Hochschule für Angewandte Wissenschaften 21.04.2009 -Fakultät Wirtschaft und Puplic Management- Departement Public Management.



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Transkript:

Hochschule für Angewandte Wissenschaften 21.04.2009 -Fakultät Wirtschaft und Puplic Management- Departement Public Management Bachelor-Thesis Prüfer: Prof. Dr. jur. Jach Problematik der Vaterschaftsanerkennung im Ausländerrecht vorgelegt von: Weihs, Julia Studiengruppe: 2006 x Abgabetermin: 22.04.2009

Thema: Problematik der Vaterschaftsanerkennung im Ausländerrecht Inhalt: Seite 1. Einleitung 1 2. Rechtslage 3 2.1. Allgemeines 3 2.1.1. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit 3 2.1.2. Vaterschaftsanerkennung 4 2.1.3. Folgen für die Eltern und Dritte in Bezug auf den aufenthaltsrechtlichen Status 6 2.1.4. Anfechtung der Vaterschaft 9 2.1.5. Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen 12 3. Grundrechtliche Bedeutung des behördlichen Anfechtungsrechts 13 3.1. Artikel 6 Grundgesetz 13 3.1.1. Artikel 6 Abs.1 GG 14 3.1.1.1.Schutzbereich 14 3.1.1.2. Eingriff 16 3.1.1.3.Rechtfertigung 18 3.1.2. Artikel 6 Abs. 2, 3 GG 19 3.1.2.1.Schutzbereich 19 3.1.2.2.Eingriff 21 3.1.2.3.Rechtfertigung 22 3.1.3. Artikel 6 Abs. 5 GG 23 3.1.3.1.Schutzbereich 23 3.1.3.2.Eingriff 23 3.1.3.3.Rechtfertigung 24 3.1.4. Der Begriff der sozial familiären Beziehung und seine Bedeutung im Zusammenhang mit Art. 6 GG 25 3.1.4.1.Vorliegen einer solchen Beziehung 25 3.1.4.2.Gleichstellung der Behörde mit dem leiblichen Vater 28 3.2. Artikel 3 Grundgesetz 31 3.3. Artikel 16 Abs. 1 Grundgesetz 32

4. Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft 35 4.1. Die Kindschaftsrechtsreform im Zusammenhang mit der Entstehung des behördlichen Anfechtungsrechts 36 4.1.1. Rechtslage und Anlass der Reform 36 4.1.2. Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz 38 4.1.3. Einfluss der Kindschaftsreform 39 4.2. wichtige Änderungen im BGB 41 4.3. wichtige Änderungen im Personenstandsgesetz 42 4.4. wichtige Änderungen in der Zivilprozessordnung 42 4.5. wichtige Änderungen im Aufenthaltsgesetz 43 4.6. wichtige Änderungen im EGBGB 44 5. Weitere Problematiken des Gesetzes 45 5.1. Die Möglichkeit der Verweigerung der Eintragung durch den Standesbeamten 45 5.2. Anfangsverdacht 46 5.3. Anfechtung durch eine öffentliche Stelle 47 5.4. Ermessen der Behörde 49 5.5. 38 AufenthG und seine Verknüpfung zu Art. 16 GG 50 6. Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG ivm Art. 2 Abs. 2 GG 52 7. Schlusswort 54 Quellenverzeichnis 56 Anlagen 61 Dienstliche Erklärungen 69

1 1. Einleitung Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung zur Erlangung von Aufenthaltstiteln und dem neu geschaffenen behördlichen Anfechtungsrecht. Kernproblem ist, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer, der die Vaterschaft zu einem deutschen Kind anerkennt, zunächst einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhält. Umgekehrt erwirbt auch eine in Deutschland niederkommende Ausländerin ein Bleiberecht, sobald sie für ihr Kind einen deutschen Vater nachweisen kann. Aufgrund dieser aufenthaltsrechtlichen Vorteile wird für die Scheinvaterschaft von den oftmals verzweifelten Müttern Geld bezahlt. Bis zu mehreren tausend Euro fließen teilweise für die Anerkennung. Das Geld rechnet sich jedoch, wenn man bedenkt, dass solche gekauften Vaterschaften dauerhaften Anspruch auf soziale Leistungen, Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis und nach einer gewissen Zeit auch die Möglichkeit des Familiennachzugs nach Deutschland umfassen. 1 Fälle des Missbrauchs von Vaterschaftsanerkennungen sind in der Praxis schon seit längerem vermutet wurden. Einer Erhebung der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern nach erteilte die Behörde allein in 12 Monaten (April 2003 bis März 2004) in 2.338 Fällen Aufenthaltserlaubnisse an unverheiratete ausländische Mütter deutscher Kinder. 1.694 dieser Mütter waren im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig. Es kann in diesen Fällen jedoch nur von einem Verdacht auf Scheinvaterschaft gesprochen werden! 2 Daher sollen hier beispielhaft zwei Fälle genannt werden, bei denen ein Missbrauch außer Frage steht. Am 10. März 2006 berichtete die Rheinische Post über einen 37-jährigen Berliner aus Togo mit gesichertem Bleiberecht in der Bundesrepublik, der 19 Vaterschaften im gesamten Bundesgebiet anerkannt hat. 3 Einen ähnlichen, Fall, stellt der in Paraguay lebende Rheinländer Jürgen Hass dar. Nach eigenen Angaben hat er die Vaterschaft von mehr als tausend Kindern aus Paraguay, Rumänien, Moldawien, Russland und Indien anerkannt. Hass möchte den Kindern zu einem deutschen Pass und Sozialleistungen verhelfen. Dabei geht er selbst kein finanzielles Risiko ein, da seine Rente unpfändbar ist. Für den Fall, dass Hass mit seinen Kindern nach Deutschland einreist, müsste der Staat Unterhaltszahlungen für ihn leisten. 4 1 Dietrich, in: FAZ vom 28.02.05 2 Zimmermann, FuR 2008, S. 571 3 Zimmermann, FuR 2008, S. 569 4 Holm, in: Spiegel vom 13.07.2006

2 Diese beiden Beispiele stellen Extremfälle dar, verdeutlichen jedoch welche Problematik sich durch die Möglichkeit der unrechtsmäßigen Vaterschaftsanerkennung ergibt. Aufgrund des vermuteten Missbrauchs hat die ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 18./19. November 2004 nach einem befristeten Anfechtungsrecht für einen Träger öffentlicher Belange verlangt. Am 17. November 2005 hat die Konferenz der Justizministerinnen und Minister die Bundesministerin der Justiz gebeten ein entsprechendes Gesetz vorzubereiten 5 und am 1. Juni 2008 ist daraufhin ein Gesetz in Kraft getreten, welches ausländerrechtlich motivierte Scheinvaterschaften verhindern soll. Das Gesetz zur Ergänzung des Rechts der Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 gibt staatlichen Behörden die Befugnis künftig Vaterschaftsanerkennungen unter bestimmten Voraussetzungen anzufechten. 6 "Es geht um Fälle, in denen das Familienrecht missbraucht wird, um Aufenthaltstitel und eventuell auch Sozialleistungen zu erschleichen", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). 7 Seit Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts sind insgesamt 90 Verfahren anhängig. Davon wurde eins zurückgenommen und eins in der 1. Instanz abgewiesen. 8 In dieser Arbeit soll durch eine Darstellung der Grundlagen zunächst ein Grundverständnis für die Rechtslage geschaffen werden. Außerdem wird geprüft, inwieweit das behördliche Anfechtungsrecht mit den Grundrechten vereinbar ist. Denkbar wäre vor allem ein Verstoß gegen Art. 6 Grundgesetz, dem Schutz von Ehe und Familie, da durch ein behördliches Anfechtungsrecht in den Bereich Familie ein Eingriff vorliegen könnte. Ferner wird auf die Kindschaftsreform als möglicher Auslöser für die Missbrauchsfälle eingegangen. Weitere mögliche Probleme des am 01. Juni 2008 in Kraft getretenen neuen Anfechtungsrechts werden dargestellt und geprüft. Anlass sich mit diesem Thema zu beschäftigen waren die berufspraktischen Studienzeiten, im Rahmen des dualen Studienganges puplic management, in denen der Verfasser der Arbeit jeweils 3 Monate in der Ausländerbehörde der Behörde für Inneres und im Standesamt Hamburg-Barmbek/Uhlenhorst gearbeitet hat. Während in der Ausländerbehörde die ausländerrechtlichen Grundlagen kennen gelernt wurden, konnten im Standesamt Erfahrungen im Bereich des Personenstandswesens 5 Gesetzesbegründung, Drs. 16 / 3291 S.1 6 Zimmermann, FuR 2008, S. 572 7 Zypris, zitiert in : Berliner Morgenpost, 21.11.2005 8 Dr. Richter im Gespräch am 03.04.09

3 gesammelt werden. Die Berichterstattung in den Medien über das neue behördliche Anfechtungsrecht tat ihr übriges, um das Thema der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen interessant und aktuell zu machen. 2. Rechtslage 2.1 Allgemeines Die für dieses Thema relevanten Normen sind das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Um die Problematik der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung darstellen zu können, ist es unerlässlich zunächst auf die einzelnen Rechtsbereiche einzugehen und die rechtlichen Hintergründe zu erläutern. Die Zusammenführung und Verknüpfung der einzelnen Rechtsbereiche erfolgt dann unter Punkt 2.6 der Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen. Zunächst muss jedoch bekannt sein, dass nach 1591 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Weiterhin ist Vater eines Kindes, nach 1592 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, oder der, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach 1600 d oder 640h Abs.2 der Zivilprozessordnung gerichtlich festgestellt wurde. 2.1.1 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Nach 4 Abs. 1 StAG erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Wenn bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger ist und zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich ist, muss eine wirksame Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erfolgen, um den Erwerb der Staatsangehörigkeit geltend zu machen. Wichtig ist, dass die Anerkennungserklärung abgegeben oder das Feststellungsverfahren eingeleitet sein muss, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat. Die Anerkennung muss nicht vor oder unmittelbar nach der Geburt stattfinden. 9 Das heißt also, erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt es kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit. 9 4 Abs. 1 StAG

4 Nach 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind auch dann die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn es im Inland geboren ist, und ein Elternteil 1. seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und 2. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienagehöriger eine Aufenthalterlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzt. 10 Erkennt also ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus die Vaterschaft zu einem ausländischen Kind an, so kann das Kind nach 4 Abs.3 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. 2.1.2 Vaterschaftsanerkennung Ob und wann eine Vaterschaftsanerkennung wirksam ist, ist im BGB geregelt. Soweit der Mutter die elterliche Sorge zusteht, bedarf es zu einer wirksamen Anerkennung lediglich ihrer Zustimmung ( 1595 Abs. 1 BGB) und einer öffentlichen Beurkundung der entsprechenden Erklärungen ( 1597 Abs. 1 BGB). Nur in Ausnahmefällen, wenn der Mutter insoweit nicht die elterliche Sorge zusteht, ist zusätzlich die Zustimmung des Kindes erforderlich ( 1595 Abs. 2 BGB). Nach 4 Beurkundungsgesetz kann zwar eine Beurkundung abgelehnt werden, wenn die Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, dies gilt jedoch aufgrund 58 Beurkundungsgesetz nicht für Standesbeamte. Diese haben also (zumindest nach dem alten Recht) kein Recht eine Beurkundung abzulehnen. Die rechtliche und leibliche Vaterschaft kann demnach auseinander fallen, was bedeutet, dass die tatsächliche Abstammung für die rechtliche Zuordnung des Kindes unrelevant ist. Auch eine Vater- Kind-Beziehung stellt keine Voraussetzung zu einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung dar. Ein solches Auseinanderklaffen der rechtlichen und leiblichen Vaterschaft ist nichts Neues und schon seit längerem akzeptiert. So gilt der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist, als Vater des Kindes ( 1592 Nr. 1 BGB). Diese Zuordnung gilt unabhängig von der tatsächlichen Vaterschaft. Ob es sich bei dem Ehemann um den leiblichen Vater handelt wird nicht überprüft. Nur im Falle einer gerichtlichen Feststellung stimmen rechtliche und leibliche Vaterschaft immer 10 4 Abs. 3 StAG

5 überein, da im gerichtlichen Verfahren allein der Erzeuger als Vater festgestellt werden kann. 11 Es bleibt die Frage, ob diese willentliche Diskrepanz der rechtlichen und biologischen Vaterschaft strafbar ist. 169 Strafgesetzbuch besagt: (1) Wer ein Kind unterschiebt oder den Personenstand eines anderen gegenüber einer zur Führung von Personenstandsregistern oder zur Feststellung des Personenstands zuständigen Behörde falsch angibt oder unterdrückt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 92 Abs.2 Nr. 2 AufenthG besagt: (2)Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 2. unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Im BGB wird bekräftigt, dass die Vaterschaft nicht an eine leibliche Vaterschaft gebunden ist. Außerdem hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 20.11.2007 festgestellt, dass es keine unrichtige Angabe darstellt, wenn jemand mit der Zustimmung der Mutter die Vaterschaft zu einem Kind anerkennt, obwohl er nicht der leibliche Vater ist und die Herstellung einer Lebensgemeinschaft mit Mutter und Kind nicht beabsichtigt. 12 Solange jedoch die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, ist jede weitere Anerkennung unwirksam ( 1594 Abs. 2 BGB). Eine wissentlich falsche Vaterschaftsanerkennung stellt also keine strafbare Personenstandsfälschung dar, sondern wird vom Gesetzgeber bewusst toleriert und stellt eine Art Adoptionsersatz dar. 13 Aufgrund dieser Regelung sind also Scheinvaterschaften möglich. Scheinvaterschaften sind demnach schlicht gesetzliche Vaterschaften, bei denen das Kind biologisch nicht 11 Diederichsen in: Palandt 1600d Rn.1 12 OLG Hamm, 1 Ss 58/07 vom 20.11.2007, in Juris 13 Frank, S.281

6 vom rechtlichen Vater abstammt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Scheinvaterschaften, die aufgrund ausländerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorteile eingegangen wurden, und solchen, in denen der rechtliche Vater zwar nicht biologischer Vater ist, die Vaterschaft jedoch anerkannt hat, um mit dem Kind eine Vater-Kind-Beziehung aufzubauen. Die möglichen Vorteile einer Anerkennung sind hier Begleiterscheinung, nicht aber Zweck der Anerkennung. Dagegen dienen Anerkennungen aufgrund ausländerrechtlicher oder sozialer Vorteile weder dazu den biologischen Vater als rechtlichen Vater eintragen zu lassen, noch der Gründung einer sozialen Familie. Zudem widerspricht eine missbräuchliche Anerkennung häufig den Interessen des Kindes, denn sein biologischer Vater kann solange ein rechtlicher Vater existiert, nicht als eigentlicher rechtlicher Vater festgestellt werden und hat somit auch kein Recht auf Umgang mit dem Kind. 2.1.3 Folgen für die Eltern und Dritte in Bezug auf den aufenthaltsrechtlichen Status Nach erfolgreicher Anerkennung und Vorliegen der Voraussetzungen aus 4 StAG erhält das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies hat auch Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Eltern und eventueller Geschwister. Da deutsche Staatsangehörige im Ausland regelmäßig kein Aufenthaltsrecht genießen, sind sie auf die Realisierung ihrer Ehe und Familie im Inland angewiesen. Aus diesem Grund genießen deutsch-ausländische Familien aufenthaltsrechtlich einen weitgehenderen Schutz als rein ausländische Familien. Das ausländische Familienmitglied, hier also der ausländische Elternteil, wird also durch das grundrechtlich geschützte Recht des deutschen Kindes auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet automatisch mit begünstigt. 14 Aufenthaltserlaubnis: Nach 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ist dem Elternteil eines minderjährigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das deutsche Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. 28 AufenthG steht im sechsten Abschnitt des zweiten Kapitels, dem Aufenthalt aus familiären Gründen. 27 AufenthG stellt eine generelle Zweckbestimmung dieses Abschnittes dar und ist grundsätzlich in Verbindung mit der jeweiligen nachfolgenden Spezialnorm zu sehen. In Absatz 1 des 27 AufenthG wird der Zweck des Abschnittes deutlich. Demnach wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der 14 Hailbronner A1 28 AufenthG Rn. 1

7 familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert. 15 Außerdem erhält die Mutter nach 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, wenn sie mit dem anerkennenden Mann kollusiv zusammen gehandelt hat, um ein Aufenthaltsrecht für sich und ihr Kind zu erhalten. 16 (Der Status des Kindes als deutsches Kind wird aber nicht in Frage gestellt, daher erhält die Mutter in einem solchen Fall wohl eine Aufenthaltserlaubnis nach 25 Abs.5 AufenthG. 17 ) Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind in 5 AufenthG geregelt. Nach 5 Absatz 1 Nr. 1 AufenthG wird bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel vorausgesetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Hiervon kann im Falle des 28 Abs.1 Nr. 3 AufenthG jedoch abgesehen werden. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, der Lebensunterhalt der Eltern muss nicht gesichert sein. Voraussetzungen nach 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG sind die Ausübung der Personensorge sowie der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet. 18 Eine Ausübung der Personensorge liegt vor, wenn ein aktiver Erziehungs- und Betreuungsbeitrag zu erkennen ist. 19 Dies ist bei der Mutter fast immer vorauszusetzen, bei dem Vater jedoch ist die Bindung zum Kind zu überprüfen. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person besteht, wenn Umstände erkennen lassen, dass die Person an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Ein hauptsächlich ununterbrochener Aufenthalt von sechs Monaten Dauer genügt dieser Anforderung durchaus. Vermutungen, die auf einen solchen Aufenthalt schließen lassen, sind das Innehaben einer Wohnung oder eines Arbeitsverhältnisses. 20 Bezüglich des Personensorgerechts kann die Ausnahme nach 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG greifen. Demnach kann die Aufenthaltserlaubnis dem nichtsorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Voraussetzung für eine familiäre Lebensgemeinschaft ist ein Zusammenleben mit dem Kind. Eine häusliche Gemeinschaft kann jedoch nicht in jedem Fall verlangt werden. Auf eine familiäre Lebensgemeinschaft lässt sich daher auch aus intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Urlauben, nicht unerheblicher Unterstützung bei der Betreuung und 15 Eberle,in: Storr, Wenger, Eberle, Albrecht, Harms, Kreuzer 27 AufenthG Rn. 2,6 16 Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 7 A 11276/07, vom 06.03.2008 Rn. 31, in: Juris 17 Dr. Richter, schriftliche Mitteilung per email 18 5, 28 AufenthG 19 Schiedermair/Wollenschläger Rn. 456 20 Hailbronner A1 28 AufenthG Rn. 4

8 Versorgung des Kindes oder aus anderen Beistandsleistungen schließen, solange sie dazu geeignet sind den fehlenden gemeinsamen Lebensmittelpunkt auszugleichen. Ist der ausländische Elternteil jedoch nicht im Besitz des Sorgerechts, steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Ausländerbehörde. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen sind die Wahrung einer bestehenden familiären Gemeinschaft auf der einen Seite und das grundsätzliche öffentliche Interesse an der Begrenzung der Zuwanderung ins Bundesgebiet auf der anderen Seite. Bei der Abwägung müssen folgende Punkte beachtet werden: Ist das deutsche Kind in seiner Entwicklung auf den ausländischen Elternteil angewiesen? Ist der nicht sorgeberechtigte Elternteil seit der Geburt des Kindes seinen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen? Erfordert das Kindeswohl einen auf Dauer angelegten Aufenthalt des nicht sorgeberechtigten Elternteils im Bundesgebiet? 21 Auch ein Ausländer, der einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte oder schon ausreisepflichtig war, erhält also aus 28 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Es lassen sich drei verschiedene Fallsituationen festhalten, die zu einer ausländerrechtlichen Erlaubnis führen können: Ein deutscher Mann erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Frau an. Ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten Ausländerin an. Ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthaltsstatus erkennt das Kind einer Deutschen oder das Kind einer Ausländerin mit verfestigtem Aufenthalt als das seine an. 22 Niederlassungserlaubnis: Die Aufenthaltserlaubnis ist nach 28 Abs. 2 AufenthG nach Ablauf von drei Jahren regelmäßig in eine Niederlassungserlaubnis umzuwandeln. Voraussetzungen nach 28 Abs. 2 AufenthG sind neben des dreijährigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis das Fortbestehen der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet, dass Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes und dass sich der 21 Hailbronner A1 28 AufenthG Rn. 13,14 22 Zimmermann, Scheinvaterschaften S. 51

9 Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. 23 Die Anforderungen an die Deutschkenntnisse sind nicht hoch. Es genügt, wenn der Ausländer Alltagssituationen durch mündliche Verständigung bewältigen kann. Schriftsprachkenntnisse sind nicht erforderlich. 24 Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Fraglich ist, ob auch die Regelvoraussetzungen aus 5 AufenthG anzuwenden sind. Dass in Abs. 2 Satz 1 das Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes zur Voraussetzung gemacht wird, spricht gegen die Anwendung des 5 AufenthG, da das Nennen dieser Voraussetzung im Falle der Anwendbarkeit des 5 AufenthG unnötig wäre ( 5 AufenthG verfügt schon über eine solche Voraussetzung). Andererseits hat der Gesetzgeber an den übrigen Stellen des Gesetzes, bei denen von 5 AufenthG abgewichen werden soll, dies auch ausdrücklich formuliert. Schließt man daraus, dass in diesem Fall die Regelvoraussetzungen aus 5 AufenthG angewendet werden sollen, so bedeutet das zum Beispiel auch, dass ein Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich ist. 25 Diese Norm bezieht sich sowohl auf die Mütter als auch auf die Väter. Die Praxis zeigt, dass sich aus gewissen Konstellationen auch Aufenthaltsrechte für andere Familienmitglieder ableiten lassen. Zum Beispiel könnte ein zweites nicht deutsches Kind der Mutter ebenfalls Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis haben, da aufgrund des deutschen Kindes die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet geführt werden kann. Erfahrungen haben gezeigt, dass durchschnittlich mindestens drei Personen pro Fall einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltsrecht erhalten. Außerdem werden regelmäßig öffentliche Mittel bezogen. 26 2.1.4 Anfechtung der Vaterschaft Ursprünglich lautete 1600 BGB: 1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind: 1. der Mann, dessen Vaterschaft nach 1592 Nr.1 und 2, 1593 besteht, 2. der Mann, der an Eides Statt versichert, der Mutter des Kindes während 23 28 AufenthG 24 Renner Art. 6 GG Rn. 18 25 Hailbronner A1 28 AufenthG Rn. 27 26 Richter, S.1,2

10 der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, 3. die Mutter, 4. das Kind 2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist. 3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder im Zeitpunkt seines Todes getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. (5) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen. Das Recht die Vaterschaft anzufechten hatten also der Anerkennende selbst, die Mutter, das Kind und unter bestimmten Voraussetzungen auch der leibliche Vater. Die drei erstgenannten, die dieses Recht uneingeschränkt genießen dürfen, sind gerade diejenigen, die zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zusammenwirken. 27 Es ist also nur den Beteiligten selbst möglich gewesen ihre privatrechtlichen Beziehungen zu ändern. Auf diese Weise war es möglich, dass ein Mann das Kind seiner Ehefrau, das nicht von ihm abstammt, mit großzieht um gemeinsam mit der Mutter und dem Kind als Familie zusammenleben zu können. Da bis auf die Beteiligten selbst niemand ein Anfechtungsrecht hatte, war es dem anerkennenden Mann möglich mit dem Kind und der Mutter ein Familienleben zu führen, auch wenn er weiß, dass keine biologische Vaterschaft besteht. 28 Die Tatsache, dass auch der leibliche Vater unter bestimmten Voraussetzungen zur Vaterschaftsanfechtung berechtigt ist, ist eine relativ neue Regelung des BGB. Erst durch die am 30. April 2004 in Kraft getretene Neufassung des 1600 Abs. 1 BGB erhielt er dieses Recht. Bis dahin waren allein die Mutter, der Mann, dessen Vaterschaft nach 1592, Nr. 1 und 2 BGB besteht, und das Kind anfechtungsberechtigt. Sinn dieser Regelung war, das Wohl der sozialen Familie zu 27 Dr. Helms, StAZ 2007,S.69-70 28 Gaaz, StAZ 2007, S.76

11 schützen und den Familienfrieden nicht zu stören. Allerdings wurde es als verfassungsrechtlich bedenklich erachtet, dass der leibliche Vater kein eigenes Recht zur Vaterschaftsanfechtung besitzt. Dieser war dadurch darauf angewiesen, dass ein zur Anfechtung Berechtigter, die Vaterschaft anficht, um dann danach seine eigene Vaterschaft feststellen lassen zu können. 29 Mit Beschluss vom 09. April 2003 hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem festgestellt, dass der 1600 BGB, insoweit er den biologischen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfechtung der Vaterschaft ausschließt, verfassungswidrig ist. 30 Aus diesem Grund reagierte der Gesetzgeber, so dass auch dem Mann, welcher an Eides statt versichert der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (also derjenige, der von sich schlüssig behaupten kann der biologische Vater zu sein), unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zur Vaterschaftsanfechtung zusteht. Die Voraussetzungen, welche vorliegen müssen, sind, dass zwischen dem bisher als Vater geltenden Mann und dem Kind keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt des Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leibliche Vater des Kindes ist. 31 Die Notwendigkeit solcher Voraussetzungen wird in der Entwurfsbegründung selbst dargestellt. Dort heißt es, dass die Einführung einer Anfechtungsmöglichkeit für den leiblichen Vater einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der Mutter, des Kindes und auch des rechtlichen Vaters darstellt. Die Voraussetzungen einer solchen Vaterschaftsanfechtung müssen also so gestaltet sein, dass eine Anfechtung ins Blaue hinein vermieden wird. 32 Nach den vermehrt auftretenden Diskussionen über Scheinvaterschaften und den Missbrauch von Vaterschaftserklärungen zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile hat die Bundesregierung beschlossen, gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen, in dem ein befristetes Vaterschaftsanfechtungsrecht staatlicher Behörden eingeführt wird. Am 13.12.2007 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Anfechtung von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht. Es handelt sich dabei um das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008. 33 Mit diesem Gesetz wurden Änderungen im BGB sowie im Personenstandsgesetz, im 29 Grün, FuR 2006,S. 499 30 BVerfG, AZ 1BVR 1493/96 u. AZ 1 BVR 1724/01, in: NJW 2003,2156 31 Grün, FuR 2006,S. 499 32 BT-Dr. 15/2253, S.20 33 Nickel in: Herberger, Martinek, Rüßmann, Weth S. 1319

12 Aufenthaltsgesetz und in der Zivilprozessordnung vorgenommen. Auch dem Einführungsgesetz zum BGB wurde ein weiterer Artikel beigefügt. 34 Sofern keine sozial-familiäre Beziehung oder eine leibliche Vaterschaft vorliegt, soll es den staatlichen Behörden möglich sein, Vaterschaftsanerkennungen anzufechten. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Anerkennung der Vaterschaft rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sobald das Familiengericht der Anfechtungsklage stattgibt, entfällt die Vaterschaft des Anerkennenden mit Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes. Dadurch entfällt der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft und die Aufenthaltstitel sind nach 51 Abs.1 Nr.3 AufenthG in Verbindung mit 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zurückzunehmen. 35 Der zuvor bestehende Ausweisungsschutz der Mutter nach 56 Abs.1 Satz1 Nr.4 AufenthG entfällt ebenfalls. 36 2.1.5 Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen Erkennt ein deutscher Mann oder ein Ausländer mit gesichertem Status die Vaterschaft zu einem Kind an, kann es durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Die gesetzlichen Regelungen zur Vaterschaftsanerkennung ergeben sich aus 1595 BGB, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist in 4 StAG geregelt. Da das Kind nun deutscher Staatsbürger ist und dadurch ein Grundrecht auf Einreise und Aufenthalt in die Bundesrepublik erworben hat (Art. 11 Grundgesetz) erhält auch die Mutter nach 28 Abs.1 Nr. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis, welche im Regelfall nach 28 Abs.2 AufenthG in eine Niederlassungserlaubnis umgewandelt wird. Erkennt ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthalt ein deutsches Kind an, erwirbt er im Falle seiner Sorgeberechtigung ebenfalls nach 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Die Anfechtung der Vaterschaft ist in 1600 BGB geregelt. Ursprünglich waren nur die Mutter, der rechtliche Vater und das Kind anfechtungsberechtigt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann seit 2004 auch der leibliche Vater die Vaterschaft anfechten. Ganz neu ist das Gesetz zur Anfechtung von Scheinvaterschaften wonach nun auch staatliche Behörden die Befugnis erhalten Vaterschaftsanerkennungen anzufechten. 34 Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 35 Eberle in: Storr, Wenger, Eberle, Albrecht, Harms, Kreuzer 51 AufenthG Rn. 11 36 Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11S 409/06, vom 25.04.2007, Rn. 26, in: Juris

13 3. Grundrechtliche Bedeutung des behördlichen Anfechtungsrechts 3.1. Artikel 6 Grundgesetz Die Norm stellt ein subjektives Recht dar und enthält eine Institutsgarantie für Ehe und Familie. Der Einzelne kann aus Art. 6 GG ein Abwehrrecht herleiten und gleichzeitig stellt die Norm ein Leistungsrecht dar. 37 Art. 6 GG stellt die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Absatz 1). Nach Absatz 2 sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Kinder dürfen nur auf Grund eines Gesetzes gegen den Willen der Erziehungsberechtigten von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (Absatz 3). Zudem sichert Art. 6 GG jeder Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zu (Absatz 4). Absatz 5 stellt die unehelichen Kinder mit den ehelichen gleich. Ihnen sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. 38 Träger des Grundrechts sind nur natürliche Personen. Ausländer und Staatenlose können sich auf dieses Grundrecht berufen. 39 Art. 6 GG gewährt zwar nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, jedoch verpflichtet er die Ausländerbehörde familiäre Bindungen bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu beachten. 40 Ob dieses Grundrecht durch das Recht der staatlichen Vaterschaftsanfechtung eingeschränkt wird, wird im Folgenden überprüft. 37 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 Abs.1 GG Rn. 8 38 Artikel 6 Grundgesetz 39 Jarass/Pieroth Artikel 6 Rn. 6 40 BVerfG 2 BvR 1064/08 vom 09.01.2009, Rn. 14, vgl. BVerfG 2BvR 1830/08, vom 01.12.2008 Rn. 25, 26, in : Juris

14 3.1.1 Artikel 6 Absatz 1 GG: 3.1.1.1 Schutzbereich: Das Begriffspaar Ehe und Familie bezeichnet zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte und gesellschaftliche Strukturen. Unterschiedlich zur Darstellung in der Vorgängernorm Art. 119 Absatz 1 Weimarer Reichsverfassung besteht zwischen Ehe, Familie und Fortpflanzung keine enge kausale Verknüpfung. Die Begriffe stehen gleichberechtigt nebeneinander. Inhaltlich haben sie sich im Laufe der Zeit verändert. Die bürgerliche Kleinfamilie mit traditioneller Rollenverteilung entspricht heute nicht mehr dem Regelfall. Auch das traditionelle Bild der Ehe als Stätte der Familiengründung existiert nicht mehr. 41 Der Familienbegriff wird daher häufig als offener Verfassungsbegriff bezeichnet, da er gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen offen ist und den sozialen Wandel berücksichtigt. 42 Ehe und Familie haben gleichermaßen Teil am besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Absatz 2 und 3 gilt leges speciales für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern innerhalb der Familie. 43 Der Familienbegriff beschreibt die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, aus der den Eltern vor allem Rechte und Pflichten zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen. 44 Dabei ist es egal, ob diese ehelich oder nichtehelich sind, ob die Kinder minder- oder volljährig sind, aus einer Ein- oder Mehrehe hervorgegangen sind, ob es Adoptiv-, Pflege- oder Stiefkinder sind oder ob die Kinder aus homologer oder heterologer Insemination hervorgegangen sind. 45 Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Elternteil und einem nichtehelichen Kind fällt also ebenso unter den Familienbegriff und ist damit durch Art. 6 Absatz 1 GG geschützt. Dies gilt auch für den Fall des leiblichen, aber nicht rechtlichen so genannten biologischen Vater. 46 Wichtigstes Kriterium für eine Familie ist demnach die Existenz von Kindern. 47 Geschützt sind die Bereiche von der Familiengründung bis zum familiären Zusammenleben. Dabei misst das BVerfG dem Absatz 1 jedoch eine abgestufte Schutzwirkung zu, abhängig davon, ob es sich um eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, Hausgemeinschaft oder bloße Begegnungsgemeinschaft handelt. Die Pflicht zur Förderung der Familie umfasst insbesondere die 41 Beck, S. 1897 42 V. Münch/Kunig Art. 6 Rn. 3 43 Jarass/Pieroth Art. 6 Rn. 1 44 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Artikel 6 Abs.1 GG Rn. 77 45 Jarass/Pieroth Art. 6 Rn. 4 46 Jarass/Pieroth Art. 6 Rn. 4 47 Beck, S. 1897, 1898

15 Kinderbetreuung. 48 Außerdem ist die Behinderung oder Verhinderung des räumlichen Zusammenlebens ohne überwiegende Gründe verfassungswidrig. 49 Es handelt sich also um eine nach Art. 6 GG zu schützende Familie, wenn es sich bei den Eltern um eine ausländische Mutter und einen deutschen Mann handelt oder um eine deutsche Mutter und einen ausländischen Vater. Schutzwirkung im Ausländerrecht entfaltet Art. 6 Abs. 1 GG jedoch nicht schon bei jeder formal-rechtlichen familiären Bindung. Ausschlaggebend ist vor allem die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. 50 Wichtig ist dabei die Gemeinschaft zwischen den Eltern und den Kindern, weshalb auch die Beziehung zwischen nur einem Elternteil und dem Kind geschützt ist, auch wenn die Eltern keine Beziehung führen. Nicht unter den Begriff der Familie fällt aber der Zusammenschluss der allein aus einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung entsteht. In einem solchen Fall kann eine Gemeinschaft zwischen dem Anerkennenden und dem Kind verneint werden, da die Anerkennung nicht um des Kindes willens geschah und eine Beziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind nicht existiert. Es besteht also weder eine soziale Bindung noch die leibliche Vaterschaft des Anerkennenden. In den Fällen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung handelt es sich meist um eine ausländische Frau, einen deutschen Mann, der das Kind anerkennt und einen leiblichen Vater, welcher durch die Anerkennung des deutschen Mannes jedoch nicht rechtlicher Vater sein kann. Hier ist wichtig, dass auch die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft des leiblichen Vaters zu seinem Kind unter den Familienbegriff fällt und daher durch Art. 6 Absatz 1 GG geschützt ist. Ehe im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 GG ist das auf Dauer angelegte Zusammenleben von Mann und Frau in einer umfassenden grundsätzlich unauflösbaren Lebensgemeinschaft mit einer formalisierten, auf gegenseitigen Konsens beruhenden Eheschließung. Dabei ist die Scheidung jedoch möglich. 51 Die nichteheliche, eheähnliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist aus dem Ehebegriff ausgeschlossen. Diesem liegt das Bild der verweltlichten bürgerlichrechtlichen Ehe, der Einehe, zugrunde. Unter den Begriff der Ehe fällt auch die so genannte hinkende Ehe. Das heißt, die wirksame ausländische Eheschließung, die den 48 Jarass/Pieroth Art. 6 Rn. 5 49 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 Abs.1 GG Rn. 91 50 BVerfG 2 BvR 1064/08 vom 09.01.2009, Rn 15, in: Juris 51 von Münch/Kunig Art. 6 Rn. 5

16 deutschen Formanforderungen nicht genügt. Ebenso fallen die Namens- und Scheinehe unter den Ehebegriff. Also Ehen, die geschlossen werden damit die Frau den Namen des Mannes annehmen kann, oder Ehen die geschlossen werden, damit einer der Partner, beide oder Dritte davon in sonstiger Weise profitieren. Der Schutzbereich des Artikels 6 in Bezug auf die Ehe reicht von der Eheschließung über das eheliche Zusammenleben bis zur Ehescheidung und teilweise sogar darüber hinaus. 52 Da sich diese Arbeit jedoch mit der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung beschäftigt, wird auf die Begriffsbestimmung und den Schutzbereich der Ehe nicht weiter eingegangen. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung stellt die Aufgabe des Staates dar, Ehe und Familie vor Drittbeeinträchtigungen zu schützen. Auch das Fördern des Zusammenhalts durch geeignete Maßnahmen ist Schutzstatuierung. Negativ bedeutet dieser Schutz, dass ein Beeinträchtigungsverbot für den Staat selbst besteht. 53 Ein Beispiel für den besonderen staatlichen Schutz nennt Marx in seiner Kommentierung zum Aufenthaltsgesetz: Wird ein ausländischer Ehepartner abgeschoben, wäre der deutsche Partner gezwungen sein Heimatland aufzugeben, um seinem Partner zu folgen oder die Trennung der ehelichen Gemeinschaft hinzunehmen. Da es jedoch grundsätzlich den Ehepartnern selbst zusteht über den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres Lebens zu entscheiden, verdient diese freie Entscheidung besonderen staatlichen Schutz. 54 In diesem Beispiel handelt es sich um Ehepartner, es lässt sich jedoch ohne Probleme auf Familien übertragen, da Ehe und Familie als gleichwertig nebeneinander stehen. Das bedeutet, dass auch die Beziehung zwischen dem ausländischen Elternteil und dem deutschen Kind unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt ist. Es müssen also auch in einem solchen Fall die Interessen der Betroffenen mit den öffentlichen Interessen abgewogen werden. 3.1.1.2 Eingriff: Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG stellen alle staatlichen Maßnahmen, die Ehe und Familie schädigen, stören oder auf andere Weise beeinträchtigen, Eingriffe in das Recht aus Art. 6 GG dar. Dies gilt im immateriell-persönlichen und im materiellwirtschaftlichen Bereich. Wenn eine sonst verfassungsmäßige Regelung durch eine 52 Jarass/Pieroth Art. 6 Rn. 2,3 53 Sachs, Art. 6 Rn.17 54 Marx in: Fritz, Vormeier 28 Rn. 10,11

17 unbeabsichtigte Nebenfolge zu Benachteiligungen führt, kann der Eingriffscharakter abgesprochen werden. 55 Sobald also der Familienbegriff im Sinne von Art. 6 GG anzuwenden ist, handelt es sich bei der Vaterschaftsanfechtung durch eine Behörde um einen Eingriff, da die Familie zumindest im rechtlichen Sinne zerstört werden soll. Es muss jedoch bedacht werden, dass eine Anfechtung nur dann Erfolg hat, wenn zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht. In einem solchen Fall ist auch der Familienbegriff nicht mehr anzuwenden, da weder eine biologische noch eine soziale Familie besteht und damit eine umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern ausgeschlossen werden kann. Eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft durch eine öffentliche Behörde kann also gar keinen Eingriff darstellen, da der Schutzbereich nicht eröffnet ist. Die Kontrolle, ob eine sozial-familiäre Beziehung besteht und damit die Überprüfung, ob der Begriff Familie im Sinne von Art. 6 GG angewendet werden kann, ist jedoch nicht einfach und wird unter Punkt 3.1.4.1 genauer beleuchtet. Nun ist geklärt, dass die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft an sich keinen Eingriff in das Recht aus Art. 6 GG darstellt. Doch es bleibt die Frage, wie es mit deren Folgen aussieht. Wurde eine missbräuchliche Vaterschaft erfolgreich angefochten, erlischt auch das Aufenthaltsrecht des begünstigten Elternteils. Laut Rechtsprechung wird in der Ausweisung eines Ausländers regelmäßig ein Eingriff in das Ehe- bzw. Familiengrundrecht gesehen. Trotzdem stellt Art. 6 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Aufenthalt oder Nachzug dar. Ausländer wie auch Deutsche, die eine Familie mit Ausländern gründen, müssen also damit rechnen, dass das familiäre Zusammenleben sich nicht generell in der Bundesrepublik Deutschland abspielt. Ein Eingriff in das Grundrecht liegt erst vor, wenn es den Familienangehörigen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dem Ausländer ins Ausland zu folgen. 56 Es ist also nötig zwischen den Rechtsgütern abzuwägen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Dabei kommt es darauf an, wie tief die Familie in der Bundesrepublik verwurzelt ist und wie stark die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern ist. 57 Die Verbundenheit zur Bundesrepublik gilt auch für die Kinder, je jünger und weniger verwurzelt sie im Inland sind, desto eher ist ihnen 55 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn.7 56 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 8 57 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 27

18 zuzumuten mit ihren Eltern in ihr Heimatland zu gehen. Im Gegenschluss kann eine starke Bindung des Kindes an die Bundesrepublik dazu führen, dass von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen ein Elternteil abgesehen wird. 58 In den hier betrachteten Fällen handelt es sich um deutsche Kinder ausländischer Elternteile. Eine starke Bindung des Kindes an die Bundesrepublik muss also nicht weiter geprüft werden, sondern existiert aus der Natur der Sache heraus. Selbst wenn es dem Kind zuzumuten wäre die Bundesrepublik zu verlassen, so würde es sich bei den hier diskutierten Fällen höchstwahrscheinlich so gestalten, dass das Kind entweder mit dem deutschen Elternteil in Deutschland lebt oder mit dem ausländischen Elternteil in sein Heimatland zieht. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Elternteil hätte wahrscheinlich zur Folge, dass ein Elternteil in Deutschland lebt, während der andere im Ausland lebt. Dem Kind würde also die Möglichkeit genommen werden zu beiden Elternteilen eine Beziehung aufzubauen. Auf jeden Fall läge im Regelfall durch die aufgrund der Vaterschaftsanfechtung entstandene Ausweisung bzw. Versagung der Aufenthaltserlaubnis ein Eingriff vor, da es im Normalfall dem Kind nicht zuzumuten ist, dem ausländischen Elternteil in dessen Heimatland zu folgen. Diese Überlegung würde aber nur stimmen, wenn das Kind und der Anerkennende tatsächlich ein Interesse an einer sozial-familiären Bindung hätten. In einem solchen Fall käme es jedoch gar nicht erst so weit, da die Vaterschaftsanfechtung der Behörde keinen Erfolg hätte. Schlussendlich gelangt man also auch hier zu dem Ergebnis, dass kein Eingriff vorliegt, da der Schutzbereich Familie nicht betroffen ist. 1600 Abs. 3 BGB stellt also die Lösung dar, bei der Frage, ob Vaterschaftsanfechtungen durch öffentliche Stellen gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen. Durch die Voraussetzungen, welche nach 1600 Abs. 3 BGB erfüllt sein müssen, wird verhindert, dass in den Schutzbereich aus Art. 6 Art. 1 GG eingegriffen wird. 3.1.1.3 Rechtfertigung: Art. 6 Absatz 1 GG ist ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht. Regelungen, die das Ehe- und Familienrecht einschränken, können daher höchstens durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. 59 58 Gerhard Robbers in : v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 Rn. 114 59 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 15

19 Da hier jedoch schon kein Eingriff vorliegt, muss auch keine Rechtfertigung gegeben sein. 3.1.2 Artikel 6 Absatz 2, 3 GG: 3.1.2.1 Schutzbereich: Das Elternrecht stellt ein natürliches Recht dar, da das Grundgesetz zunächst davon ausgeht, dass eine enge Eltern-Kind-Beziehung ein natürliches Phänomen ist. 60 Es handelt sich zunächst um ein Abwehrrecht gegen den Staat, welcher nicht in das Erziehungsgeschehen eingreifen darf. 61 Das Elternrecht ist jedoch nicht nur ein Recht, sondern stellt gleichzeitig eine Pflicht dar. Daher ist die Bezeichnung Elternverantwortung treffender als der Begriff Elternrecht. Dieses Recht soll dem Wohl des Kindes dienen, das auf Schutz und Hilfe angewiesen ist. Aus diesem Grund wird bei dem Elternrecht auch von einem treuhänderischen Recht gesprochen. Vom Elternrecht umfasst werden die Bereiche der Pflege, also der Sorge für das körperliche Wohl und die Erziehung und somit der Sorge für die seelische und geistige Entwicklung. Zur geistigen Entwicklung gehört auch der Bereich der religiösen und weltanschaulichen Erziehung. Weitere Bereiche des Elternrechts sind die Bildung und Ausbildung der minderjährigen Kinder zu Hause wie in der Schule, sowie das Recht dem Kind einen Namen zu geben, die Berechtigung die Lektüre der Kinder zu bestimmen, die Entscheidung, wem Einfluss auf die Erziehung des Kindes zugesprochen wird und in welcher Intensität und welchen Ausmaß die Eltern sich selbst der Pflege und Erziehung widmen bzw. in welchem Maß sie die Pflege und Erziehung Dritten überlassen. 62 Eine so exakte Untergliederung ist jedoch gar nicht notwenig, es lässt sich auch vereinfacht ausdrücken, dass Art. 6 Abs. 2 GG eine umfassende und grundsätzlich unteilbare Gesamtverantwortung der Eltern für das Kind darstellt. 63 In speziellen Einzelfällen, in denen es dem Elternteil nicht anders möglich ist, reicht auch die Ausübung des Besuchsrechts aus, um die Erfüllung der Elternfunktion wahrzunehmen. 64 Das Elternrecht ist ein dynamisches Recht, welches im Laufe der Zeit immer mehr abnimmt. Träger dieses Grundrechts sind die Eltern und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. 65 Der leibliche, aber nicht rechtliche Vater des Kindes ist jedoch 60 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 GG Rn. 183 61 Sachs, Artikel 6 Rn. 47 62 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 31,32 63 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 GG Rn. 143 64 BVerfG, 2 BvR 1064/08, vom 09.01.2009, Rn. 22, in: Juris 65 Muscheler S. 105, Rn. 219

20 nicht Träger des Elternrechts, ihm ist aber die Möglichkeit zu eröffnen die rechtliche Vaterschaft zu erlangen. 66 Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt nämlich sein Interesse, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. 67 Beide Elternteile sind jeweils einzelne Träger des Grundrechts, auch wenn es in Gemeinschaftsbindung ausgeübt wird. 68 Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. 69 Es ist also neben der Mutter auch der Vater, welcher die Vaterschaft nach 1592 Nr. 2 BGB anerkannt hat, Träger des Elternrechts. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mutter ausländisch ist und ihr Recht auf Aufenthaltserlaubnis von dem deutschen Kind herleitet, oder ob es der Vater ist, welcher aufgrund des deutschen Kindes ein Aufenthaltsrecht erhält. Ebenfalls unerheblich ist, ob der Mann, welcher die Vaterschaft anerkannt hat, mit der Mutter und dem Kind zusammen lebt. Der Begriff staatliche Gemeinschaft wird oftmals mit dem Begriff des Staates gleichgesetzt. Durch die Bezeichnung Gemeinschaft wird jedoch hervorgehoben, dass die Verantwortung für das Kindeswohl auf mehrere Stellen verteilt ist. Es wird dadurch verboten, dass nur eine Stelle verbindlich über den Inhalt staatlicher Zielvorstellungen, die das Kindeswohl betreffen, entscheidet. Die Erziehungsverantwortung wird auf die gesamte Staatlichkeit verteilt. 70 Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichnet das staatliche Wächteramt. Jedoch muss beachtet werden, dass der Ausdruck wacht nicht ganz treffend gewählt ist. Es wird nicht nur eine einfache Kontroll- und Überwachungstätigkeit eröffnet, sondern staatliche Intervention zugunsten des Kindes ermöglicht. Allerdings berechtigt nicht jede elterliche Nachlässigkeit zum Eingreifen. Vielmehr ist eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls erforderlich, an dem sich die staatlichen Maßnahmen orientieren müssen. 71 Trennung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 GG bezeichnet die räumliche Trennung. 72 Es handelt sich bei Art. 6 Abs. 3 GG um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Es stellt eine Schranke zum staatlichen Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 GG dar. Art. 6 Abs. 3 66 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 32a, 34 67 BVerfG, 1 BvR 1493/96, 1, vom 09.04.2003, in: Juris 68 Sachs, Artikel 6 Rn. 48 69 BVerfG, 2 BvR 1001/04,vom 08.12.05 Rn. 22, in: Juris 70 Gerhard Robbers in: v. Mangold, Klein, Starck Art. 6 GG Rn.240 71 Sachs, Artikel 6 Rn. 66,69 72 Gerhard Robbers in : v. Mangold, Klein, Starck Art.6 GG Rn. 269

21 GG ist durch die Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus motiviert und gegen die Trennung der Kinder von den Eltern zum Zwecke von staatlichen Zwangserziehungen gerichtet. Der Schutz der Eltern aus Art. 6 Abs. 3 GG besteht nicht nur im Augenblick der Trennung, sondern auch bei der Frage der Aufrechterhaltung eines Zustandes, wie zum Beispiel ein Pflegeverhältnis. Bei Art. 6 Abs. 3 GG erweitert sich der Kreis der Grundrechtsträger. Es sind nicht mehr nur die Eltern, sondern auch die Erziehungsberechtigten geschützt. 73 3.1.2.2 Eingriff: Jede staatliche Maßnahme, die das Verhältnis der Eltern zum Kind oder der Eltern untereinander beschränkt, stellt einen Eingriff dar. Beispiele für Eingriffe im Verhältnis der Eltern zum Kind sind im Bereich des Schulwesens oder der Gewährung von Jugendhilfe an die Pflegeeltern gegen den Willen der Sorgeberechtigten zu finden. Im Verhältnis der Eltern untereinander stellt es beispielsweise einen Eingriff dar, wenn das Sorgerecht nur einem Elternteil übertragen wird. 74 Eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung durch eine öffentliche Behörde hätte zur Folge, dass die rechtliche Vaterschaft nicht mehr existiert und der Anerkennende daher sein Elternrecht verliert. Es scheint also auf den ersten Blick eindeutig einen Eingriff darzustellen. Nun muss man sich aber auch wieder vor Augen führen, dass eine Vaterschaftsanfechtung nur erfolgreich ist, wenn keine sozial-familiäre Beziehung besteht. In einem solchen Fall bestand zwar die rechtliche Vaterschaft und daher auch das Recht auf Pflege und Erziehung, jedoch war die Erlangung des Elternrechts zu keiner Zeit Anlass oder Zweck der Vaterschaftsanerkennung. Es bestand weder eine biologische Vaterschaft, noch sollte eine soziale Vaterschaft aufgebaut werden. Dies darf man nun aber nicht als Grund nehmen, das dennoch bestehende Recht aus Art. 6 GG abzuerkennen. Denn egal aus welchen Gründen die Anerkennenden das Kind als ihr eigenes anerkennen, gilt es als ihr rechtliches Kind. Der Anerkennende ist rechtlicher Vater und damit auch Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG. Die Anfechtung der Vaterschaft durch eine öffentliche Behörde und damit der Entzug des Elternrechts stellt also einen Eingriff in das Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG dar. 73 Dreier, Artikel 6 Rn. 123-125 74 Jarras/Pieroth Art. 6 Rn. 35, 35a