nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Unerwartete Haftungsfolgen für Verwaltungsräte



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NewsLetter I n f o r m at i o n e n d e r K a n z l e i L u t z R e c h t sa n wä lt e NewsLetter ó 04]2004 L Nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge: Unerwartete Haftungsfolgen für Verwaltungsräte Die erheblich gestiegene Zahl von Firmenkonkurses hat auch zu einem starken Anstieg von Haftpflichtforderungen für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge gegen Verwaltungsräte geführt. Eine solche Haftung, die sich auf Art. 52 AHVG (Bundesgesetz über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung) stützt, trifft Verwaltungsräte meist überraschend, da diesen gar nicht bekannt war, dass sie für entgangene Beitragsforderungen in Pflicht genommen werden können. Thomas Reimann Obwohl gemäss Art. 52 AHVG für nicht bezahlte Beiträge grundsätzlich nur der Arbeitgeber haftbar gemacht werden kann, hat die Rechtssprechung die Haftung gemäss Art. 52 AHVG ebenfalls auf die Organe der juristischen Person ausgedehnt. Solche Organe haften, wenn ihnen eine grobfahrlässige oder absichtliche Missachtung von Vorschriften vorgeworfen werden und die juristische Personen aus rechtlichen Gründen nicht mehr belangt werden kann. Formelle Organe und faktische Organe von Haftung umfasst Die Haftung des Verwaltungsrates für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge ist eine subsidiäre, persönliche Or - ganhaftung, welche im Konkursfall regelmässig zur Anwendung kommt, wenn das Vermögen nicht ausreicht, um die Beitragsforderungen der Sozialversicherung vollständig zu befriedigen. Im Visier der Haftung sind sowohl die formell bestellten Organpersonen als auch Personen, welche faktisch Organfunktionen ausüben, aber nicht als Organper sonen im Handelsregister eingetragen sind. Gemäss Art. 52 AHVG würde die Schadenersatzpflicht der Organe zwar ein qualifiziertes Verschulden in Form von Absicht oder grober Fahrlässigkeit voraussetzen, doch betrachtet das Eidg. Versicherungsgericht in seiner ständigen Rechtssprechung die Haftungsvoraussetzungen bereits dann als eingetreten, wenn keine Anhaltspunkte für die Rechtsmässigkeit des Handelns bestehen. Kausalhaftung statt Verschuldenshaftung Mit dieser Auslegung verkürzt das Eidg. Versicherungsgericht die in Art. 52 AHVG als Verschuldenshaftung konzipierte Schadensersatzpflicht faktisch zu einer Kausalhaftung des Verwaltungsrates für nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Obwohl diese Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichtes seit Jahren von der Lehre zum Teil heftigst kritisiert wird, weil damit nicht nur eine Organhaftung eingeführt wurde, die in Art. 52 AHVG so nicht vorgesehen ist, sondern überdies die gesetzlich vorgesehene Verschuldenshaftung zur Kausalhaftung mutiert wurde, muss leider davon ausgegangen werden, dass keine Besserung dieses unhaltbaren Zustandes in Aussicht steht. In der Praxis bedeutet dies, dass Organe von juristischen Personen faktisch bereits dann in die Pflicht genommen werden können, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt worden sind. Wer ein Verwaltungsratsmandat übernimmt, um damit seinem Geschäftsfreund «einen Gefallen zu tun», kann deshalb eine unliebsame Überraschung erleben. 1

L L Die Bankvollmacht Gilt sie auch nach dem Tod des Kontoinhabers? Die Bankvollmacht wird oftmals auch als Mittel angepriesen, um den Angehörigen im Todesfall ein rasches Zugreifen auf die finanziellen Mittel des Verstorbenen zu ermöglichen. In der Praxis kommt es aber regelmässig vor, dass Bankinstitute Vollmachten nach dem Tod des Kontoinhabers nicht mehr akzeptieren. Die im Bankverkehr üblicherweise verwendeten Vollmachten enthalten regelmässig auch eine Klausel, wonach die Vollmacht nach dem Tod des Kontoinhabers nicht erlöschen soll. Mit einer solchen Vollmacht kann der Bevollmächtigte deshalb über Vermögenswerte des Kontoinhabers auch dann verfügen, wenn der Kontoinhaber verstorben ist. Eine derartige Vollmacht stellt deshalb ein geeignetes Instrument dar, um sicherzustellen, dass die Bevollmächtigen bzw. die Angehörigen auch nach Rolf Kuhn dem Tod des Kontoinhabers schnell und einfach auf finanzielle Mittel des Verstorbenen zugreifen können. Banken akzeptieren Vollmacht nach dem Tod nicht mehr In der Praxis kommt es häufig vor, dass Banken die erteilten Vollmachten nach dem Tod des Kontoinhabers nicht mehr akzeptieren und entsprechende Instruktionen des Bevollmächtigten nicht mehr ausführen wollen. Tatsächlich erfolgt eine Ablehnung der Vollmacht aus der Sicht der Banken nicht immer ohne Grund: Wer bevollmächtigt ist, kann die Vollmacht auch missbrauchen, indem er oder sie bspw. Geld abhebt, um es der Erbteilung zu entziehen. Falls die Bank in Kenntnis dieser Umstände entsprechende Verfügungen zulassen würde, könnte sie von den Erben dafür behaftet werden. Eine solche Haftung der Bank dürfte aber nur in sehr seltenen Fällen zu bejahen sein, namentlich dann, wenn man bei der Bank hätte erkennen müssen, dass ein Bevollmächtigter offensichtlich Verfügungen tätigte, die sich gegen die mutmasslichen Interessen der Erben richten. Die Bank müsste also vom Tod des Kontoinhabers Kenntnis haben und mindestens Hinweise haben, dass Missbrauch betrieben wird. Um dieser möglichen Haftung zu entgehen, zieht es die Bank deshalb häufig vor, die gestützt auf eine gültige Vollmacht erteilten Instruktionen nicht bzw. nicht mehr auszuführen, sobald sie vom Tod des Kontoinhabers Kenntnis erhalten hat. Der Bevollmächtigte, der die Bank über den Tod des Kontoinhabers von sich aus informiert, muss deshalb damit rechnen, dass die Bank die Vollmacht nicht mehr akzeptiert. Der Bevollmächtigte tut deshalb besser daran, die Bank über den Tod des Kontoinhabers nicht von sich aus zu informieren, wenn er oder sie weiterhin über Gelder zur Sicherstellung des Lebensunterhalts verfügen will. Service Levels und Key-Performance-Indicators in der Vertragspraxis: Ein möglicher Ausweg aus der Krise? Die informatikunterstützten Geschäftsabwicklungssysteme müs sen im eigenen Unternehmen ständig und zuverlässig zur Verfügung stehen. Sobald IT-Service-Provider vom Unternehmen zur diesbezüglichen Aufgabenerfüllung beigezogen werden sollen, stellen sich Fragen rund um die vertragliche Absicherung der Leistungserbringung durch den IT-Service-Provider. Die Vereinbarung von Service Levels und Key Performance Indicators Mit dem Provider bietet dazu eine taugliche Lösung. Wird ein IT-Service-Vertrag nicht ordentlich erfüllt, helfen dem Unternehmer die gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegenüber dem IT-Service-Provider regelmässig wenig, um die aufgetretenen Leistungsstörungen einer raschen und vorhersehbaren Lösung zuzuführen: Nach monatelangen Diskussionen über - 2

Ralph Gramigna Ersatzvornahmen, Kosten- und Schadenersatzfolgen verbleibt oftmals nur noch die «Kündigung aus wichtigem Grund» und der Gang zum Richter. Bündelung gemeinsamer Interessen Ausgangspunkt für vertragliche Bestimmungen, welche diese Probleme zu vermeiden helfen, bildet deshalb die Erkenntnis, dass die herkömmlichen Rechtsbehelfe bei Leistungsstörungen schlicht versagen, um die gegenläufigen Interessen zwischen einem IT-Service- Provider und der Unternehmung selber in einer für beide Parteien vorhersehbarer Art und Weise aufzulösen. Damit eine erfolgreiche Vertragsabwicklung gewährleistet werden kann, braucht es den gemeinsamen Willen gemeinsame Interessen entstehen zu lassen und zu bündeln. Eine derartige Interessenkonvergenz kann dadurch geschaffen werden, dass Service Levels und Key Performance Indicators (sog. KPI s) an den Servicepreis gekoppelt werden: Je «besser und schneller» die Leistungserbringung, desto mehr soll der IT-Service-Provider verdienen. Definition von Key Performance Indicators Die Ausarbeitung von auf obigem Prinzip basierenden Verträgen ist anspruchsvoll: Zuerst muss eine genaue Analyse der betrieblichen Anforderungen an die Informatiksysteme, eine Kategorisierung der zu regelnden Services und Service Levels vorgenommen werden und eine Beschreibung der gegenseitigen Abhängigkeiten und Pflichten. Danach sind die KPI s zu definieren und den einzelnen Service Levels zuzuordnen. Schliesslich sind die definierten Service Levels und vereinbarten KPI s an den Teil des vereinbarten Servicepreises zu koppeln, der das «Performance based Income» darstellt. Die KPI s sind entsprechend den Prioritäten zu gewichten (sog. «KPI weighting»). So könnten zum Beispiel dem KPI «Verfügbarkeit Bestellabwicklungssystem» 50%, dem KPI «Verfügbarkeit Buchhaltungssystem» 15% und dem verbleibenden KPI «Störung Arbeitsstationen» 35% des vereinbarten Performance based Income zugewiesen werden, wobei natürlich alle Variationen mit Abstufungen, zusätzlichen Vertragsstrafen bis hin zu Bonussystemen für «Übererfüllung» denkbar sind. Mit einer solchen Vereinbarung wird erreicht, dass die Interessen beider Vertragsparteien vorab auf die vertragsgemässe Erfüllung der vereinbarten Services gerichtet sind, ohne dass den divergierenden Optimierungsbestrebungen a priori ein Riegel geschoben wird. Neuerung im Scheidungsrecht: Trennungsfrist seit 1. Juni 2004 auf zwei Jahre verkürzt Sylvia Nafz Die Verkürzung der Trennungsfrist von bisher vier auf neu zwei Jahre entschärft den oftmals konfliktreichen Trennungsprozess und kommt damit einem Bedürfnis der Praxis nach. auch bei einer zweijährigen Trennungsfrist muss Jedoch das Getrenntleben während der Trennung häufig gerichtlich im Rahmen eines Eheschutzverfahrens geregelt werden. Mängel des bisherigen Rechts Die Verkürzung der Trennungsfrist auf zwei Jahre korrigiert eine bis anhin von den Beteiligten häufig als unbefriedigend empfundene Situa tion im Zusammenhang mit dem im Rahmen des neuen Scheidungsrechtes eingeführten Scheidungsgrund der vierjährigen Trennung. Konnten sich die Ehegatten bis anhin über die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung nicht einigen, so musste, sofern nicht die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit gemäss Art. 115 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) erfüllt waren, zunächst die vierjährige Trennungsfrist abgewartet werden. Dieser Umstand wurde auch dazu benutzt, im Rahmen der Regelung der vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung gegen den scheidungswilligen Ehegatten übertriebene Forderungen durchzusetzen. Wann besteht ein Scheidungsanspruch? Der Scheidungsanspruch entsteht, wie 3

L L unter bisherigem Recht, allein durch den Umstand des Getrenntlebens. Das Getrenntleben beginnt im Zeitpunkt, in welchem die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt tatsächlich aufheben. Grundsätzlich ist gefordert, dass die Ehegatten während der zweijährigen Trennungszeit ununterbrochen getrennt leben, wobei kurze, aber erfolglose Versöhnungsversuche den Lauf der zweijährigen Trennungszeit nicht unterbrechen. Der gemeinsame Haushalt gilt dann als aufgehoben, wenn die Ehegatten nicht mehr in einer umfassenden, körperlichen, geistig-seelischen und wirtschaftlichen Gemeinschaft leben. In der Regel wird dabei die eheliche Wohnung aufgegeben oder eine Person zieht aus der ehelichen Wohnung aus. Ist ein zweijähriges Getrenntleben erstellt, führt dies zwingend zur Gutheissung der Scheidungsklage und damit zur Auflösung der Ehe. Für wen gilt die neue Regelung? Für Scheidungswillige, deren Prozess am 1. Juni 2004 vor einer kantonalen Instanz rechtshängig war, gilt die zweijährige Trennungsfrist nach neuem Recht. Für die Gutheisung der Klage auf Scheidung genügt somit ein zweijähriges Getrenntleben am 1. Juni 2004. Für neu einzureichende Scheidungsklagen muss die zweijährige Trennungszeit im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage bereits abgelaufen sein, wobei sich der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in der Schweiz nicht nach einheitlichen Kriterien bestimmt, sondern nach den konkreten Bestimmungen des kantonalen Zivilprozessrechts. Bussenrisiko bei Verstössen gegen das Kartellgesetz Seit dem 1. April 2004 droht jeder Unternehmung, welche an einer unzulässigen Abrede nach Art. 5 Abs. 3 und 4 Kartellgesetz (KG) beteiligt ist oder sich nach Art. 7 KG unzulässig verhält, dass sie gemäss Art. 49a KG sofort mit einer Busse von bis zu 10 % des in den letzten drei Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes gebüsst werden kann. Karin Meyer Selbstanzeige zur Vermeidung Zur Vermeidung der Bussenfolge besteht jedoch die Möglichkeit, Wettbewerbsbeschränkungen beim Sekretariat der Wettbewerbskommission zu melden. Wettbewerbsbeschränkungen nach dem 1. April 2004 Meldet das Unternehmen eine Wettbewerbsbeschränkung, bevor diese Wirkung entfaltet, so kann dem Unternehmen grundsätzlich keine Busse auferlegt werden. Wird dem Unternehmen allerdings innert fünf Monaten nach der erfolgten Meldung die Eröffnung eines Verfahrens mitgeteilt und hält es danach an der Wettbewerbsbeschränkung fest, so kann das Unternehmen trotzdem gebüsst werden (Art. 49a Abs. 3 lit. a KG). Wettbewerbsbeschränkungen vor dem 1. April 2004 Falls eine bereits vor dem 1. April 2004 bestehende Wettbewerbsbeschränkung noch während der laufenden Übergangsfrist bis spätestens zum 31. März 2005 vom beteiligten Unternehmen gemeldet oder aufgelöst wird, können keine Bussen auferlegt werden. Dabei sind jedoch folgende Einschränkungen zu beachten: Wird eine bereits vor dem 1. April 2004 bestehende Wettbewerbsbeschränkung vor dem 31. März 2005 gemeldet, haben die Wettbewerbsbehörden jedoch vor der Meldung bereits ein Verfahren eröffnet, so führt die Meldung nicht zu einer Befreiung von der Busse, es sei denn, die Wettbewerbsbeschränkung werde vom Unternehmen bis zum 31. März 2005 aufgelöst; und wird eine Wettbewerbsbeschränkung zwar während der Übergangsfrist gemeldet, jedoch nach Ablauf der Übergangsfrist nicht aufgegeben, und kommt die Wettbewerbs-kommission zur Erkenntnis, dass ein unzulässiges wettbewerbswidriges Verhalten vorliegt, so kann das Unternehmen, mindestens ge- 4

mäss der Lutz Rechtsanwälte gegenüber geäusserten Rechtsauffassung der Wettbewerbskommission, grundsätzlich trotz der während der Übergangsfrist erfolgten Meldung mit Busse belegt werden. Die Meldung befreit somit grundsätzlich nur dann von einer Busse, wenn das unzulässige Verhalten bis zum 31. März 2005 auch aufgegeben wird. Die Frist von Art. 49a Abs. 3 lit. a KG, wonach keine Bussen mehr verhängt werden können, wenn innert fünf Monaten nach der Meldung kein Verfahren eröffnet wird, gilt bei Meldungen von bereits am 1. April 2004 bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht. Allenfalls kann das Unternehmen sich jedoch, so lange die Wettbewerbsbehörden kein Verfahren eröffnen, auf den Schutz des Vertrauens in das Verhalten der Behörde bzw. deren Nichtreaktion berufen. Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen Aufgepasst bei Massenentlassungen! Das Unterlassen, aber auch die verspätete Durchführung der vorgeschriebenen Kon sultation der Arbeitnehmer kann empfindliche Entschädigungszahlungen zur Folge haben. Das Konsultationsverfahren ist in jedem Fall vor dem definitiven Entscheid zur Massenentlassung durchzuführen, selbst wenn eine (ausländische) Konzernzentrale den Entscheid fällt. Wann liegt eine Massenentlassung vor? Wird in einem Betrieb innerhalb von 30 Tagen eine bestimmte Anzahl Kündigungen ausgesprochen, kommen die Bestimmungen über die Massenentlassung gemäss Art. 335d ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) sowie die Art. 9, 10 und 14 des Mitwirkungsgesetzes zur Anwendung. Damit von einer Massentlassung im Sinne des Gesetzes gesprochen werden kann, muss in jedem Fall mindestens 10 Personen gekündigt worden sein. Werden im Betrieb regelmässig mehr als 100 Personen beschäftigt, erhöht sich die Mindestzahl notwendiger Kündigungen: Eine Massenentlassung liegt erst dann vor, wenn 10 % der Belegschaft betroffen ist. Unabhängig von der Grösse des Betriebs liegt eine Massenentlassung aber immer dann vor, wenn mindestens 30 Personen eine Kündigung erhalten haben. Verpflichtungen des Arbeitgebers Liegt eine Massenentlassung vor, so hat der Arbeitgeber zwei Verpflichtungen: Er muss erstens die Arbeitnehmer konsultieren, ansonst die Kündigung missbräuchlich wäre, was Entschädigungszahlungen von maximal zwei Monatslöhnen an die Betroffenen zur Folge haben kann. Und zweitens, er hat die Massenentlassungen dem Arbeitsamt mitzuteilen, ansonst die ausgesprochenen Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beenden können. Konsultationen der Arbeitnehmerschaft Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer vor den Kündigungen zu konsultieren (Art. 335f Abs. 1 OR). Damit sollen die Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie deren Folgen gemildert werden könnten. Der Arbeitgeber hat umfassend zu informieren, insbesondere über Gründe der Massenentlassung, die Irène Biber Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, den Zeitraum, in dem die Kündigungen erfolgen sollen sowie über Anzahl der in der Regel im Betrieb Beschäftigten. Sobald der Arbeitgeber Massenentlassungen beabsichtigt, hat er die Belegschaft zu benachrichtigen. Der Arbeitgeber darf somit noch keinen endgültigen Entschluss über die Massenentlassungen gefasst haben. Gemäss zürcherischer Rechtsprechung gilt dies auch, wenn eine (ausländische) Konzernzentrale den Entscheid fällt. Für die Einhaltung der lokalen Rechtsvorschriften ist und bleibt somit die Tochtergesellschaft als Arbeitgeberin verantwortlich. Bei der Bemessung der den Arbeitnehmern anzusetzenden Konsultationsfrist hat sich der Arbeitgeber an den Grundsatz von Treu und Glauben zu halten. Ins Gewicht fällt dabei einerseits die Komplexität der sich stellenden Fragen, andererseits ist die Dringlichkeit der beabsichtigten Massenentlassung zu berücksichtigen. 5

RechtsanwälteL L Lutz lawyerlutz.ch In eigener Sache Sie halten unsere erste Ausgabe des News-Letters unserer Kanzlei Lutz Rechtsanwälte in Ihren Händen. In unserem News-Letter werden sich unsere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte regelmässig zu wichtigen und aktuellen Problemen aus verschiedensten Rechtsgebieten zu Wort melden. Wir achten darauf, dass Themen ausgesucht werden, welche für Unternehmen in ihrem täglichen Geschäftsumfeld von Relevanz sind. Ebenso behandeln wir Themen, welche Privatpersonen ansprechen und die ebenfalls Gegenstand unserer Beratungen bilden. An Stelle von langen juristischen Abhandlungen legen die Beiträge die entscheidenden Probleme dar informativ, kurz und prägnant. Dadurch erhalten Sie rasch einen Überblick über die wichtigsten Aspekte und wissen, worauf es ankommt, und was es zu beachten gilt. Rechtsprobleme sind oftmals komplex. Die Beurteilung und Lösung rechtlicher Fragestellungen hängt zudem von den Verhältnissen im Einzelfall ab und erfordert eine vertiefte Analyse der Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden. Dementsprechend können die Beiträge in unserem News-Letter eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Sofern sich deshalb weitergehende Fragen zu einem Themenkreis ergeben, steht Ihnen unser Team für eine individuelle Beratung gerne zur Verfügung. Dr. Reinhard Lutz Dr. Peter Lutz LL.M. Lic.iur. Romeo Da Rugna Dr. Stefan H. Schalch LL.M. Lic.iur. Thomas Reimann Lic.iur. Irène Biber Lic.iur. Rolf Kuhn Lic.iur. et lic.oec. Markus Nyffenegger Lic.iur. Karin Meyer Lic.iur. Ralph Gramigna Lic.iur. Sylvia Nafz Lic.iur. Christopher Tillman LL.M. Humor Ein junger Anwalt, der gerade eine Kanzlei eröffnet hatte, will einem potentiellen Kunden imponieren. Als er seinen ersten Besucher durch die Tür kommen sieht, nimmt er deshalb den Telefonhörer in die Hand und tut so, als ob er einen seiner vielen Klienten am Telefon hat: «Es tut mir leid, aber ich bin so enorm beschäftigt, dass es mir für mindestens zwei Wochen nicht möglich sein wird, Ihren Fall zu begutachten. Ich werde mich wieder melden.» Er legt den Hörer auf und wendet sich zu seinem Besucher: «Nun, was kann ich für Sie tun?» «Nichts,» antwortet der Besucher. «Ich bin nur gekommen, um Ihr Telefon anzuschliessen.» Forchstrasse 2 Kreuzplatz Postfach CH-8032 Zürich Switzerland Phone +41-1-382 30 11 Fax +41-1-382 30 02 lawyer@lawyerlutz.ch Eingetragen im Anwaltsregister 6