Studie zum Customer Management und Multi Channel Management bei Banken



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Transkript:

Studie zum Customer Management und Multi Channel Management bei Banken R. Schmid, W. Messner, Ch. Palm, V. Bach Bericht Nr.: BE HSG / CC CRM / 1 (intern) Lehrstuhl: Prof. Dr. Hubert Österle Version: 1.0 Datum: 09.05.00 Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften (HSG) Institut für Wirtschaftsinformatik Müller-Friedberg-Strasse 8 CH-9000 St. Gallen Tel.: ++41 / 71 / 224 2420 Fax: ++41 / 71 / 224 2777 Prof. Dr. A. Back Prof. Dr. H. Österle (geschäftsführend) Prof. Dr. R. Winter

iii Inhaltsverzeichnis Management Summary... 1 1 Einleitung... 3 1.1 Ziele der Studie... 3 1.2 Organisation der Studie... 4 1.3 Grundlagen...5 1.3.1 Customer Management... 5 1.3.2 Bankvertrieb... 11 2 Customer Management... 14 2.1 Koordination der Kundenbeziehung... 14 2.2 Kundensegmentierung... 16 2.3 Kundenprofitabilität... 18 2.4 Der Arbeitsplatz des Kundenberaters... 20 3 Struktur des Bankvertriebs... 22 3.1 Vertriebskanäle... 22 3.1.1 Filiale... 24 3.1.2 Mobiler Aussendienst... 25 3.1.3 Vertriebspartner... 28 3.1.4 Selbstbedienung... 29 3.1.5 Internet... 31 3.1.6 Proprietäres E-Banking... 34 3.1.7 Handy-Banking... 37 3.1.8 Call-Center... 38

iv Inhaltsverzeichnis 3.2 Multi Channel Management... 40 3.2.1 Multikanal-Strategie... 40 3.2.2 Kanalsteuerung... 40 3.2.3 Kanalintegration... 42 3.3 Vertrieb branchenfremder Produkte... 44 4 IT-Unterstützung... 45 4.1 IT-Werkzeuge in den Vertriebskanälen... 45 4.2 IT-Unterstützung im Customer Management... 46 5 Herausforderungen und Potenziale... 46 5.1 Customer Management... 46 5.2 Multi Channel Management... 48 Literatur... 51 Anhang A: Details zur Durchführung der Studie... 55 Anhang B: Fragebögen... 56 B.1 Kurzfragebogen... 56 B.2 Interviewleitfaden... 57

Management Summary 1 Management Summary Customer Management und Multi Channel Management bei Banken ist das Thema der vorliegenden Studie, die das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen im Rahmen des Kompetenzzentrums Customer Relationship Management und im Auftrag der Unternehmensberatung IMG AG durchgeführt hat. Befragt wurden 32 Banken in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Die Befragung bezieht sich auf alle Geschäftsbereiche der Banken, der Schwerpunkt liegt jedoch im Privatkunden- und im Vermögenskundengeschäft. Nachdem in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Vertriebskanäle entstanden sind, stellt sich nun die Frage nach dem bestmöglichen Einsatz. Ausserdem unterliegen die Banken einem wachsenden Konkurrenzdruck durch branchenfremde Anbieter von Finanzprodukten und durch neue, spezialisierte Banken. Ein systematischer, koordinierter Einsatz der Vertriebskanäle und ein profitabilitätsorientiertes Management der Kundenbeziehungen ist daher heute für die meisten Banken ein Thema mit höchster Priorität. Auf den Einsatz des Internet als Vertriebskanal verzichtet heute keine der untersuchten Banken mehr. Somit ist das Internet-Banking dabei, die Filiale als von den Banken am häufigsten eingesetzten Vertriebskanal zu überholen. Ebenfalls zunehmend ist die Bedeutung des mobilen Aussendienstes, der von 65% der untersuchten Banken eingesetzt wird, und der zunehmend auch im Retail-Bereich tätig ist. 82% der untersuchten Banken haben eine Strategie für Einsatz und Koordination der Vertriebskanäle definiert, aber nur 57% davon verfügen auch über eine darauf abgestimmte Kanalsteuerung. Im Customer Management stellen 76% der untersuchten Banken die kanalübergreifende Koordination der Kundenbeziehung durch einen organisatorisch definierten Relationship Manager sicher. Häufig scheitert dieses Konzept jedoch noch an technischen Unzulänglichkeiten, so setzen erst 59% der untersuchten Banken ein Customer Management System ein. Das grösste Potenzial zur Verbesserung des Customer Managements sehen 76% der Banken in einer besseren Integration der Daten und der bestehenden Systeme, sowie 47% in einer verbesserten Auswertung und Nutzung der verfügbaren Datenbestände. Als zukünftig wichtigsten Vertriebskanal sehen 64% der untersuchten Banken weiterhin die Filiale. 35% schätzen die Ergänzung der Filiale durch elektronische Kanäle wie Internet und Call-Center als essentiell ein. Nur 18% sehen die grösste Bedeutung allein in diesen elektronischen Kanälen.

3 1 Einleitung Die Bankenbranche erfährt derzeit einschneidende Veränderungen. Während noch vor wenigen Jahren fast alle Bankgeschäfte in der Bankfiliale abgewickelt wurden, spielen heute neue Vertriebskanäle wie zum Beispiel das Internet oder Call-Center eine immer grössere Rolle. Direktbanken etablieren sich zunehmend, Versicherungen und gänzlich branchenfremde Anbieter dringen in das klassische Bankgeschäft vor und erhöhen den Konkurrenzdruck auf die etablierten Banken. Gleichzeitig nimmt die Loyalität der Kunden zu ihrer Bank ab. So hat eine Infratest-Burke-Umfrage [Infratest Burke 1999] ergeben, dass 28% der Bankkunden mit dem Umstieg auf Online-Banking gleichzeitig ihre Bankverbindung gewechselt haben, während im langjährigen Durchschnitt lediglich 3 bis 5% der Bankkunden zu einem anderen Institut gehen. Vor diesem Hintergrund lässt sich vermuten, dass Themen wie Customer Management und Multi Channel Management bei den meisten Banken von höchster Aktualität sind. 1.1 Ziele der Studie Die vorliegende Studie gibt einen Überblick, wie Banken den aktuellen Herausforderungen im Customer Management und im Multi Channel Management begegnen. Dabei geht es sowohl um strategische, als auch um organisatorische und technische Aspekte beim Umgang mit Kundeninformationen und mit verschiedenen Vertriebskanälen. Es werden aktuelle Lösungen präsentiert sowie Einschätzungen für die zukünftige Entwicklung wiedergegeben. Eine Studie von Ernst & Young [Ernst & Young 1999] behandelt unter anderem ebenfalls die Themen Customer Relationship Management und Multi Channel Management bei Finanzdienstleistern. Sie hat jedoch einen internationalen Fokus, während sich die vorliegende Studie im Wesentlichen auf den deutschsprachigen Raum konzentriert. Andere Studien wie z.b. [Shaw 1999], [Reed 2000], [META Group 1999] beschäftigen sich mit den selben Themen, haben jedoch keinen speziellen Branchenfokus. [Infact Research 1999] fokussiert sich zwar auf die Finanzbranche, beschränkt sich jedoch auf technische Aspekte. Eine Studie der Europäischen Zentralbank [European Central Bank 1999] untersucht die Auswirkungen der neuen Technologien auf das Bankensystem, wobei vorwiegend neue Geschäftsmodelle und deren Akzeptanz sowie Veränderungen bezüglich Kosten- und Preisstrukturen behandelt werden. Das Institut für Bankinformatik und Bankstrategie an der Universität Regensburg hat verschiedene Studien zum Bankvertrieb über elektronische Kanäle veröffentlicht: In

4 1 Einleitung [Tauschek 1999] werden die Internet-Auftritte von Banken im deutschsprachigen Raum verglichen, [Riedl 1999] untersucht die Entwicklung des Direct Banking in Deutschland und [Niemeyer 1999] konzentriert sich auf die Beratungsunterstützung im Online-Vertriebskanal bei Finanzdienstleistern weltweit. Weitere Studien mit einem ähnlichen Branchen- und Themenfokus wie die vorliegende Studie sind den Autoren nicht bekannt. 1.2 Organisation der Studie Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen hat diese Studie im Rahmen des Kompetenzzentrums Customer Relationship Management und im Auftrag der IMG AG durchgeführt. Untersucht wurden insgesamt 32 Banken in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz im Zeitraum von Oktober 1999 bis März 2000. Die Verteilung der Banken auf die einzelnen Länder ist in Abb. 1-1 dargestellt. Abb. 1-2 zeigt die Verteilung der Geschäftsbereiche, in denen die Banken tätig sind. Untersuchte Banken nach Ländern Österreich 12% Schweiz/ Liechtenstein 35% Deutschland 53% Abb. 1-1: Länderverteilung der untersuchten Banken In einer ersten Phase füllten die Banken einen einseitigen Kurzfragebogen (s. Anhang B) aus, der die Basis für ausführliche Interviews bildete. Diese führte das Institut für Wirtschaftsinformatik in einer zweiten Phase bei 17 Banken entweder telefonisch oder persönlich vor Ort durch.

1.3 Grundlagen 5 Geschäftsbereiche der untersuchten Banken (nach Ländern) 71% 53% 41% Österreich Schweiz/Liechtenstein Deutschland 12% Privatkundengeschäft Vermögenskundengeschäft Investment Banking Firmenkundengeschäft Abb. 1-2: Geschäftsbereiche der untersuchten Banken Die folgenden Ergebnisse beziehen sich soweit nicht anders vermerkt auf die ausführlichen Interviews. In Kapitel 1.3 werden die Grundlagen des Customer Management und des Multi Channel Managements kurz zusammengefasst. Kapitel 2 beschreibt den Umgang der Banken mit ihren Kunden und Kundeninformationen, Kapitel 3 behandelt die Struktur des Bankvertriebs auf der Basis verschiedener herkömmlicher und neuer Vertriebskanäle. Kapitel 4 erläutert einige Aspekte der IT-Unterstützung für Customer Management und Multi Channel Management. Die grössten aktuellen Herausforderungen und die Einschätzung der weiteren Entwicklung werden in Kapitel 5 zusammengefasst. 1.3 Grundlagen 1.3.1 Customer Management Customer Management verfolgt im Wesentlichen die Ziele Kundenbindung, Kundenausschöpfung, Kundenselektion und Kundengewinnung. Jeder dieser drei Aspekte trägt dazu bei, das primäre Ziel jedes Unternehmens die Maximierung des Gewinns zu erreichen. Die Begriffe Kundenbindung, Kundenausschöpfung, Kundenselektion und Kundengewinnung werden im Folgenden näher erläutert. Abschnitt 1.3.1.4 beschreibt die bankinternen Prozesse, die Bestandteil des Customer Management sind.

6 1 Einleitung 1.3.1.1 Kundenbindung und Kundenausschöpfung Bis heute ist sowohl bei Banken als auch in anderen Branchen ein Grossteil der Marketinganstrengungen auf die Gewinnung von Neukunden ausgerichtet. Es ist jedoch bekannt, dass die Akquisitionskosten für einen Neukunden den Gewinn aus dieser Geschäftsbeziehung für eine längere Zeit konsumieren [Kunz 1996, S.17]. Mit zunehmender Dauer einer Kundenbeziehung steigt deren Profitabilität (vgl. Abb. 1-3). Dazu kommt die Gefahr, durch günstige Lockangebote Neukunden gegenüber Stammkunden zu bevorteilen und letztere dadurch zu verlieren. Sinkende Preissensibilität Weiterempfehlungen Kosteneinsparung Cross-Selling, Vermögenszuwachs Jahre 0 1 2 3 4 5 Akquisitionskosten Abb. 1-3: Nutzen langfristiger Kundenbeziehungen [Bernet/Held 1998, S.62] Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kosten für das Halten von bestehenden Kunden etwa fünf- bis siebenmal niedriger sind als der Aufwand für die Gewinnung eines Neukunden [Kunz 1996, S.18]. 100 Kunden 50 Kunden Stammkunden bei 50% Treue Stammkunden bei 80% Treue 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr Abb. 1-4: Vergleich zweier Unternehmen mit unterschiedlichen Treuequoten [Kunz 1996]

1.3 Grundlagen 7 Da in der Regel jeder verlorene Kunde durch einen Neukunden ersetzt werden muss, kann ein Unternehmen desto profitabler wirtschaften, je mehr seiner Kunden Stammkunden sind. Abb. 1-4 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Während das Unternehmen mit einer Treuequote von 50% in drei Jahren 150 Neukunden gewinnen muss, um die Kundenzahl konstant zu halten, muss das Unternehmen mit einer Treuequote von 80% im selben Zeitraum nur 60 Neukunden gewinnen. Der Effekt der Kundenbindung kann verstärkt werden, indem den Stammkunden laufend aktiv zusätzliche Produkte und Dienstleistungen verkauft werden. Die Kundenausschöpfung verfolgt dabei das Ziel, möglichst alle Bedürfnisse eines Kunden durch passende Produkte abzudecken und so sein Potential für die Inanspruchnahme von Bankdienstleistungen maximal auszuschöpfen. 1.3.1.2 Kundenselektion Das unselektierte Binden von möglichst vielen Kunden führt jedoch nicht zwangsläufig zum gewünschten finanziellen Erfolg. Untersuchungen zeigen, dass rund 60 bis 80 Prozent der Kunden mit einem durchschnittlichen Anlagewert von unter 100 000 DM der Bank einen negativen Deckungsbeitrag I bescheren [Bernet/Held 1998, S. 29]. Ziel der Banken ist es also, alle Akquisitions- und Kundenbindungsaktivitäten auf solche Kunden auszurichten, die für die Bank zumindest mittel- bis langfristig profitabel sind. Wesentliche Voraussetzung für die Erreichung dieses Ziels mittels Kundenselektion ist die Durchführung einer umfassenden Kundenanalyse. Dabei versucht die Bank, über ihre Kunden möglichst viele Informationen zu gewinnen, die Rückschlüsse auf die gegenwärtige und erwartete Profitabilität der Kunden zulassen. Bei der Kundenanalyse kommt es nicht auf die Quantität, sondern auf Aussagekraft und Verfügbarkeit der Informationen an. Wertvoll sind für die Bank zum Beispiel folgende Informationen: Welchen Anteil ( share of wallet ) besitzt die Bank am Kunden? Hat der Kunde weitere Bankbeziehungen? Bei welcher Bank hat der Kunde seine Hauptbankverbindung? Solche Informationen erlauben es der Bank, dem Kunden gezielt Dienstleistungen anzubieten, die er derzeit von einer anderen Bank bezieht.

8 1 Einleitung Welches Verhalten zeigt der Kunde? Tätigt er viele oder wenige Transaktionen? Wie hoch sind die Transaktionsvolumina und die durchschnittlichen Saldi? Derartige Informationen lassen Rückschlüsse auf die Profitabilität zu. Die Kenntnis von Ereignissen im privaten oder beruflichen Umfeld des Kunden (z.b. Heirat, Kinder, Arbeitslosigkeit etc.) sowie die Kenntnis von persönlichen Interessen (z.b. Urlaubsgewohnheiten, Hobbys etc.) generieren ein grosses Cross-Selling-Potenzial und erlauben Rückschlüsse auf die Rentabilität (vgl. Abb. 1-5). Das heisst, dass die Bank dem Kunden gezielt auf seine Bedürfnisse abgestimmte Produkte anbieten kann. Die Ergebnisse der Studie in Bezug auf die Bestimmung der Kundenprofitabilität sind in Abschnitt 2.3 dargestellt. Neben einer Profitabilitätsbestimmung kann die Bank eine Kundenanalyse auch nutzen, um Kundensegmente zu bilden, die eine einheitliche Ansprache homogener Kundensegmente mit passenden Produkten und Dienstleistungen ermöglichen. Die von den Banken zur Segmentierung eingesetzten Kriterien werden in Abschnitt 2.2 untersucht. Deckungsbeitrag I Kunde lebt mit Partnerin zusammen (ohne Kinder) Geburt des ersten Kindes Benötigt Geld für Pensionierung Break-even auf Stufe DB I Eltern eröffnen Jugendsparkonto Normales Leben Kinder ziehen aus 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Alter Abb. 1-5: Profitabilität eines Kunden nach Lebensereignissen [Dubs 1998] 1.3.1.3 Kundengewinnung Trotz aller Massnahmen in den Bereichen der Kundenbindung und der Kundenselektion kann nicht verhindert werden, dass auch (potenziell) profitable Kunden abwandern. Eine laufende

1.3 Grundlagen 9 Akquisition von Neukunden ist also erforderlich, um diese Verluste auszugleichen. In der Regel wird ein wachsender Kundenstamm angestrebt, so dass die Rate der gewonnenen Neukunden die Abwanderungsrate übersteigen muss. Neben der Kundenbindung und der Kundenselektion ist also auch die Kundengewinnung ein wichtiger Bestandteil des Customer Relationship Management. Dabei spielen neben Massenwerbemassnahmen zum Beispiel auch Mailingaktionen und andere Kampagnen oder Weiterempfehlungsprogramme eine Rolle. Ein wichtiges Instrument zur systematischen Kundengewinnung ist das Kampagnenmanagement. Bei einer Kampagne handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Aktion zur Vermarktung eines bestimmten Produktes oder einer bestimmten Dienstleistung. Wesentlicher Bestandteil ist die Zielgruppenselektion. Die Auswahl der Adressaten der Kampagne erfolgt dabei auf der Basis von verfügbaren Daten und von Erfahrungswerten mit dem Ziel, Rücklauf- und Abschlussquote zu maximieren. Bei der Durchführung einer Kampagne können beliebige Vertriebskanäle und Medien zum Einsatz kommen, z.b. Briefe oder E-Mails bei Mailingaktionen oder auch eine Website bei Online-Kampagnen. 1.3.1.4 Customer Management Prozesse Customer Management findet in den Prozessen Marketing, Verkauf und Service statt. In der Regel können alle Kundenkontakte unternehmensseitig einem dieser drei Prozesse zugeordnet werden [vgl. ECCS 1999]. Zur Abgrenzung der Prozesse Marketing, Verkauf und Service werden einerseits die Zielgruppen der Prozessaktivitäten und andererseits die Ereignisse Kundenkontakt und Vertragsabschluss betrachtet (s. Abb. 1-6), [vgl. Stender/Schulz-Klein 1998, S.11ff]. Der Marketing-Prozess hat prinzipiell den gesamten Markt als Zielgruppe. In der Regel wird diese Zielgruppe anhand verschiedener Kriterien eingegrenzt, um einen Kreis potenzieller Kunden mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit anzusprechen. Für die Abgrenzung ist es irrelevant, ob ein breites Massenmarketing oder ein stark individualisiertes Marketing durchgeführt wird. Ziel des Marketing-Prozesses ist es in jedem Fall, beim potenziellen Kunden Interesse für ein bestimmtes Produkt zu erzeugen. Die Zielgruppe kann dabei durchaus bestehende Kunden umfassen, welchen ein zusätzliches Produkt angeboten wird. Marketingaktivitäten können auch allein auf die Bindung bestehender Kunden abzielen (sog. Kundenbindungsmarketing). Sobald ein Kunde in einem individuellen Kontakt konkretes Interesse

10 1 Einleitung an dem angebotenen Produkt bekundet, geht der Marketingprozess in den Verkaufsprozess über. CRM- Prozesse Vertragsabschluss Zielgruppen Kontakt vorhanden Marketing Verkauf Service Markt Interessent Kunde Abb. 1-6: Abgrenzung der CRM-Prozesse Der Verkaufsprozess umfasst alle Aktivitäten, die im Kontakt mit einem interessierten Kunden zu einem Vertragsabschluss führen sollen. Dies können zum Beispiel Beratungsgespräche oder die Bereitstellung von Informationsmaterial sein. Mit dem Vertragsabschluss endet der Verkaufsprozess. Es schliessen sich einerseits der Serviceprozess und andererseits der Prozess Leistungserstellung an. Die Leistungserstellung ist ein Back-Office-Prozess ohne direkten Kundenkontakt. Hier werden die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht und z.b. im Falle eines Bankkontos die Transaktionen abgewickelt. Alle weiteren Kundenkontakte finden im Service-Prozess statt, über den der Kunde Auskunft und Hilfestellung erhält, aber er kann beispielsweise auch Transaktionsaufträge erteilen. Aus dem Serviceprozess heraus kann ein Potenzial für den Verkauf eines weiteren Produktes entstehen, welches dann wiederum vom Marketing- oder Verkaufsprozess weiterverfolgt wird. Ein wesentlicher Bestandteil des Customer Relationship Management ist die integrierte Betrachtung der Prozesse Marketing, Verkauf und Service. Um das volle Potenzial von CRM ausschöpfen zu können, muss der Informationsfluss zwischen diesen Prozessen sichergestellt werden. In jedem dieser drei Prozesse müssen den Mitarbeitern alle relevanten Kundeninformationen zur Verfügung stehen. Abschnitt 2.4 beschreibt, welche Informationen die Kundenberater bei den untersuchten Banken am Arbeitsplatz zur Verfügung haben.

1.3 Grundlagen 11 1.3.2 Bankvertrieb 1.3.2.1 Vertriebskanäle Bei der Abgrenzung der verschiedenen Vertriebskanäle muss zwischen einer Banksichtweise und einer Kundensichtweise unterschieden werden. Aus Banksicht ist es z.b. relevant, ob ein Kunde über eine Filiale oder über ein Call-Center bedient wird, es spielt aber in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob der Kunde die Filiale besucht oder nur dort anruft in beiden Fällen werden die Ressourcen der Filiale beansprucht. Aus Kundensicht hingegen ist es ausschlaggebend, ob er per Telefon mit der Bank Kontakt aufnimmt, oder in die Filiale geht. Ob sein Telefonanruf aber in der Filiale oder in einem Call-Center bedient wird, ist dem Kunden egal sofern ihn die Dienstleistung zufrieden stellt. Für den Kunden relevant sind zunächst die Medien, über die er die Bank kontaktiert. Im Folgenden ist mit dem Begriff Vertriebskanäle die Banksichtweise und mit dem Begriff Medien die Kundensichtweise gemeint. Bank Vertriebskanäle Medien Kunde Filiale Call Center Internet (WWW) Propriet. E-Banking Selbstbedienung Handy- Banking Aussendienst Vertriebspartner Persönlicher Kontakt Telefon Brief/ Fax E-Mail PC, Web Browser Mobil (SMS,WAP) ATM, POS, Automaten Abb. 1-7: Vertriebskanäle aus Banksicht und aus Kundensicht (Medien) Aus Sichtweise der Bank existieren heute die folgenden Vertriebskanäle: Filiale Die Bankfiliale ermöglicht dem Kunden den persönlichen Kontakt zu seiner Bank. Während Standardtransaktionen zunehmend über andere Kanäle statt am Bankschalter abgewickelt werden, konzentriert sich die Filiale immer mehr auf Beratungsleistungen. Eine

12 1 Einleitung spezielle Ausprägung stellen Supermarkt-Filialen dar, die häufig ein reduziertes Dienstleistungs- und Beratungsangebot haben und oft mit umfassenden Selbstbedienungsbereichen kombiniert sind. Neben dem persönlichen Besuch hat der Kunde prinzipiell auch die Möglichkeit, per Brief, Fax, Telefon oder E-Mail mit der Filiale in Kontakt zu treten. Mobiler Aussendienst Der mobile Aussendienst ist vorwiegend im Firmenkundengeschäft und im Private Banking anzutreffen, immer mehr aber auch im Retail Banking (vgl. Abschnitt 3.1.2). Auch hier ist ein persönlicher Kontakt des Kunden zu seiner Bank vorhanden. Auch den Aussendienstmitarbeiter kann der Kunde möglicherweise über Telefon oder E-Mail erreichen. Call-Center Ein Call-Center kann vom Kunden per Telefon erreicht werden. Charakteristisch für die meisten Call-Center ist, dass es nur an einem oder an wenigen zentralen Orten angesiedelt ist und von dort aus eine grosse Zahl von Kunden bedient. Der Kunde kann ein Call-Center nicht wie eine Filiale physisch besuchen. Unterscheidungsmerkmale sind die Verfügbarkeit (z.b. 7x24h oder zu Bürozeiten), die Erreichbarkeit (mit welcher Wahrscheinlichkeit ist besetzt wenn der Kunde anruft) und das Leistungsspektrum, das über Telefon angeboten wird. Internet (WWW) Beim Online-Banking greift der Kunde heute in der Regel über das World Wide Web (WWW) auf die Banksysteme zu, um bestimmte Transaktionen durchzuführen. Der Kunde kann dabei den Web Browser auf seinem stationären PC oder Notebook verwenden. Proprietäres Electronic Banking Der Vorläufer des Internet-Banking über WWW waren verschiedene proprietäre Lösungen für Electronic Banking. Der Kunde greift dabei mit seinem PC entweder über ein Netz wie T-Online in Deutschland bzw. Videotext in der Schweiz oder per Modem direkt auf den Server der Bank zu. Sind bankseitig der Server für das electronic Banking und der Server für Internet-Banking integriert, so handelt es sich dabei nur um einen Vertriebskanal.

1.3 Grundlagen 13 Handy-Banking In letzter Zeit bieten immer mehr Banken die Möglichkeit, über Mobiltelefon mittels SMS oder WAP auf Bankdienstleistungen zuzugreifen. Momentan sind das in der Regel die Abfrage von Kontoständen oder Börsenkursen, in Kürze werden jedoch auch Transaktionen wie Überweisungen und Wertpapierorders möglich sein. Selbstbedienung Als erste Selbstbedienungslösung im Bankenbereich haben sich die Geldausgabeautomaten (ATM) durchgesetzt. Der Kunde kann dort unabhängig von Schalteröffnungszeiten Bargeld beziehen. Diese Automaten wurden teilweise zu multifunktionalen Kundenterminals bzw. virtuellen Bankfilialen erweitert, an denen auch z.b. Überweisungen getätigt und Kontostände abgefragt werden können. Während die Geldausgabeautomaten ursprünglich vorwiegend in den Bankfilialen selbst zu finden waren, werden sie heute immer mehr an anderen Orten wie z.b. Bahnhöfen oder Einkaufszentren platziert. Der Kunde hat so die Möglichkeit, das Geld dort zu beziehen, wo er es braucht. Eine weitere Möglichkeit der Selbstbedienung sind Kassenterminals (POS), die es dem Kunden erlauben, direkt an der Kasse im Geschäft mit seiner Kreditkarte, Debitkarte oder elektronischen Geldbörse zu bezahlen, ohne dazu Bargeld oder Schecks zu benötigen. Der Kunde spart sich dadurch den Vorgang des Bargeldbezuges, dem Verkäufer wird die Kassenabrechnung erleichtert, da er weniger Bargeldbestände verwalten muss. Durch internationale Netzwerke kann man viele Karten heute weltweit an POS-Kassen einsetzen. Vertriebspartner Immer häufiger werden Bankprodukte über Intermediäre vertrieben. Als Beispiel seien Fond-Shops genannt, welche die Investmentfonds verschiedener Banken vertreiben. Aus Sicht der Bank handelt es sich beim Intermediär um einen eigenen Vertriebskanal. Der Intermediär selbst kann wiederum im Kontakt zu seinen Kunden verschiedene Vertriebskanäle nutzen. Abschnitt 3.1 beschreibt, wie die untersuchten Banken die einzelnen Vertriebskanäle einsetzen.

14 2 Customer Management 1.3.2.2 Multi Channel Management Bis zu Beginn der neunziger Jahre war die Filiale der primäre Vertriebskanal der Banken. In den achtziger Jahren kam als erster elektronischer Vertriebskanal die Selbstbedienung in Form von Geldausgabeautomaten dazu. Die darüber angebotenen Dienstleistungen beschränkten sich aber auf den Bargeldbezug, die Koordination der beiden Kanäle war denkbar einfach. Erst durch die Etablierung neuer, meist elektronischer Vertriebskanäle in den neunziger Jahren ist die Koordination der einzelnen Vertriebskanäle zu einer komplexen Management- Aufgabe geworden. In [Stäger 1999, S.11f] wird definiert: Die Aufgabe des Multi Channel Management ist es ( ), für die Konsumenten denjenigen Absatzmix, d.h. die optimale Allokation der Produkte und Kanäle, bereitzustellen, der von den Kunden gewünscht wird, gleichzeitig aber die Kostenstruktur der Bank so wenig wie nötig belastet. Eine weitere Aufgabe des Multi Channel Managements ist es sicherzustellen, dass sowohl der Kunde über alle Kanäle eine einheitliche Sicht auf die Bank hat, als auch dass die Bankmitarbeiter über alle Kanäle eine einheitliche Sicht auf den Kunden haben. Erteilt zum Beispiel ein Kunde über Call-Center oder über Internet einen Auftrag, den er zu einem späteren Zeitpunkt in der Filiale ändern möchte, muss der Filialmitarbeiter kanalunabhängig Zugriff auf alle Aufträge des Kunden haben, um diesen bedienen zu können. Während die optimale Bereitstellung eines Absatzmixes im Wesentlichen die Multikanalstrategie sowie das Kundenmanagement betreffen (vgl. hierzu [Stäger 1999]), ist für die Sicherstellung der Integrität der Vertriebskanäle die Bereitstellung organisatorischer und technischer Lösungen erforderlich. Die Ergebnisse der Studie bezüglich der Koordination der Kundenbeziehung über die verschiedenen Vertriebskanäle sind in Abschnitt 2.1 dargestellt. Abschnitt 3.2 beschreibt die weiteren Aspekte des Multi Channel Managements bei den untersuchten Banken. 2 Customer Management 2.1 Koordination der Kundenbeziehung Eines der wesentlichen Ziele im Customer Management ist es, die Kundenbeziehung so zu gestalten, dass das Verhalten der Bank gegenüber dem Kunden konsistent ist, egal mit wem

2.1 Koordination der Kundenbeziehung 15 der Kunde spricht oder über welches Medium er mit der Bank kommuniziert. In diesem Zusammenhang ist die Frage wichtig, wer in der Bank die Verantwortung für einen bestimmten Kunden besitzt. Der verantwortlichen Person wird in der Regel der durch den Kunden generierte Erfolg soweit bekannt zugeordnet. In der klassischen Filialorganisation war die Kundenverantwortung in der Regel in der Filiale angesiedelt. Dies ist auch heute noch bei 58% der Banken der Fall (s. Abb. 2-1). Durch den zunehmenden Multikanalvertrieb setzen sich jedoch auch andere Modelle immer mehr durch. Möglich ist zum Beispiel eine zentrale Kundenverantwortung, die die Filiale wie die anderen Vertriebskanäle als reine Dienstleister betrachtet, welche ihre durch den Kundenkontakt verursachten Kosten weiterverrechnen. Eine andere Variante ist die kanalspezifische Kundenverantwortung, bei der ein Kunde je nach verwendetem Kanal unterschiedlichen Stellen zugeordnet wird. Wo ist die Kundenverantwortung angesiedelt? zentral 24% Filiale 58% kanalspezifisch 12% kundensegmentspezifisch 6% Abb. 2-1: Kundenverantwortung 76% der Banken verfügen für jeden Kunden über einen sogenannten Relationship Manager, der den Gesamtüberblick über alle Kundenkontakte über alle Kanäle hat und die Gesamtverantwortung für den Kunden trägt. In einigen Fällen ist der Relationship Manager zwar definiert, ihm fehlt jedoch technisch die Möglichkeit, sich den Gesamtüberblick auch tatsächlich zu verschaffen, vgl. Abschnitt 3.2.3. Zur Schaffung dieser technischen Voraussetzungen werden in der Regel Customer Management Systeme eingesetzt, die einen Gesamtüberblick über alle relevanten Informationen über

16 2 Customer Management einen Kunden gestatten. Bei 59% der Banken ist ein solches System im Einsatz bzw. steht kurz vor der Einführung. Der Funktionsumfang dieser Systeme unterscheidet sich stark, eine konsistente Gesamtsicht über alle relevanten Kundeninformationen ist jedoch grundsätzlich vorhanden, in der Regel ergänzt durch systematische Auswertungsmöglichkeiten für Controlling- und Marketingzwecke. Unabhängig davon, ob ein Customer Management System eingesetzt wird oder nicht, werten 76% der Banken ihre existierenden Systeme systematisch für Marketingzwecke aus. Die dafür erforderlichen Funktionen sind entweder in separaten Data-Mining-Lösungen verfügbar oder in existierende Systeme integriert. In 85% der Fälle bleiben diese Auswertungen nicht dem Marketing vorbehalten, sondern stehen auch anderen Abteilungen für ihre Zwecke zur Verfügung. 2.2 Kundensegmentierung Die Banken nehmen eine Segmentierung ihrer Kunden vor, um verschiedenen, möglichst homogenen Kundensegmenten unterschiedliche Leistungen zu angepassten Konditionen anbieten zu können. Die Kriterien, nach denen segmentiert wird, unterscheiden sich von Bank zu Bank, wobei in der Regel eine Kombination verschiedener Kriterien angewandt wurde. Abb. 2-2 zeigt, welche Art von Kriterien die einzelnen Banken einsetzen. Die verschiedenen Möglichkeiten sind demographische Kriterien, z.b. Alter, Geschlecht, Haushaltsgrösse, Nationalität geographische Kriterien, z.b. Aufspaltung des Weltmarktes, Segmentierung in regional zusammenhängende Gebiete, Bevölkerungsdichte, Ortsgrössenklasse sozioökonomische Kriterien, z.b. Einkommen, Schulbildung, Beruf, Vermögen psychographische Kriterien, z.b. Lebensstil, Persönlichkeitsmerkmale, Interessen, Risikopräferenzen Produktnutzungs- und Responsemerkmale, z.b. Transaktionshäufigkeit, Preissensitivität, Sonderangebotsresponse Die Kombination von sozioökonomischen mit demographischen und/oder geographischen Kriterien ist mit 35% am häufigsten, gefolgt von der Segmentierung ausschliesslich nach