3/2009 ISSN 0042-4099 D 5309 60. Jahrgang 2. Juni 2009 www.vdv-online.de One 4 all eter cm meter dm meter cm meter dm meter cm meter dm meter cm meter dm meter Handheld mit GPS & GLONASS von meter bis cm RTK www.topcon.de
Autor Peter Rohde, linke Seite Essen Headline Berührungslose Höhenmessung von Oberleitungen Unterzeile Ein Praxisbericht Wenn Sie in Zukunft gefragt werden, ob Sie mit Ihrer normalen Messausrüstung über einer DB-Hauptstrecke Oberleitungshöhen messen können, ohne in den Fahrbetrieb einzugreifen, dann sagen Sie: Yes, we can! Die Oberleitung besteht für die drei Gleise auf der Südseite jeweils aus einem Tragseil und einem Fahrdraht sowie zwei Bündeln von je vier Abspannseilen seitlich der Gleise. Weiterhin sind zwei Gleise mit einem Weichenpaar im Querungsbereich der Brücke verbunden. Die vier nördlichen Gleise sind mit jeweils zwei Tragseilen und zwei Fahrdrähten überspannt (elektrische Streckentrennung). Es ergibt sich daraus die Summe von 32 Drähten, deren Lage und Höhe zu bestimmen war. Bild 2: Oberleitungen von der Seite gesehen zeigen, wie schwer die Orientierung ist Aufgabenstellung Im Zuge des Neubaus der Ortsumgehung Gruiten im Kreis Mettmann musste mit der Kreisstraße K 20 die Ost-West-Verbindung der DB von Wuppertal nach Düsseldorf bzw. Köln durch eine Straßenbrücke mit einer Länge von ca. 45 m überquert werden. Es war zu ermitteln, ob die Unterkante der geplanten Straßenbrücke genügend Abstand zur bestehenden Oberleitung haben würde. Dazu sollten Profile quer zur DB-Strecke in den Achsen der niedrigsten Brückenbalken erstellt werden. Nur das jeweilige Tragseil (oben) muss einen Mindestabstand zum zukünftigen Brückenbalken haben. Für die Planung eines Umbaus wurde die gesamte Oberleitungssituation inklusive Fahrdraht (unten), seitlichen Abspannseilen und Schienen der Gleise in Lage und Höhe aufgenommen (Bild 1). Ortsbeschreibung Bild 1: Was ist was bei einer Oberleitung Die DB-Trasse verläuft im zu querenden Bereich mit insgesamt sieben Gleisen in einem etwa 10 m tiefen Geländeeinschnitt. Drei südliche Gleise bilden eine Teiltrasse mit einem Höhenunterschied von etwa 2,50 m über der zweiten Teiltrasse, die von den restlichen vier Gleisen auf der Nordseite gebildet wird. Dazwischen befindet sich eine Stützmauer (Bilder 2 4). Test der Möglichkeiten des Messinstrumentes Um den Bahnbetrieb nicht zu behindern und lange Planungszeiten für die Messung zu vermeiden, wurde angestrebt, die Messung ohne Eingriff in den Bahnbetrieb durchzuführen. Dazu bietet sich die reflektorlose Polaraufnahme an. In erster Linie war der Höhenabstand zwischen Tragseil und Brückenbalken gefordert. Da beide Bauteile fast horizontal verlaufen, hat eine Lageabweichung wenig Einfluss auf die Höhenlage der angemessenen Leitungspunkte. An die Lagegenauigkeit waren deshalb keine besonderen Anforderungen zu stellen. Ich verwendete ein Leica TCR 1202 mit reflektorlosem EDM- R100. Datenerfassung und Tachymeterbedienung erfolgte über einen externen Husky2 mit dem Programmsystem GEOINT 4 der Firma GEOSOFT. In einem ersten Messversuch wurde der ca. 10 mm dicke, grün angelaufene Fahrdraht aus Kupfer angemessen. Bei Zielweiten von bis zu 27 m wurde in über 90% der Auslösungen eine Strecke ermittelt. Selbst bei schleifender Anzielung wurde in den meisten Fällen die Strecke ermittelt. Um die schleifenden Anzielungen zu vermeiden wurden später mehrere Beobachtungsstandpunkte gewählt. Das Gleiche gilt für das Tragseil, welches eine rauere Struktur aufweist als der Fahrdraht. Auch die Schienen der Gleise konnten angemessen werden, obwohl die glänzende Oberfläche aus einem flachen Winkel angezielt wurde. In Fällen, wo dies nicht mehr möglich war, ergab die seitliche Anzielung der 184 VDVmagazin 3/09 l Berührungslose Höhenmessung von Oberleitungen
Bild 3: Das Widerlager des Bauwerks Bild 4: Messeinsatz Schienenoberkante ausreichend genaue Ergebnisse. Waren die ohnehin grenzwertig anzumessenden Bauteile zusätzlich noch nass, wurde eine Messung allerdings unmöglich. Allgemeine Überlegungen Die Oberleitungskonstruktion ist flexibel aufgehängt. Ein passierender Zug hebt mit seinem Stromabnehmer das Drahtsystem um etwa 5 cm an. Durch Anzielung des Fahrdrahtes während einer Vorbeifahrt eines Zuges konnte ich aber feststellen, dass das Leitungssystem überraschend gering nachschwingt und exakt in die Ausgangsposition zurückpendelt. Bei der stark frequentierten Trasse waren also lange Wartezeiten aufgrund von Schwingungen nicht zu befürchten. Die Leitungssysteme sind temperaturenunabhängig aufgehängt. Ein System aus Gewichten hält die Drähte immer unter gleicher Spannung und somit auf gleicher Höhe. Im späteren Verlauf konnte dies durch Doppelmessungen an denselben Drahtstellen bei unterschiedlichen Tem- Bild 5: Verwechselungen möglich peraturen bestätigt werden. Diese wurden mit dem Programmteil Schurgerüstabsteckung aus GEOINT 4 (wie im weiteren Verlauf beschrieben) gefunden. Kontrollen Nachdem diese grundsätzlichen Messmöglichkeiten praktisch durchführbar waren, musste eine Methode gefunden werden, um Fehlmessungen und Fehlinterpretationen auszuschließen. Es ist relativ wahrscheinlich, dass ein Draht bei der Anzielung vom Laser nicht getroffen wird. Fehlmessungen auf die gegenüberliegende Böschung sind wegen der zu großen Strecken leicht zu erkennen. Messungen auf einen falschen Draht sind meist nur durch eine nachträgliche Berechnung erkennbar. Dazu nutzte ich die Geradlinigkeit der gespannten Oberleitung. Jeder Draht wurde mindestens dreimal angezielt, jeweils an den Brückenrändern (UK-Balken) und in der Brückenachse. Dies ergab bei einer Brückenbreite von ca. 12 m einen Punktabstand am Draht von ca. 6 m. Die Geradlinigkeit wurde später mit Berechnungsfunktionen in Programmsystem GEO- Bild 6: Ziel gefunden graf der Firma HHK lage- und höhenmäßig überprüft. Zu beachten war hierbei, dass durch die Art der Aufhängung durchaus ein Knick im Fahrdraht entstehen kann. Verknüpfungspunkte mit Hängern (senkrechte Verbindungsdrähte) und Mastverbindungen sind bei der Verfolgung des Drahtes schnell angemessen und wurden deshalb zusätzlich erfasst (Bilder 5 und 6). Durchführung der Messung Im Juli 2007 wurde die Messung begonnen. Als Grundlage diente das Festpunktfeld des Brückenbauwerks bestehend aus fünf Punkten, die in einer örtlichen Ausgleichung ohne Restklaffenverteilung mit Hilfe von GPS-Messungen in das Landesnetz transformiert wurden. Die Höhen wurden nivelliert. Zusätzliche, in der Lage frei stationierte Standpunkte, wurden in der Höhe ebenfalls durch ein Nivellement bestimmt. Ein vorheriges Studium der Leitungssituation mit den sich teilweise quer überschneidenden Drähten war notwendig. Eine sehr schwierige Aufgabe. Aufgrund der horizontal verlaufenden Drahtlinien versagt das räumliche Sehvermögen. Zweifelhafte Methoden, wie den Kopf quer zu halten um den Augenabstand vertikal zu legen oder gar die Höhenlage des Betrachtungswinkels rasch hintereinander zu ändern um eine Parallaxe zu erhalten waren wenig erfolgreich. Sie erweckten auf der Baustelle eher den Eindruck von Gymnastikübungen. Durch die Einschnittsituation war es schwieriger als erwartet, geeignete Aufnahmestandpunkte zu finden. Aus einer Entfernung mit einer guten Übersicht befand man Berührungslose Höhenmessung von Oberleitungen l VDVmagazin 3/09 185
Bild 7: Längsprofil mit den aufgemessenen Leitungen sich in etwa auf gleicher Höhe mit den Fahrdrähten. Dies führte zu einer Perspektive, in der sich die Drähte überlagerten. Näher gelegene Standpunkte waren wiederum so nah am Fahrdraht, dass es ohne Steilsichtprisma schwierig wurde, die Drähte anzuzielen. Oft musste ein unbequemer Standpunkt mitten in der Böschung gewählt werden. Um den gewünschten Fahrdraht zu finden, musste er gegebenenfalls von der Aufhängung am Masten aus mit dem Fernrohr verfolgt werden. Ich arbeitete Leitung für Leitung einzeln ab. Zuerst den Fahrdraht mit mindestens drei Punkten. Dabei schwenkte ich das Fernrohr langsam weiter, wobei ich gleichzeitig den Draht durch das Fernrohr beobachtete. Bei einer ungünstigen Perspektive verdeckten sich selbst die dünnen Fahrdrähte auf einige Meter gegenseitig. Die Fokussierung auf den gewünschten Draht half dabei, den richtigen (scharfen) weiter zu verfolgen. Um zum Tragseil des Fahrdrahtes zu gelangen, nutzte ich die Hänger als Liniensystem das ich systematisch mit dem Fernrohr entlangfuhr. Die entsprechenden Stellen auf den Drähten in den gewünschten Brückenachsen wurden iterativ mit dem Programm GEOINT 4 Referenzgerade/Schnurgerüstabsteckung gefunden. Man stelle sich vor, die Brückenträgerachse ist die Gebäudekante und der Draht das Schnurgerüst, auf dem der Gebäudelinienpunkt gefunden werden muss. Das Programm GEOINT 4 rechnet die zweite, seitliche Korrektur bereits in die Linie der ersten zwei Messungen. Da es in erster Linie auf die zu ermittelnden Höhen ankam, wurde nach ca. 3 5 geschätzt korrigierten Auslösungen eine seitliche Ablage von bis zu 3 cm zur Brückenträgerachse toleriert. Die Schienenpunkte in den Trägerachsen wurden nach gleichem Schema angemessen. Da die Gleise hier geradlinig verlaufen, konnte die gleiche Kontrollmethode angewendet werden. Darstellung und Auswertung Die geplanten Brückenträgerachsen waren in der Lage mit Gauss-Krüger-Koordinaten sowie deren NHN-Höhen bekannt. In den Achsen des westlichen und östlichen Brückenträgers wurden Profile ausgewertet. Sie beinhalten die gemessenen Höhen der Drähte und Schienen bezogen auf eine Stationierung in den Brückenträgerachsen. Der direkte Höhenabstand des oberen Tragseils zur geplanten Brückenträgerunterkante konnte somit ebenfalls dargestellt werden. Das Messergebnis zeigte, dass die Oberleitung über der südlichen Teiltrasse mit drei Gleisen abgesenkt werden musste. Die nächstgelegenen Leitungsmasten wurden koordiniert. Die DB-Netz AG konnte mit diesen und eigenen Grundlagen die Absenkung der Oberleitung planen und durchführen (Bilder 7 und 8). Nachträgliche Kontrollmessung Im Oktober 2008 wurde die umgebaute Oberleitungssituation auf der Südseite erneut vermessen. Die Leitungen der vier nördlichen Gleise blieben unverändert. Die tiefergelegten Tragseile der Südseite waren im zukünftigen Brückenbereich 186 VDVmagazin 3/09 l Berührungslose Höhenmessung von Oberleitungen
Bild 8: Draufsicht: grün = alte Lage, blau = neue Lage mit einer schwarzen Kunststoffisolierung versehen worden. Diese dämmt die Gefahr eines elektrischen Spannungsbogens für den Fall, dass sich ein Vogel auf dem Tragseil unter der Brücke niederlässt und den Abstand dadurch verringert. Der Kunststoff schont den Vogel und auch die Brückenkonstruktion, die durch den Spannungsbogen beschädigt werden kann. Diese schwarze, glatte Kunststoffummantelung reflektierte den Laserstrahl so schlecht, dass mehrere Standpunkte benötigt wurden, um die Punkte in diesen Bereichen zu bestimmen. Die Beschaffenheit der Oberfläche ließ keine schleifenden Anzielungen und größere Zielweiten zu. Die neu gelegte Oberleitung wies nach der Auswertung einen ausreichenden Höhenabstand zur Unterkante des geplanten Brückenträgers auf. Sicherheitshinweis Bei einem anderen Projekt konnten wir eine Oberleitung von Standpunkten auf einem Gehweg im öffentlichen Straßenraum aus (neben den abgezäunten Gleisen) anmessen. Vor dem Betreten von Bahngeländen hat man allerdings notwendige Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Im be schriebenen Fall hat das ein professioneller Sicherheitsdienst übernommen. Fazit Die Methode der Polaraufnahme mit reflektorlosem Entfernungsmesser ist für Oberlei- tungssysteme praktisch anwendbar. Größter Vorteil: Ein Eingriff in den Betriebsablauf der Bahn ist nicht nötig! Die Überprüfung der Messung wurde während der verschiedenen Messzeiträume durch Messungen auf unveränderte Oberleitungspunkte des nördlichen Bahntrassenteils sowie der Schienen durchgeführt. Die Abweichungen betrugen innerhalb der ca. 15 Monate maximal 2 cm in der Höhe, wobei verschiedene Standpunkte verwendet wurden. Für die Messung an einem schwingenden Bauteil ist das ein zufriedenstellendes Ergebnis. Autor Dipl.-Ing. Peter Rohde Grafenstraße 38 45239 Essen p.rohde@kreis-mettmann.de l Berührungslose Höhenmessung von Oberleitungen VDVmagazin 3/09 187