bei Schafen, Ziegen, Schweinen und Wild Meldepflicht in DE seit 1970 Definition der zu berichtenden Fälle, im Tierseuchen- Nachrichtensystem
Toxoplasmose sollte überwacht werden Tierseuchen-Nachrichtensystem - Voraussetzungen für die Feststellung eines Falles: Nachweis bei Tierarten, die der Lebensmittelgewinnung dienen Indirekter Nachweis (serologischer Nachweis) der Infektion Histologischer Erregernachweis mit Bestätigung der Erregeridentität (PCR, Immunhistologie) Kulturelle Erregerisolierung mit Bestätigung der Erregeridentität (PCR) Nachweis im Kot von Endwirten (Feliden) Mikroskopischer Erregernachweis bei der koproskopischen Untersuchung mit Bestätigung der Erregeridentität (PCR)
Toxoplasmose Multizentrische Fallkontrollstudie (BE,DK,IT,N,CH) 6-17% 30-63% Oozysten Toxoplasmose Gewebezyste Tierarten, nach Häufigkeit geordnet, mit der Gewebezysten im Fleisch beobachtet werden Schwein, Schaf, Ziege Geflügel (Freilandhaltung), Taube Hirsche von Farmen jagdbare Wildtiere (vor allem Schwarzwild, anderes Haar- und Flugwild) Hauskaninchen Pferd Geflügel (keine Freilandhaltung) Rind
Bedeutung von Tieren als Infektionsquellen Feliden als Endwirte Katzen (Gibt es serologische Tests, um Katzen zu identifizieren, die T. gondii als Endwirt dienen/dienten?) Tiere die der Lebensmittelgewinnung dienen Schafe / Ziegen (zugelassener serologischer Test, IDEXX) Schweine (z. Zt. nur ein zugelassener serologischer Test, PRIONICS; weitere Tests streben die Zulassung an) Wildtiere
Feliden als Endwirte Probenanzahl: 18.215 Toxoplasma gondii: 44 (0,24%) Prävalenz niedrig, aber nur kurzeitige, massive Ausscheidung sehr umweltresistenter Oozysten Herrmann et al., 2010, Int. J. Parasitol. 40, 285-292
Herrmann et al., 2010, Int. J. Parasitol. 40, 285-292
Lebenszyklus Oozysten und Serologie D. J. P. Ferguson. Trends in Parasitology, 18: 353 359, 2002 Endwirt Außenwelt Zwischenwirt
Serologie und Oozystenausscheidung Darm von Feliden Bradyzoit Tachyzoit Sporozoit Schizogonie-Stadien (4 unterschiedliche) Gamogonie-Stadien (männl.; weibl.) Nach 3-10 d (B) Oozyste Nach 18-19 d (T/S) Tachyzoit Bradyzoit Tests arbeiten mit Tachyzoiten-Antigen - Stadien, die zur Oozystenbildung führen, sind aber keine Tachyzoiten! Katzen, die Oozysten ausscheiden. sind zum Zeitpunkt der Ausscheidung serologisch negativ. sero-konvertieren auch später meist nicht! Katzen, die serologisch positiv sind. können auch Oozysten ausscheiden.
Bedeutung von Tieren als Infektionsquellen Feliden als Endwirte Katzen (die Entwicklung eines serologischen Tests, um Katzen zu identifizieren, die T. gondii als Endwirt dienen/dienen können, erscheint schwierig) Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen Schafe / Ziegen (zugelassener serologischer Test, IDEXX) Schweine (z. Zt. nur ein zugelassener serologischer Test, PRIONICS; weitere Tests streben die Zulassung an) Wildtiere
Sicherheit des serologischen Nachweises der Infektion im Einzeltier Hill et al., 2006, Comparison of detection methods for Toxoplasma gondii in naturally and experimentally infected swine, Vet. Parasitol. 141, 9-17 10 experimentell infizierte Schweine Bioassay in Katzen positiv 21 natürlich infizierte Schweine 8 Fleischproben aus Supermärkten Serum ELISA 100% 100% NU Fleischsaft ELISA 100% 77% 50% MAT 100% 81% 38% Realtime PCR 30% 21% 0% Nested PCR 20% 13% 0% Direkte PCR 10% 0% 0%
Risikofaktorstudie in Niedersachsen Schweine in Niedersachsen Abb. 1: Lokalisation von Schweinehaltungen, die in Niedersachsen im Rahmen des Monitorings für Klassische Schweinepest und Aujeszkyscher Krankheit beprobt wurden, um die Seroprävalenz von T. gondii abzuschätzen und um mögliche Risikofaktoren der Infektion zu bestimmen. Von 260 (30.7%) der 846 Haltungen lagen sowohl serologische Ergebnisse als auch Fragebogendaten vor. Insgesamt: 13251 Schweine aus 846 Haltungen: 2.5% der Mastschweine 2.8% der Ferkel 7,8% der Sauen 19.4% der Eber Mit Fragebogendaten: 4335 Schweine aus 260 Haltungen: 0.9% der Mastschweine 1.9% der Ferkel 5,9% der Sauen
Risikofaktorstudie in Niedersachsen Göße der Haltungen Stichprobengröße 70 120 Anzahl der Haltungen 60 50 40 30 20 10 Anzahl der Haltungen 100 80 60 40 20 0 1 5 25 100 250 1000 2500 >2500 0 1 5 10 20 40 >40 Größenklassen Größenklassen
Allgemeine Angaben - Nutzungsart (Mast, Sau) Daten zur Betriebsstruktur - Größe (klein, mittel, groß) - Andere Nutztiere - Rinderhaltung - Katzen (Zugang, Zahl, zum Zeitpunkt der Beprobung, Befragung) Risikofaktorstudie in Niedersachsen Univariate logistische Regression: Belegung, Reinigung und Desinfektion - Kontinuierlich - Rein-Raus - Ausmisten - Leerstehphase >3 Tage Fütterung und Tränketechnik -Trockenfütterung - Flüssigfütterung - Offene Futterbehälter - Geschlossene Futterbehälter - Offenes Silo - Geschlossenes Silo - Tränken mittels Trog Stallboden - Vollspalten - Stroheinstreu Schädlingsbekämpfung - Einsatz von Katzen Hygiene - Besitz von Schutzkleidung (Stiefel, Overall) - Hygieneschleuse (Nutzung immer, Nutzung zum Kleidungswechsel) - Waschen der Hände
Risikofaktorstudie in Niedersachsen Multiple logistische Regression: Eingabevariable Adjustierte Odds Ratio (95%CI) P( Wald's test) Nutzungsart/Alter Mastschweine (Referenz) Sauen 4.03 (1.43, 11.36) 0.008 Ferkel 1.94 (0.3, 12.59) 0.489 Unbekannt 3.26 (1.05, 10.11) 0.041 Katzen Zugang zum Stall am Zeitpunkt der Probennahme 2.83 (1.21, 6.62) 0.017 Lagerung von Futter in offenen Behältern 6.77 (1.01,45.42) 0.049 Manuelle Fütterung 2.82 (1.07, 7.4) 0.035 Vollspaltenboden 0.4 (0.16, 1.03) 0.057 Stroheinstreu 0.55 (0.21, 1.46) 0.23 Leerstehphase 0 Tage (Referenz) 1 Tag 1.93 (0.65, 5.72) 0.235 2 3 Tage 1.64 (0.53, 5.11) 0.395 > 3 Tage 0.29 (0.09, 0.95) 0.042 Keine Schutzkleidung 2.49 (0.83, 7.52) 0.105
Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienesituation Daten können zur Entwicklung eines Hazard Analysis and Critical Control Points (HACCP) -Konzept zur Verhinderung von T. gondii- Infektionen in Schweinebeständen genutzt werden (Kijlstra et al., 2004) Serologische Verfahren könnten zur Kontrolle des Erfolgs solcher Konzepte eingesetzt werden. z.b. Untersuchung von Schlachttieren Rückmeldung der Untersuchungsergebnisse Fleischsaft-Untersuchung liefert nicht immer Ergebnisse, die denen der serologischen Untersuchung entsprechen.
Wann ist die serologische Untersuchung sinnvoll? Sinnvoll Untersuchungen in Schweinehaltungen, um Risikobestände zu identifizieren um Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienesituation zu begleiten spezifische Tests wichtiger als sensitive Tests Untersuchungen bei möglicherweise an Toxoplasmose erkrankten Tieren um Infektion nicht auszuschließen (CAVE: perakute Verläufe möglich ohne Antikörper-Bildung) Andere diagnostische Verfahren notwendig (DNA-Nachweis mittels PCR, histologische Untersuchung)
Wann ist die serologische Untersuchung wenig oder nicht sinnvoll? Wenig sinnvoll Untersuchung von einzelnen Schlachttieren zur Prüfung der T. gondii-freiheit negativer serologischer Befund sagt vermutlich wenig über das Risiko, sich an Nahrungsmitteln aus einem einzelnen Tier zu infizieren sehr teuer nicht sehr nachhaltig Nicht sinnvoll Serologische Untersuchung von Katzen, die im gleichen Haushalt mit Schwangeren leben eine Aussage über das Risiko einer Oozystenausscheidung ist nicht möglich, weder prospektiv noch retrospektiv
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit