Sprachlernexperimente 1



Ähnliche Dokumente
Armin Buch. Tierkommunikation. Ausblick. Kommunikation. Worauf Sprache zurückgeführt werden kann. Armin W. Buch. 22. April 2014

Sprachlernexperimente mit Menschen

Sprachlernexperimente und Signalspiele

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Grundlagen der Theoretischen Informatik, SoSe 2008

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Kulturelle Evolution 12

Ein Buch entsteht. Ein langer Weg

Statuten in leichter Sprache

Widerrufsbelehrung der Free-Linked GmbH. Stand: Juni 2014

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

Bewertung des Blattes

1 Mathematische Grundlagen

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Test: Sind Sie ein Unternehmertyp?

FAQ Spielvorbereitung Startspieler: Wer ist Startspieler?

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Kreativ visualisieren

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Erstellen von x-y-diagrammen in OpenOffice.calc

Alle Schlüssel-Karten (blaue Rückseite) werden den Schlüssel-Farben nach sortiert und in vier getrennte Stapel mit der Bildseite nach oben gelegt.

1. Weniger Steuern zahlen

Leit-Bild der Sonnenhofschule

Handbuch zur Anlage von Turnieren auf der NÖEV-Homepage

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Zahlenwinkel: Forscherkarte 1. alleine. Zahlenwinkel: Forschertipp 1

Tipps für die praktische Durchführung von Referaten Prof. Dr. Ellen Aschermann

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Informationsblatt Induktionsbeweis

SWOT Analyse zur Unterstützung des Projektmonitorings

Der Kunde zahlt die Gehälter.

Grundbegriffe der Informatik

Deutsches Rotes Kreuz. Kopfschmerztagebuch von:

Soziale Kommunikation. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke. Kommunikationsprobleme

Anleitung für die Teilnahme an den Platzvergaben "Studio II, Studio IV und Studio VI" im Studiengang Bachelor Architektur SS15

Arbeit zur Lebens-Geschichte mit Menschen mit Behinderung Ein Papier des Bundesverbands evangelische Behindertenhilfe e.v.

Was ist Journalismus? Basis-Stilform: Die Nachricht. Metall. Macht. Medien. Eine Plattform der IG Metall Jugend

SHG INVEST DAS SOLLTEN SIE UNBEDINGT. lesen, bevor Sie selbst verkaufen...

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Gefährlich hohe Blutzuckerwerte

Was ist das Budget für Arbeit?

SCHRITT 1: Öffnen des Bildes und Auswahl der Option»Drucken«im Menü»Datei«...2. SCHRITT 2: Angeben des Papierformat im Dialog»Drucklayout«...

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

1.1.1 Test Überschrift

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Mathematik: Mag. Schmid Wolfgang Arbeitsblatt 3 1. Semester ARBEITSBLATT 3 RECHNEN MIT GANZEN ZAHLEN

Das Bandtagebuch mit EINSHOCH6 Folge 41: BEI DEN BIERBRAUERN

2 Wie sicher ist mein Passwort? *

Eigene Dokumente, Fotos, Bilder etc. sichern

AutoCAD Dienstprogramm zur Lizenzübertragung

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

4.4 AnonymeMärkteunddasGleichgewichtder"vollständigen Konkurrenz"

Lichtbrechung an Linsen

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Live Innovator Conference Die Gruppe ist intelligenter als der Einzelne. Wülflingerstrasse 271 CH-8408 Winterthur

Das Recht auf gesundheitliche Versorgung ein Menschenrecht!

Es gibt nur eine Bilanz die zählt: Ihre Zufriedenheit.

1. Welche Tiere sind hier versteckt? 4P/

IT-SICHERHEIT IM UNTERNEHMEN Mehr Sicherheit für Ihre Entscheidung

Produktionsplanung und steuerung (SS 2011)

Abschlussprüfung Realschule Bayern II / III: 2009 Haupttermin B 1.0 B 1.1

Company Presentation

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Wichtige Info szum Lehrabschluss!

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

Fotoprotokoll / Zusammenfassung. des Seminars Methodik der Gesprächsführung und Coaching. Vertriebs- & Management - Training

FRAGEBOGEN ANWENDUNG DES ECOPROWINE SELBSTBEWERTUNG-TOOLS

Musterlösungen zur Linearen Algebra II Blatt 5

Anleitung OpenCms 8 Webformular Auswertung

Animationen erstellen

TESTEN SIE IHR KÖNNEN UND GEWINNEN SIE!

OECD Programme for International Student Assessment

Wichtiges Thema: Ihre private Rente und der viel zu wenig beachtete - Rentenfaktor

Michaela Knirsch-Wagner

Proofreading Was solltest Du beim Korrekturlesen beachten?

Stellvertretenden Genehmiger verwalten. Tipps & Tricks

1 Einleitung. Lernziele. automatische Antworten bei Abwesenheit senden. Einstellungen für automatische Antworten Lerndauer. 4 Minuten.

Die perfekte Bewerbung richtig schreiben online & klassisch

MuP-Arbeitshilfen. Kreativität organisieren Der innovative Prozess. Problem-Phase

Anwendungsbeispiele Sign Live! Secure Mail Gateway

Neues Namens- und Bürgerrecht

schlechte Gewissen sind in ähnlichem Maße gewachsen, wie die Verhütungsmethoden sicherer wurden. Seit Einführung der Pille, dem häufigsten

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Sind Sie reif fürs ASSESSEMENT CENTER?

Evangelisieren warum eigentlich?

Abenteuer e-commerce Erfolgreich mit dem eigenen Onlineshop.

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Kreatives Occhi. - V o r s p a n n - Alle Knoten und Knüpfelemente sowie ihre Verwendbarkeit. Die Knoten

Woche 1: Was ist NLP? Die Geschichte des NLP.

Menü auf zwei Module verteilt (Joomla 3.4.0)

Sudoku-Informatik oder wie man als Informatiker Logikrätsel löst

Transkript:

Sprachlernexperimente 1 Was können Tiere lernen? Armin W. Buch 29. April 2014

Isolierung einzelner Eigenschaften menschlicher Sprache Wenn sie auf allgemeine kognitive Fähigkeiten zurückgehen, sollten unsere Verwandten (oder andere) diese Fähigkeiten auch haben Denn wenn sie einen evolutionären Vorteil bedeuten, sollten sie immer wieder auftreten Diese Fähigkeiten lassen sich experimentell testen, indem man Tiere eine reduzierte Sprache lernen lässt

(Auswahl) Kulturelle, nicht genetische Weitergabe Deixis: sprachliches Zeigen (Pronomen, Anapher) 1 Produktivität: Kodierung neuer, entfernter, hypothetischer oder kontrafaktischer Sachverhalte Duality of patterning nicht-kompositionelle (beliebige, s. Saussure), diskrete Bildung von Wörtern aus Phonemen kompositionelle Bildung von Sätzen aus Wörtern Rekursion (zweifelhaft; s.a. Coolidge & al. (2011)) / kontextfreie Grammatik 1 s.a. Pronomen in Gestensprachen

Einschub: Kontextfreie Grammatik Phrasenstruktur: Wörter bilden größere Einheiten Diese Einheiten werden weiter kombiniert, ungeachtet ihrer internen Struktur D.h. alle Grammatikregeln sind lokal Sie sind rewrite rules von der Form X Y* Größtenteils ausreichend für menschliche Sprache Nicht unbedingt eine kognitiv adäquate Abstraktion menschlicher Sprachverarbeitung

Gruppenarbeit Nachäffen (Tennie & al. 2010, Tennie & al. 2012) Zeigen: Affen (Tomasello, 2008), Füchse (Link 1, Link 2) Rekursion: Affen (Fitch & Hauser, 2004), Stare (van Heijningen & al. (2009), Kommentar 1, Kommentar 2) Graupapagei Alex (Ausgangspunkt: Wikipedia-Eintrag) Leitfrage: Welche Charakteristika menschlicher Sprache, die in anderen Kommunikationssystemen nicht vorkommen, können Tiere benutzen/erlernen? Kulturelle Transmission Deixis Produktivität kontext-freie Grammatik

Ergebnisse Zeichenketten können gelernt werden Zeichen-Bedeutung-Zuordnungen können gelernt werden ( Signalspiele) Zeigen (gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus) kann (manchmal) nach Zuchtauswahl verstanden werden Können eventuell weitere Grundlagen von Sprache angezüchtet werden? Zeigen plus verbale Aufforderung ermöglicht eine minimale kompositionelle Semantik Schimpansen können einfache Propositionen nachbauen, aber nichts einbetten Rekursion bleibt strittig, sowohl beim Menschen als auch bei ; sie ist aber gar nicht nötig

Weitere Forschung Tiere lernen nicht so sprechen wie Menschen, und kein Mensch wird eine Tier- Sprache so lernen, dass er in diese übersetzen könnte (bis zum Beweis des Gegenteils) Verbleibt nur ein gradueller Unterschied, oder ein kategorischer? Wenn Letzteres, ist er extrem sprachspezifisch. Welchen evolutionären Vorteil hat er dann? Wenn die Lücke zum Menschen nicht überbrücken, dann muss sie von der anderen Seite her angegangen werden Menschliche Probanden in Kommunikationssituationen, die sich in ihrer äußeren Form von Sprache (bzw. der jeweiligen Muttersprache) möglichst unterscheiden

Sprachlernexperimente mit Menschen Scott-Philips & Kirby (2010) Language evolution in the laboratory beschreibt das allgemeine Iterated-Learning-Modell Probanden sind zuerst Lerner, dann Lehrer für die nächste Gruppen Hausaufgabe: verschiedene solche Studien Scott-Philips & al. (2009) Selten & Warglien (2007) Kirby & al. (2008) Roberts & Galantucci (2012) Verhoef & al. (2011)

Literatur I Frederick L. Coolidge, Karenleigh A. Overmann, and Thomas Wynn. Recursion: what is it, who has it, and how did it evolve? Wiley Interdisciplinary Reviews: Cognitive Science, 2(5):547 554, 2011. W Tecumseh Fitch and Marc D Hauser. Computational constraints on syntactic processing in a nonhuman primate. Science, 303(5656):377 380, 2004. Simon Kirby, Hannah Cornish, and Kenny Smith. Cumulative cultural evolution in the laboratory: An experimental approach to the origins of structure in human language. Proceedings of the National Academy of Sciences, 105(31):10681 10686, 2008. Gareth Roberts and Bruno Galantucci. The emergence of duality of patterning: Insights from the laboratory. Language and Cognition, 4(4):297 318, 2012. Thomas C. Scott-Phillips and Simon Kirby. Language evolution in the laboratory. Trends in Cognitive Sciences, 14(9):411 417, 2010. Thomas C. Scott-Phillips, Simon Kirby, and Graham R.S. Ritchie. Signalling signalhood and the emergence of communication. Cognition, 113(2):226 233, 2009. Reinhard Selten and Massimo Warglien. The emergence of simple languages in an experimental coordination game. Proceedings of the National Academy of Sciences, 104(18):7361 7366, 2007. Claudio Tennie, Josep Call, and Michael Tomasello. Untrained chimpanzees (Pan troglodytes schweinfurthii) fail to imitate novel actions. PloS one, 7(8):e41548, 2012.

Literatur II Claudio Tennie, Kathrin Greve, Heinz Gretscher, and Josep Call. Two-year-old children copy more reliably and more often than nonhuman great apes in multiple observational learning tasks. Primates, 51(4):337 351, 2010. Michael Tomasello. Why don t apes point? In Gerhard Jäger, R. Eckardt, and T. Veenstra, editors, Variation, Selection, Development, pages 375 394. Mouton de Gruyter, 2008. Caroline A. A. van Heijningen, Jos de Visser, Willem Zuidema, and Carel ten Cate. Simple rules can explain discrimination of putative recursive syntactic structures by a songbird species. Proceedings of the National Academy of Sciences, 106(48):20538 20543, 2009. Tessa Verhoef, Simon Kirby, and Carol Padden. Cultural emergence of combinatorial structure in an artificial whistled language. In L. Carlson, C. Hoelscher, and T.F. Shipley, editors, Expanding the space of cognitive science: proceedings of the 33rd Annual Conference of the Cognitive Science Society, pages 483 488, 2011.