Landgericht Bonn. Beschluss



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Transkript:

Abschrift 9 0 212/15 Landgericht Bonn Beschluss ln dem einstweiligen Verfügungsverfahren der Bundesstadt Bonn -Amt 51-, Amt f. Kinder, Jugend u. Familie-, Sankt Augustiner Str. 86, 53225 Bonn, Antragstellerin und Verfügungsklägerin, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Meyer-Köring, Oxfordstr. 21, 53111 Bonn, gegen Antragsgegner und Verfügungsbeklagter, Prozessbevollmächtigte: 1. Media Kanzlei Frankfurt, Rechtsanwälte Dr. Severin Müller-Riemenschneider, Friedriqh-Ebert-Anlage 18, 60325 Frankfurt a.m. 2. Rechtsanwalt Themas Saschenbrecker, Friedrichstraße 2, 76275 Etttlingen, Verfahrensbeistand : Franz J.A. Romer, Damer Str. 58, 41372 Niederkrüchten, hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn am 15.07.2015 durch den Richter am Landgericht Kreutzmann, den Vorsitzenden Richter am Landgericht Gersch und die Richterin Gerbaulet beschlossen : Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.

- 2 - 'Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 10.000,00 festgesetzt ( 3 ZPO i.v.m. 48 GKG). Gründe: Nachdem die Verfügungsklägerin ihren Antrag auf Einstweilige Verfügung vom 03.06.2015 zurückgenommen hat, womit die erlassene Einstweilige Verfügung (Beschluss der Kammer vom 03.06.2015) gemäß 269 Abs. 3 S. 1 ZPO (analog) wirkungslos geworden ist, waren die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands dem Verfügungsbeklagten aufzuerlegen gemäß 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (analog). Der Anlass zur Einreichung des Antrags auf Einstweilige Verfügung ist objektiv schon vor Anhängigkeit des Antrags auf Einstweilige Verfügung weggefallen ; objektiv bestand sogar von vornherein gar kein Anlass. Nach dem damaligen Kenntnisstand der Verfügungsklägerin - und dem Verfügungsbeklagten zurechenbar - bestand allerdings durchaus Anlass zur Einreichung des Antrags auf Einstweilige Verfügung, weil die Verfügungsklägerin davon ausgehen musste - was der Verfügungsbeklagte auch gerade beabsichtigte- dass die e-mail vom 21.05.2015 (Anlage A 2) nicht nur Mitarbeitern der Verfügungsklägerin zugegangen war, sondern auch und maßgeblich, an welche die e-mail nach der Einleitung ("Sehr geehrte Frau ") auch gerichtet war, einer Journalistin, die für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig ist. Auf letzteres kommt es hier an (Gedanke des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs bzw. 93 ZPO reziprok, vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Auflage, 91 a, Rn. 2), so dass 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zumindest analog für die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden ist, in der der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger vorsätzlich darüber täuscht, dass ein Verfügungsanspruch besteht und dem Gegner erst in der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch offenbart, dass eine Täuschung vorlag und gar kein Verfügungsanspruch bestehen kann. So liegt der Fall hier (Eingang der Widerspruchsbegründung um 23:45 Uhr am Vortrag der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2015 ohne Übersendung des Schriftsatzes an die Gegenseite, obwohl spätestens seit dem 23.06.2015 (BI. 34 d.a.) für den Verfügungsbeklagten Gelegenheit bestand, die Täuschung zu offenbaren). Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass keine Möglichkeit für die Verfügungsklägerin bestand, eine für sie positive Kostenentscheidung nach 91 a ZPO herbeizuführen, weil das erledigende Ereignis

- 3 - nicht erst nach Rechtshängigkeit (bzw. Erlass der Einstweiligen Verfügung) eingetreten ist. Die Kenntniserlangung der Verfügungsklägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.07.2015 von der Tatsache, dass die e-mail nicht zugegangen war, stellte kein erledigendes Ereignis dar, weil objektiv diese Sachlage von Anfang an bestand - die Kenntniserlangung vom fehlenden Klageanlass stellt kein erledigendes Ereignis i.s.v. 91a ZPO dar. Daher war die prozessuale Reaktion des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin (Antragsrücknahme) zur Herbeiführung einer positiven Kostenentscheidung konsequent und richtig. Es bestand für die Verfügungsklägerin Anlass anzunehmen, dass die in der e-mail enthaltenen Äußerungen gegenüber einer Journalistin gemacht wurden, die bereits über die in Rede stehende Auseinandersetzung zwischen den Parteien berichtet hatte mit Artikel vom 08.02.2015 (Anlage A 1 ), womit Anlass bestand anzunehmen, dass die in der e-mail enthaltenen Äußerungen an die Öffentlichkeit gelangt waren, so dass der zivilrechtliche Ehrschutz der Verfügungsklägerin tangiert sein konnte (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.1982, VI ZR 122/80; BVerfG, Beschluss v. 24.07.2013, 1 BvR 444/13). Die in der e-mail enthaltenen Äußerungen erfüllten auch jedenfalls teilweise den Tatbestand der üblen Nachrede, ohne dass die Äußerungen von der Meinungs- oder Pressefreiheit gedeckt gewesen wären. Jedenfalls im Kern bestanden die mit dem Antrag vom 03.06.2015 geltend gemachten Unterlassungsansprüche, auch wenn in Ansehung der Widerspruchsbegründung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG aao, BVerfG,. Beschluss v. 25.06.2009, 1 BvR 134/03) einzelne Teile der inkriminierten Äußerungen wohl noch von der Meinungsbzw. Pressefreiheit gedeckt waren. Im Kern bzw. weit überwiegend wäre die Einstweilige Verfügung allerdings aufrechtzuerhalten gewesen, falls die Äußerungen tatsächlich gegenüber Frau gemacht worden wären. Insbesondere Formu lierungen wie "kollektive, chronische Lügenliteratur des Jugendamts Bann", "nahezu ausschließlich Lügen postuliert werden", "Das Schreiben ist hetzerisch, polemisch, hoch aggressiv und verlogen", "Ein oder zwei tote Kinder scheinen das Jugendamt Bann nicht zu interessieren", "Jugendamt verschwieg fast alle Tatsachen, log und überzog mich amtsmissbräuchlich mit falschen Ta.tsachenbehauptungen, damit in dem schädlichen Haushalt lebt", sind nicht mehr von der Meinungsbzw. Pressefreiheit gedeckt, da diese Äußerungen nur noch der Diffamierung des Jugendamts bzw. der Stadt Bann und nicht mehr der inhaltlichen Auseinandersetzung dienen und damit als Schmähkritik einzustufen sind. Zudem

- 4 - weiß der Verfügungsbeklagte positiv, dass Teile seiner Äußerungen falsch sind. Z.B. hat das Jugendamt in der von ihm so heftig kritisierten "Risikoeinschätzung" vom 14.01.2014 gerade nicht ausgeführt, dass eine Suizidgefahr seiner Tochter bestünde (gleich aus welchem Grund), sondern hat dies gerade bezweifelt und im Ergebnis verneint. Auch der Verfügungsbeklagte muss also wissen, dass das Jugendamt der Stadt Bonn gar nicht die Auffassung vertreten hat oder noch vertritt, dass sich "seine Tochter umbringen wolle, weil sie eine SMS von ihm erhalten habe". Diese Äußerungen fallen auch nicht mehr unter noch zulässige emotionale Überspitzung, sondern überschreiten die Grenze der bewusst unwahren Tatsachenbehauptung bzw. der Schmähkritik. Insgesamt wäre daher die Einstweilige Verfügung vom 03.06.2015 jedenfalls im Kern zu bestätigen gewesen, falls der Kläger die e-mail vom 21.05.2015 tatsächlich an Frau gesandt hätte, wobei der Verfügungsbeklagte sämtliche Kosten hätte tragen müssen gemäß 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Analog hierzu hat der Verfügungsbeklagte nunmehr nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens gemäß 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zu tragen, weil er (zumal vorsätzlich) der Verfügungsklägerin Anlass zum Antrag auf Einstweilige Verfügung gegeben hat. Unerheblich ist hierbei, dass er dies subjektiv (auch) fremdnützlich getan haben mag, um das Jugendamt Bonn bzw. die Stadt Bonn wegen (vermeintlicher) Missstände "aufzurütteln", weshalb er wohl auch die mündliche Verhandlung durch seine späte Klarstellung "initiiert" hat. Dass der Gerichtssaal eines Zivilgerichts hierfür das falsche Forum ist, hat zudem die mündliche Verhandlung vom 10.07.2015 leider sehr anschaulich gezeigt, in welcher mehrere Personen (wohl Eltern, die Streitigkeiten mit dem Jugendamt haben) erschienen, die nicht verstehen konnten oder wollten, dass es im vorliegenden Verfahren nur um Unterlassungsansprüche gegen den Verfügungsbeklagten wegen Äußerungen und in diesem Zusammenhang um die Meinungs- und Pressefreiheit ging und nicht darum, ein "Standgericht über das Verhalten der Mitarbeiter des Jugendamts Bonn" abzuhalten (zumal eigentlich auch für jeden juristischen Laien offensichtlich sein müsste, dass das Landgericht, welches weder das Familiengericht, noch das Sozialgericht oder das Verwaltungsgericht ist, auch für die Entscheidung der weiteren Streitpunkte im Verhältnis des Verfügungsbeklagten zur Verfügungsklägerin nicht berufen ist und schon gar nicht für die Streitigkeiten der Zuschauer). Hinzu kommt im Übrigen, dass die Kammer im Falle einer streitigen Fortführung des Verfahrens (also wenn die Verfügungsklägerin hypothetisch in der mündlichen

- 5 - Verhandlung vom 10.07.2015 den Vortrag des Verfügungsbeklagten nicht geglaubt hätte, dass Frau die e-mail nicht erhalten hatte, sondern bei ihrem Vortrag und Antrag geblieben wäre), den späten Vortrag des Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung vom 09.07.2015 nicht berücksichtigt hätte, zu welchem sich die Verfügungsklägerin nicht mehr erklären konnte, wie insbesondere? zu der Frage, ob Frau die e-mail erhalten hatte (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 1987, 409; Wolfgang Dötsch, MDR 2010, 1429). Der Verfügungsbeklagte hätte hier ohne Weiteres bereits ca. zwei Wochen vorher die in diesem Schriftsatz enthaltenen Tatsachen vortragen können. Die weitschweifigen Rechtsausführungen zur Meinungs- und Pressefreiheit hätten auch noch später gemacht werden können. Schon mit dem Widerspruch hätte mit einem kurzen Satz vorgetragen werden können und müssen, dass die e-mail tatsächlich gar nicht Frau zugegangen sei, sondern dass eine nicht existente Fantasie-Adresse verwendet worden sei. Die Verfügungsklägerin hätte dann bei Frau nachfragen können, um sich zu diesem Vortrag zu erklären. Durch sein Prozessverhalten hat der Verfügungsbeklagte damit rechtsmissbräuchlich herbeigeführt, dass die Verfügungsklägerin sich hierzu nicht konkret erklären konnte bis und in der mündlichen Verhandlung. Die Bewilligung eines Schriftsatznachlasses oder eine -' Vertagung kommen im Einstweiligen Verfügungsverfahren in der Regel nicht in Betracht, so dass zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Gegenübers rechtsmissbräuchlich verspäteter Tatsachenvortrag nicht zu berücksichtigen ist- so auch der hier erfolgte Tatsachenvortrag im Schriftsatz vom 09.07.2015, soweit dieser vom Vortrag der Klägerin abwich. Folglich wäre der Verfügungsbeklagte schon aus prozessualen Gründen unterlegen gewesen im hypothetischen Falle der Fortsetzung des Verfahrens auf Basis des Vortrags der Verfügungsklägerin in der Antragsschrift. Kreutzmann Gersch Gerbaulet