28. BundesDrogenKongress des fdr in Augsburg, 18. April 2005 Case Management: Grundlagen der Methode Matthias Müller Dipl. Sozialarbeiter/ Sozialpädagoge Case Manager/ Case Management Ausbilder (DGS/DBSH/DBfK) Dialogischer Qualitätsentwickler (Kronberger Kreis) Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin
Case Management: Grundlagen der Methode 1. Geschichte und methodische Vorannahmen 2. Zentrale Bestimmungsmerkmale des Case Managements 3. Case Work und Case Management - Phasenmodelle 4. Assessment (Falleinschätzung) 5. Planning (Hilfeplanung) 6. Monitoring (Kontrolle - Überwachung) 7. Evaluation (Bewertung - Auswertung) 8. Schlussbemerkung 9. Buch- und Weiterbildungsempfehlung 28. BundesDrogenKongress 2
1. Geschichte und methodische Vorannahmen Probleme der KlientInnen: Unübersichtlichkeit und Vielfalt der Hilfelandschaft Spezialisierung der sozialen Dienstleister auf bestimmte Probleme Desintegration hinsichtlich der sozialen Kontakte außerhalb der sozialen Dienstleistungen Diskontinuitäten im Hilfeverlauf und damit unnötige Mehrfachversorgungen Case Management schafft: Integrierte Hilfeprozesse Kontinuierliche Hilfeverläufe Zielorientierung 28. BundesDrogenKongress 3
2. Zentrale Bestimmungsmerkmale des Case Managements Der Case Management-Prozess ist entlang des Betreuungsverlaufes der Klientinnen und Klienten angelegt (over( time), vom Beginn bis zum Ende eines Hilfeprozesses. Der Beratungsprozess verläuft quer zu den Grenzen der jeweiligen Versorgungseinrichtungen, deren Zuständigkeiten und den verschiedenen Professionen (across( services). Im Case Management geht es um eine umfassende Betrachtung der Klientinnen und Klienten sowie ihrer Probleme, Ressourcen und Ziele ( ganzheitliche bzw. besser: generalistische Sichtweise). Der Case Management-Prozess ist auf regelmäßige Kooperation mit fallrelevanten Personen und Organisationen angelegt (dynamischer( Prozess). 28. BundesDrogenKongress 4
2. Zentrale Bestimmungsmerkmale des Case Managements Durch die Case Managerinnen und Manager werden die fallrelevanten Personen und Organisationen zu einem Hilfenetz (Hilfe-Set) verbunden (integriertes Hilfesystem). Durch die Koordination fallrelevanter Personen und Organisationen sollen erkannte Probleme gelöst und definierte Ziele erreicht werden (Zielorientierung). Die Arbeit der Case Managerinnen und Manager sowie die Zielerreichung und Zufriedenheit der KlientInnen werden reflektiert, gesichert und weiter entwickelt (Qualitätsentwicklung( und -sicherung). 28. BundesDrogenKongress 5
3. Case Work und Case Management - Phasenmodelle Der klassische Dreischritt des Case Work 1. Anamnese/ Fallstudie Phänomenales Erkenntnisinteresse: Was ist los? Was geschieht? Case Management 1. Assessment (Falleinschätzung) 2. Soziale Diagnose Kausales Erkenntnisinteresse: Warum ist das so? Wozu geschieht es? 3. Behandlung/Intervention Aktionales Erkenntnisinteresse: Was ist zu tun? 2. Planning (Hilfeplanung) 3. Intervention (Durchführung d. Hilfe) 4. Monitoring (Kontrolle, Überwachung) 5. Evaluation (Bewertung, Auswertung) 28. BundesDrogenKongress 6
4. Assessment (Falleinschätzung) Was sind Probleme? Probleme sind die Eintrittskarten in die Hilfesysteme; die Sozialgesetze erfordern in der Regel, dass Personen (KlientInnen) individuelle Probleme zugeschrieben werden müssen, damit Hilfe beginnen kann. Mangelsituationen bezüglich der Bedürfnisbefriedigung in biologischer (körperlicher), psychischer und sozialer Hinsicht. Abweichungen von einer Norm Differenz zwischen Norm und Abweichung bzw. Soll und Ist-Zustand. Probleme sind abhängig von den Beobachterinnen und Beobachtern, die sich und/oder andere auf der Grundlage der Differenz von Norm und Abweichung beobachten. Dabei können sie subjektiv konstruiert oder durch objektive Herrschaftsdiskurse determiniert sein. 28. BundesDrogenKongress 7
4. Assessment (Falleinschätzung) Folgende Problemaspekte sollten eruiert werden: Wie ist/sind die Problemkonstruktion/en? Wie ist/sind die Problemattribution/en /en?? Wer schreibt (attribuiert( attribuiert) ) wem welches Problem auf welche Weise zu? Besteht ein Problembewältigungsbedarf? In welcher Art und Weise soll das Problem bewältigt werden? Was ist das Problembewältigungsziel? Was ist wichtig für die Problembeschreibungen? Problembeschreibungen sind so anzufertigen, dass ihre Relativität, ihre Beobachterabhängigkeit deutlich wird. Wer hat wann und wie welches Problem bezüglich welcher Person (definiert)? Was ist das Ziel der Problembewältigung? 28. BundesDrogenKongress 8
4. Assessment (Falleinschätzung) Netzwerkkarte - Soziale Dienstleister, zu denen die KlientInnen bereits Kontakt haben: Methadonprojekt KlientIn Usw. Schuldnerberatung 28. BundesDrogenKongress 9
4. Assessment (Falleinschätzung) Ressourcen-Karte: Persönliche Ressourcen Materielle Ressourcen Soziale Ressourcen (positiv bewertete/ bewertbare Beziehungen) in privaten sozialen Bezügen. KlientIn Soziale Ressourcen (positiv bewertete/ bewertbare Beziehungen) in öffentlichen sozialen Bezügen. 28. BundesDrogenKongress 10
5. Planning (Hilfeplanung) Was sind Ziele? Ziele bzw. Zielformulierungen beschreiben, was erreicht werden soll. Was sind die Zieloperationalisierungen (Wege zum Ziel)? Die Operationalisierungen beschreiben, wie die Ziele (das Was ) erreicht werden sollen. Regeln für die Ziele und Handlungen nach Insoo Kim Berg: Repariere nicht, was nicht kaputt ist! Wenn du weißt, was funktioniert, mach mehr davon! Wiederhole nicht, was nicht funktioniert, mach etwas anderes! 28. BundesDrogenKongress 11
Das SAR-MT Modell (SAR): 5. Planning (Hilfeplanung) Spezifisch: : Es sollen spezifische Teilziele der Ziele formuliert werden, d.h. es sollten so konkret wie möglich Handlungen, Verhaltensweisen beschrieben werden, deren Ausführung und Wirkung beobachtet werden können. Akzeptabel: : Die Zielformulierung sollte akzeptabel sein, d.h. es sollte zwischen den Hilfebeteiligten ein Minimalkonsens hinsichtlich der Zielformulierung und der Erreichung der Ziele bestehen. Realistisch: : Die Ziele sollten realistisch und angemessen sein, d.h. sie sollten von den Möglichkeiten und Fähigkeiten der Beteiligten (insbesondere der KlientInnen) ausgehen und nicht überfordernd bzw. utopisch sein. 28. BundesDrogenKongress 12
Das SAR-MT Modell (MT): 5. Planning (Hilfeplanung) Messbar: : Ziele und Teilziele sollten messbar sein. Messbarkeit bedeutet, dass für die Erreichung der formulierten Ziele und Teilziele Indikatoren genannt werden, anhand derer die KlientInnen sowie die Case ManagerInnen die Zielerreichung beobachten können. Terminiert: : Die Erreichung der Ziele und Teilziele wird terminiert.. Wenn alle bisher genannten Kriterien der Zielformulierung berücksichtigt worden sind, sollte es in einem letzten Schritt möglich sein, den angestrebten Zeitpunkt der Teilziel- und Zielerreichung zu benennen. 28. BundesDrogenKongress 13
1. Satzteil Zielbenennung. spezifisch, akzeptabel, realistisch/angemessen 5. Planning (Hilfeplanung) 2. Satzteil Zieloperationalisierung. messbar, terminiert Die gemeinsam herausgefundenen Ziele des Case Management-Prozesses. Was soll erreicht werden? Formulierungsvorschlag A: Die Klientin hat sich zum Ziel gesetzt... (z.b. alle Schulden offenzulegen). Die Benennung von Indikatoren, anhand derer die Zielerreichung zu beobachten ist. Wie soll das Ziel erreicht werden? Woran ist zu erkennen, dass das Ziel erreicht ist? Lässt sich die Zielerreichung bzw. deren beobachtbare Indikatoren in Form qualitativer und/oder quantitativer Größen ausdrücken? Formulierungsvorschlag A: indem... z.b. (bis zum TT.MM.JJJJ alle Mahnungen, Rechnungen etc. mitgebracht und aufgelistet werden). 28. BundesDrogenKongress 14
6. Monitoring (Kontrolle - Überwachung) Ziele der Hilfe Begleitbogen Frau/Herrn XXXXX, erstellt am TT.MM.JJJJ (Lfd. Nr.: X) Bezüglich des Ziels a) Zielformulierung: Z.B. Frau/Herr XXXXX hat sich zum Ziel gesetzt..., indem sie/er.... Stadium der Zielumsetzung Bereits erledigte Aufgaben: Aufgabe Erledigt am Erledigt von Ergebnis/Bemerkungen Noch zu erledigende Aufgaben: Aufgabe Beteiligter Dienst/ Person Zuständig Termin 28. BundesDrogenKongress 15
7. Evaluation (Bewertung - Auswertung) Ziele der Hilfe Auswertung Frau/Herrn XXXXX, erstellt am TT.MM.JJJJ Bezüglich des Ziels a) Zielformulierung: Z.B. Frau/Herr XXXXX hat sich zum Ziel gesetzt..., indem sie/er.... Zielerreichung (Bitte die zutreffende Spalte ankreuzen): Ziel erreicht? Woran ist zu erkennen, dass das Ziel erreicht, zum Teil erreicht oder nicht erreicht ist? Ja zum Teil Nein 28. BundesDrogenKongress 16
8. Schlussbemerkung KlientInnen müssen der starken Zielorientierung des Case Managements im Hilfeprozess gewachsen sein. Die Prozesssteuerung über die Ziele, bedeutet eine graduelle Vernachlässigung der pädagogischen Beziehungsarbeit, der situativen Spontaneität und eine Abkehr von der Vergangenheitsorientierung in der Einzelfallarbeit. Wenn die KlientInnen sich auf eine Zielorientierung in der hier vorgestellten Art einlassen, besteht die Chance, diese auch zeitnah zu erreichen. Grundsätzlich gilt: Die Methoden müssen den Bedürfnissen der Hilfesuchenden folgen und sich diesen anpassen. Es geht also nicht darum, die passenden KlientInnen für eine Methode zu finden, sondern die geeignete Methode für individuelle Problemlagen. 28. BundesDrogenKongress 17
9. Buch- und Weiterbildungsempfehlung Detailliertere und umfangreiche Verfahrensanregungen zum Case Management finden Sie in folgendem Buch: Systemisches Case Management. Falleinschätzung und Hilfeplanung in der Sozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien methodische Anregungen. Heiko Kleve/ Britta Haye/ Andreas Hampe-Grosser/ Matthias Müller. 2003. Aachen: Kersting Preis: 15 EUR Bestellung unter: http://www.kersting-verlag.de/ 28. BundesDrogenKongress 18
9. Buch- und Weiterbildungsempfehlung Die zertifizierte Weiterbildung (DGS/DBSH/DBfK) zur/zum: Systemischen Case Managerin Systemischen Case Manager Am: Institut für Beratung und Supervision Aachen ibs-aachen 17.06.2005 Beginn: 17.06.2005 Ort: Aachen Weitere Infos unter: http://www.ibs-networld.de/ 28. BundesDrogenKongress 19