SGMO - Schweizerische Gesellschaft für medizinische Onkologie Seminar: Neue Medikamente neue Nebenwirkungen Kardiovaskuläre Nebenwirkungen Prof. Thomas M. Suter, Leitender Arzt, Universitätsklink für Kardiologie, Kardio-Onkologie, Inselspital, 3010 Bern 1. Definitionen Wichtige kardiovaskuläre Nebenwirkungen von neuen onkologischen Medikamenten (auch Biologika genannt) umfassen Arrhythmien und QTc Verlängerung Myokardiale Ischämie Thromboembolien Kardiale Dysfunktion und Herzinsuffizienz Arterielle Hypertonie Neue onkologische Medikamente/Biologika mit entsprechenden Nebenwirkungen beinhalten o Trastuzumab (Herceptin ) o Lapatinib (Tyverb ) (Avastin ) (Sutent ) o Sorafenib (Nexavar ) BCR-ABL-Inhibitoren o Imatinib (Glivec ) o Dasatinib (Sprycel ) o Nilotinib (Tasigna ) 2. Arrhythmien und QTc Verlängerung Folgende Biologika können zu QTc Verlängerung führen: o Lapatinib (selten) 1
SRC-ABL-Inhibitoren o Dasatinib o Nilotinib Inzidenz zwischen 1-10 %, in Abhängigkeit von den genetischen Voraussetzungen und allfälligen weiteren Therapeutika, die ebenfalls QTc verlängern. EKG vor und während Therapie bei Beginn von anderen QTc-verlängernden Medikamenten bei Elektrolytverschiebungen (Erbrechen, Diarrhoe) bei Schwindel oder Synkopen Vor Beginn der Therapie Vorsicht bei Frauen mit einer QTc > 460 ms Männer mit einer QTc > 450 ms Während Therapie Pausieren der onkologischen Therapie bei Synkopen oder Schwindel mit Tachykardien Pausieren und Re-Evaluation der onkologischen Therapie bei einem QTc > 500 ms 3. Myokardiale Ischämie und Thromboembolien Folgende Biologika können zu myokardialer Ischämie oder Thromboembolien führen: o Sorafenib Die Häufigkeit ist schwierig abzuschätzen, weil viele der Daten von Patienten mit metastasierenden Leiden stammen und diese Patienten unabhängig von der Therapie eine höhere Inzidenz von Thromboembolien haben. Die beschriebenen Inzidenz in liegen zwischen 3 bis 12 %, wobei allem bei Bevacizumab-behandelten Patienten eine höhere Gefährdung besteht. Regelmässige klinische Kontrollen 2
Therapie gemäss gängigen Richtlinien. Es ist unklar, ob eine Prophylaxe mit Heparinpräparaten wirksam ist. 4. Myokardiale Dysfunktion und Herzinsuffizienz Gut bekannte Chemotherapeutika, die kardiale Dysfunktion und Herzinsuffizienz verursachen, sind die Anthrazykline (Doxorubizin, Epirubizin, Indarubizin, Mitoxantron). Diese führen typischerweise Monate bis Jahre (oft erst nach 5-7 Jahren) nach der initialen onkologischen Therapie zu Herzinsuffizienz mit einer ausgesprochen schlechten Prognose. Risikofaktoren für das Auftreten einer Anthrazykline-assoziierten Kardiotoxizität sind: 1. kumulative Dosis der Anthrazykline (Lebensdosis), 2. Alter (junge Kinder und ältere Patienten (> 65 jährig)), 3. vorbestehende kardiale Erkrankungen, 4. arterielle Hypertonie und 5. Kombinationstherapie mit anderen Chemotherapeutika oder thorakaler Radiotherapie Folgende Biologika können zu kardialer Dysfunktion und Herzinsuffizienz führen: o Trastuzumab o Lapatinib Trastuzumab: (Asymptomatische) kontraktile Dysfunktion 3 18 % o definiert als LVEF < 50% Herzinsuffizienz 0.6-4 % Lapatinib: Datenlage noch unklar, wahrscheinlich nicht häufiger als Trastuzumab Bevacizumab und Sunitinib: Datenlage noch unklar kontraktile Dysfunktion 1-3 % kontraktile Dysfunktion 8-15% (Single Center Studien) Herzinsuffizienz bis 10 % (Single Center Studien) Typischerweise treten diese Nebenwirkungen vor allem während der Therapie auf. Regelmässige klinische Kontrollen, insbesondere bezüglich Herzinsuffizienz -Symptomen und -Befunden. 3
Echokardiographische oder nuklear-medizinische Kontrollen (LVEF) o keine Risikofaktoren: vor und nach biologischer Therapie und bei Herzinsuffizienz o mit Risikofaktoren (Patient > 65 jährig, vorbestehende arterielle Hypertonie oder kardiovaskuläre Erkrankung): vor Chemotherapie, vor und nach Biologika-Therapie, bei Herzinsuffizienz o Hochrisiko Patienten (LVEF zwischen 50-55 % nach Chemotherapie): sechs monatlich während Biologika-Therapie, bei Herzinsuffizienz Trastuzumab und Lapatinib: Die Wahrscheinlichkeit einer Reversibilität ist hoch. Allerdings scheinen diese Medikamente auch eine Anthrazyklin-assoziierte Kardiotoxizität zu verschlimmern. In der Regel Weiterführen der onkologischen Therapie, sofern die LVEF nicht < 40% Pausieren der Biologika bei LVEF < 40 % und/oder Herzinsuffizienz versuchsweise ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor Blocker bei LVEF < 50 % (allerdings fehlende Evidenz) Bevacizumab oder Sunitinib: Datenlage ist für spezifische Empfehlungen ungenügend strikte Kontrolle vom Blutdruck bei Hypertonie versuchsweise ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor Blocker bei LVEF < 50 % (allerdings fehlende Evidenz) 5. Arterielle Hypertonie Inhibition des VEGF-Signalweges führt zu verminderter NO-Produktion in Endothelzellen. NO ist ein potenter Vasodilatator und dessen Hemmung führt zu arterieller Hypertonie in einem hohen Anteil der behandelten Patienten. Folgende Biologika können zu Hypertonie führen: o Sorafenib Da verschiedene Definitionen für Biologika-induzierte arterielle Hypertonie verwendet werden, ist die Variabilität der Daten beträchtlich. Die Inzidenz für anti-vegf-induzierte Hypertonie dürfte aber zwischen 5-45% liegen. Möglicherweise korreliert das Auftreten der Hypertonie mit der Effizienz der Therapie. Die Hypertonie scheint nach Absetzen der Biologika bei vielen Patienten reversibel zu sein. 4
Die arterielle Hypertonie kann jederzeit während der Behandlung auftreten. Der Blutdruck sollte bei Patienten die mit Anti-VEGF/Angiogenetika-Therapie zu folgenden Zeitpunkten bestimmet werden: vor der Behandlung bei Patienten ohne Risikofaktoren für eine arterielle Hypertonie o wöchentlich in den ersten 6 Behandlungswochen, danach 3-monatlich bei Patienten mit vorbestehender arterieller Hypertonie, kardiovaskulären Erkrankungen oder Risikofaktoren für eine arterielle Hypertonie o wöchentlich in den ersten 6 Behandlungswochen, danach 2-wöchentlich Ziel unter Therapie : Blutdruck < 140/90 mmhg Therapeutische Optionen: o Die Pathogenese der Anti-VEGF/Angiogenetika-induzierten Hypertonie ist noch weitgehend unklar; entsprechend basieren die Therapieempfehlungen auf pathophysiologischen Überlegungen o 1. Wahl: Kalziumantagonisten der 3. Generation Amlodipin, Felodipin Verapamil oder Diltiazem sollten wegen Metabolismus-Interaktionen nicht verwendet werden o 2. Wahl: möglicherweise besteht eine renovaskuläre Komponente bei der Anti- VEGF/Angiogenetika-induzierten Hypertonie ACE-Inhibitoren oder Angiotensinrezeptor Blocker o 3. Wahl: Diuretika 6. Weitere Informationen Kardio-Onkologische Sprechstunde Inselspital Bern e-mail: kardio-onkologie@insel.ch Prof. Thomas M. Suter, LA oder Dr. Stephan Zbinden, OA Kardiovaskuläre Nebenwirkungen der modernen medikamentösen Krebstherapie Zbinden S, Bühlmann M, Aebi S, Suter TM. Schweiz Med Forum. 2010;A10(08):143-147 www.cardio-oncology.ch www.cancerdrugs.ch 5