9 Einleitung Um es gleich vorwegzunehmen: Unter Selbstcontrolling verstehen wir controllinggerechtes Verhalten bzw. Controlling durch Unternehmerinnen und Unternehmer bzw. Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer selbst, das heißt ohne eigene interne oder externe Controllingstelle. Was versteht man unter Controlling? Controlling unterstützt das Management und ist somit eine Führungsfunktion. Controller sind auf allen Managementebenen Ansprechpartner für unternehmenspolitische, strategische und kaufmännische Weichenstellungen. Controlling in Unternehmen ist - in Abkehr von einer rein ökonomischen Betrachtungsweise - nur in einem interdiszip1inären, bereichsübergreifenden Kontext zu verstehen Außerdem ist es vorrangig als Konzept zur nachhaltigen Krisenvorbeugung und Erfolgssicherung zu betrachten und weniger als Krisenfeuerwehr; dennoch kann es auch in Sanierungs- und Tumaround-Situationen die Führung wirksam unterstützen. Controlling ist sowohl als Funktion als auch als Beruf branchenübergreifend in der mittelständischen Wirtschaft, in Großunternehmen, in Non-Profit-Organisationen und auch in öffentlichen Institutionen international etabliert. In typischen Kleinstunternehmen führt Controlling aber noch ein Schattendasein. In der deutschsprachigen Literatur findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Konzeptionen zu Controlling. Seit Jahren werden die Systeme des Controllings weiterentwickelt und immer komplexere Anforderungen an das Controlling herangetragen. Vor allem wurde aus den Basisaufgaben des Controllings, wie der Koordination der Erstellung von Plänen, der Gegenüberstellung von Ziel- und Ist-Werten und der Analyse der Abweichungen, mehr und mehr ein ganzheitliches Führungssystem ("Management by Controlling") geschaffen; dazu kam eine Vielzahl von Methoden ("Controller" s tool-box"), die im Controlling sinnvoll Einsatz finden können. Je komplexer die Systeme, Zusammenhänge und Methoden si:n<l umso größer ist die Herausforderung für Controllerinnen und Controller. Dies hat dazu geführt, dass Controlling in der Praxis hauptsächlich von ausgebildeten Expertinnen und Experten wahrgenommen wird. Je größer ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe ist, umso größer sind auch die Anforderungen an das Controlling bzw. an Controller und Controllerin. Und Controllingkonzepte wurden vorwiegend für Großunternehmen entwickelt (vgl. Gaedke/Wmterheller 2008, S. 23). Dabei fällt sofort eines auf: Brauchen nicht auch kleinere Unternehmen Controlling, wenn es schon bei größeren Einheiten nachweislich erfolgreich zum Einsatz kommt? Warum richtet sich Controlling fast immer nur an größere Organisationen? Die österreichische, deutsche und gesamteuropäische UnternehmensIandschaft wird von Kleinst- und Kleinunternehmen im Sinne der EU-Definition bestimmt.
10 Innerhalb der Kleinstunternehmen ist in den letzten Jahren die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) immer größer geworden. Diese Untemehmensforrn ist vor allern im DienstIeistungsbereich zu beachtlicher Bedeutung herangewachsen. Gründe sind unter anderem eine neue "GründerInnenrenaissance", andererseits geht dem Weg in die Selbständigkeit in vielen Fällen der Verlust des Arbeitsplatzes voraus. In. der Statistik der WIrtschaftskammer ÖSterreich bilden mittlerweile EPU die weitaus größte Gruppe unter den Kleinstunternehmen. Kleinstunternehmen sind aufgrund ihrer geringen personellen und finanziellen Ressourcen aber oft nicht in der Lage, ausreichend professionelles Controlling zu betreiben. Die dadurch fehlende Information und Entscheidungsunterstützung beeinträchtigen die optimale Unternehmensgestaltung, und dies bedroht das Überleben vieler Kleinstunternehmen. Zudem ist in Kleinstunternehmen die GeschäftsfUhrung häufig vollends in das operative Tagesgeschäft eingebunden. Dadurch erfolgen Planung und Kontrolle - wenn überhaupt - eher nur "auf Sicht". Fragen der strategischen und grundsätzlichen Ausrichtung des Unternehmens kommen dabei meist zu kurz. Angesichts des steigenden Wettbewerbs und der verschärften Marktbedingungen sind aber besonnene Analysen, klare Ziele, vorausschauende Planung, Risikoprävention, fundierte Information und begleitende Kontrolle entscheidende Erfolgskriterien. Für Kleinstunternehmen scheint es nicht möglich oder nicht leistb.n; ein Controllingsystem nach den Anforderungen des derzeitigen Stands der Entwicklung zu etablieren und erfolgreich zu betreiben. Als einzige betriebswirtschaftliche Steuenmgsinstrumente sind Jahresabschluss bzw. die Einnalunen-Ausgaben-Rechnung und der Bankauszug im Einsatz, allesamt mit vergangenheitsbezogenen Werten. Nur: Das reicht heute bei weitem nicht mehr aus, um Unternehmen effektiv und nachhaltig unter Kontrolle zu halten, Untemehmenskrisen rechtzeitig zu erkennen und vorausschauend zu handeln. Selbständige, EPU und Kleinstunternehmen müssen sich um mehr Managementqualität bemühen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Da sie sich naturgemäß eine eigene Controllingstelle nicht leisten können bzw. wollen, sollten sie versuchen, sich die Stärken und das Know-how von Controlling selbst anzueignen und einzusetzen ("Selbstcontrolling"). Es ist daher höchste Zeit, ein speziell auf Selbständige und Kleinstuntemehmen zugeschnittenes Führungs- und Controllingsystem zu entwickeln, das gleichermaßen durch Effizienz und Effektivität wie auch durch eine einfache Anwendung gekennzeichnet ist. Um ein möglichst treffsicheres Konzept entwickeln zu können, bedarf es einer aktuellen empirischen Erhebung über Stand und Bedarf an (Selbst-) Controlling in österreichischen Kleinstunternehmen. Ziel des Buchs ist es zu zeigen, dass systematisches Selbstcontrolling in Kleinstunternehmen gar nicht so anspruchsvoll sein muss, wenn man es systematisch und planvoll angeht und so einrichtet, dass zu jedem Zeitpunkt für die Führungskxaft mit wenig Aufwand ersichtlich ist, wie das Unternehmen strategisch und unter Vermögens-, Erfolgs- und Liquiditätsaspekten "dasteht". Seit über 15 Jahren forschen und!ehren Fachhochschulen auf dem Gebiet des Controllings und legen Schwerpunkte vor allem auf die praxisnahe Verwertung, Erweiterung und Vertiefung von Controllingwissen. Im vorliegenden Werk spiegeln sich Jahrzehnte praktischer Controllerarbeit
der Autoren sowie ihre Erfahrungen und die zahlreicher Controller und Controllerinnen wider. Die Autoren betrachten (Kleinst-)Unternehmen als Sammelbegriff für gewinn- und nicht-gewinnorientierte Institutionen, das sind NPOs und öffentliche Einrichtungen, aus der Sicht einer rnanagementorientierten Betriebswirtschaftslehre und als produktive, soziale Systeme. Der Text des vorliegenden Buchs folgt den Prinzipien des geschlechtergerechten Formulierens. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen im Verlag SpringetGabler war sehr harmonisch; dafür danken die Autoren. 11 Zum Aufbau des Buches Das vorliegende Fachbuch ist im Wesentlichen in sechs Kapitel gegliedert: Management im Kleinstunternehmen (Kapitell) Selbstcontrolling im Kleinstunternehmen (Kapitel 2) Empirische Studie über Controlling im Kleinstunternehmen (Kapitel 3) Objekte und Instrumente des operativen Selbstcontrollings (Kapitel 4) Instrumente für ein weiterentwickeltes Selbstcontrolling (Kapitel 5) Fallbeispiel eines Kleinstunternehmens (Kapitel 6). Dahinter steht folgendes dreiteiliges Konzept: Theorie: Es bedarf zunächst eines fundierten theoretischen Unterbaus; dieser wird in den Kapiteln 1 und 2 gelegt. Empirie: Die empirische Studie zum Bedarf an und zur Verbreitung von Controlling in Kleinstunternehmen ist Gegenstand von Kapitel 3. Praxis: Nach der Behandlung der Theorie und der Studienergebnisse werden in den Kapiteln 4 bis 6 praktisch handhabbare Instrumente des Selbstcontrollings in Kleinstunternehmen entwickelt und gezeigt. Dieses Handbuch folgt einer in Forschung. Lehre, Praxis entwickeltem, erfolgreichen Controllingkonzeption, anstatt sich in einer bloßen Aneinanderreihung von Controllingmethoden zu verlieren. Dieses Buch soll UnternehmerInnen zum Selbststudium ebenso dienen wie zum Nachschlagen in der täglichen betrieblichen Praxis. Es richtet sich vorrangig an Selbständige, Unternehmerinnen und Unternehmer (Mit-)Eigentümerinnen und Eigentümer, Gesellschafterin-
12 nen und Gesellschafter. Führungskräfte und Aufsichtsorgane von Kleinstbetrieben. sowie an freiberuflich Tätige und soll diese bei ihren Managementaufgaben unterstützen. Das Buch zeigt vorrangig, wie Sie mit Selbstcontrolling nachhaltig erfolgreich sein können, und wenige!; was Selbstcontroller alles können (sollten). Nur so ist es möglich, eine inhaltlich sehr umfangreiche Materie wie Controlling relativ kurz und prägnant darzustellen. Wie Sie mit diesem Buch arbeiten Am Anfang jedes Kapitels stehen - grau unterlegte - Kästen mit den Zielen des Kapitels; diese zeigen Ihnen. was Sie nach dem Durcharbeiten der einzeloen Kapitel an Erkenntnissen und Know-how erworben haben sollten. Jedes Kapitel enthält außerdem ein Fazit, das die wichtigsten Erkenntnisse des Kapitels übersichtlich und prägnant zusammenfasst. Wichtige Begriffe und Hervorhebungen im Text sind fett gedruckt; diese Wörter finden sich ausnahmslos auch im Glossar. Ein Literaturverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis runden das Buch ab. Für ein Handbuch instruktiv und wichtig siod die Vertiefung und Anwendung des Gelesenen und Erfahrenen in Form von Konzepten und Checklisten. Die vorgestellten Konzepte und Methoden sind anschaulich gehalten. Ein durchgehendes Fallbeispiel zeigt die Anwendung der vorgeschlagenen Instrumente des Selbstcontrollings im praktischen Einsatz. WIr wiinschen Thnen Freude und viele Erkenntnisse beim Lesen des Buchs und beim Arbeiten mit ihm. Die Autoren danken llmen schon jetzt für Kommentare und Verbesserungsvorschläge (helmut-siller@gmx.at; august.grausam@aon.at). Wien, im September 2012 Helmut SilleJ; August Grausam
http://www.springer.com/978-3-658-01041-6