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(1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

Transkript:

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Impressum Herausgeberin: DGB-Jugend Bayern Schwanthalerstr. 64 80336 München bayern.dgb.de/jugend info@dgb-jugend-bayern.de facebook.com/dgbjugendbay Redaktion: Anja Klingner, Christian Begass Datenanalyse: Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.v. Heiko Bennewitz und Oliver Dick isoplan-marktforschung GbR Saarbrücken / Berlin Jörg Kirchen, Markus Löhrhoff und Karsten Schreiber Gestaltung: Heiko von Schrenk Druck: Druckwerk Druckerei GmbH, München Titelfoto: style-photographs / istock Gefördert aus Mitteln des Bayerischen Jugendrings Dezember 2015 In dieser Studie trennen wir im Text die maskulinen und femininen Endungen eines Wortes durch einen Unterstrich zum Beispiel»Mechaniker_in«. Durch den Unterstrich entsteht ein Zwischenraum zwischen den männlichen und weiblichen Endungen. Dieser sogenannte»gender Gap«(Gender = das soziale Geschlecht, Gap = Lücke) ist ein Mittel der sprachlichen Darstellung, um Menschen in der Sprache einen Raum zu lassen, die nicht in die klassischen Geschlechterrollen von Männern und Frauen passen zum Beispiel Intersexuelle, Transsexuelle oder Crossdresser_innen. Auf diese Weise soll niemand unabhängig vom (sozialen) Geschlecht oder der eigenen Identität sprachlich ausgeschlossen werden. Denn Sprache beschreibt nicht nur gesellschaftliche Verhältnisse, sie ist auch ein Schlüssel für deren Veränderung. Aufgrund von Rundungen kommt es in der Summe teilweise zu geringen Abweichungen. 2 Ausbildungsreport Bayern 2015

Inhalt Vorwort 4 1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 6 2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 11 2.1 Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb 11 2.1.1 Einhalten des Ausbildungsplanes 12 2.1.2 Verrichtung von ausbildungsfremden Tätigkeiten 13 2.1.3 Ausbildungsnachweis 14 2.1.4 Fachliche Anleitung und Betreuung durch Ausbilder_innen 15 2.1.5 Die fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb 17 2.1.6 Die fachliche Qualität der Ausbildung in der Berufsschule 18 2.2 Ausbildungszeiten und Überstunden 19 2.2.1 Regelmäßigkeit von Überstunden 20 2.2.2 Freizeitausgleich oder Bezahlung von Überstunden 21 2.2.3 Wöchentliche Arbeitszeit 22 2.2.4 Anrechnung des Berufsschulunterrichts auf die Arbeitszeit 23 2.2.5 Blickpunkt Jugendarbeitsschutzgesetz 23 2.3 Ausbildungsvergütung 25 2.4 Persönliche Beurteilungen der Ausbildung 27 2.4.1 Zufriedenheit mit der Ausbildung 28 2.4.2 Zufriedenheit durch Interessenvertretung 30 2.4.3 Zufriedenheit durch Übernahme 31 2.4.4 Ausbildungsabbruch Der letzte Ausweg 33 3. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bewertung der Ausbildung 35 4. Schwerpunkt: Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Ausbildung 39 4.1 Auszubildende mit Migrationshintergrund 39 4.2 Bewertung der Ausbildung 43 5. Auswertungsverfahren und Methodik 48 6. Anhänge 49 Struktur der Stichprobe 49 Dr. Azubi fragt nach deiner Ausbildungszufriedenheit 51 Abbildungsverzeichnis 53 Ausbildungsreport Bayern 2015 3

Vorwort Der Abschluss einer dualen Berufsausbildung gilt in Bayern ebenso wie in der Bundesrepublik als wirksamer Schutz gegen Arbeitslosigkeit und somit als wichtige Voraussetzung für Teilhabe und ein gutes Leben. Seit einigen Jahren wird der dualen betrieblichen Ausbildung auch europaweit viel Beachtung geschenkt. Bei allem Lob für das»erfolgsmodell Duale Ausbildung«darf aber nicht vergessen werden, dass seit Jahren in manchen Bereichen erhebliche Mängel in der Umsetzung bestehen. Seit nunmehr vier Jahren macht die DGB-Jugend Bayern mit dem Ausbildungsreport auf diese bestehenden Mängel aufmerksam und leistet ihrerseits damit einen wichtigen Beitrag in der Debatte um die Qualität der Berufsausbildung. Auch 2015 liefert der Ausbildungsreport mit 1.806 von der DGB-Jugend Bayern schriftlich befragten Auszubildenden in 22 der 25 am häufigsten frequentierten Ausbildungsberufen (laut Bundesinstitut für Berufsbildung) eine fundierte Datengrundlage. Einen Blick auf den Ausbildungssektor in Bayern zeigt, dass Ausbildungsplätze unbesetzt und vor allem junge Menschen ohne Ausbildungsplatz bleiben. Immer deutlicher wird, dass ein Mittelschulabschluss allzu häufig nicht als Qualifikation für eine betriebliche Ausbildung genügt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl von jungen Menschen, die ein Studium einer beruflichen Erstausbildung vorziehen steigt. Auf der anderen Seite beklagen sich viele Betriebe über die Eignung der Bewerber_innen, sprechen von»nicht ausbildungsreifen«jugendlichen, die damit als potentielle Auszubildende verloren gehen. Während ein Teil der Arbeitgeber händeringend nach geeigneten Auszubildenden sucht haben andere die freie Auswahl und wieder andere beteiligen sich überhaupt nicht an der Ausbildung junger Menschen. Wir möchten mit unserem Ausbildungsreport die Frage aufwerfen, welche Rolle die Qualität der Ausbildung bezogen auf diese Entwicklungen, Widersprüche und Probleme hat: Denn wir haben den Auftrag, jungen Menschen den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen und sehen hierbei vor allem die Arbeit - geber in der Pflicht entsprechend, attraktive Angebote zu schaffen. So wurde die Problemlage erkannt und erste Schritte hierzu gibt es bereits. Politik, Sozialpartner, Wirtschaftsverbände und weitere arbeitsmarktpolitische Akteur_innen gehen nun seit Dezember 2014 einen gemeinsamen Weg in der»allianz für Aus- und Weiterbildung«. Auf Initiative der DGB-Gewerkschaften wurden konkrete Maßnahmen vereinbart, die zu mehr betrieblichen Ausbildungsplätzen, sowie zu einer besseren Vermittlung der Ausbildungsstellen führen sollen. Hinzu kommen Maßnahmen, die sowohl Jugendliche als auch Betriebe in der Vorbereitung und der Durchführung der Ausbildung unterstützen. Die Ausweitung der ausbildungsbegleitenden Hilfen (abh s) ist dabei ein ebenso wichtiger Schritt wie die Implementierung der Assistierten Ausbildung. Beide Gesetze wurden bereits im Mai dieses Jahres verabschiedet. Die Entwicklung eines für Auszubildende leicht zugänglichen und niedrigschwelligen Beschwerdemanagements bei auftauchenden Problemen ist ein weiteres wesentliches Element, welches die Gewerkschaften gemeinsam mit den Allianz-Partnern in den kommenden Monaten angehen werden. Am Ende wird sich die Allianz für Aus- und Weiterbildung aber nicht am geschriebenen Papier, sondern am konkreten Stand der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen messen lassen müssen und da bleibt einiges zu tun: Zwar zeigen die Ergebnisse des Ausbildungsreports in diesem Jahr erneut, dass der überwiegende 4 Ausbildungsreport Bayern 2015

Vorwort Teil der befragten Auszubildenden mit ihrer Ausbildung insgesamt zufrieden ist, jedoch in vielen Bereichen erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Es ist kein Zufall, dass sich unter den rund 25.000 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Berufsausbildungsstellen in Bayern, die nicht besetzt werden konnten, jene Berufe am häufigsten finden, die im Ranking des Ausbildungsreports am Schlechtesten abschneiden 1 : Kaufleute im Einzelhandel, Verkäufer_innen Köch_innen, Fachverkäufer_innen im Lebensmittelhandwerk, Hotelfachleute, Zahnmedizinische Fachangestellte, Kaufleute für Büromanagement und Friseur_innen. Die seit Jahren miserablen Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in diesen Branchen haben sich auch unter den Ausbildungssuchenden herumgesprochen. Hier bedarf es deutlich mehr Anstrengungen seitens der Wirtschaft für gute Ausbildungsbedingungen und gute Bezahlung. Dass, wie der Ausbildungsreport belegt, in vielen Bereichen nicht einmal die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten werden, ist ein alarmierendes Signal und stellt die Ausbildungsreife der Betriebe in Frage. 1 Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen. https://statistik.arbeitsagentur.de/ Statistikdaten/Detail/201508/iiia5/ ausb-ausbildungsstellenmarkt-mit-zkt/ ausbildungsstellenmarkt-mit-zkt-09-0- 201508-pdf.pdf Nicht zuletzt ist bei der Qualität der Ausbildung auch die Politik gefordert. Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte Novellierung des Berufsbildungsgesetzes muss zum Anlass für eine grund - legende Modernisierung der Berufsbildung genommen werden. Regelungslücken müssen geschlossen und für bestehende Probleme, die unter anderem der Ausbildungsreport aufzeigt, endlich ein gesetzlich verbindlicher Rahmen geschaffen werden. Die Gewerkschaftsjugend hat dafür einen umfangreichen Forderungskatalog beschlossen und wird sich in das Gesetzgebungsverfahren lautstark und kreativ einbringen. Wie in den vergangenen Jahren legt der Ausbildungsreport auch in diesem Jahr einen besonderen thematischen Schwerpunkt: Jugendliche mit Migrationshintergrund Matthias Jena Vorsitzender DGB Bayern Astrid Backmann Bezirksjugendsekretärin DGB Bayern Ausbildungsreport Bayern 2015 5

1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen Berufe mit den besten Bewertungen Berufe mit mittleren Bewertungen Berufe mit den schlechtesten Bewertungen Mechatroniker_in Zerspanungsmechaniker_in Industriekaufmann_frau Industriemechaniker_in Tischler_in 2 Fachkraft für Lagerlogistik Kaufmann_frau im Großund Außenhandel Elektroniker_in für Betriebstechnik Fachinformatiker_in Steuerfachangestellte_r KFZ-Mechatroniker_in Anlagenmechaniker_in Kaufmann_frau für Büromanagement Verkäufer_in Medizinische_r Fachangestellte_r Kaufmann_frau im Einzelhandel Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk Friseur_in Koch_Köchin Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r Hotelfachmann_frau Elektroniker_in Abbildung 1: Die Gesamtbewertung nach Ausbildungsberufen Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick Branche Die Bewertung der Ausbildungsqualität ist stark abhängig vom jeweiligen Ausbildungsberuf bzw. der Branche. Wie der Ausbildungsreport 2015 zeigt, gibt es zwischen diesen erhebliche Unterschiede. Auf den vorderen Rängen finden sich die angehenden Mechatroniker_innen, Zerspanungs mechaniker_in - nen und Industriekaufleute, die mit der Qualität ihrer Ausbildung überdurchschnittlich zufrieden sind. Entsprechend erreichen die drei Berufe durchweg sehr gute Beurteilungen bei allen Fragestellungen. Sehr gute Bewertungen Unverändert mit großen Problemen sehen sich viele Auszubildende im Hotel- und Gaststättenbereich konfrontiert. Angehende Köch_innen sowie Hotelfachleute finden sich auch in diesem Jahr auf den hinteren Plätzen wieder. Auch wenn mit Blick auf zentrale Probleme wie Arbeitszeiten und Überstunden im Vergleich zum Vorjahr leichte Verbesserungen festgestellt werden konnten, reichen diese offensichtlich nicht aus, um die Zufriedenheit der Auszubildenden in diesen Berufen grundlegend zu erhöhen: Probleme wie Arbeits - zeiten, Überstunden, eine oftmals fachlich ungenügende Anleitung, eine unterdurchschnittliche Ausbildungsvergütung und das Gefühl, ausgenutzt zu werden, bestimmen häufig weiterhin den Arbeitsalltag. Auch bei den Friseur_innen und den Zahnmedizinischen Fachangestellten hat sich wenig an den Rahmenbedingungen geändert, so dass diese sich ebenfalls erneut am unteren Ende des Gesamtrankings wieder- Mangelhafte Bewertungen 2 Keine der befragten Tischler_innen hat die Ausbildungsvergütung angegeben. Die Gesamtbewertung der Tischler_innen erfolgte daher ohne Einbeziehung der Ausbildungsvergütung. 6 Ausbildungsreport Bayern 2015

1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 finden. Besonders auffallend ist das schlechte Abschneiden der Elektroniker_innen, die in diesem Jahr am Ende des Rankings liegen, während sie im Vorjahr noch in der Spitzengruppe zu finden waren. Großbetriebe Betriebsgröße Nach wie vor gilt: Je größer der Betrieb, desto höher die Ausbildungszufriedenheit. Dass insbesondere die Großbetriebe sich positiv abheben, liegt zum einen an den guten personellen und materiellen Voraussetzungen, mit denen eine strukturierte und qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet werden kann und zum anderen an den vorhandenen kollektiven Mitbestimmungsstrukturen. Klein- und Kleinstbetriebe Klein- und Kleinstbetriebe hingegen stehen vor der Herausforderung, mit wenig Personal flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren zu müssen und binden ihre Auszubildenden überdurchschnittlich stark nach Auftragslage und weniger nach betrieblichem Ausbildungsplan in die Arbeit mit ein. Somit sind Auszubildende in kleinen Betrieben häufiger mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigt, während gleichzeitig die fachliche Anleitung darunter leidet. Ausbildungszufriedenheit Der Großteil der Auszubildenden (76,7 Prozent) ist mit seiner Ausbildung»zufrieden«oder sogar»sehr zufrieden«. Das ist erfreulich, kann aber nicht über die bestehenden Probleme der anderen Auszubildenden hinwegsehen lassen. Im Vergleich zum Vorjahr, als die Ausbildungsqualität auf den bislang niedrigsten im Rahmen des Ausbildungsreports ermittelten Wert gefallen war, ist sie allerdings deutlich gestiegen und markiert einen neuen Bestwert. Der Ausbildungsreport 2015 zeigt erneut deutlich auf, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Ausbildungszufriedenheit und den relevanten erfragten Kriterien zur Bestimmung der Ausbildungsqualität gibt. (E Kapitel 2.4.1) Entwicklung der Ausbildungszufriedenheit 75% 70% Abbildung 2: Entwicklung der Ausbildungszufriedenheit 2012: 75,0% 2013: 75,9% 2014: 73,4% 2015: 76,7% Ausbildungsreport Bayern 2015 7

1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 Ausbildungsfremde Tätigkeiten Mit 12,1 Prozent liegt der Anteil der Auszubildenden, die angaben, im Betrieb»immer«oder»häufig«ausbildungsfremde Tätigkeiten ableisten zu müssen, exakt auf dem Vorjahresniveau. Die längerfristige Entwicklung zeigt dabei, dass sich an diesem Problem in den zurückliegenden Jahren kaum etwas ver - ändert hat. (E Kapitel 2.1.2) Entwicklung der Häufigkeit von Ausübungen ausbildungsfremder Tätigkeiten 12% 2012: 7,9% 2013: 11,1% 2014: 12,1% 2015: 12,1% 7% Abbildung 3: Entwicklung der Häufigkeit von Ausübungen ausbildungsfremder Tätigkeiten Fachliche Anleitung Wie bereits in den zurückliegenden Jahren hat der größte Teil der Auszubildenden eine_n Ausbilder_in (91,3 Prozent). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass immerhin 8,7 Prozent kein_e Ausbilder_in an der Ausbildungsstelle zur Verfügung steht. Bei 9,2 Prozent der Auszubildenden mit Ausbilder_in ist diese_r»selten«bis»nie«präsent. (E Kapitel 2.1.4). Entwicklung des Anteils der Auszubildenden, die keine_n Ausbilder_in an ihrer Ausbildungsstelle haben 10% 2012: 6,8% 2013: 7,4% 2014: 6,5% 2015: 9,2% 5% Abbildung 4: Entwicklung des Anteils der Auszubildenden, die keine_n Ausbilder_in an ihrer Ausbildungsstelle haben 8 Ausbildungsreport Bayern 2015

1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 Überstunden Regelmäßige Überstunden gehören für viele Auszubildende noch immer zum Ausbildungsalltag. Mit 44,1 Prozent ist der Anteil der Befragten, die angaben, regelmäßig Überstunden zu leisten, erneut gestiegen. (E Kapitel 2.2.1). Entwicklung Überstunden 45% 40% Abbildung 5: Entwicklung Überstunden 2012: 38,5% 2013: 41,4% 2014: 43,1% 2015: 44,1% Jugendarbeitsschutz Für Auszubildende, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten bezüglich der Arbeitszeiten die gesetzlichen Vorgaben des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG). Trotz einer Begrenzung der erlaubten Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden gaben 14,8 Prozent der befragten Auszubildenden unter 18 Jahren an, durchschnittlich mehr als 40 Stunden zu arbeiten. Erkennbar gesunken, von 37,9 Prozent auf 27,9 Prozent, ist der Anteil der minderjährigen Auszubildenden, die regelmäßig Überstunden machen, für die allerdings nur gut die Hälfte (56,8 Prozent) einen Freizeitausgleich bekommt. Zumindest beim Thema Fünftagewoche scheint sich die Situation für viele Auszubildenden verbessert zu haben. So hat sich der Anteil der Auszubildenden unter 18 Jahren, die angaben, mehr als fünf Tage pro Woche im Betrieb zu arbeiten, im Vergleich zum Vorjahr von 9,7 Prozent auf 2 Prozent weiter deutlich reduziert. (E Kapitel 2.2.5) Entwicklung Jugendliche unter 18, die regelmäßig mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen 15% Abbildung 6: Entwicklung Jugendliche unter 18, die regelmäßig mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen 2013: 13,1% 2014: 11,6% 2015: 14,8% 10% Ausbildungsreport Bayern 2015 9

1. Die wichtigsten Ergebnisse 2015 Wahl des Ausbildungsberufs Die Wahl des richtigen Ausbildungsberufs ist eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf. Erfreulicherweise konnten 34,3 Prozent der im Ausbildungsreport befragten Auszubildenden ihren Wunschberuf und weitere 40,5 Prozent zumindest einen von mehreren für sie interessanten Berufen erlernen. Etwa ein Fünftel der Auszubildenden (19,1 Prozent) machte seine Ausbildung allerdings in einem Beruf, der eigentlich nicht geplant war, 6,1 Prozent bezeichneten ihren Ausbildungsberuf gar als eine»notlösung«. Die Auszubildenden in den»ungeplanten Berufen«sind deutlich seltener zufrieden mit ihrer Ausbildung (58,8 Prozent) als die Auszubildenden in ihren Wunschberufen (87,8 Prozent). Von den Auszubildenden, die ihren Ausbildungsberuf als»notlösung«bezeichneten, sind nur vier von zehn (40,6 Prozent) mit der Ausbildung zufrieden. Gerade bei diesen Auszubildenden ist die Gefahr einer Vertragslösung oder sogar eines Ausbildungsabbruchs entsprechend deutlich höher. Übernahme nach der Ausbildung Eine qualitativ gute Ausbildung ist die Voraussetzung für einen guten Start in die Arbeitswelt und den Übergang von der Ausbildung in ein reguläres Arbeitsverhältnis. Für viele junge Menschen gestaltet sich der Übergang von der Ausbildung in ein reguläres Arbeitsverhältnis sehr schwierig. 53 Prozent der Aus - zubildenden wussten zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht, ob sie im Anschluss an ihre Ausbildung übernommen werden. Nur jeder Vierte (39,9 Prozent) hatte bisher eine Zusage erhalten und 7,1 Prozent wussten bereits, dass sie nicht übernommen werden. Von den Auszubildenden mit Übernahmezusage erhielten immerhin drei Viertel (76,3 Prozent) eine unbefristete Zusage, die anderen hatten unterschiedliche Befristungen. Von den Auszubildenden, denen bereits eine klare Absage vorlag, hatten 43,4 Prozent zum Zeitpunkt der Befragung keinerlei konkrete Perspektive, wie es mit ihnen im Anschluss an ihre Ausbildung weitergehen wird. (E Kapitel 2.4.2) 10 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.1 Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb Indikatoren für das Ranking Berufe und Branchen In die Bewertung»Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb«gehen die Antworten zu folgenden Fragen in das Ranking ein: Vorhandensein und Verfügbarkeit von Ausbilder_innen am Arbeitsplatz, Zufriedenheit mit der Erklärung von Arbeitsvorgängen, Einhaltung des Ausbildungsplans, Verrichtung von ausbildungsfremden Tätigkeiten sowie die grundsätzliche Bewertung der fachlichen Ausbildungsqualität im Betrieb. Wie auch in der Gesamtbewertung kommt es hier zu großen Unterschieden zwischen den Ausbildungsberufen und den Branchen. So schnitten die angehenden Zerspanungsmechaniker_innen und Tischler_innen beim Thema»Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb«am besten ab. Die größten Probleme haben Köche_innen, Hotelfachleute und Elektroniker_innen. Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb nach Ausbildungsberufen Berufe mit den besten Bewertungen Berufe mit mittleren Bewertungen Berufe mit den schlechtesten Bewertungen Zerspanungsmechaniker_in Tischler_in Mechatroniker_in Industriemechaniker_in Steuerfachangestellte_r Industriekaufmann_frau Fachkraft für Lagerlogistik Fachinformatiker_in KFZ-Mechatroniker_in Friseur_in Anlagenmechaniker_in Verkäufer_in Kaufmann_frau im Großund Außenhandel Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r Kaufmann_frau im Einzelhandel Kaufmann_frau für Büromanagement Medizinische_r Fachangestellte_r Elektroniker_in für Betriebstechnik Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk Koch_Köchin Hotelfachmann_frau Elektroniker_in Abbildung 7: Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb nach Ausbildungsberufen Ausbildungsreport Bayern 2015 11

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.1.1 Einhalten des Ausbildungsplanes Für jeden Ausbildungsberuf gibt es nach 5 des Berufsbildungsgesetzes einen rechtlich bindenden Ausbildungsrahmenplan. Dieser sollte vom Betrieb in einen betrieblichen Ausbildungsplan übersetzt werden, in dem genau geregelt ist, in welchem Zeitraum welche Inhalte im Betrieb von wem vermittelt werden sollen. Üblicherweise wird der betriebliche Ausbildungsplan dem Ausbildungsvertrag beigefügt und den Auszu - bildenden ausgehändigt. Gesetzliche Regelung Von den befragten Auszubildenden haben nach eigenen Angaben 28 Prozent keinen betrieblichen Ausbildungsplan vorliegen und dies, obwohl die Ausgabe an die Auszubildenden zwingend vorgeschrieben ist. Wie bereits in den zurückliegenden Jahren gibt es auch hier große Unterschiede zwischen den Ausbildungsberufen. Während über 90 Prozent all der angehenden Industriemechaniker_innen, Industriekaufleute und Hotelfachleute einen Ausbildungsplan bekommen haben, konnten nur 33,3 Prozent der Anlagenmechaniker_innen, 29,6 Prozent der Friseur_innen und 26,3 Prozent der Zahnmedizinischen Fachangestellten diese Frage bejahen. Branchenunterschiede Vorliegen des betrieblichen Ausbildungsplans Etwas mehr als ein Viertel der befragten Auszubildenden hat keinen Ausbildungsplan. ja 72,0% nein 28,0% n=1.747 Abbildung 8: Vorliegen des betrieblichen Ausbildungsplans Von den 828 Auszubildenden, die ihren Ausbildungsplan»sehr gut«oder»gut«kennen, gaben 37,6 Prozent an, dass der Ausbildungsplan»immer«eingehalten wird. Es wurden bewusst nur diese Auszubildenden berücksichtigt, da nur sie auch tatsächlich beurteilen können, ob die Ausbildungspläne eingehalten werden. Die Vermutung liegt nahe, dass der Ausbildungsplan bei den Auszubildenden, die diesen nicht kennen oder gar keinen zusammen mit dem Ausbildungsvertrag erhalten haben, noch seltener eingehalten wird und die Auszubildenden somit noch viel häufiger ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten müssen. Einhalten des Ausbildungsplans 12 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Einhalten des Ausbildungsplans Bei 3,5 Prozent wird der Ausbildungsplan»selten«oder»nie«eingehalten, nur bei gut einem Drittel der Auszubildenden»immer«. häufig 49,6% immer 37,6% manchmal 9,4% selten 2,8% nie 0,7% Abbildung 9: Einhalten des Ausbildungsplans n=828 2.1.2 Verrichtung von ausbildungsfremden Tätigkeiten Wird der Ausbildungsplan nicht eingehalten, werden Auszubildende häufig während ihrer Ausbildungszeit zu Tätigkeiten herangezogen, die nicht im Ausbildungsrahmenplan vorgesehen sind. Die Inhalte, die in diesem Zeitraum nicht erlernt werden, müssen dann entweder mit Überstunden»aufgeholt«oder können im schlimmsten Fall gar nicht vermittelt werden. Beide Optionen sind für die Auszubildenden von Nachteil. Oftmals handelt es sich bei den ausbildungsfremden Tätigkeiten dann um frustrierende Aufgaben. Nicht selten kommt es vor, dass sogar private Aufträge von Vorgesetzten ausgeführt werden müssen. Selbst wenn die Wissenslücken in der Prüfung nicht auffallen, werden diese dann im Einstieg ins Berufsleben schonungslos aufgedeckt mit allen verbundenen Konsequenzen. Häufigkeit ausbildungsfremder Tätigkeiten Knapp ein Drittel (31,5 Prozent) der befragten Auszubildenden, die ihren Ausbildungsplan»sehr gut«oder»gut«kennen und objektiv einschätzen können, ob eine zu verrichtende Tätigkeit tatsächlich ausbildungsfremd ist, gab an,»nie«für ausbildungsfremde Tätigkeiten eingesetzt zu werden. Dabei regelt das Berufsbildungsgesetz eindeutig, welche Aufgaben und Tätigkeiten zu den Pflichten eines_einer Auszubildenden gehören. In weiten Teilen der Praxis sieht es aber nach wie vor anders aus: So geben 12,1 Prozent der Auszubildenden an,»immer«bzw.»häufig«mit ausbildungsfremden Tätigkeiten befasst zu sein. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen. So müssen beispielsweise 25 Prozent der Steuerfachangestellten»immer«bzw.»häufig«ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten, während dies bei keiner der befragten Friseur_innen der Fall war. Ausbildungsreport Bayern 2015 13

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Ausbildungsfremde Tätigkeiten selten 36,9% 12,1 Prozent der Auszubildenden müssen»immer«oder»häufig«ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben. Knapp ein Drittel muss dies nie machen. nie 31,5% manchmal 19,5% häufig 8,7% immer 3,4% n=829 Abbildung 10: Ausbildungsfremde Tätigkeiten Die Gewerkschaftsjugend fordert Verstöße und die Nichteinhaltung gesetzlicher Regelungen und Verordnungen sind keine Kavaliersdelikte, sondern Gesetzesverstöße. Dafür sind regelmäßige Kontrollen durch die zuständigen Stellen (i.d.r. die Kammern) notwendig. In gravierenden Fällen darf dabei auch vor Sanktionen nicht zurückgeschreckt werden. Wenn die zuständigen Stellen und die Kammern aufgrund ihrer Doppelfunktion ihrer Kontrollfunktion nicht nachkommen können, müssen unabhängige Stellen geschaffen werden. 2.1.3 Ausbildungsnachweis Die Ausbildungsordnungen der meisten Berufe schreiben das Führen von schriftlichen Ausbildungsnach - weisen (Berichtsheften) als Teil der Berufsausbildung vor. Die Auszubildenden sollen darin alle Tätigkeiten eintragen, die sie während der Ausbildung im Betrieb oder in der Berufsschule ausgeübt haben. Das Berichtsheft dient damit als Dokumentation der Ausbildung und ist als Nachweis für die Zulassung zur Abschlussprüfung notwendig. Die Einträge müssen regelmäßig vom Ausbildungsbetrieb kontrolliert und gegengezeichnet werden. Für die Auszubildenden bietet das Berichtsheft eine gute und einfache Über - prüfung des eigenen Lernstandes, da die Gegenüberstellung des eigenen Berichtsheftes mit dem betrieb - lichen Ausbildungsplan schnell verdeutlicht, welche Ausbildungsinhalte noch fehlen. Werden wichtige Ausbildungsinhalte nicht vermittelt, dient der Ausbildungsnachweis auch als juristisch verwertbares Dokument bei eventuellen Streitigkeiten zwischen Auszubildenden und Betrieben. Bedeutung des Berichtsheftes 14 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Führen des Berichtsheftes Der Arbeitgeber muss den Auszubildenden während ihrer Arbeitszeit die Möglichkeit geben, das Berichtsheft zu führen, da es integraler Bestandteil der Ausbildung ist. Trotz dieser eindeutigen Regelung gaben 32,3 Prozent der Auszubildenden an, ihren Ausbildungsnachweis»nie«während der Ausbildungszeit zu führen, weitere 10,9 Prozent machen dies nur»selten«. Starke Unterschiede sind hier zwischen den einzelnen Berufen festzustellen. Während nur 8,2 Prozent der Industriemechaniker_innen ihren Ausbildungsnachweis»nie«während der Ausbildungszeit führen, sind es beispielsweise bei den angehenden Frieseur_innen 64,7 Prozent und bei den Medizinischen Fachangestellten 66,7 Prozent. Je nach Beschaffenheit der Ausbildungsstätte bzw. des Betriebs mag es sein, dass die Möglichkeit, das Berichtsheft dort zu führen, nicht immer gegeben ist oder die Bedingungen nicht optimal sind. Wenn das Berichtsheft allerdings schon zu Hause geführt wird, ist zumindest zu erwarten, dass Aus - zubildende dies als Ausbildungszeit anerkannt bekommen. Nichtsdestotrotz empfiehlt sich das Ausfüllen des Berichtsheftes im Betrieb, da dort Rücksprachen mit dem oder der Ausbilder_in sowie eine effektivere Orientierung am betrieblichen Ausbildungsplan möglich sind. 2.1.4 Fachliche Anleitung und Betreuung durch Ausbilder_innen Gesetzliche Grundlage Präsenz der Ausbilder_innen Folgen fehlender Ansprechbarkeit Betreuung durch Ausbilder_innen Im Berufsbildungsgesetz ist die Frage der fachlichen Anleitung klar definiert. Nach 28, Abs. 1 darf nur ausbilden, wer»persönlich und fachlich geeignet ist«. Allerdings wird in der Ausbildungspraxis in vielen Betrieben davon abgewichen. Der überwiegende Teil der Befragten gibt zwar an, formal ihnen zugeteilte Ausbilder_innen zu haben (91,3 Prozent), doch sind sie bei 9,2 Prozent dieser Azubis»selten«bis»nie«präsent. Die Größe des Ausbildungsbetriebs spielt dabei kaum eine Rolle, denn dieser Anteil variiert kaum zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Sind die Ausbilder_innen nicht ansprechbar, sind die Auszubildenden darauf angewiesen, dass ihnen hilfsbereite (aber evtl. fachlich nicht geeignete) Kolleg_innen ihre Unterstützung anbieten. Noch schlimmer ist es, wenn Auszubildende in der Praxis darauf angewiesen sind, sich das Wissen selbst anzueignen ohne die Möglichkeit nachfragen zu können. Dabei wird häufig an ihre Flexibilität und Eigenverantwortlichkeit appelliert, dabei wissen die Vorgesetzten häufig selbst, dass dies an vielen Stellen in einem Lernverhältnis wie einer Berufsausbildung schlicht nicht möglich ist. Dementsprechend fällt auch die Zufriedenheit der Auszubildenden mit den Erklärungen der Arbeitsvorgänge unterschiedlich aus: 86,1 Prozent der Auszubildenden, deren Ausbilder_innen»häufig«oder»immer«vor Ort sind, sind mit den Erklärungen zufrieden, wohingegen nur 10,7 Prozent der Auszubildenden, deren Ausbilder_innen»selten«oder»nie«ansprechbar sind, damit zufrieden sind. Von den Auszubildenden, die Ausbilder_innen haben, gaben fast drei Viertel (74 Prozent) an, dass sie»immer«oder»häufig«eine gute Betreuung erhalten. Dagegen bekommen 10,5 Prozent eher»selten«bzw.»nie«etwas beigebracht. Intensives Erklären und»sich Zeit nehmen«für Nachfragen sind jedoch unerlässliche Kriterien für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Berufsausbildung. Die hohe Unzufriedenheit vieler Jugendlicher mit ihrem Ausbildungsplatz spiegelt sich auch in der hohen Zahl an Vertragslösungen Ausbildungsreport Bayern 2015 15

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität wider: Jede_r vierte Auszubildende 3 in Deutschland löst seinen_ihren Ausbildungsvertrag vor dem Ende der vorgesehenen Ausbildungsdauer auf. Eine zentrale Rolle spielen dabei Probleme mit Ausbilder_innen 4. Werden Ausbildungsinhalte schlecht vermittelt, fühlen sich die Jugendlichen allein gelassen und bei mög - lichen Fehlern zu Unrecht kritisiert. Mit dem Wissen darüber, dass dringend benötigtes Fachwissen fehlt, steigen der Prüfungsdruck und die Angst, nicht gut genug ausgebildet zu werden. 3 vgl. Berufsbildungsbericht 2015, S. 60: Im Jahr 2013 wurden bundesweit 148.914 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst, dies entspricht einer Lösungsquote von 25 Prozent. 4 vgl. BIBB-Report 21/13, S. 8 Betreuung durch Ausbilder_innen häufig 37,0% 10,5 Prozent der Auszubildenden werden selten oder nie durch ihre_n Ausbilder_in betreut. immer 37,0% manchmal 15,5% selten 7,5% nie 3,0% n=1.623 Abbildung 11: Betreuung durch Ausbilder_innen 16 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.1.5 Die fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb Ein Großteil (75 Prozent) der befragten Auszubildenden ist mit der fachlichen Qualität in ihrem Ausbildungsbetrieb zufrieden und bewertet sie mit»gut«oder»sehr gut«. Das bedeutet, dass diese Jugendlichen sich gut aufgehoben fühlen und mit dem Niveau ihrer Ausbildung zufrieden sind. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein leichter Zuwachs um über zwei Prozentpunkte. Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb 7,5 Prozent der Auszubildenden sind mit der Qualität der Ausbildung im Betrieb überhaupt nicht zufrieden. gut 45,7% sehr gut 29,3% befriedigend 17,5% Abbildung 12: Fachliche Qualität der Ausbildung im Betrieb ausreichend 5,2% mangelhaft 2,3% n=1.759 Betriebsgröße Auch die Betriebsgröße spielt bei der Frage nach der fachlichen Qualität wieder eine zentrale Rolle. So beurteilen 71,2 Prozent der befragten Auszubildenden aus kleinen Betrieben mit 1 bis 20 Beschäftigten die fachliche Qualität als»sehr gut«oder»gut«. In Großbetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten waren dies hingegen 84 Prozent. Ausbildungsreport Bayern 2015 17

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.1.6 Die fachliche Qualität der Ausbildung in der Berufsschule Die Berufsschule spielt im Rahmen der dualen Ausbildung eine wichtige Rolle, die keinesfalls unterschätzt werden darf. Neben dem Betrieb ist sie der zweite, eigenständige Lernort für die Auszubildenden. Sie vertieft das im Betrieb erlangte praktische Wissen, vermittelt eine berufliche Grund- und Fachbildung und legt darüber hinaus einen Schwerpunkt auf allgemeine Bildung. Zudem bietet die Berufsschule den Auszubildenden die Möglichkeit, ihren Wissensstand mit dem anderer Kolleg_innen aus verschiedenen Betrieben zu vergleichen. Ebenso werden Lehrer_innen im Fall von Defiziten oder anderen Problemen im Ausbildungs - alltag oftmals als Vermittler_innen zwischen Auszubildendem und Betrieb aktiv und leisten damit immens wichtige und allzu oft ehrenamtliche Arbeit, die unter anderem dazu führt, dass Ausbildungsabbrüche vermieden werden können. Bedeutung der Berufsschule Die Mehrheit der befragten Auszubildenden (62,3 Prozent) betrachtet die fachliche Qualität des Unterrichts in der Berufsschule als»gut«oder»sehr gut«. Ein Viertel bezeichnet die Unterrichtsqualität als»befriedigend«(25,3 Prozent), und immerhin 12,3 Prozent bewerten sie nur mit»ausreichend«oder»mangelhaft«. Beurteilung der Qualität des Berufsschulunterrichts Fachliche Qualität der Berufsschule gut 51,2% befriedigend 25,3% Nur 62,3 Prozent der Auszubildenden finden die Qualität ihres Berufsschulunterrichts»gut«oder»sehr gut«. sehr gut 11,1% ausreichend 7,9% mangelhaft 4,4% n=1.746 Abbildung 13: Fachliche Qualität der Berufsschule 18 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.2 Ausbildungszeiten und Überstunden Gesetzliche Regelung Auszubildende befinden sich in einem Lern- und keinem Arbeitsverhältnis. Sie haben einen Ausbildungs - vertrag unterschrieben und sind laut Berufsbildungsgesetz im Betrieb, um den Ausbildungsberuf zu erlernen. Da der Ausbildungsrahmenplan genauestens die notwendigen Inhalte zeitlich vorschreibt, sind grundsätzlich keine Überstunden notwendig. Die Gewerkschaftsjugend fordert In den vergangenen Jahren wurde die Durchlässigkeit des Bildungssystems vorwiegend im Kontext von einer Verkürzung oder Anrechnung von Ausbildungszeiten diskutiert. Übersehen wurden häufig junge Menschen, die mehr Ausbildungszeit benötigen. Um individuelle Ausbildungsarrangements zu stärken, müssen die Möglichkeiten nach 8 Berufsbildungsgesetz nach einer Verlängerung der Ausbildungszeit besser ausgeschöpft werden. Die entstandenen Defizite durch Überstunden ausgleichen zu wollen, ist daher der falsche Ansatz und entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck eines Lernverhältnisses. Indikatoren für das Ranking In die Bewertung»Ausbildungszeiten und Überstunden«fließen die folgenden Aspekte ein: Nacharbeit der Zeiten des Berufsschulunterrichts, regelmäßig zu leistende Überstunden, Anzahl der Überstunden und die Frage nach der Vergütung bzw. dem Freizeitausgleich von Überstunden. Ausbildungszeiten und Überstunden nach Ausbildungsberufen Berufe mit den besten Bewertungen Berufe mit mittleren Bewertungen Berufe mit den schlechtesten Bewertungen Mechatroniker_in Kaufmann_frau im Großund Außenhandel Industriekaufmann_frau Zerspanungsmechaniker_in Elektroniker_in für Betriebstechnik Fachkraft für Lagerlogistik Anlagenmechaniker_in Tischler_in Steuerfachangestellte_r Industriemechaniker_in Kaufmann_frau für Büromanagement Medizinische_r Fachangestellte_r Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk Fachinformatiker_in KFZ-Mechatroniker_in Kaufmann_frau im Einzelhandel Verkäufer_in Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r Friseur_in Koch_Köchin Elektroniker_in Hotelfachmann_frau Abbildung 14: Ausbildungszeiten und Überstunden nach Ausbildungsberufen Ausbildungsreport Bayern 2015 19

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.2.1 Regelmäßigkeit von Überstunden 44,1 Prozent der befragten Auszubildenden leisten regelmäßig Überstunden. Die Unterschiede zwischen den Ausbildungsberufen sind an dieser Stelle ganz besonders deutlich. So gaben beispielsweise 75 Prozent der befragten Fachinformatiker_innen, 69,6 Prozent der Zahnmedizinischen Fachangestellten und 58,7 Prozent der Elektroniker_innen an, regelmäßig Überstunden ableisten zu müssen. Diese Berufe liegen deutlich über dem Durchschnitt der untersuchten Berufe und weisen auf eine deutliche Missachtung geltender gesetzlicher und tarifvertraglicher Regelungen hin. Demgegenüber gaben nur 14,3 Prozent der angehenden Tischler_innen an, regelmäßig länger arbeiten zu müssen. Branchenunterschiede Regelmäßigkeit von Überstunden 44,1 Prozent der Auszubildenden müssen regelmäßig Überstunden machen. nein 55,9% ja 44,1% n=1.768 Abbildung 15: Regelmäßigkeit von Überstunden Ausmaß der Überstunden 20 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Unter denjenigen, die angeben, regelmäßig Überstunden machen zu müssen, ergibt sich folgende Verteilung. Überstunden pro Woche Wenn Überstunden anfallen, sind es bei jedem achten Auszubildenden mehr als 5 pro Woche. 1 5 6 10 10,4% 87,4% 11 15 0,7% Abbildung 16: Überstunden pro Woche 16 20 mehr als 20 0,4% 1,2% n=730 Durchschnittswert Betriebsgröße Es ist erschreckend, dass es Auszubildende gibt, die regelmäßig mehr als 20 Überstunden pro Woche leisten (1,2 Prozent). Der Durchschnittswert liegt bei rund 4 Stunden. Dabei liegen beispielsweise angehende Hotelfachleute, Köch_innen und Steuerfachangestellte mit mehr als durchschnittlich 6 Stunden am oberen Ende der Skala. Die niedrigsten durchschnittlichen Überstunden müssen die befragten Tischler_innen (1,5 Stunden) sowie Mechatroniker_innen (2,6 Stunden) leisten. Nur schwach ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen dem Anteil der Auszubildenden, die regelmäßig Überstunden leisten müssen, und der Betriebsgröße: So gaben von den Auszubildenden aus Firmen mit bis zu 20 Beschäftigten 41,7 Prozent an, regelmäßig Überstunden ableisten zu müssen. In Großbetrieben mit mehr als 500 Beschäftigten liegt dieser Anteil bei 53,7 Prozent. 2.2.2 Freizeitausgleich oder Bezahlung von Überstunden Gesetzliche Regelung Wie bereits beschrieben, sollten Überstunden in der Ausbildung eigentlich überhaupt nicht anfallen. Passiert dies doch, gibt es im Berufsbildungsgesetz ( 17) eine klare gesetzliche Regelung zum Umgang mit den Überstunden. Diese besagt, dass Überstunden»besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen«sind. Doch auch hier gibt es einen Unterschied zwischen gesetzlicher Regelung und Ausbildungspraxis. Ausbildungsreport Bayern 2015 21

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Etwas mehr als zwei Drittel (68,9 Prozent) der Befragten geben an, die geleisteten Überstunden entweder finanziell vergütet zu bekommen (6,3 Prozent) oder die Möglichkeit zu haben, sie durch zusätzliche Freizeit auszugleichen (62,6 Prozent). 13,8 Prozent der Befragten erhalten allerdings keinerlei Ausgleich für die geleisteten Überstunden. Überstundenausgleich Oftmals regeln Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen, wie mit dem Ausgleich von Überstunden umgegangen werden soll. Wenn diese nicht vorhanden sind, scheuen es Auszubildende häufig, den_die Ausbilder_in darauf anzusprechen. Hinzu kommt, dass Überstunden in einigen Berufen als»normal«angesehen werden und dies dann auch für Auszubildende gilt. So gab beispielsweise weniger als die Hälfte der befragten Zahnmedizinischen Fachangestellten, Tischler_innen und Verkäufer_innen an, einen Ausgleich für geleistete Überstunden zu erhalten. In anderen Ausbildungsberufen hingegen ist der Ausgleich von Überstunden gängige Praxis: So bekommen beispielsweise 93,4 Prozent der angehenden Mechatroniker_innen ihre Überstunden entweder in Form eines Freizeitausgleichs oder finanziell vergütet. Branchenunterschiede 2.2.3 Wöchentliche Arbeitszeit Die teilweise hohen Überstunden haben Auswirkungen auf die wöchentliche Arbeitszeit. Der Großteil der Auszubildenden arbeitet wöchentlich bis zu 40 Stunden (83,2 Prozent). Immerhin 16,8 Prozent der Befragten gaben jedoch an, wöchentlich mehr als 40 Stunden zu arbeiten. Selbst regelmäßige wöchentliche Arbeitszeiten von mehr als 45 Stunden gehören für immerhin 4,2 Prozent der Befragten zum Alltag. Wöchentliche Arbeitszeit Das ist bei weitem mehr, als das Jugendarbeitsschutzgesetz vorgibt. Dort wird in 8 geregelt:»minderjährige Auszubildende dürfen nicht mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten.«und das Arbeitszeitgesetz Gesetzliche Regelung Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bis 40 Stunden 83,2% 16,8 Prozent der Auszubildenden müssen mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten. über 40 Stunden 16,8% n=1.735 Abbildung 17: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 22 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität ergänzt für alle volljährigen Arbeitnehmer_innen in 3:»Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.«gesetzlicher Anspruch und Wirklichkeit gehen jedoch in vielen Betrieben weit auseinander. Wöchentliche Arbeitstage Weniger Anlass zu Kritik gibt die Anzahl der Arbeitstage, die Auszubildende im Betrieb verbringen müssen. So gaben nur insgesamt 4,3 Prozent der befragten Auszubildenden an, an mehr als fünf Tagen pro Woche im Betrieb zu arbeiten. Im Vorjahr waren dies noch 11,4 Prozent. 2.2.4 Anrechnung des Berufsschulunterrichts auf die Arbeitszeit Viele Unternehmen sind der Ansicht, dass sich die im Ausbildungsvertrag festgeschriebene Arbeitszeit ausschließlich auf den betrieblichen Ausbildungsteil bezieht. In dieser Vorstellung müssten die Berufsschul - zeiten dann also noch auf die betriebliche Ausbildungszeit angerechnet werden. 3,3 Prozent der Befragten gaben an, die Zeiten des Berufsschulunterrichts»immer«oder»häufig«im Betrieb nacharbeiten zu müssen, bei weiteren 11,4 Prozent ist dies immerhin»manchmal«oder»selten«der Fall. Die Gewerkschaftsjugend fordert Gemäß 15 Berufsbildungsgesetz sind Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen, nach 19, Abs. 1 ist für diesen Zeitraum die Ausbildungsvergütung fortzuzahlen. Dabei wird in dieser Frage seit 1997 zwischen minder- und volljährigen Auszubildenden unterschieden. Es bedarf daher einer einheitlichen Regelung für alle Auszubildenden, die dem 9 des Jugendarbeitsschutzgesetzes entspricht. Die Berufsschulzeit muss für alle Auszubildenden inklusive der Wege- und Pausenzeiten vollständig auf die betriebliche Ausbildungszeit angerechnet werden. Diese Regelungslücke muss bei der anstehenden Novellierung des Berufsbildungsgesetzes unbedingt berücksichtigt werden. 2.2.5 Blickpunkt Jugendarbeitsschutzgesetz Gesetzliche Regelung Verstöße gegen das Gesetz Auszubildenden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gewährt das Jugendarbeitsschutz - gesetz einen besonderen Schutz unter anderem wie unter Punkt 2.2.3 erwähnt in puncto Arbeitszeit. Darüber hinaus ist geregelt, dass Jugendliche gemäß 15 nur an fünf Tagen in der Woche arbeiten dürfen, sie für die Berufsschule von der Arbeit freigestellt werden müssen und die Berufsschulzeit auf die Arbeitszeit angerechnet wird ( 9). Umso erstaunlicher ist es daher, dass trotz dieser weitreichenden gesetzlichen Regelungen noch immer 14,8 Prozent der befragten Auszubildenden unter 18 Jahren angaben, durchschnittlich mehr als 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Die 5-Tage-Woche scheint jedoch mittlerweile für fast alle Auszubildenden Ausbildungsreport Bayern 2015 23

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der unter 18-jährigen Auszubildenden bis 40 Stunden 85,2% 14,8 Prozent der unter 18- jährigen Auszubildenden, müssen mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten. über 40 Stunden 14,8% n=656 Abbildung 18: Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der unter 18-jährigen Auszubildenden unter 18 Jahren die Regel zu sein, da nur 2 Prozent der minderjährigen Auszubildenden angaben, entgegen der gesetzlichen Vorgaben, an mehr als fünf Tagen pro Woche im Betrieb zu arbeiten. Auch andere Vorgaben des Jugendarbeitsschutzgesetzes werden oftmals missachtet: So beträgt der Anteil der befragten jugendlichen Auszubildenden, die nach eigenen Angaben die Zeiten des Berufsschulunterrichts zumindest in einzelnen Fällen im Betrieb nacharbeiten müssen, 11,6 Prozent. Nacharbeiten der Berufsschulzeiten Die Gewerkschaftsjugend fordert Die Aufsichtsbehörden müssen aktiv Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz ahnden. Die hohe Anzahl an Verstößen zeigt, dass es sich dabei keinesfalls um Einzelfälle handelt, sondern in manchen Branchen Alltag ist. Dafür müssen bei den zuständigen Behörden mehr Personal eingesetzt und die Kontrollen deutlich verstärkt werden. In gravierenden Fällen darf auch nicht vor Sanktionen zurückgeschreckt werden, die bis hin zum Entzug der Ausbildereignung reichen können. Es darf keine Bereiche und Branchen geben, in denen das Jugendarbeitsschutzgesetz nicht gilt oder ausgehebelt wird. Vor dem Hintergrund eines immer weiter ansteigenden Eintrittsalters in die Ausbildung von mittlerweile 20,1 Jahren ist eine Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf alle Auszubildenden zu einem allgemeinen Ausbildungsschutzgesetz notwendig. Zum besseren Schutz der jungen Menschen sind darüber hinaus die bestehenden Öffnungsklauseln und Ausnahmeregelungen aus dem Gesetz zu streichen sowie die bisherigen Höchstgrenzen für die Schichtzeit von Jugendlichen und Auszubildenden zu verkürzen. 24 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.3 Ausbildungsvergütung Gesetzliche Regelung Auszubildende haben nach 17 Berufsbildungsgesetz den gesetzlich abgesicherten Anspruch, während ihrer Ausbildung eine»angemessene Vergütung«zu erhalten. In 17 Abs. 1 heißt es weiter, die Ausbildungsvergütung sei»nach dem Lebensalter der Auszubildenden so zu bemessen, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigt.«nach der aktuellen Rechtsprechung hat die Ausbildungsvergütung dabei drei wesentliche Funktionen. Sie soll a während der Ausbildung eine finanzielle Hilfe sein, a die Ausbildung qualifizierter Nachwuchsfachkräfte sichern und a eine Entlohnung darstellen. Darüber hinaus drückt eine angemessene Vergütung eine Anerkennung gegenüber den Auszubildenden und ihrem Engagement aus und trägt damit zu ihrer Motivation bei. Rolle der Tarifverträge Durchschnittliche tarifliche Vergütung 5 vgl. BIBB : Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2014: Deutliche Erhöhung in West und Ost Für tarifgebundene Ausbildungsbetriebe sind die tariflichen Vergütungen verbindliche Mindestbeträge, d.h., niedrigere Zahlungen sind hier unzulässig, übertarifliche Zuschläge dagegen möglich. Bei den nichttarifgebunden Betrieben darf nach derzeitiger Rechtsprechung die in Branche und Region geltende tarif - liche Ausbildungsvergütung um maximal 20 Prozent unterschritten werden. Die Datenbank Ausbildungsvergütungen beim Bundesinstitut für Berufsbildung hat auf der Grundlage der unterschiedlichen Vereinbarungen aus über 600 Tarifbereichen in Deutschland die tariflichen Vergütungsdurchschnitte pro Beruf ermittelt. Demnach erhöhten sich 2014 die tariflichen Ausbildungsvergütungen für die Auszubildenden bundesweit über alle Ausbildungsjahre hinweg um 4,5 Prozent auf einen Gesamtdurchschnitt von 795 Euro 5. Im Durchschnitt (über alle Berufe und drei Ausbildungs - jahre) haben die befragten Auszubildenden im Monat 740 Euro Ausbildungsvergütung erhalten. Deutlich weniger als die durchschnittliche tariflich geregelte Ausbildungs - vergütung. Durchschnittliche Ausbildungsvergütung (brutto) nach Ausbildungsjahr 706 Euro 774 Euro 804 Euro Gesamt 740 Euro Abbildung 19: Ausbildungsvergütung (brutto) nach Ausbildungsjahr (Durchschnittswerte) 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr n=1.637 Ausbildungsreport Bayern 2015 25

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität Da in diesem Report nicht alle Ausbildungsjahre in den einzelnen Berufen der Stichprobe adäquat vertreten sind, können die ermittelten Durchschnittsvergütungen insgesamt und je Ausbildungsberuf nur als Anhaltspunkte dienen. Demnach kann die tatsächlich gezahlte Vergütung jedoch von den tariflich geregelten Durchschnittswerten erheblich abweichen, wie die Angaben der für den Ausbildungsreport befragten Auszubildenden zeigen. Sie verdienten im Gesamtdurchschnitt (1. 3. Ausbildungsjahr 6, alle Ausbildungsberufe) nur 740 Euro pro Monat und damit deutlich weniger als der tariflich geregelte Gesamtdurchschnitt. Vergütung der befragten Auszubildenden Zwischen den verschiedenen Ausbildungsberufen bestehen dabei erhebliche Unterschiede hinsichtlich der ermittelten Ausbildungsvergütung. Wird der Mittelwert über alle Ausbildungsjahre verglichen, so verdienen die befragten Mechatroniker_innen (930 Euro), Zerspanungsmechaniker_innen (946 Euro) und Fachinformatiker_innen (965 Euro) einige Hundert Euro mehr als angehende Friseur_innen (470 Euro). Branchenunterschiede 6 Das 4. Ausbildungsjahr wurde wegen zu geringer Fallzahl (n=5) nicht in die Berechnung einbezogen Ausbildungsvergütung nach Einkommensgruppen bis 250 Euro 250 500 0,4% 6,5% Die Höhe der Ausbildungsvergütung schwankt stark zwischen einzelnen Berufen. 500 750 51,0% 750 1.000 36,7% über 1.000 5,4% n=1.644 (ohne 4. Ausbildungsjahr) Abbildung 20: Ausbildungsvergütung (brutto) (Einkommensgruppen) 26 Ausbildungsreport Bayern 2015

2. Ergebnisse zur Ausbildungsqualität 2.4 Persönliche Beurteilungen der Ausbildung In diesem Abschnitt steht die subjektive Gesamteinschätzung der Auszubildenden im Vordergrund. Unabhängig von den in den vorherigen Abschnitten beleuchteten objektiven Kriterien, stehen hier die Fragen nach der persönlichen Zufriedenheit im Mittelpunkt: Wie zufrieden sind sie mit ihrer Ausbildung insgesamt? Wie mit der fachlichen Qualität? Fühlen sie sich korrekt behandelt? Haben sie Probleme, sich in der Freizeit von ihrer Ausbildung zu erholen? Indikatoren für das Ranking In das Ranking»Persönliche Beurteilung der Ausbildungsqualität«fließen die folgenden Aspekte ein: korrekte Behandlung durch Ausbilder_innen, Zufriedenheit mit der Ausbildung insgesamt, gefühlte Überbzw. Unterforderung in der Ausbildung, Probleme, sich in der Freizeit zu erholen sowie der Wunsch, nach der Ausbildung weiter im erlernten Beruf tätig zu sein. Persönliche Beurteilung der Ausbildungsqualität Berufe mit den besten Bewertungen Berufe mit mittleren Bewertungen Berufe mit den schlechtesten Bewertungen Abbildung 21: Persönliche Beurteilung der Ausbildungsqualität Mechatroniker_in Zerspanungsmechaniker_in Industriemechaniker_in Fachkraft für Lagerlogistik Industriekaufmann_frau Elektroniker_in für Betriebstechnik Tischler_in Anlagenmechaniker_in Steuerfachangestellte_r Kaufmann_frau im Großund Außenhandel Fachinformatiker_in KFZ-Mechatroniker_in Kaufmann_frau für Büromanagement Verkäufer_in Friseur_in Hotelfachmann_frau Koch_Köchin Medizinische_r Fachangestellte_r Elektroniker_in Kaufmann_frau im Einzelhandel Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk Persönliche Zufriedenheit durch gute Ausbildungsqualität Bei einem Vergleich der persönlichen Beurteilung der Ausbildungsqualität mit der Gesamtbewertung über alle bewerteten Ausbildungsaspekte fällt auf, dass es kaum Abweichungen zwischen diesen beiden Rankings gibt. Die persönliche Zufriedenheit wird als stark von der fachlichen Qualität sowie anderen Rahmenbedingungen geprägt. Ausbildungsreport Bayern 2015 27