Medizinische Bildanalyse mit der M-FISH Methode



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Transkript:

Medizinische Bildanalyse mit der M-FISH Methode K. Saeger, I. Petersen, K. Schlüns Institut für Pathologie Medizinische Fakultät (Charité) Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20/21 D-10117 Berlin Tel.: (030) 2802-1839; Fax: (030) 2802-3371 email: Kai.Saeger@Charite.de Abstract: Diese Arbeit beschreibt eine plattformunabhängige Software, die die automatische Sortierung der 24 unterschiedlichen menschlichen Chromosomen (Karyotypisierung) nach der Methode Multicolor-FISH leistet. Die Software klassifiziert die Chromosomen anhand eines 6-bandigen multispektralen Mikroskopbildes, was als Active Vision Ansatz für das Karyotypisierungsproblem betrachtet werden kann. Zusätzlich werden Methoden zur Steigerung des Automatisierungsgrades und zur Verbesserung der Klassifikation diskutiert. 1 Einleitung In der medizinischen Genetik stellt die Analyse des menschlichen Chromosomensatzes eine Standarduntersuchung dar. Die Basis einer solchen Untersuchung ist die Sortierung der 24 unterschiedlichen menschlichen Chromosomen (Karyotypisierung) zu einem sogenannten Karyogramm. Die ersten Karyotypisierungstechniken wurden 1968 entwickelt und basierten auf der sogenannten Bänderungstechnik, die die Chromosomen anhand von Helligkeitsunterschieden entlang ihrer Längsachse unterschied. Zuverlässiger scheinen jedoch Methoden, die auf der Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) beruhen. Bei dieser Technik werden die Chromosomen mit mehreren Fluorochromen derart markiert, dass jedes Chromosom eindeutig identifiziert werden kann. Fluorochrome sind organische Verbindungen, die über DNA-Sonden an bestimmte Basensequenzen von Chromosomen binden, und als Fluoreszenz-Farbstoffe wirken können. Bei der speziellen, 1996 entwickelten Methode Multicolor-FISH (M-FISH) [Speicher, 1996a] werden die Chromosomen mit einer Kombination unterschiedlicher Fluoreszenzfarbstoffe so markiert, dass der gesamte Chromosomensatz durch Multispektral-Klassifizierung karyotypisiert werden kann. Diese Technik erlaubt theoretisch erstmals sogar dann eine vollautomatische Lösung des Problems, wenn die Chromosomen durch Inversionen oder Translokationen aberriert sind. Der Vorgang der Karyotypisierung beginnt im cytogenetischen Labor mit der Präparation menschlicher Zellen der Metaphase (eine der Zellteilungsphasen). Nach der anschließenden Hybridisierung (Anbindung der Fluorochrome an die Chromosomen) werden die markierten Metaphasenzellen auf einen Objektträger getropft. In einem Fluoreszenzmikroskop können die Fluorochrome dann durch Bestrahlung mit Licht im Bereich ihres Absorptionsspektrums zum kurzzeitigen Leuchten im Wellenlängenbereich ihres Emissionsspektrums angeregt werden. Dieses Leuchten wird von einer Kamera unter Verwendung optischer Filter in ein digitales Bild umgewandelt. Der Kontrast der Bilder ist dabei stark abhängig von der Qualität der Hybridisierung. Die Belichtung und Bildaufnahme erfolgt für jedes Fluorochrom gesondert, nachdem der entsprechende Filter am Fluoreszenzmikroskop gewechselt wurde. Auf diese Weise werden die (im Falle von M-FISH) sechs Einzelbilder erzeugt. Anschließend erfolgt die Bildanalyse. Diese umfasst die Schritte Bildsegmentierung, Bildverschiebung, Objektgenerierung und editierung und Klassifikation.

2 Karyotypisierungstechniken Lange Zeit wurde fast ausschließlich mit der Bänderungstechnik karyotypisiert. Diese Technik ist noch heute stark verbreitet, und wird seit den Anfängen der automatischen Karyotypisierung mit Hilfe von Bildverarbeitungstechniken bis heute verwendet [Ritter, 1999, Carothers, 1994]. Erst mit den in jüngster Zeit entwickelten zusätzlichen Fluorochromen sind mehrere neue Verfahren möglich geworden. 1996 wurde die sogenannte SKY-Technik (Spectral Karyotyping) entwickelt [Garini, 1996]. Beim SKY-Verfahren werden die Chromosomen mit lediglich drei Fluorochromen markiert. Die Unterscheidung der Chromosomen erfolgt anhand der Verhältnisse der Fluoreszenzintensitäten. Daher wird diese Technik auch als ratio labelling bezeichnet. Nach einer einmaligen Belichtung wird der Chromosomensatz mittels eines Interferometers gleichzeitig in mehreren Spektralbereichen aufgenommen. Auf diese Weise wird für jedes Pixel eines Chromosoms eine spektrale Signatur gemessen. Die Klassifikation der Chromosomen erfolgt durch Vergleich der gemessenen Spektren mit vorhandenen Referenzspektren. Eine Weiterentwicklung dieser Technik ist das sogenannte CCK (Colour-Changing Karyotyping) [Henegariu, 1999], bei dem zusätzlich drei Hapten-Marker benutzt werden. Dabei führt das Überstrahlen der Fluoreszenzsignale durch die Hapten-Signale zu einer spezifischen Veränderung der beobachteten Farbsignatur. Als Alternative zu SKY entwickelten M. Speicher et al. [Speicher, 1996a] die Methode Multicolor- FISH. Dabei werden die Chromosomen statt mit drei mit nunmehr fünf verschiedenen Fluorochromen markiert. Das erlaubt 2 5 = 32 verschiedene Kombinationen, so dass im Unterschied zu SKY die Klassifikation der Chromosomen anstatt auf Verhältnissen nun nur noch auf binären Informationen beruht und daher auch als combinatorial labelling bezeichnet wird. Das erleichtert nicht nur die Automatisierung des Problems, sondern steigert auch die Zuverlässigkeit der Zuordnung, da die Existenz eines Fluorochromsignals erheblich leichter und sicherer zu detektieren ist als ein bestimmtes Verhältnis. Zusätzlich steigert M-FISH auch den Informationsgehalt der Bilder. So ist es beispielsweise möglich, direkt inter- oder intrachromosomale Aberrationen wie z.b. Inversionen oder Translokationen zu erkennen. 3 Multicolor-FISH Bei der M-FISH Technik wird für jedes Fluorochrom ein Bild aufgenommen, das Aufschluss über die Existenz des Fluorochroms in den einzelnen Chromosomen gibt. Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, dass für die Aufnahme eines Bildes nur das gewünschte Fluorochrom zum Leuchten angeregt wird, und das Bild nur im Spektralbereich des zu erwartenden emittierten Lichtes aufgenommen wird. Die Belichtung des Chromosomensatzes erfolgt daher mit Licht eines klar abgegrenzten Wellenlängenbereichs und die Bildaufnahme unter Verwendung entsprechender optischer Filter. Die für die M-FISH Technik notwendigen Fluoreszenzfarbstoffe zu finden ist eine Aufgabe mit vielen Parametern. Es steht lediglich eine beschränkte Anzahl organischer Fluorochrome zur Verfügung, die an die Chromosomen gebunden werden können. Um die Fluoreszenzen durch Filter optimal voneinander trennen zu können, ist eine möglichst breite Verteilung über die beschränkte spektrale Bandbreite anzustreben, so dass sich die Spektralbereiche der einzelnen Fluorochrome möglichst nicht überlappen. Zudem sollte das Absorptionsspektrum gegenüber dem Emissionsspektrum verschoben sein (Stokes-Verschiebung), damit das absorbierende Licht herausgefiltert werden kann, und so nur das erwünschte emittierte Licht im Bild erscheint. Auch das Spektrum der Lampe muss mit den Filtern und Absorptionsspektren harmonieren. Eingesetzt werden Xenon- Lampen, Quecksilber-Xenon-Lampen, Halogen-Lampen und mehrere Laser-Lichtquellen. Die optimale Kombination aus Fluorochromen, Filtern und Lampen wurde in [Speicher, 1996a] mit Hilfe von Computermodellen gefunden.

4 Klassifikation Als Eingangsdaten stehen sechs Mikroskopbilder des selben Chromosomensatzes zur Verfügung. Eines der Graustufenbilder dient dabei als Referenzbild für die Erstellung einer Segmentierungsmaske und für die Segmentierung und Objekterkennung, die anderen fünf sind Fluoreszenzbilder, die den Chromosomensatz innerhalb eines bestimmten spektralen Bereichs (dem des Fluorochroms) abbilden. Als erster Bildverarbeitungsschritt erfolgt die Segmentierung. In den Fluoreszenzbildern erscheint der Hintergrund schwarz und die Chromosomen, falls sie mit der entsprechenden Fluoreszenzfarbe markiert wurden, in helleren Grautönen. Da in keinem der Fluoreszenzbilder alle Chromosomen leuchten, muss für die Segmentierung ein sechstes Bild in der sogenannten DAPI- Färbung aufgenommen werden (siehe Abbildung 1), das alle Chromosomen relativ kontrastreich abbildet. Auf diesem Bild erfolgt die Segmentierung mittels eines Schwellenwertverfahrens. Anschließend werden die Objektkonturlinien durch Konturverfolgung erzeugt (siehe Abbildung 2a). Da sich die Chromosomen in den Mikroskopbildern jedoch häufig berühren oder gar überlappen, ist durch Anwendung des Schwellenwertes allein keine vollständige Separation der Chromsomen zu erreichen. Die meisten vorhandenen Systeme, so auch das hier vorgestellte, lösen dieses Problem interaktiv, indem der Anwender die Chromosomencluster durch manuelles Editieren auftrennt. Nach der Segmentierung und Generierung der Konturlinien muss eine Bildverschiebung (Pixel Shift) durchgeführt werden. Da die sechs Bilder nacheinander aufgenommen wurden und zwischen den Aufnahmen ein optischer Filter gewechselt wurde, können die Bilder gegeneinander verschoben sein (siehe Abbildung 2). Da das DAPI-Bild als Referenzbild fungiert und die Konturlinien auf diesem erzeugt wurden, werden alle Fluoreszenzbilder gegenüber dem DAPI-Bild verschoben. Anschließend erfolgt die Klassifikation der Chromosomen. Das von uns verwendete Verfahren entspricht einer einfachen, auf binären Informationen beruhenden, überwachten Multispektralklassifikation. Die spezifische Kombination der Fluoreszenzfarbstoffe eines jeden Chromosoms ist bekannt. Zur Zuordnung der Chromosomen wird für jedes ein Bitmuster erstellt, das die Existenz der fünf Fluorochrome in einem Chromosom beschreibt. Für jede Objektklasse, respektive bekannte spezifische Farbkombination eines Chromosoms, existiert ein Referenz- Bitmuster. Mittels Vergleich dieser Bitmuster wird jedes Pixel einer Objektklasse zugeordnet. Die Zuordnung wird durch ein Falschfarbenbild visualisiert (siehe Abbildung 3). Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht das Zustandekommen der Bitmuster. Der obere Teil der Tabelle erklärt die Definition der Objektklassen der einzelnen Chromosomen. Für zwei Chromosomen (Typ 4 und 5) ist exemplarisch die Existenz der fünf Fluorochrome (namentlich F-Red, Aqua, Green, Gold, Red) verzeichnet. Daraus werden fünf Bitwerte abgeleitet, die zusammen einen Bytewert ergeben, dessen obere drei Bits zu null gesetzt sind, um die acht Bitwerte eines Bytes zu vervollständigen. Der untere Teil der Tabelle zeigt das Ergebnis einer Klassifikation für einen Pixel. Die Untersuchung der Fluoreszenzbilder führte zu dem Bitmuster 0-0-0-1-0-1-0-1, das dem Referenzbitmuster für Chromosom 4 entspricht. Das untersuchte Pixel wird demnach der Chromosomenklasse 4 zugeordnet. Tabelle 1: Bitwerte von Objektklassen und eines Pixels nach Klassifikation. Objektklassen F-Red Aqua Green Gold Red Bitmuster Chromosom 4 leuchtet - leuchtet - leuchtet Bitmuster Klasse 4 1 0 1 0 1 0-0-0-1-0-1-0-1 = Zahl 21 Chromosom 5 leuchtet - - leuchtet - Bitmuster Klasse 5 1 0 0 1 0 0-0-0-1-0-0-1-0 = Zahl 18 Klassifikation Pixel 1 leuchtet - leuchtet - leuchtet Bitmuster Pixel 1 1 0 1 0 1 0-0-0-1-0-1-0-1 = Zahl 21

Nach der Klassifikation werden die Chromsomen anhand ihrer nun bekannten Typen in ein Karyogramm sortiert (siehe Abbildung 4). Dieses Karyogramm gilt als Endergebnis einer Karyotypisierung. 5 Diskussion M-FISH ist ein Verfahren, das die Automatisierung der Karyotypisierung weit vorangetrieben hat. Die Klassifikation der Chromosomen mit den fünf Fluoreszenzbildern macht eine automatische Zuordnung möglich. Eine vollautomatische Karyotypisierung ist damit jedoch noch nicht möglich [Eils, 1998]. In einigen Komponenten scheint der menschliche Anwender den Softwarelösungen weiterhin überlegen. Im folgenden sollen dennoch mögliche Schritte zur weiteren Automatisierung diskutiert werden. 5.1 Bildverschiebung: Die Bildverschiebung lässt sich auf verschiedene Weisen automatisieren. Die Schwierigkeit bei allen Verfahren liegt darin, homologe Punkte oder Bereiche in allen Bildern zu finden. Von Speicher et al. [Speicher, 1996b] wird vorgeschlagen, für einen bestimmten Bereich in allen Fluoreszenzbildern eine Segmentierung inklusive Konturlinienerzeugung zu berechnen, und diese Konturlinien durch iterative Verschiebung mit den DAPI-Konturlinien in Übereinstimmung zu bringen. Eine andere, wesentlich weniger Rechenaufwand benötigende Möglichkeit ist, eine Konturlinie des DAPI-Bildes als Matching-Maske auf die Fluoreszenzbilder anzuwenden, und durch iterative Verschiebung in X- und Y-Richtung den Ort der besten Übereinstimmung zu finden. 5.2 Segmentierung: Das Editieren von Chromosomenclustern ist eine besonders komplexe Aufgabe. Eine zuverlässige automatische Lösung für das Problem ist vorerst nicht in Sicht. Erste Ansätze wurden jedoch bereits entwickelt. Ein solches Verfahren schlägt [Agam, 1997] vor. Dabei wird für ein Chromosomencluster eine Krümmungskurve generiert, deren Extremwerte als interessante Punkte aufgenommen werden. Die Verbindungslinien zwischen konkaven interessanten Punkten gelten als potentielle Trennlinien. Aus der Summe dieser Linien werden durch Verifikation von geometrischen Hypothesen einige Trennlinien extrahiert. Anschließend werden die Trennungen vollzogen, und die sich ergebenden Teile auf Übereinstimmung mit einem allgemeinen Chromosomenprototyp überprüft. Die Autoren dieser Methode gaben an, dass 82 % von 124 Chromosomenclustern richtig automatisch aufgetrennt wurden. Das Verfahren ist für M-FISH Datensätze allerdings erst nach einigen Modifikationen sinnvoll. M- FISH unterscheidet sich von früheren Verfahren ja gerade dadurch, dass es möglich ist, die Chromosomen auf Pixelebene zu klassifizieren. Dadurch kann der hohe Aufwand, der bei diesem Verfahren betrieben wird, um eine Trennlinie zwischen einzelnen Chromosomen in einem Cluster zu definieren, mit M-FISH ganz erheblich erleichtert werden. Die Zugehörigkeit einer Menge von Pixeln zu einer bestimmten M-FISH Objektklasse dürfte erstens zu einer genaueren Trennlinie führen und zweitens viel leichter und schneller zu berechnen sein. Abbildung 3 zeigt einige Chromosomencluster, in denen die enthaltenen Chromosomen durch ihre Falschfarben eindeutig zu erkennen sind. Die Kombination der beschriebenen Technik mit der M-FISH Farbrauminformation wäre ein neuer und vielversprechender Weg der automatischen Clusterauftrennung. 5.3 Klassifikation: Auch die Klassifikation ließe sich verbessern, denn bei kontrastarmen Fluoreszenzbildern, wie sie zum Beispiel durch eine mangelhafte Hybridisierung entstehen können, ist in manchen Bildern die Detektion von fluoreszierenden Chromosomen nicht mehr möglich. Und aufgrund des Klassifikationsverfahrens kann ein einziges mangelhaftes Bild ausreichen, um die Zuordnung aller Chromosomen zu sabotieren.

Eine Verbesserung des Klassifikationsergebnisses ließe sich vor allem durch eine Präzisierung und Erweiterung der Objektklassendefinitionen erreichen. Zu diesem Zweck könnte man neben der Fluorochromkombination weitere Parameter hinzunehmen, die für jedes Chromosom signifikant sind. Dazu bieten sich besonders die Parameter Chromosomenlänge und Zentromerindex (Längenverhältnis des langen Chromosomenarms zum kurzen Chromsomenarm) an. Eine Möglichkeit der Klassifikation nach solchen Parametern wurde in [Ritter, 1999] beschrieben. Dabei wurden die Chromosomen anhand von 24 Parametern unterschieden, die in Objektklassen zusammengefasst wurden. Diese 24 Parameter enthalten geometrische Informationen wie Größe, Dichte, Umfang der konvexen Hülle, Zentromerindex, Form und Bänderungsmuster. Ausgegangen wurde von 30 Parametern, den sogenannten Edinburgh-Merkmalen, von denen sechs Parameter aufgrund hoher Korrelationen ausgeschlossen wurden. Damit wurde eine Fehlerrate von unter 2% falsch klassifizierter Chromosomen erreicht (bei 2804 karyotypisierten Metaphasen-Bildern). Eine weitere erhebliche Verbesserung des Ergebnisses könnte die Realisierung der Klassifikation als selbstlernendes System sein. Das System könnte die Objektklassen falsch zugeordneter Chromosomen langfristig verbessern. Dazu bedarf es einer ausreichenden Anzahl durchgeführter Klassifikationen. Eine solche Optimierung der Objektklassen dauert daher eine längere Zeit (Trainingsphase), zahlt sich dann aber durch ein im Durchschnitt besseres Klassifikationsergebnis aus. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist, dass es sich jeweils an die spezifische Bildqualität anpasst. Wenn ein oder mehrere Fluoreszenzbilder beispielsweise ständig eine Abweichung der erwarteten Grauwerte in eine bestimmte Richtung aufweisen, dann adaptiert sich das System nach einer Weile an diese Verhältnisse. Das beste Ergebnis erreicht man, indem man Metaphasenbilder unterschiedlichen Typs oder Hybridisierung mit den jeweils darauf trainierten Objektklassendefinitionen klassifiziert. Ein Beispiel für ein solches System ist das Verfahren von Popescu et al. [Popescu, 1999]. Dieses berechnet Wahrscheinlichkeiten für die Zuordnung eines möglichen Chromosoms zu einer Chromosomklasse mit einem neuralen Netz. Dabei wird zusätzlich die Information berücksichtigt, dass jeder Chromsomenklasse genau zwei Chromsomen angehören. Die einzeln auftretenden Geschlechtschromosomen X und Y beim Chromsomensatz eines Mannes müssen dabei als Ausnahme berücksichtigt werden. Wird ein drittes Chromosom zu einer Klasse gerechnet, so wird für dasjenige mit der geringsten Zuordnungswahrscheinlichkeit eine andere Zuordnung erzwungen. Ein anderes Verfahren bildet zuerst homologe Paare und klassifiziert dann diese Paare anstatt der einzelnen Chromosomen [Carothers, 1994]. Wenn eine Klassifikation die Anzahl der Chromosomen pro Klasse einbezieht, müssen allerdings auch genetische Anomalien berücksichtigt werden, bei denen eine Zelle sogenannte Trisomien (drei Chromosomen eines Typs anstatt zwei) enthält. [Ritter, 1997] schlägt vor, die Existenz solcher Trisomien mit der Gesamtzahl der Chromosomen einer Zelle aufzudecken. Enthält eine Zelle anstatt 46 beispielsweise 47 Chromosomen, muss das System mit einer Trisomie rechnen. Berücksichtigt man, dass in der Praxis meist mehrere Metaphasen eines Typs karyotypisiert werden, kann man auch Informationen der anderen Metaphasen in die Klassifikation einfließen lassen [Carothers, 1994]. Einen weitere Verbesserung würde eine Berücksichtigung des Bildrauschens darstellen. Sie führt zu einer feineren Festlegung der Grenzwerte für die Detektion der Existenz der Fluorochrome in den einzelnen Fluoreszenzbildern. Eine Kombination dieser Komponente mit der Klassifikation schlägt [Eils, 1998] vor. Das Verfahren löst die Berücksichtigung des Schwarzwertes und die Klassifikation der Objekte in einem Schritt, indem ein Energieterm gebildet wird, der anhand der Klassendefinitionen und des Hintergrundrauschens die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit eines Objektes zu einer Klasse bestimmt. Der Energieterm besteht aus zwei Komponenten. Der erste Term bestimmt den Abstand zwischen dem Farb-Bitmuster des Pixels und dem Referenz-Bitmuster der Chromosomen für diejenigen Bilder, in denen das Chromosom leuchtet. Der zweite Term bezieht sich auf die Fluoreszenzbilder, in denen das Chromosom nicht leuchtet. Für die erste

Komponente wird demnach eine Maximierung der spezifischen Farbinformation angestrebt, für die zweite Komponente eine Minimierung des nichtspezifischen Rauschens. 6 Schlussfolgerung Wir haben eine Software zur Karyotypisierung nach der Methode Multicolor-FISH entwickelt. Mit dieser Methode lassen sich Chromosomensätze zuverlässiger automatisch karyotypisieren als bisherige Verfahren. Allerdings scheitert eine vollautomatische Lösung bisher noch an Komponenten wie der Clusterauftrennung. Die Klassifikation erscheint hingegen recht zuverlässig. Wir haben mehrere Methoden vorgeschlagen, die das Ergebnis der Klassifikation in Zukunft noch verbessern könnten. Besonders die Ausnutzung der chromosomenspezifischen Farbrauminformationen zur Detektion von Trennlinien in Chromosomenclustern wurde bisher noch nicht behandelt, und verspricht eine erhebliche Erleichterung für das Problem der Clusterauftrennung. 7 Referenzen Agam, 1997: G. Agam und I. Dinstein: Geometric Separation of Partially Overlapping Nonrigid Objects Applied to Automatic Chromosome Classification, IEEE Transactions on Pattern Analysis and Machine Intelligence (PAMI) 19: S. 1212-1221, 11 1999. Carothers, 1994: A. Carothers und J. Piper: Computer-aided classification of human chromosomes: a review, Statistics and Computing 4: S. 161-171, 1994. Eils, 1998: R. Eils et al.: An optimized, fully automated system for fast and accurate identification of chromosomal rearrangements by multiplex-fish (M-FISH), Cytogenetics and Cell Genetics 82: S. 160-171, 1996. Garini, 1996: Y. Garini et al.: Spectral Karyotyping, Bioimaging 4: S. 65-72, 1996. Henegariu, 1999: O. Henegariu et al.: Colour-changing karyotyping: an alternative to M-FISH/SKY, Nature Genetics 23: S. 263-264, 1999. Popescu, 1999: Automatic karyotyping of metaphase cells with overlapping chromosomes, Computers in Biology and Medicine 29: S. 61-82, 1999. Ritter, 1999: G. Ritter und K. Gaggermeier: Automatic classification of chromosomes by means of quadratically asymmetric statistical distributions, Pattern Recognition 32: S. 997-1008, 1999. Ritter, 1997: G. Ritter und M. T. Gallegos: Outliers in statistical pattern recognition and an application to automatic chromosome classification, Pattern Recognition Letters 18: S. 525-539, 1997. Speicher, 1996a: M. R. Speicher et al.: Karyotyping human chromosomes by combinatorial multi-fluor FISH, Nature Genetics 12: S. 368-375, 1996. Speicher, 1996b: M. R. Speicher et al.: Computer image analysis of combinatorial multi-fluor FISH, Bioimaging 4: S. 52-64, 1996.

Abbildung 1: Originales DAPI-Bild. Abbildung 2a: Ausschnitt eines DAPI-Bildes mit erzeugten Konturlinien. Abbildung 2b: Ausschnitt eines FITC-Bildes mit deutlich sichtbarer Bildverschiebung.

Abbildung 3: Chromosomensatz vor Editierung in Falschfarbendarstellung. Erzeugt mit Test- Fluoreszenzbildern. Abbildung 4: Nach der M-FISH Technik klassifizierte Chromosomen in Falschfarbendarstellung. Erzeugt mit Testfluoreszenzbildern.