Neuere Entwicklungen im Bereich Gentechnik/Glyphosat Deutschland und EU München, 24. Oktober 2015 Martha Mertens
Themenfelder EU-Regelungen zu opt out Novellierung des Gentechnikgesetzes Neue Züchtungstechniken Cibus-Raps Wiederzulassung von Glyphosat TTIP und Gentechnik
Neue EU-Regelung: opt out EU-Richtlinie 2015/412 seit April 2015 in Kraft Erweiterte Möglichkeiten Mitgliedstaaten (MS) für Anbauverbot von GVO Phase I: MS fordern Ausnahme des ganzen oder von Teilen des Territoriums vom GVO-Anbau (über Kommission) Falls Antragsteller zustimmt, kein Anbau Phase II: MS können Anbau verbieten, auch wenn Antragsteller Herausnahme nicht zustimmt Begründung erforderlich
EU-Regelung zu opt out Mögliche Gründe für Anbauverbot durch MS: Umweltpolitische Ziele Stadt- und Raumordnung Bodennutzung Sozioökonomische Auswirkungen Verhinderung des Vorhandenseins von GVO in anderen Erzeugnissen Agrarpolitische Ziele Öffentliche Ordnung Mit Ausnahme des letzten Grundes können die Gründe einzeln oder zusammen angeführt werden. Opt out No. II (Import von GVO für Lebens/Futtermittel) breit abgelehnt
19 von 28 Mitgliedstaaten haben beantragt, vom GVO-Anbau ausgenommen zu werden: Belgien (Wallonien) Bulgarien Dänemark Deutschland Frankreich Griechenland Großbritannien (Nordirland, Schottland, Wales) Italien Kroatien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Österreich Polen Slowenien Ungarn Zypern
Betroffene GVO GV Mais MON810 (Bt, Monsanto, Wiederzulassung) GV Mais 1507 (Bt+HR, Pioneer/Dow Agrosciences) GM Mais 59122 (Bt+HR, Pioneer/Dow Agrosciences) GM Mais 1507x59122 (Bt+HR, Pioneer/Dow Agrosciences) GM Mais BT11 (Bt, Syngenta) GM Mais GA21 (HR, Syngenta) GM Mais MIR604 (Bt), GM Mais BT11xMIR604xGA21 (Anträge wurden von Syngenta am 8. Oktober 2015 zurückgezogen) Zustimmung: Griechenland, Lettland, Kroatien, Frankreich, Österreich http://ec.europa.eu/food/plant/gmo/authorisation/cultivation/geographical_scope_en.htm
Umsetzung der EU-Richtlinie Vorschlag BMEL: Novellierung GenTG Bundesländer sollen Verbote aussprechen, da regionale Besonderheiten besser zu begründen seien Entwurf des Bundesrates - 25.09.2015 (Initiative RP, BaWü, NRW, NS, SH) Verbot soll durch Bundesregierung ausgesprochen werden kein Flickenteppich von Verboten in D! Weitere Entwicklung: Behandlung im Bundestag innerhalb von 6 Wochen Haltung von Bundesminister Schmidt?
EU-Zulassungen für Lebens- und Futtermittel 60 GVO derzeit zum Import zugelassen (zuletzt kamen 10 neue im April 2015 dazu): 10 Baumwoll-Linien 34 Mais-Linien 3 Raps-Linien 12 Soja-Linien 1 Zuckerrüben-Linie Der Großteil ist weiterhin herbizid- bzw. insektenresistent, >20 sind sog. stacked traits (HR + IR)
Beispiele für stacked traits - Mais Monsanto MON88017xMON810 MON89034xNK603 MON863xMON810xNK603 MON863xMON810 MON863xNK603 Pioneer/DuPont 1507x59122 59122x1507xNK603 59122xNK603 Syngenta Bt11xGA21 Bt11xMIR604 Bt11xMIR604xGA21 Eigenschaften: Resistenz gegen Maiszünsler und/oder Maiswurzelbohrer (verschiedene Bt-Toxine) plus Resistenz gegen Glyphosat (Roundup) und/oder Glufosinat (Basta/Liberty) Zulassung als Futter- und Lebensmittel
GVO der 2./3. Generation? Beispiele für neue Eigenschaften Mehr Omega-3-Fettsäuren bei Sojabohnen Mehr Vitamine ( golden rice noch nicht auf dem Markt) Entgiftung von Baumwollsamen (Gossypol) Trockenheitstoleranz (Monsanto-Mais) Pilzresistenz (diverse Projekte) Jedoch: konventionelle Züchtung zumeist erfolgreicher konv. gezüchtete Eigenschaften werden aber nicht selten in GVO eingeführt (Patente)
Monsanto klagt: GVO-Industrie ist in der EU politisch isoliert* Brandon Mitchener, Monsanto Europe The EU has chosen to fund NGOs that demonise GMOs, even though the EU's own best scientists say they are perfectly safe. Years of such political hypocrisy have marginalised GM seeds in Europe to the point that most companies have given up trying to sell them here Monsanto and other companies did everything they could have to try to educate people about GMOs. The European debacle isn't the companies' fault. It is the result of nearly 30 years of scaremongering by Greens and certain NGOs, and lack of sciencebased decision-making. * http://www.euractiv.com/sections/innovation-feeding-world/commission-organic-farming-not-enoughaddress-food-security-318699
Beat Späth: EuropaBio: EU-Politiker gehorchen der öffentlichen Meinung The EU heavily promoted untested organic farming while allowing national bans on cultivating GM crops that have undergone strict safety assessments confirming they are (at least) as safe as conventional crops". The licence to ban the cultivation of safe and approved GMO crops is a very negative precedent of 'politics over science'. In this sense, many politicians seem to have abdicated from their role as leaders in favour of becoming followers of 'public opinion' voiced by scaremongers Meanwhile, half of Europe chooses to turn the continent into a museum of agriculture without even asking its farmers
Neue Züchtungstechniken Neue Verfahren, sog. genome editing, sollen nicht als Gentechnik gelten Vorteile für Firmen: keine Prüfung, kein Zulassungsverfahren, keine Kennzeichnung, kein Monitoring Seit längerem Diskussion auf EU-Ebene Stellungnahme 2015? z.b. ODM (oligo directed mutagenesis): nach Einführung kurzer DNA-Abschnitte (Oligonukleotide) in die Zellen führen nicht genau bekannte Mechanismen dazu, dass das Erbgut der Pflanzen sich der Struktur dieser synthetischen DNA anpasst (Cibus) Auswirkungen sind allerdings unbekannt! BVL 2015: Herbizidresistenter ODM-Raps der Firma Cibus 2015 kein GVO Verbände erheben Einspruch, inzwischen ist Klage anhängig (z.b. BUND) Aussaat für 2015 in Deutschland verhindert D setzt Thema auf TO von EU-Gremien offener Brief an Minister Schmidt
Cibus a Leader in Precision Gene Editing http://www.cibus.com/ Cibus: RTDS (Rapid Trait Development System) Dieser technologische Durchbruch bringt präzise und vorhersehbare Resultate, die von herkömmlicher Züchtung nicht zu unterscheiden sind, jedoch schneller wirken Vorteile: Breite Anwendbarkeit bei allen Nutzpflanzen und Mikroorganismen Gleichzeitiges Ansprechen verschiedener Eigenschaften Möglichkeit, mehrere (neue) Eigenschaften in einer Pflanze zu vereinen Klares/einfaches Zulassungsverfahren in Zielmärkten Akzeptanz für die Produkte in Landwirtschaft und Handel weltweit
Debatte um Glyphosat EU-Zulassung bis 2012 Verlängerung der Zulassung durch EC bis Ende 2015, neuerdings bis Juni 2016 Glyphosate-Task-Force (Industrie) wählte D als Berichterstatter (Rapporteur Member State RMS, Co-RMS ist Slowakei) Federführung BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) Bericht zu gesundheitlichen Effekten UBA (Umweltbundesamt) zu Umweltwirkungen eingebunden Bericht (Renewal Assessment Report) im März 2014 veröffentlicht, bis Mai 2014 online-konsultation Kommentierung durch EU-Mitgliedstaaten? EFSA-Stellungnahme verzögert
Wiederzulassung von Glyphosat? Renewal Assessment Report (~4000 Seiten, viele geschwärzte Stellen): keine Hinweise auf krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat" akzeptables Risiko für Grundwasser, Wasser-/Bodenorganismen, bzgl. Risiken für Nicht-Zielpflanzen: 5-10 m Pufferstreifen empfohlen PAN (Pestizid-Aktions-Netzwerk): Intransparentes Verfahren, vorwiegend Firmenstudien, unzureichendes Studiendesign (Dauer, Dosis etc.), BfR hat wichtige Studien nicht berücksichtigt/falsch interpretiert IARC (International Agency for Research on Cancer) stellt 2015 fest: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend Eine intensive internationale Debatte ist die Folge MdEPs und MdBs verlangen genaue Prüfung, BfR gerät unter Beschuss wegen möglicher Interessenskonflikte
Zulässige Rückstandswerte für Glyphosat - Maximum Residue Levels (MRL) Zulässige EU-Rückstandswerte für Lebensmittel variieren stark*: 20 mg/kg: Sojabohne, Sonnenblume, Gerste, Hafer (50 mg/kg Wildpilze) 10 mg/kg: Roggen, Weizen, Leinsamen, Lupine, Raps, Erbsen, Linsen 2 mg/kg: Bohnen, 1 mg/kg: Mais 0.1 mg/kg: Großteil der pflanzlichen Produkte 0,05 mg/kg: Fleisch (Ausnahme Niere), Milch, Eier Anpassung der Glyphosat-MRL: 1999 Soja 200fach, 2012 Linsen 100fach Codex Alimentarius-MRL für Glyphosat nicht selten deutlich höher MRL für Futtermittel erheblich höher (100-500 mg/kg FAO/WHO) Rückstände (incl. AMPA) in Soja erreichen/überschreiten teilweise MRL EU: akzeptable tägliche Aufnahme (ADI) 0,3 mg/kg Körpergewicht/Tag - soll laut Vorschlag BfR** auf 0,5 mg/kg und Tag erhöht werden USA: 1.75 mg/kg und Tag * http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm?event=substance.resultat&s=1 ** Bundesinstitut für Risikobewertung
Roundup/Glyphosat gefährden die Gesundheit lt. Daten verschiedener wissenschaftlicher Studien akute Effekte: Haut-/Augenreizung, Schwindel, Kopfschmerzen, Husten schädigt DNA, Zellen in Kultur, stört Zellteilung fertige Produkte (z.b. Roundup) zumeist toxischer als Glyphosat beeinträchtigt Bildung/Funktion der Sexualhormone beeinflusst möglicherweise Aufnahme von Mikronährstoffen schädigt nützliche Darmbakterien - Krankheitserreger sind resistent Botulismuserreger können sich evtl. vermehren stört die Embryonalentwicklung Aborte und Missbildungen? Argentinien: deutlicher Anstieg bei Fehlbildungen/Krebs bei Kindern International Agency for Research on Cancer (IARC) sagt 2015: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend
Umwelteffekte von Glyphosat beeinträchtigt nützliche Bakterien und Pilze (Stickstoff-bindende Knöllchenbakterien der Sojabohne, Mykorrhiza-Pilze) beeinträchtigt Regenwürmer und Insekten schädigt Wasserorganismen (Mikroorganismen, Plankton, Daphnien) fördert Gewässer-Eutrophierung (+ Cyanobakterien) gefährdet Amphibien 2/3 der Amphibien in D stehen auf roter Liste verstärkt negative Effekte anderer Stressoren, z.b. Pestizide, Räuber, Parasiten - gezeigt für Amphibien und Fische fehlen Wildkräuter, fehlen vielen Tieren Nahrung und Lebensraum Herbizide tragen stark zum Verlust der Artenvielfalt bei Massiver Rückgang der Monarch-Falter in den USA
Laufend mehr Glyphosat-resistente Beikräuter >32 Glyphosat-resistente Beikrautarten, z.t. Mehrfachresistenzen auf Millionen von Hektar weltweit Folgen: steigender Herbizidverbrauch vermehrter Einsatz von Tankmischungen 3-4 fach erhöhte Kosten für Beikrautkontrolle, Rückkehr zum Pflug Kombination von HR-Genen? gg. Glyphosat, Glufosinat, synth. Auxine, ALS/ACCase-Inhibitors 157 bzw. 32 Beikrautarten resistent gegen ALS-Inhibitors/synth. Auxine! 2,4-D- resistente und Dicamba-resistente GVO in USA dereguliert Massive Zunahme des Einsatzes dieser Herbizide erwartet Angezeigt wäre statt dessen: Mehr Vielfalt auf den Acker!
TTIP und Gentechnik Unterschiede zwischen EU und USA EU - Grundlage: Vorsorgeprinzip (Art. 191 EU-Vertrag) Wenn (wissenschaftliche) Unsicherheit herrscht, ob GVO zu Schäden führen, dann ist vorbeugend zu handeln, um Schäden zu vermeiden Daher: Spezielle gesetzliche Regelungen (prozessbasiert) erforderlich (werden von Umweltverbänden als unzureichend angesehen) USA - Annahme: GVO bergen kein höheres Risiko als nicht-gvo Erst wenn zweifelsfrei belegt ist, dass ein GVO zum Schaden führt, sollte Nutzung beschränkt werden ( sound science ) Daher: keine eigenen gesetzlichen Regelungen erforderlich Ziel: Angleichung bzw. wechselseitige Anerkennung der Standards
Agrogentechnik - Vergleich EU - USA EU: Genehmigung über Richtlinie 2001/18 sowie VO 1829/2003 GVO-Zulassung für Import und Anbau durch EU-Komm. - Rolle der EFSA, 1 GVO im Anbau, 130.000 ha Zuständigkeiten verteilt: APHIS - plant pest, FDA - food safety, EPA - Bt crops, pesticides Freiwillige Anmeldung deregulation >100 GVO deregulated, >70 Mio ha GVO-Kennzeichnungspflicht: ja (Ausnahme für tierische Produkte) GVO-Kennzeichnung: nein (aber Initiativen in Bundesstaaten) Freisetzung: nationale Zuständigkeit Freisetzung: notification/permit (APHIS) Nationale Koexistenzregeln Monitoring durch RL 2001/18 In Deutschland Anbauregister Keine Koexistenzregeln Kein Monitoring Keinerlei Infos über Anbauflächen
TTIP - Wunschliste der Gentechnik-Sparte Beschleunigte EU-Zulassungsverfahren ( Uneven approvals could force feed shortages and price increases ) Ende der Saatgutreinheit, nach der in der EU gentechnisch verunreinigtes Saatgut nicht verkehrsfähig ist Keine gesonderte Prüfung für gentechnisch veränderte Pflanzen mit einer Vielzahl von Eigenschaften ( stacked events ) Abschaffung der Nulltoleranz für nicht zugelassene GVO (low level presence) Keine nationalen Anbauverbote Untersuchung auf GVO beim Export, nicht beim Import Abschaffung der EU-Regeln zu Kennzeichnung + Rückverfolgbarkeit AAS (American Soybean Association) fordert freiwilliges GM-free Label
Biotechnology im CETA-Vertrag mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement) Ziele: Stärkung von Dialog und bilateraler Kooperation (S. 449) Informationsaustausch bzgl. politischer, regulatorischer und technischer Aspekte (z. B. Risikoabschätzung von GVO) Förderung effizienter wissenschaftsbasierter Zulassungsprozesse (Befürchtung: Umschreibung für Abkehr vom Vorsorgeprinzip) Internationale Kooperation im Bereich Biotechnologie: z. B. low level presence (Grenzwerte für nicht zugelassene GVO) Regulatorische Kooperation, um negative Handelsauswirkungen durch Gesetzgebung auf den Bereich Gentechnik zu minimieren Fazit: Abbau von Gentechnik-Regeln, erleichterte Nutzung
Phil Hogan, EU-Kommissar für Landwirtschaft: Die Zeit ist reif für einen Super-Highway über den Atlantik; größter Nutzen bei TTIP entsteht durch verstärkte Zusammenarbeit bei der Regulierung US-Chefunterhändlerin: Einigung muss Biotechnologie, Tierarzneimittel, Hormone und Verarbeitungstechniken umfassen EU was working to end the deadlock over new genetically modified (GM) animal feed imports, while protected food label fears were overhyped. EU & US farmers would gain significantly from a free trade deal. The generous offer tabled by the EU side... is a clear signal to American farmers Europe is open for business The EU was pushing to resolve the deadlock over new GM animal feed imports, saying Brussels had a vested interest in keeping farmer input prices down Hogan: I m not putting any red lines anywhere http://www.usda.gov/oce/forum/
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