Behandlung im Rhythmus



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Transkript:

pharma CHEMIE PLUS 4-2013 45 CHRONOPHARMAKOLOGIE Behandlung im Rhythmus der inneren Uhr Leben spielt sich rhythmisch im Verlauf der Zeit ab. Biorhythmen beeinflussen die Wirkungen von Pharmaka auf verschiedene Weise. Einerseits ändert sich die Empfindlichkeit des Körpers auf ein Arzneimittel im Laufe eines Tages. Andererseits ist auch die Schwere von Krankheitssymptomen zeitabhängig. Neue Erkenntnisse der Chronopharmakologie verbessern die Therapie. Die passende Dosis eines Pharmakons zur rechten Zeit gegeben, erhöht die Wirksamkeit und verringert Nebenwirkungen. B CLAUDIA BORCHARD-TUCH ereits vor über 200 Jahren bemerkten Naturwissenschaftler und Ärzte tages- und jahreszeitliche Veränderungen beim Menschen. Eine innere Uhr regelt alle Körperfunktionen. Die Chronopharmakologie befasst sich mit dieser inneren Uhr und den Konsequenzen für die Arzneimitteltherapie (1*). So können Biorhythmen die Wirkungen von Pharmaka auf unterschiedlichen Ebenen modulieren. Wird der Verlauf der Blutspiegelkurve beeinflusst, handelt es sich um Chronopharmakokinetik. Ändert sich hingegen die Empfindlichkeit des Zielsystems, spricht man von Chronopharmakodynamik. Hauptziel der Chronopharmakologie ist die Optimierung einer Behandlung: höchstmögliche Steigerung der Medikamentenwirkung, Verringerung der Nebenwirkungen bis zum Minimum. Aus klinisch-chronopharmakologischen Studien weiss man beispielsweise, dass H2-Antihistaminika bei der Behandlung eines Magengeschwürs auf den Nachttisch gehören ideal ist deren Einnahme am Abend. Die Magensäuresekretion folgt einem Tag-Nacht-Rhythmus mit einem Maximum um 22 Uhr und einem Tiefststand um acht Uhr. Daher erreicht man die grösstmöglichste Säurehemmung bei abendlicher Einnahme (1). Jetzt zu Metrohm wechseln und auf Dauer sparen - garantiert! Demo-Termin vereinbaren und bis zu 20 % Wechselprämie sichern! Profitieren Sie jetzt! Sie sparen Kosten, weil Sie weniger Verbrauchsmaterialen benötigen - Wechselprämie bis zu 20 % Sie gewinnen Zeit, weil das System sich selbst überwacht 10 Jahre Suppressorgarantie Metrohm garantiert eine 10 jährige Verfügbarkeit von Ersatzteilen Zufrieden mit Ihrem IC-System? www.metrohm.ch

46 CHEMIE PLUS 4-2013 pharma Abb. 1: Lokalisation der «Hauptuhr» im zentralen Nervensystem im Nucleus suprachiasmaticus (SCN) des Hypothalamus. Abb. 2: Zirkadianer Rhythmus der 17-Hydroxycorticosteroide (17-OHCS) im Plasma und im Urin. Biologische Rhythmen Biorhythmen finden sich auf der Ebene von Organen, Zellen, Zellstrukturen und Molekülen. Rückkopplungsschleifen bestimmter Gene («Uhrengene») und ihrer Produkte bilden das molekulare Uhrwerk der inneren Uhr. Zwar konnten ein «Zeitsinn» oder ein Organ der «Zeitmessung» bisher nicht entdeckt werden, doch gilt als gesichert, dass Licht endogen generierte Rhythmen mit der Umwelt synchronisiert (2). Die zeitliche Steuerung zeigt sich in unterschiedlichen Rhythmen, die endogen bedingt sind, sich jedoch durch äussere Faktoren beeinflussen lassen. Von praktischer Bedeutung für die Pharmakotherapie ist vor allem der zirkadiane (Tag-Nacht-)Rhythmus. Die innere Uhr, die die zirkadianen Rhythmen kontrolliert, befindet sich im suprachiasmatischen Nucleus (SCN) (Abb. 1). Der SCN kontrolliert die Melatoninausschüttung der Zirbeldrüse. Die Feuerrate des SCN verändert sich im 24-Stunden-Rhythmus, da sie sich an den Lichtverhältnissen orientiert: Trifft Licht auf die Netzhaut, senden Fotorezeptoren Signale an die Nervenzellen des SCN. Sie werden aktiviert und beginnen, Impulse auszusenden. Dies unterdrückt in der Zirbeldrüse die Ausschüttung eines wichtigen Transmitters des Schlafhormoms Melatonin. Je weniger Licht auf das Auge fällt, desto mehr Melatonin schüttet die Zirbeldrüse aus. Die Sekretion von Melatonin ist zur Nachtzeit um ein Vielfaches höher als während des Tages. Ansteigende Melatoninspiegel machen müde, verringern die Körpertemperatur und dämpfen die Aktivität des Nervensystems (2). Auch die Cortisolsekretion unterliegt einem zirkadianen Rhythmus. Maximale Cortisolkonzentrationen werden zwischen zwei und acht Uhr morgens gemessen, dann fällt die Cortisolkonzentration langsam ab auf minimale Werte zwischen 16 und 24 Uhr (Abb. 2). Dieser Rhythmus wird vom Zentralen Nervensystem über die Sekretion des adrenocorticotrophen Hormons gesteuert. Eine Aufhebung der Tagesrhythmik ist typisch für das Cushing-Syndrom (3). Neben einem täglichen Rhythmus können sich physiologische Prozesse auch in kürzeren oder längeren Abständen wiederholen beispielsweise ultradian (unter 20 Stunden), monatlich (zirkamensuell) oder jährlich (zirkannual). Viele Lebewesen haben im Winter ein vermehrtes Bedürfnis zu schlafen, sind weniger aktiv und schränken ihre Sozialkontakte ein. Dies scheint zumindest bei Tieren sinnvoll zu sein. Bei Menschen hingegen besteht die Gefahr, dass Lichtmangel eine Winterdepression (seasonal affective disorder, SAD) auslöst (2). Chronopharmakokinetik Die Resorption eines Arzneimittels ist zeitabhängig. Da sehr viele Arzneistoffe überwiegend im Dünndarm aufgenommen werden, spielen die Schnelligkeit der Magenentleerung und die Durchblutung des Gastrointestinaltraktes eine wichtige Rolle. Die Geschwindigkeit der Magenentleerung ist morgens höher als abends. Die Durchblutung des Gastrointestinaltraktes ist vor allem nachts und am frühen Morgen am höchsten, dagegen sinkt sie in den Mittagsstunden (4). Zahlreiche Arzneistoffe insbesondere die lipohilen in nichtretardierter Form werden daher nach morgendlicher oraler Einnahme schneller und in einem höheren Anteil resorbiert. Infolgedessen können grössere Spitzenkonzentrationen auftreten, welches mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen einhergeht. Dies gilt für Antiasthmatika wie Theophyllin und Terbutalin, für kardiovaskulär wirksame Pharmaka wie Propranolol, Nifedipin, Verapamil, Isosorbid-5-Mononitrat und Digoxin, ebenso für NSAR, Omeprazol und Lansoprazol, Diazepam sowie Amitriptylin (4). Für den Menschen gibt es Hinweise auf einen 24-Stunden-Rhythmus in der Arzneimittelmetabolisierung. So scheinen die Aktivitäten verschiedener Leberenzyme zirkadiane periodische Schwankungen aufzuweisen. In einer Studie erhielten die Probanden beispielsweise eine schnell freisetzende Form des Spasmolytikums Propiverin (45 mg) jeweils um 7 Uhr. Die niedrigsten Konzentrationen von Propiverin und seines Hauptmetaboliten Propiverin-N-Oxid (M5) waren am Abend festzustellen. Da Propiverin hauptsächlich durch Cytochrom P450 3A4 metabolisiert wird, weist dies auf eine Rhythmik der P450 3A4-Aktivität in der Leber hin (5). Auch die Ausscheidung von Arzneimitteln über die Niere ist zeitabhängig. Dabei spielen vor allem zirkadiane Rhythmen der glomerulären Filtrationsrate sowie tageszeitliche Veränderungen im ph-wert des Urins eine Rolle (1). Die Urinproduktion hat mittags ihren Höhepunkt und in der Nacht ein Aktivitätsminimum. Folglich ist die Ausscheidung vieler Arzneistoffe über die Nieren nachts am geringsten. Zugleich folgt auch der ph-wert einer zirkadianen Rhythmik. Da die Säurekonzentration in der Nacht am höchsten ist, werden

pharma CHEMIE PLUS 4-2013 47 basische Arzneistoffe wie Amphetamin nachts vermehrt ausgeschieden, da ihre Rückresorption dann am geringsten ist. Umgekehrt ist die Ausscheidung saurer Arzneistoffe wie den Sulfonamiden oder Salizylaten nachts minimal. Schmerzen: Wann wirken Lokalanästhetika am besten? Die meisten Menschen müssen im Laufe ihres Lebens zum Zahnarzt, weil sie unter Karies leiden. Bei einem zahnärztlichen Eingriff kann oft auf ein Lokalanästhetikum nicht verzichtet werden. Verschiedene Studien zeigen, dass die Wirkung von Lokalanästhetika vom Tageszeitpunkt abhängt, an dem sie injiziert worden sind. Während die lokalanästhetische Wirkung von Lidocain 12 Minuten anhält, wenn es am frühen Morgen verabreicht wird, ist seine Wirkungsdauer am frühen Nachmittag dreimal länger. Ähnliche Ergebnisse ergaben sich auch bei intradermaler Injektion. Gleiche Befunde wurden nach intraapplikaler Injektion des Lokalanasthetikums Articain in Kombination mit dem Vasokonstriktor Adrenalin in einer zahnärztlichen Praxis erhoben (1). Seelische Erkrankungen Zentralnervöse und psychische Funktionen zeigen ausgeprägte tagesrhythmische Schwankungen. Bei depressiven Patienten scheinen verschiedene zirkadiane Rhythmen, z.b. in der Körpertemperatur, dem REM- Schlaf, im Cortisol oder in der Ausscheidung von Metaboliten des Katecholaminstoffwechsels phasenverschoben zu sein. Partieller Schlafentzug in der zweiten Hälfte der Nacht und Phasenvorverschiebung des Schlaf- Wach-Zyklus können zu einer kurzfristigen klinischen Besserung führen (6). Mehrere Studien wiesen nach, dass Lithium, Monoaminooxidasehemmer und trizyklische Antidepressiva Veränderungen im zirkadianen Rhythmus zerebraler Rezeptoren erzeugen. Bei Ratten bewirkt die Gabe von Lithium eine Verlängerung der zirkadianen Periode der motorischen Aktivität (7). Auch für Benzodiazepinderivate liegen chronopharmakologische Befunde bei Mensch und Tier vor. Beim Menschen waren nach Einnahme von 5 mg Diazepam um 9.30 Uhr signifikant höhere Plasmakonzentrationen zu beobachten als bei Einnahme der gleichen Dosis um 21.30 Uhr. Der sedierende Effekt war am Morgen ebenfalls ausgeprägter als am Abend. Bei Mäusen wurden zirkadiane Rhythmen in der Toxizität auf Chlordiazepoxid und Diazepam nachgewiesen, mit niedrigeren LD50-Werten zu Beginn der Ruheperiode (1). Unter einer Langzeittherapie von mehr als einem Jahr zeigte sich, dass die «klassischen» Neuroleptika wie Flupentixol oder Haloperidol geringe bis ausgeprägte Störungen des Schlafrhythmus auslösten, während das atypische Neuroleptikum Clozapin zu Bruker Alpha: Das kleinste FTIR-Spektrometer für das Labor Die wichtige analytische Arbeit im Labor muss heute möglichst schnell und einfach, aber trotzdem auf hohem Niveau durchgeführt werden. Die Miniaturisierung von FTIR Spektrometern und dessen Fortschritte in der Stabilität erlauben eine schnelle und v. a. sehr präzise spektrale Analyse von verschiedensten Verbindungen. Bei dieser optischen Analysetechnik werden Molekülschwingungen durch Licht im Infrarotbereich angeregt. Diese Anregungen werden als Absorptionslinien im Infrarotspektrum sichtbar und sind für jedes Molekül charakteristisch wie ein Fingerabdruck. Eine Substanz kann identifiziert und als Komponente in einer Mischung quantifiziert werden, ob Flüssigkeit, Pulver, Feststoff oder Gas. Die zwingenden Anforderungen an so ein System sind dessen Stabilität wie auch dessen einfachste Bedienung. Das zurzeit kleinste, kommerziell erhältliche FTIR- Spektrometer der Welt ist das Alpha von Bruker (siehe Fig. 1). Dieses kostengünstige und sehr robuste Gerät bietet eine optimale Möglichkeit für den verantwortungsbewussten Laboranten, der die Produkte ohne grossen Aufwand auf ihre Qualität hin prüft. Dr. Domenico Martoccia domenico.martoccia@bruker.ch Bruker Optics GmbH Tel.: +41 44 825 98 11 Fax: +41 44 825 96 38 www.brukeroptics.com Fig. 1: Alpha, kleinstes FTIR-Spektrometer

48 CHEMIE PLUS 4-2013 pharma Abb. 3: Viele Medikamente wirken zu bestimmten Tageszeiten am besten. Der Grund hierfür ist die innere Uhr. (Bild: Techniker Krankenkasse) einem geordneten Schlaf-Wach-Rhythmus führte (8). Bei Ratten wurde unter Haloperidol eine Beeinflussung der Genexpression von Per1 im SCN beschrieben (9), welches die Ergebnisse beim Menschen bestätigt. Blutdruck auf Berg- und Talwanderung Nahezu alle Funktionen des Herz-Kreislauf- Systems wie Blutdruck, Herzfrequenz, Schlagvolumen, Durchblutung und peripherer Widerstand folgen einem zirkadianen Rhythmus. Dies hat zur Folge, dass auch die Symptomatik von kardiovaskulären Erkrankungen einem Tagesrhythmus unterliegt. Beim Menschen ist die zirkadiane zentrale Regulation der Blutdruckrhythmik bisher kaum untersucht worden. Es steht aber ausser Zweifel, dass ähnliche Mechanismen wie bei der Ratte auch beim Menschen eine Rolle spielen. So ist beispielsweise der SCN für die Rhythmik von Bedeutung (1). Mithilfe des ambulanten Blutdruck-Monitorings, kurz ABDM, kann das 24-Stunden- Blutdruckprofil erfasst werden. Das ABDM- Messgerät bestimmt automatisch in regelmässigen Abständen den Blutdruck. Während die Messung tagsüber alle 20 Minuten durchgeführt wird, erfolgt sie nachts stündlich. Bei Gesunden und bei Patienten mit primärer Hypertonie kommt es zwischen neun und zehn Uhr morgens zu einem Gipfel. Mittags fällt der Blutdruck ab und vom Nachmittag bis zum Abend steigt er wieder an (10). In der Nacht kommt es zu einer Senkung des Blutdrucks um bis zu 15 Prozent («Dipper»). Fehlt der nächtliche Blutdruckabfall, handelt es sich um einen Non-Dipper. Non-Dipper- Patienten leiden zumeist unter einer sekundären Hypertonie, beispielsweise als Folge einer Nierenerkrankung. Die Behandlung der unterschiedlichen Bluthochdruckpatienten sollte an die entsprechenden Rhythmen angepasst werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen (4). ACE-Hemmer führen bei abendlicher Einnahme zu einer verstärkten nächtlichen Blutdrucksenkung, die bei Dippern ein Risiko für einen Apoplex sein könnte. Bei Non- Dippern hingegen kann die abendliche Einnahme von ACE-Hemmern den nächtlichen Bluthochdruck normalisieren (4). AT1-Antagonisten hingegen erhalten unabhängig von der Einnahmezeit das normale 24-Stunden-Profil des Blutdrucks. Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ wie Isradipin oder Amlodipin können den gestörten Blutdruckrhythmus bei Non- Dippern normalisieren. Werden diese Substanzen am Abend gegeben, können sie das 24-Stunden-Blutdruckprofil normalisieren. Ähnlich scheinen sich Diuretika auszuwirken. Betablocker senken vor allem den Tagesbluthochdruck, da sie den am Tag erhöhten Sympathikustonus beeinflussen. Nachts lässt sich jedoch bei Non- Dippern kaum eine Blutdrucksenkung erreichen (1). Koronare Herzkrankheit (KHK) Während koronarspastische, sogenannte Prinzmetal-Angina-pectoris-Anfälle, in der Nacht häufiger auftreten als am Tag, finden sich belastungsabhängige Angina-pectoris- Anfälle tagsüber häufiger als nachts. In mehreren Studien wurde eine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkten und plötzlichen, kardial bedingten Todesfällen zwischen acht und zwölf Uhr nachgewiesen. Die morgendliche Häufung kardialer Ereignisse ist vor allem auf die Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie den dadurch gesteigerten myokardialen Sauerstoffverbrauch zurückzuführen (1). Auch ischämische Schlaganfälle finden sich vermehrt am Morgen. Hirninfarkte ohne Embolien haben hingegen ein Maximum in den Nachtstunden um drei Uhr. In der Therapie der Angina pectoris hat sich Propranolol am effektivsten erwiesen, wenn es als morgendliche Einmaldosis gegen acht Uhr gegeben wird. Bei der Prinzmetal-Angina hat es sich als ebenso günstig gezeigt, Diltiazem am Morgen zu verabreichen. Asthma bronchiale Asthmaanfälle treten häufig in der Nacht auf. Verschiedene Faktoren tragen hierzu bei. Nachts ist die Sympathikusaktivität gering, während die Aktivität des Parasympathikus hoch ist. Auch die Empfindlichkeit der Lungen auf bronchokonstriktorische Substanzen wie Histamin, Acetylcholin und Allergene wie Hausstaub ist während der nächtlichen Stunden erhöht (4). Bei Theophyllinpräparationen mit retardierter Freisetzung (slow release formulation) wird empfohlen, 2 / 3 der Dosis am Abend und 1 / 3 der Dosis morgens zu geben. Auch für -Sympathomimetika liegen inzwischen pharmakokinetische Studienergebnisse vor. Mit einer ungleichen oralen Dosierung von Terbutalin (abends höhere als morgens) gelang es, die nächtlich ausgeprägte Dyspnoe zu verhindern. Die inhalative Applikation von lang wirksamen 2- Sympathomimetika wie Formoterol oder Salmeterol wird heute vor allem bei Patienten mit nächtlichem Asthma empfohlen (4). Auch Anticholinergika sind bei gleicher Dosierung nachts schwächer wirksam als am Tage. Damit scheint sich abzuzeichnen, dass auch Anticholinergika bei nächtlicher Atemwegsobstruktion in ungleicher Dosierung, d. h. mit einer abendlich höheren Dosis, gegeben werden sollten, um in der Phase besonderer Gefährdung des Patienten therapeutisch effektiv zu sein (4).

Die Bedeutung der Chronotherapie mit Glucocorticoiden (z.b. grössere Dosis morgens kleinere Dosis abends; nur morgendliche Dosis, bzw. eine morgendliche Dosis nur jeden 2. Tag), um die unerwünschten Wirkungen zu vermindern, gilt vor allem für ihre orale Anwendung, wobei beim Asthma die Gabe am frühen Nachmittag die beste Wirkung zu haben scheint (4). Zu bedenken ist jedoch, dass mittlerweile die inhalative Applikation von Glucocorticoiden die erste Wahl ist. Auch bei einigen inhalativ anzuwendenden Glucocorticoiden muss jedoch wie nach oraler Gabe mit einer Unterdrückung der endogenen Cortisolproduktion gerechnet werden (4). Zur Chronopharmakologie von Zytostatika Zytostatika sind in ihrer therapeutischen Verwendung durch ihre hohe Toxizität begrenzt. In tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine Chronotherapie mit Zytostatika (z.b. Cyclophosphamid, Cytosinarabinosid), also Gabe des Arzneimittels nur zu bestimmten Tageszeiten bzw. eine unterschiedliche Dosierung zu verschiedenen Tageszeiten, nicht nur die Toxizität der Zytostatika vermindern, sondern auch die Heilungsquote bei Tumoren verbessern konnte (4). Die Infusion von Adriamycin in der Onkologie erbringt beispielsweise günstigere Ergebnisse und wird besser toleriert, wenn die maximale Infusionsrate in den frühen Morgenstunden (6.00 Uhr) liegt. Spiegelbildlich verhält es sich unter der Therapie mit Cisplatin, dessen maximale Infusionsrate am besten um 18.00 Uhr geplant wird. Die abendliche Gabe von Cisplatin vermindert gegenüber der morgendlichen Einnahme die Nephrotoxizität erheblich (um 25 Prozent). Die Dosis des 5-Fluoro-Uracils sollte ein Maximum gegen 4.00 Uhr aufweisen, um biorhythmische Effekte therapeutisch auszunutzen. Zurzeit werden zahlreiche multizentrische Studien, europäische Studien, unter Leitung der EORTC (European Organization for Research amd Treatment of Cancer) durchgeführt, mit denen eine Chronotherapie mit Zytostatika bei verschiedenen Tumorerkrankungen mit einer konventionellen Therapie verglichen werden (11). Fazit: Zahlreiche Studien belegen, dass Zeit eine wichtige Rolle in der Pharmakotherapie spielt. So sind Resorption, Metabolisierung und Ausscheidung eines Medikamentes zeitabhängig. Auch die Empfindlichkeit der Zielorgane unterliegt einem zumeist zirkadianen Rhythmus. Andererseits zeigen zahlreiche Erkrankungen wie Asthma bronchiale, Hypertonie, KHK oder Krebs ausgeprägte tagesrhythmische Schwankungen. Für diese Erkrankungen, bei denen die Krankheitsaktivität vorhersehbaren zeitlichen Variationen unterliegt, lassen sich bestmögliche Zeitpunkte der Verabreichung bestimmen (Abb. 3). *ORIGINALPUBLIKATIONEN Die ausführliche Literaturliste zu diesem Artikel finden Sie auf www.chemieplus.ch/chronopharmakologie Unterstützt durch: Jetzt informieren: 044 421 34 45 www.enaw.ch reduzieren

Originalpublikationen (1) Lemmer, B. Chronopharmakologie. Biologische Rhythmen und Arzneimittelwirkung. 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012. (2) Peschke, E. (Hrsg.) Chronobiologie - Leopoldina-Symposium am 19. März 2010 in Halle (Saale). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012. (3) Schultes, B. und Fehm, H. L. Zirkadiane Rhythmen in der Endokrinologie. Internist 45 (2004) 983 993. (4) Lemmer, B. Zirkadiane Rhythmen und klinische Pharmakologie. Internist 45 (2004) 1006 1020. (5) May, K., et al. Disposition and antimuscarinic effects of the urinary bladder spasmolytics propiverine: influence of dosage forms and circadian-time rhythms. J Clin Pharmacol 48 (5) (2008) 570-579. (6) MMW Fortschr Med. Depression: possible etiology: circadian dysregulation. MMW Fortschr Med 154 (1) (2012) 82-83 [no authors listed]. (7) Li, J., et al. Lithium impacts on the amplitude and period of the molecular circadian clockwork. PLoS One 7(3) (2012) e33292. (8) Wirz-Justice, A., et al. Disturbed circadian rest-activity cycles in schizophrenia patients: an effect of drugs? Schizophr Bull. 27(3) (2001) 497-502. (9) Viyoch, J., et al. Effect of haloperidol on mper1 gene expression in mouse suprachiasmatic nuclei. J Biol Chem 280(8) (2005) 6309-6315. (10) Middeke, M. Antihypertensive Chronotherapie. Grundlage renaler Hochdruckformen ist häufig ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus. Dialyse aktuell 14 (2) (2010) 98 103. (11) Sukhina, E. N., et al. The prospects for the use of chronomodulated chemo- and radiotherapy in oncology. Klin Med (Mosk). 90 (2) (2012) 9-13.