Schlußfolgerungen aus dem Projekt Biologische Reetzertifizierung

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Schlußfolgerungen aus dem Projekt Biologische Reetzertifizierung W.-D. Jülich¹, ², M. Borriss ¹,R. Dosdall², V. Hahn², R. Schlüter², A.Quooß¹, J.-M. Greef³, K. Engemann¹, F. Schauer² ¹Nord_Reet UG Wolgaster Straße 114 17489 Greifswald Kooperationspartner: Univ. Zahnklinik ²Institut für Mikrobiologie Abteilung für Angewandte Mikrobiologie Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 15 17489 Greifswald ³Julius Kühn-Institut Bundesallee 50 38116 Braunschweig

Faktoren, die die Qualität von Reet bestimmen Ausgewogenes Verhältnis von Elastizität und Bruchfestigkeit Geeignete Halmstärke Erntezeitpunkt Vermeidung von Transportschäden Widerstand der Reethalme gegen mikrobielle Zersetzung

Das Zusammenwirken von Cellulose und Hemicelllose mit Lignin (Cellulose- Lignin-Verbund) bedingt die besonderen Eigenschaften des Reets Beim Reet werden die reißfesten biegsamen Cellulosefasern von dem dichten und starren Polymer Lignin als Füllmaterial durchdrungen. Zugfestigkeit zwischen 380 N und 450 N Die Skerenchymfasern bedingen die hohe Zugfestigkeit des Reets Durch das eingelagerte Lignin entsteht ein Material, das gleichzeitig eine beträchtliche Biegefestigkeit aufweist. Zum Bruch kommt es bei einem Druck zwischen 5 und 50 N Biegefestigkeit zwischen 5 und 50 N

Das schwer abbaubare Lignin-Cellulose-Verbund verleiht dem Reet auch seine hohe Widerstandsfähigkeit gegen mikrobiellen Abbau. Der Aufbruch des Lignin-Cellulose-Verbundes ist ein sehr energieaufwändiger Prozess. Nur wenige Pilze sind dazu fähig. Von geschädigten Dächern wurden als Lignin-abbauende Pilze vorwiegend Mycena-Arten isoliert. Pilze der artenreichen Gattung Mycena (Helmlinge) leben saprophytisch vorwiegend in Wäldern auf dem Boden oder an totem Holz. Im Wald zersetzen sie in einem mehrjährigen Prozess am Boden liegende Nadeln und Laub und sind an der Zersetzung von Totholz beteiligt. Sporen dieser Pilze befinden sich vom Frühjahr bis zum Herbst in der Luft und können auf Reetdächern abgelagert werden. Einige Arten bilden biozide Wirkstoffe, um sich gegen Fraßfeinde und Nahrungskonkurrenten zu wehren.

Für den Aufbruch des Cellulose-Lignin-Verbundes sind Cellulose-, Hemicellulose- und Lignin-abbauende Fähigkeiten erforderlich Pilz Hemicellulose -Abbau Cellu- lose- Abbau Lignin- Abbau Gewichtsabnahme in % 45 Tage 70 Tage Kontrolle 0,4 0,4 Braunfäulepilze +++ ++ - 4,6 4,5 Mycena epip. (+) + ++ 3,5 9,3 Mycena metata ++ + ++ 1,8 13,7 Mycena arcangeliana + + ++ 5,7 17,2 Phlebia tremellosa Pycnoporus cinnabarinus ++++ ++++ +++ 35,4 49,0 ++++ ++++ ++++ 33,0 68,0

Lignin ist die am schwersten abbaubare Komponente CO 2 Pilzhyphe OH Laccase O 2 OH HO Lignin R O O R Manganabhängige Peroxidase H 2 O 2 und Mn 2+ R HO +. O O R Kationradikal R O H 2 O 2 Ligninperoxidase R O H 2 O O 2 H 2 O 2 Spontan Niedermolekulare Produkte Der Lignin-Abbau ist ein radikalischer Prozess, der nur in wässriger Lösung stattfindet

Phasen des Reetabbaus Nach den sich aus unserem Projekt ergebenen Annahmen verläuft die Reetschädigung in 4 Phasen: Phase I: Besiedlung mit nicht zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen und Bildung von Biofilmen. Phase II: Ansiedlung von Lignin-abbauenden Pilzen im Biofilm. Phase III: Abbau des Lignins, der Cellulose und der Hemicellulose. Phase IV: Reetzersetzung nach Abbau des Lignins (exponentielle Reetzersetzung)

Phase I der Reetzersetzung Ohne visuell erkennbare Reetschädigung 1 Reet dient als Haftgrund für die Ansiedlung von Algen, Bakterien und Pilzen 2 Die Mikroorganismen scheiden extrazelluläre polymere Substanzen aus und bilden einen Biofilm. 4 Dünne, aber dampfdichte Schicht behindert das Abtrocknen 3 Der Biofilm lebt von aus der Luft eingetragenen Nährstoffen, teilweise von abgestorbenen Mikroorganismen

Aus einem ausreichend kompakten Mycel diffundieren in den Halm Laccasen Mangenabhängige Peroxidasen Lignin-Peroxidase und andere Exoenzyme. Damit wird die Phase II der Reetzersetzung eingeleitet.

Phase II der Reetzersetzung Eindringen von Lignin-abbauenden Pilzen in den Biofilm. 8 Bei Besiedlung mit Lignin-abbauenden Pilzen werden die genannten Enzyme abgegeben

Verbleibende Biomasse in % In den ersten 45 Tagen ist der Abbau von Biomasseabbau durch diese Enzyme auch unter optimalen Laborbedingungen sehr gering (etwa 5 %) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Kontrolle M.metata M. pelliculosa M. maculata

Beispiele für den Lignin-Abbau in den ersten 45 Tagen Nach Inkubation mit Phlebia Ligninbestimmung nach Säure-Extraktionsaufschluss Probe Anfangs-Lignin- Gehalt Lignin-Gehalt nach 45 Tagen Angaben in % pro Gewichtseinheit Trockenmasse R III 9,65 10,78 TSM 11,2 13,08 U 8,77 11,1 Nach der Lockerung des Cellulose-Lignin-Verbundes wird zunächst nur Cellulose und Hemicellulose abgebaut. Der Lignin-Abbau beginnt erst nach dem Abbau von Cellulose und Hemicellulose

9 Lockerung des Cellulose-Lignin-Verbundes in dieser Phase Der Nachweis einer Lockerung des Cellulose-Lignin-Verbundes durch diese Enzyme ist uns mit physikalischen Methoden gelungen. Rmax: Die höchste an der Elastizitätsgrenze zu ertragende Spannung Die Elastizitätsgrenze Ɛ-Fmax, die mit verschiedenen anderen Reetparametern korreliert. Der Reetbiegefaktor Q ist das Verhältnis zwischen der Dehnung an der Elastizitätsgrenze Ɛ-Fmax (in %) und der korrespondierenden Spannung Rmax. Vorereignisse zeigen an, dass durch die wachsende Dehnung die Verbindung von Cellulose und Lignin verändert wird, ohne das es zu einem Bruch kommt. Durch Vorereignisse wird die Elastizität des Halmes erhöht.

Rmax nach Inkubation Die höchste an der Elastizitätsgrenze zu ertragende Spannung R max wird bereits 1 Woche nach Inkubation mit Phlebia vermindert 25 20 y = 0,4305x + 2,6031 R² = 0,8866 15 10 5 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 R max vor Inkubation Untersuchung an Reetproben aus verschiedenen Herkunftsländern n = 110

Anteil der Werte über dem gemeinsamen Median in % Nachweis der Veränderung weiterer Reetparameter während der Phase II 100 80 60 40 20 0 Rmax e-bruch Ɛ-Bruch Reetbiegefaktor Voreignisse vor Inkubation nach Inkubation n = 110

Phase II der Reetzersetzung Eindringen von Lignin-abbauenden Pilzen in den Biofilm. 9 Lockerung des Cellulose-Lignin- Verbundes durch die Besiedlung mit zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen 10 Diese Veränderungen unterstützen das Eindringen von Pilzhyphen

Ein Abbau von Reetkomponeten erfolgt nur sehr langsam

Der Reetabbau ist ein Wettlauf mit der Zeit Unter optimalen Bedingungen benötigen die von geschädigten Dächern isolierten Mycena-Arten 120 d, um einen Reetabbau von 25 % zu erreichen. Das Temperaturoptimum liegt bei 20-25 C. Durchschnittstemperaturen 2013 25 C 20 15 10 5 0 Jan Feb März Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez -5

Auf der Halmoberfläche wachsende Mycena-Pilze werden durch Hitze, UV-Strahlung, regelmäßige Reetpflege usw. inaktiviert. Für die Reetzersetzung durch Mycena steht nur eine begrenzte Zeitspanne im Jahr zur Verfügung, bei der die Temperaturen eine Pilzvermehrung ermöglichen Ein Überleben während der Hitzeperioden ist nur in Schattenbereichen bzw. im geschützten Halminneren möglich. 11 Der Übergang in Phase III ist ein seltenes Ereignis

Fazit der Untersuchungen zur Phase I und II Die Besiedlung mit zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen erfolgt zufällig. Durch Ausscheidung von Enzymen können Lignin-abbauende Pilze den Cellulose-Lignin-Verbund lockern. Dadurch werden Reeteigenschaften verändert, bevor es zu einem signifikanten Abbau von Reetbestandteilen kommt. Eine Lockerung des Cellulose-Lignin-Verbundes begünstigt das Eindringen von Pilzhyphen. Wahrscheinlich führt erst eine wiederholte Besiedlung mit Lignin-abbauenden Pilzen zu einem Übergang in Phase III.

Schlussfolgerung Obwohl in der Phase I bzw. II keine visuellen Schäden erkennbar sind, sollten auf Grund der von uns nachgewiesenen Veränderungen in der Reetstruktur bereits zu diesem Zeitpunkt vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden. Maßnahme Ziel Bemerkung Regelmäßige Säuberung und Festigung des Reetdaches Durch die Beseitigung verwitterter Halmenden werden die wichtigsten Eintrittspforten Ligninabbauender Pilze beseitigt. Kostengünstigste Maßnahme, die die Lebensdauer eines Daches um ein Vielfaches verlängert.

Übergang in Phase III Abbau des Lignins, der Cellulose und der Hemicellulose. Der Abbau von Lignin ist ein radikalischer Prozess, der in wässriger Lösung stattfindet. Eindringende Feuchtigkeit, z. B. durch Bauschäden, begünstigt den Lignin-Abbau. Wiederholte Besiedlung mit zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen führt auch wenn sie in der Phase II endet - im Laufe der Jahre zu einer Lockerung des Cellulose- Lignin-Verbundes Reet aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten setzt dem mikrobiellen Abbau unterschiedlichen Widerstand entgegen.

12 Der darunter liegende Halm wird angegriffen Phase III 13 Eindringen von Wasser, das über den Nodien gestaut wird. Ausreichend Wasser für einen radikalischen Angriff führt zur Auflösung des Cellulose- Lignin-Verbundes

Phase III der Reetschädigung durch Lignin-abbauende Pilze Visualisierung der Reetschädigung durch Weißfäulepilze Der Cellulose-Lignin-Verbund nimmt an Kompaktheit von innen nach außen zu primäres Angriffsziel: Innerer Sklerenchymgewebeverband der Abbau von Reet erfolgt von innen nach außen

Phase III: Ligninolytische Pilze durchwachsen das gesamte Halminnere Nodiale und Internodiale Segmente Stamm Halmsegment Substanzverlust in [%] nach 70 Tagen P. tremellosa SBUG 1630 Internodium 67,7 Nodium 39,5 Das Durchwachsen des gesamten Halms durch entsprechende Lignin-abbauende Pilze ist ein sehr langwieriger unter Umständen mehrjähriger Prozess.

Wenn im Herbst am Halm-Ende charakteristische Fruchtkörper erscheinen, führt das zu einer hohen Sporenbelastung für das gesamte Dach

Zusammenfassung der Phase III Von befallenen Dächern wurden bisher überwiegend sehr langsam wachsende Mycena-Arten isoliert. Für die Dauerhaftigkeit des Reets scheint entscheidend zu sein, ob das Einwachsen zum Lignin-AbbauPilze fähiger Pilze ins Halminnere erfolgen kann. Zwischen Reet aus verschiedenen Herkunftsländern bestehen deutliche Qualitätsunterschiede, die sich vor allem in der Phase III bemerkbar machen.

Phase IV: Reetzersetzung nach Abbau des Lignins (exponentielle Reetzersetzung) Nach dem Abbau des Cellulose-Lignin- Verbundes verliert das Reet seine Festigkeit. Je mehr der Ligninabbau voranschreitet, desto mehr Mikroorganismen beteiligen sich am Reetabbau

Bakterien (grün markiert) auf Pilzgeflecht Foto: Katrin Pötzsch/Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Die Bakterien dringen auf dem Pilzgeflecht in das Halminnere ein

Abbaurate in % Vorschädigung durch M.metata 14 12 10 8 6 4 2 0 4 15 25 30 37 Temperatur in C nach 10 d nach 10 d nach 25 d nach 25 d

Bildung eines Biofilms auf dem durch Lignin-abbauende Pilze angegriffenen Dach Nachdem Lignin-Abbau können sich eine Vielzahl von Bakterien, Pilzen und Algen auf dem Dach ansiedeln Untersuchung von Schleimbelägen Isolation von 26 Bakterienstämmen 2 Hefestämmen Grünalgen Die Mikroorganismen bilden einen Biofilm Dadurch wird das Abtrocknen des Daches dauerhaft verhindert

Biologische Reet-Abbau-Tests Wie Ihnen bekannt ist, haben wir ein Verfahren zur Messung der Widerstandsfähigkeit von Reet gegen mikrobielle Zersetzung durch Inkubation mit zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen entwickelt. Mit dem hier für die Aufnahme in das Produktdatenblatt vorgeschlagenen biologischen Reet-Abbautest steht ein Testverfahren zur Verfügung, dass die bei der Zerstörung des Reets ablaufenden natürlichen Prozesse simuliert. Dadurch wird eine objektive Aussage über die relative Widerstandsfähigkeit des Reets gegenüber mikrobiellen Abbau erhalten.

Welche chemischen oder physikalischen Parmeter korrelieren mit dem biologischen Test? Zur Überprüfung bekannter Prognoseparameter wurden Untersuchungen von Reetproben aus 11 Regionen verschiedener Länder vorgenommen. Dabei wurde der jeweilige Prognoseparameter mit dem biologischen Abbautest mit Phlebia und Pycnoporus verglichen. Die Untersuchungen erfolgten jeweils mit 10 Halmen eines Bundes

-1-0,8-0,6-0,4-0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Ligningehalt C-Gehalt N-Gehalt Abaurate Pynoporus Abbaurate Phlebia S i g n i f i k a n z s c h w e l l e Zusammenhang zwischen chemischer Zusammensetzung und mikrobiellen Reetabbau S i g n i f i k a n z s c h w e l l e Rangkorrelationskoeffizient

-1-0,8-0,6-0,4-0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Dichte Wasseraufnahme Rangkorrelationskoeffizient Abaurate Pynoporus Abbaurate Phlebia S i g n i f i k a n z s c h w e l l e S i g n i f i k a n z s c h w e l l e Zusammenhang zwischen Dichte und Wasseraufnahme und mikrobiellen Reetabbau

-1-0,8-0,6-0,4-0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Rmax Ɛ-Bruch Sprödbruch Q Ɛ-Fmax Rangkorrelationskoeffizient Abaurate Pynoporus Abbaurate Phlebia Zusammenhang zwischen physikalischen Parametern und mikrobiellen Reetabbau S i g n i f i k a n z s c h w e l l e S i g n i f i k a n z s c h w e l l e

Prognose der Widerstandsfähigkeit gegen mikrobiellen Abbau Keiner der untersuchten chemischen und physikalischen Parameter kann den Widerstand gegen mikrobiellen Abbau vorhersagen. Auf Grundlage des biologischen Test kann eine Einteilung in Güteklassen erfolgen, die den objektiv gemessenen unterschiedlichen Widerstand verschiedener Reetchargen gegen mikrobiologische Zersetzung berücksichtigt.

Reetqualität A Verwendungsfähig (aus mikrobiologischer Sicht hoch widerstandsfähig ) Bei Reet der Güterklasse A erfolgt in einer Vegetationsperiode kein Einwachsen ins Halminnere Der Pilz ist daher nicht gegen Hitze, UV-Strahlung, regelmäßige Reetpflege usw. geschützt. Kein Hinweis auf vorzeitige Reetschädigung. Pilz Definierte Einwirkungszeit Biomasse- Abbau Mycena 110 d < 20 % Schnellwachsende Gattung Phlebia 70 d < 20 %

Reetqualität D Verwendungsfähig für kleinere untergeordnete Dachflächen und kleinere Reparaturen sowie Firste (eingeschränkte Lebensdauer). Einwachsen ins Halminnere nicht ausgeschlossen. Damit Überleben im Halminneren über mehrere Jahre Grundlage für eine starke Sporenbelastung in den Folgejahren Nach weitgehendem Abbau des Celluose-Lignin-Verbundes im Verlauf mehrerer Jahre Reetschäden durch nicht ligninolytische Mikroorganismen vorzeitige Reetverrottung kann nicht ausgeschlossen werden Pilz Definierte Einwirkungszeit Biomasse- Abbau Mycena 110 d > 40 % Schnellwachsende Gattung Phlebia 70 d > 40 %

In der Praxis muss man mit einer kontinuierlichen Abstufung der Widerstandskraft rechnen. Güteklasse A B C D Einschätzung Sehr gute bis ausreichende Widerstandsfähigkeit Zunehmendes Risiko Abbau-Rate durch Phlebia im 70-d-Test < 20 % 20-35 % 35-40 % > 40 %

Reetqualitäten B und C B Verwendungsfähig (aus mikrobiologischer Sicht normal widerstandsfähig) C Verwendungsfähig auf Dachflächen ohne Einbauteile und Kehlen (aus mikrobiologischer Sicht vermindert widerstandsfähig)

Güteklasse Gemessene Beschleunigung des initialen mikrobiellen Angriffs Zeit bis zur Zerstörung von 30 % des Reets unter optimalen Laborbedingungen A 1 110 Tage B 1,4-1,6 72-75 Tage C 2,2-2,4 57-60 Tage D > 2,5 47-56 Tage

Zusammenfassung Nach unseren Ergebnissen verläuft die mikrobiologische Reetschädigung in 4 Phasen und kann sich über Jahre hinziehen. Phase I entspricht der natürlichen Reetalterung. Nach der Besiedlung mit zum Lignin-Abbau fähigen Pilzen (Phase II) lassen sich mit physikalischen Methoden Veränderungen in der Reetstruktur nachweisen. Der Übergang in die Phase III kann durch regelmäßige Reetpflege verhindert oder verzögert werden. Für die Dauerhaftigkeit des Reets scheint entscheidend zu sein, ob das Reet dem Einwachsen von Ligninabbauenden Pilze ins Halminnere (Phase III) genügend Widerstand leisten kann.

Zusammenfassung Der Abbau des Cellulose-Lignin-Verbundes erfolgt von innen nach außen. Zwischen Reet aus verschiedenen Erntegebieten bestehen deutliche Qualitätsunterschiede. Alle untersuchten chemischen und physikalischen Parameter können die Geschwindigkeit des mikrobiellen Reetabbaus nicht vorhersagen. Die Widerstandsfähigkeit gegen mikrobielle Zersetzung kann mit einem biologischen Reetabbau-Test beurteilt werden, der die natürlichen Verhältnisse simuliert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!