Stellungnahme. zum Referentenentwurf des BMFSFJ eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere - Regelung der vertraulichen Geburt

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Transkript:

Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMFSFJ eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere - Regelung der vertraulichen Geburt Berlin, 27. November 2012

2 CHRISTLICHE KRANKENHÄUSER IN DEUTSCHLAND Jedes dritte deutsche Krankenhaus wird in konfessioneller Trägerschaft geführt. Etwa 270.000 Beschäftigte versorgen im Jahr über sechs Millionen Patienten, jeder zweite Ausbildungsplatz in der Pflege ist an ein christliches Krankenhaus gebunden. IHRE ANSPRECHPARTNER Pastor Nobert Groß, Verbandsdirektor DEKV Thomas Vortkamp, Geschäftsführer KKVD KONTAKTADRESSE Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e. V. Reinhardtstraße 18 10117 Berlin Telefon +49 (30) 801986-0, Fax +49 (30) 801986-22 Mail: info@dekv.de, Web: www.dekv.de Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.v. (KKVD) Haus der Deutschen Caritas Reinhardtstraße 13 10117 Berlin Telefon +49 (0)761/200-352, Fax +49 (0)761/200-609 Mail: kkvd@caritas.de, Web: www.kkvd.de FACHVERBÄNDE DER DIAKONIE UND CARITAS Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.v. (DEKV) und der Katholische Krankenhausverband Deutschlands e.v. (KKVD) vertreten rund 640 Krankenhäuser. Der DEKV ist selbständiger Fachverband des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der KKVD ist anerkannter Fachverband im Deutschen Caritasverband, der Wohlfahrtorganisation der katholischen Kirche. Beide kirchlichen Krankenhausverbände verfolgen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke.

3 Vorbemerkung Für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf danken wir und tragen im Folgenden unsere Überlegungen bei. Die christlichen Krankenhausverbände beobachten und begleiten die Entwicklung der Hilfeangebote für Schwangere in Notlagen und Konfliktsituationen seit langem mit großer Anteilnahme für die Betroffenen. In unseren Mitgliedseinrichtungen ist die Bereitschaft hoch, gerade den Frauen Hilfe und Unterstützung anzubieten, die ihre Schwangerschaft und die Geburt ihres Kindes vor ihrer Umgebung geheim halten und ihre Identität nicht preisgeben wollen. Es sind nicht zuletzt kirchliche Krankenhäuser und ihre Träger gewesen, die in der Entwicklung und Verbesserung von Hilfeangeboten, etwa in der Einrichtung von Babyklappen und dem Aufbau von Beratungs- und Unterstützungsnetzwerken für Schwangere in solchen extremen Krisensituationen, eine Vorreiterrolle übernommen haben. Dabei können wir auf die im Rahmen von Caritas und Diakonie vorhandene umfangreiche Hilfe-Infrastruktur und die vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen bei der Hilfe und Begleitung von Menschen in Konflikt- und Notlagen zurückgreifen. Wir kooperieren mit entsprechenden Partnern, auch mit öffentlichen Stellen und anderen Trägern von Hilfeangeboten. Wir haben die vom BMFSFJ initiierte und geförderte Erhebung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zur Entwicklung und Situation der anonymen Kindesabgabe in Deutschland Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland im Trägerbeirat des Projekts aktiv mitgestaltet und begleitet. Die in diesem Rahmen gewonnenen Erkenntnisse nimmt der Referentenentwurf weitgehend auf. Die aktuelle Situation der anonymen Kindesabgabe ist wie die DJI-Studienergebnisse belegen in mehrfacher Hinsicht nicht befriedigend. Darüber hinaus führt die mangelnde Rechtssicherheit bei vielen Betroffenen zu einer großen Unsicherheit. Trotz der Angebote zur anonymen Kindesabgabe werden in Deutschland jährlich zwischen 20-35 Kinder direkt nach der Geburt ausgesetzt oder getötet. Belastbare Schätzungen hinsichtlich einer zusätzlich zu berücksichtigenden Dunkelziffer liegen nicht vor. Laut DJI-Studie sind rund 100 Mütter und Kinder pro Jahr von der Problematik der anonymen Kindesabgabe betroffen. Davon werden ca. zwei Drittel anonym im klinischen Umfeld geboren. Die in den zurückliegenden Jahren von den Trägern entsprechender Hilfeangebote - meist in Kooperation mit weiteren Partnern wie Jugendämtern, Beratungsstellen, Adoptionsvermittlungen, Ärzten, Seelsorgern u. a. erarbeiteten Hilfekonzepte haben in vielen Fällen jedoch bewirkt, dass die Schwangeren teils noch vor, teils nach der Geburt ihre Anonymität aufgegeben haben. Nachfolgend nehmen wir zu ausgewählten Regelungen des Gesetzentwurfs Stellung. Wir beschränken uns auf Artikel 5 Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG).

4 2 Abs. 4 SchKG Die Einführung einer speziellen Beratung zur vertraulichen Geburt wird von den CKiD als zielführend begrüßt. Voraussetzung für die Umsetzung des vorgesehenen Konzeptes ist allerdings, dass Schwangere in entsprechenden Konfliktsituationen sich darauf einlassen. Diese Beratung sollte nicht nur in wenigen speziellen Beratungsstellen zur vertraulichen Geburt, sondern in möglichst vielen Beratungsstellen gemäß 3 und 8 SchKG zur Verfügung stehen. Der neue Abs. 4 sieht sinnvollerweise vor, dass Schwangere, die ihre Schwangerschaft verbergen bzw. ihre Anonymität nicht preisgeben wollen, im Rahmen einer Beratung in Beratungsstellen gemäß 3 und 8 SchKG alle geeigneten Hilfen angeboten und mit ihnen Lösungen erörtert werden. Dies soll ihnen die Aufgabe der Anonymität und die Annahme des Kindes ermöglichen. Die darüber hinausgehende Beratung zur vertraulichen Geburt nach 25 umfasst vor allem die Information über die Bedeutung des Wissens um seine Herkunft für das Kind und die Umstände seiner Geburt, über die vertrauliche Geburt, das Adoptionsverfahren, die Möglichkeit, das Kind zurück zu erhalten u. a. Entsprechende Kompetenz sollte möglichst nicht nur in wenigen speziellen Beratungsstellen, sondern zumindest in allen Beratungsstellen nach 8 SchKG, am besten auch in Beratungsstellen nach 3 SchKG zur Verfügung stehen. Mit dem Ziel, betroffenen Frauen ein möglichst niederschwelliges Beratungs- und Hilfeangebot zu machen, sollte es möglichst vermieden werden, die Inanspruchnahme einer Beratung zur vertraulichen Geburt vom Aufsuchen eines anderen Ortes, dem Wahrnehmen eines zusätzlichen Termins und einem Wechsel der Bezugsperson abhängig zu machen. Entsprechende Beratungsstellen sollten allerdings gekennzeichnet sein als Beratungsstellen, in denen eine Beratung zur vertraulichen Geburt angeboten wird. 2 Abs. 4 Satz 3 sollte wie folgt formuliert werden: Ist die Schwangere zur Annahme der Hilfen und Aufgabe ihrer Anonymität nicht in der Lage, wird sie mit ihrem Einverständnis in eine Beratung zur vertraulichen Geburt nach 27 vermittelt. 25 SchKG - Beratung zur vertraulichen Geburt Wir unterstreichen, dass erstes Ziel der Beratung zur vertraulichen Geburt nach 25 Abs. 2 ist, der Schwangeren eine medizinisch betreute Entbindung zu ermöglichen, um die Gefahren einer nicht medizinisch betreuten Entbindung für Leib und Leben von Mutter und Kind zu vermeiden. Erfahrungsgemäß sind Schwangere in entsprechenden Konfliktsituationen vor allem darauf bedacht, ihre Anonymität ihrem sozialen Umfeld gegenüber zu wahren. Abs. 3 knüpft zu Recht an eine mehr oder weniger ausgeprägte bzw. latente Bereitschaft an, dem Kind Informationen zu seiner Herkunft zu geben, die gefördert werden darf und soll. Dabei ist die Identität der Schwangeren nicht nur zu schützen, ihr Schutz muss vielmehr Priorität vor allen anderen in diesem Zusammenhang schutzwürdigen Belangen haben.

5 26 SchKG Durchführung der vertraulichen Geburt Die Einführung des Instituts der vertraulichen Geburt wird von den CKiD begrüßt. Seine Inanspruchnahme setzt allerdings ein hohes Maß an Compliance auf Seiten der betroffenen Schwangeren voraus, die in der vorauszusetzenden Konfliktsituation in vielen Fällen kaum aufgebracht werden kann, vor allem nicht bei kritischen Zuspitzungen. Betroffene Schwangere sind vorzugsweise an Kliniken zu verweisen, die in besonderer Weise auf eine vertrauliche Geburt vorbereitet sind. Abs. 4 sieht vor, dass die Schwangere von der Beratungsstelle in einer Klinik zur vertraulichen Geburt angemeldet wird. Es darf bezweifelt werden, ob dies so unkompliziert und regelhaft umgesetzt werden kann, wie die Formulierung vermuten lässt. Dieses regelhafte Vorgehen wird in den wenigsten Fällen der Unberechenbarkeit und Komplexität des Empfindens und Verhaltens von Schwangeren in entsprechenden Extremsituationen gerecht. Grundsätzlich kommt in diesem Kontext jede Geburtsklinik als Einrichtung in Frage, in der eine vertrauliche Geburt durchgeführt werden kann. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das sinnvoll und realistisch ist. Frauen, die eine vertrauliche Geburt in Anspruch nehmen wollen, befinden sich in einer extrem kritischen Lebenssituation. Sie sind vor allem auf eine Umgebung angewiesen, in der sie Vertrauen fassen und sich unbedingt geborgen fühlen können. Sie benötigen ein Höchstmaß an Sensibilität, Einfühlungsvermögen und Zuwendung seitens der Menschen, denen sie sich anvertrauen. Diese Voraussetzungen sind in den Kliniken in unterschiedlichem Maße gewährleistet. Nicht umsonst haben sich in den vergangen Jahren nur eine begrenzte Zahl von Kliniken auf die Hilfe und Begleitung von Frauen in entsprechenden Notlagen und Konfliktsituationen eingestellt. Es sollte deshalb geprüft werden, ob eine vertrauliche Geburt nicht vorzugsweise in solchen Kliniken durchgeführt wird, die sich ausdrücklich als darauf vorbereitet erklären und transparent machen, welche Rahmenbedingungen sie in diesem Zusammenhang gewährleisten. Vor allem sollten sie, auch in Kooperation mit anderen in diesem Zusammenhang geeigneten Stellen und Einrichtungen, ein auf entsprechende Notlagen und Konfliktsituationen ausgerichtetes Beratungs-, Begleitungs- und Unterstützungsangebot zur Verfügung stellen. Sie müssten insbesondere gewährleisten, dass im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes, dessen Mutter ihre Identität nicht preisgeben will, zeitnah eine Beratung zur vertraulichen Geburt erfolgen kann. Seitens der Beratungsstellen sollten Schwangere vorzugsweise in solche Kliniken zur Geburt vermittelt werden. Es ist davon auszugehen, dass Schwangere, die ihre Anonymität wahren wollen, vielfach selbst Kontakt mit einer Klinik aufnehmen, ehe sie eine Beratungsstelle aufsuchen. Seitens der Beratungsstelle ist das zu berücksichtigen. Die für die Geburt in Aussicht genommene Einrichtung ist im Einvernehmen mit der Schwangeren auszuwählen. Da ebenfalls davon auszugehen ist, dass Schwangere eine Beratungsstelle aufsuchen, die nicht in der Region liegt, in der sie ihr Kind zur Welt bringen wollen, oder sie sich zum Zeitpunkt einer Beratung noch nicht entschieden haben, wo sie ihr Kind zur Welt bringen wollen, muss auch die Möglichkeit vorgesehen werden, dass die Schwangere von der Beratungsstelle eine Bescheinigung mit den in diesem Zusammenhang erforderlichen Informationen erhält, die sie in der Klinik ihrer Wahl vorlegt.

6 27 SchKG Beratungsstellen zur vertraulichen Geburt Der flächendeckende Aufbau von Beratungskompetenz hinsichtlich der vertraulichen Geburt wird von den CKiD begrüßt. Die Kompetenz zur Beratung sollte jedoch in möglichst vielen Beratungsstellen nach 3 und 8 SchKG geschaffen und vorgehalten werden, um ggfs. die Zahl erforderlicher Kontakte für Schwangere möglichst niedrig zu halten (s. o. zu 2). Dies spricht im Besonderen gegen die vorgesehene Hinzuziehung einer Fachkraft aus einer anderen anerkannten Beratungsstelle. Als entsprechende Beratungsstellen sollten außerdem vor allem Beratungsnetzwerke anerkannt werden, die, z. B. in Zusammenarbeit mit der Krankenhausseelsorge, an Kliniken aufgebaut worden sind, die in besonderer Weise auf die Durchführung von vertraulichen Geburten vorbereitet sind. Auf Grund der hier vorhandenen Erfahrungen mit Angeboten zur anonymen Kindesabgabe ist in besonderem Maße die Gewähr gegeben, dass gerade Schwangere, die ihre Identität nicht preisgeben wollen, in umfassender Weise Hilfe, Begleitung, Beratung und Betreuung erhalten. 28 SchKG Beratung in Einrichtungen der Geburtshilfe Die Einführung des Instituts der vertraulichen Geburt wird kaum verhindern, dass weiterhin Schwangere, die ihre Identität geheim halten wollen, ohne vorherige Beratung zur vertraulichen Geburt eine Einrichtung der Geburtshilfe zur Entbindung aufsuchen. Für die an einer Geburt, bei der die Mutter ihre Identität nicht preisgibt, mitwirkenden Personen besteht in dieser Situation nach wie vor rechtliche Unklarheit über ihre Mitwirkungspflichten im Blick auf die Aufklärung der Identität der Mutter. Darauf gibt der Gesetzentwurf bisher keine Antwort. Die in diesem Zusammenhang bestehende Unsicherheit sollte geklärt werden, um die zusätzliche, erhebliche Belastung aus der Situation zu nehmen. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft Frauen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen, eine Klinik oder eine andere Einrichtung der Geburtshilfe zur Entbindung direkt aufsuchen ohne zuvor Kontakt mit einer Beratungsstelle aufzunehmen; sei es einige Zeit vor der Geburt, als auch erst unmittelbar vor der Geburt. In den zuerst genannten Fällen ist es naheliegend, dass die Frauen auch auf die Möglichkeit der vertraulichen Geburt angesprochen werden. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Intensität das erfolgt oder erfolgen kann, hängt von den individuellen Umständen ab. Hier ist entscheidend, inwieweit die Frau Vertrauen fasst und darauf ansprechbar ist. Wenn die Klinik ein entsprechendes Beratungs- und Hilfeangebot zur Verfügung stellt, wird die Beratung zur vertraulichen Geburt in diesem Rahmen stattfinden können. Die Einschaltung einer weiteren Instanz erübrigt sich dann. Wenn Frauen erst unmittelbar vor einer bevorstehenden Geburt eine Einrichtung der Geburtshilfe aufsuchen, hat zunächst die Sorge um die Gesundheit und Sicherheit der Frau und ihres Kindes bzw. die Gewährleistung einer möglichst komplikationslosen professionell begleiteten Geburt Vorrang vor allem anderen. Erst sobald die Umstände des Einzelfalles es zulassen, sollte die Frau auf die vertrauliche Geburt angesprochen und ihr das Angebot einer entsprechenden Beratung gemacht werden. Wenn die Frau eine Klinik aufgesucht hat, die auf die Durchführung vertraulicher Geburten vorbereitet ist, wird entsprechende Beratungskompetenz zeitnah und unkompliziert zur Ver-

fügung stehen. In anderen Kliniken wird eine Beratungsstelle mit der speziellen Kompetenz der Beratung zur vertraulichen Geburt kontaktiert werden müssen. Dazu ist es erforderlich, dass jede Klinik geeignete Beratungsstellen ansprechen kann, die sich in räumlicher Nähe befinden müssen und die angefragte Beratung in der Einrichtung kurzfristig durchführen können. Eine unmittelbare Erreichbarkeit könnte auch durch eine bundeseinheitliche Hotline als Ergänzung zu den lokalen Beratungsstellen gewährleistet werden. Eine im vorgenannten Sinne veranlasste Beratung zur vertraulichen Geburt in einer Einrichtung der Geburtshilfe bedarf eines geeigneten Settings. Dieses wird, wenn eine Frau erst unmittelbar vor der bevorstehenden Geburt die Einrichtung aufsucht, in der Regel erst nach der Entbindung gegeben sein können. In diesem Zusammenhang ist Zeitdruck kontraproduktiv. Eine Informationspflicht und die Veranlassung einer Beratung zur vertraulichen Geburt ohne vorherige Einwilligung der Frau sind jedoch abzulehnen. Sie würden in diesem Kontext keine vertrauensbildende Maßnahme darstellen, sondern der Frau signalisieren, dass man ihren Wunsch nach Vertraulichkeit, Schutz und Anonymität nur teilweise respektiert. Auch in 2 Abs. 4 Satz 3 ist vorgesehen, dass die Vermittlung einer Beratung zur vertraulichen Geburt das Einverständnis der Frau voraussetzt. Einrichtungen der Geburtshilfe bleiben gemäß 18 des Personenstandgesetzes verpflichtet, durchgeführte Geburten, bei denen die Mutter keine Angaben zu ihrer Identität gemacht und nicht in eine Beratung zur vertraulichen Geburt eingewilligt hat, oder bei denen eine solche nicht durchgeführt werden konnte, zeitnah innerhalb einer Woche dem zuständigen Standesamt sowie dem Jugendamt anzuzeigen. Die Mutter sollte über die bevorstehende Anzeige informiert werden, um ihr noch einmal Gelegenheit zu geben, Angaben zu ihrer Identität zu machen. Darüber hinausgehende Mitwirkungspflichten zur Klärung der Identität der Mutter sollten den an der Geburt beteiligten Personen und der Einrichtung nicht auferlegt werden. Es ist klarzustellen, dass die einer Einrichtung im Zusammenhang mit der Durchführung einer Beratung zur vertraulichen Geburt entstehenden Kosten nach 32 SchKG vom Land zu übernehmen sind. Wenn die Identität der Mutter nicht geklärt werden konnte bzw. keine vertrauliche Geburt durchgeführt werden konnte, sollten die Kosten vom Bundesland in dem die Klinik liegt oder vom örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe übernommen werden. 28 SchKG sollte wie folgt gefasst werden: Die Leitung einer Einrichtung der Geburtshilfe, die eine Schwangere ohne Feststellung ihrer Identität zur Entbindung aufnimmt, hat dafür Sorge zu tragen, dass die Frau, sobald die Umstände das zulassen, auch nach erfolgter Geburt, über die Möglichkeit der vertraulichen Geburt und den Anspruch auf eine Beratung zur vertraulichen Geburt informiert wird. Wenn die Frau einwilligt, unterrichtet die Leitung der Einrichtung umgehend eine Beratungsstelle zur vertraulichen Geburt über den Sachverhalt, die dafür Sorge trägt, dass die Beratung der Frau möglichst unverzüglich in der Einrichtung angeboten wird. Wenn die Frau nicht einwilligt oder nach einer Beratung zur vertraulichen Geburt einer solchen nicht zustimmt, bzw. nicht die erforderlichen Angaben zu ihrer Identität macht, ist die Frau über die bevorstehende Meldung der Geburt an das zuständige Standesamt und das Jugendamt zu informieren. Eine weitergehende Mitwirkungspflicht zur Ermittlung der Identität der Mutter besteht für die Einrichtung der Geburtshilfe und ihre Mitarbeiter nicht. 7

8 32 SchKG Kostenübernahme Die vorgesehene Regelung stellt sicher, dass die Kosten in Verbindung mit einer vertraulichen Geburt nicht von der Einrichtung getragen werden müssen, in der die Geburt stattfindet, sondern von dem Bundesland, in dem die Schwangere ihren Wohnsitz hat. Erforderlich ist zusätzlich eine Regelung der Kostenübernahme für die Fälle, in denen, wie in Verbindung mit 28 SchKG erörtert, keine vertrauliche Geburt durchgeführt wird bzw. Angaben zum Wohnsitz der Schwangeren fehlen, nicht verifiziert werden können oder nicht zutreffen. 34 SchKG Evaluierung Babyklappen Der Gesetzentwurf enthält keine Regelungen im Blick auf die vielerorts als Angebot zur anonymen Kindesabgabe eingerichteten Babyklappen. Unabhängig von der im Zuge der Evaluierung des Gesetzes vorgesehenen Überprüfung sollte deren Betrieb von der Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen abhängig gemacht werden. Die CKiD teilen die Hoffnung des Gesetzgebers, dass durch die Einführung der vertraulichen Geburt und der in diesem Zusammenhang geschaffenen Rechtssicherheit für Schwangere Anlässe zur Inanspruchnahme von Babyklappen immer seltener werden. Ob Babyklappen als Hilfen der ultima ratio langfristig benötigt werden, weil Schwangere trotz breiter Aufklärung der Bevölkerung auf die Angebote zur vertraulichen Geburt nicht eingehen, muss vorerst als offene Frage stehen bleiben. Solange es aber Babyklappen gibt, teilen wir die auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Überzeugung, dass ihr Betrieb von der Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Träger solcher Angebote sowie deren konkrete Ausgestaltung abhängig gemacht werden sollte: so z. B. im Blick auf die technische Sicherheit, die Anbindung an eine Einrichtung der Geburtshilfe, die Flankierung durch ein Netzwerk der Beratung und Unterstützung, die Kooperation mit Ämtern. Für die Beschreibung und Entwicklung entsprechender Standards stellen wir gerne unsere Erfahrungen und Kompetenzen zur Verfügung.