Doping im Sport Handlungsbedarf für den Strafgesetzgeber in der Schweiz?



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Transkript:

Dr. iur. Rainer Cherkeh Doping im Sport Handlungsbedarf für den Strafgesetzgeber in der Schweiz? Die Olympischen Spiele von Athen haben es wieder bestätigt: Doping gehört im Spitzensport zur Tagesordnung. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Umso dringlicher stellt sich deshalb und abermals die Frage, ob die vorhandenen Sanktionsmechanismen zur Bekämpfung des Dopings ausreichen. In den Blickpunkt rückt dabei der sich selbst «dopende» Sportler. Soll der Strafgesetzgeber einschreiten und welche Schutzgüter sind eigentlich betroffen? Eine Betrachtung des vorhandenen Gesetzesinstrumentariums unter Heranziehung der hierzu parallel in Deutschland geführten Diskussion stehen im Mittelpunkt dieses Kurzbeitrages. Inhaltsverzeichnis 1. Vorhandene gesetzliche Regelungen in der Schweiz 2. Vorhandene gesetzliche Regelungen in Deutschland 3. Handlungs- und Regelungsbedarf 1. Vorhandene gesetzliche Regelungen in der Schweiz [Rz 1] Gemäss Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarats gegen Doping im Sport, das in der Schweiz am 01.01.1993 in Kraft getreten ist, erlassen die Vertragsparteien in geeigneten Fällen Gesetze, sonstige Vorschriften oder Verwaltungsmassnahmen, um die Verfügbarkeit und Anwendung verbotener Dopingwirkstoffe und -methoden im Sport einzuschränken. Art. 4 Abs. 4 des Übereinkommens statuiert das Subsidiaritätsprinzip, demzufolge die Vertragsparteien solche gesetzliche Regelungen erst dann zu erlassen haben, sofern «die vorrangig zuständigen 2 nationalen und internationalen Sportverbände versagen» bzw. weniger drastisch ausgedrückt ihrer 3 Verantwortung auf diesem Gebiet nicht (hinreichend) nachkommen. 4 [Rz 2] In der Schweiz führten die Ereignisse der Tour de France 1998 zu parlamentarischen Vorstössen, die nach einer gesetzgeberischen Initiative verlangten. Hierzu begleitend wurde am 24.09.1999 im Auftrag des Bundesamtes 5 für Sport (BASPO) eine Expertise erstattet, die zu dem Ergebnis kam, dass die bestehenden Strafrechtsnormen, 6 namentlich der Betrugstatbestand (Art. 146 Abs. 1 StGB), für eine «Bekämpfung des Dopingunwesens» nicht 7 ausreichen. [Rz 3] Hinsichtlich der Strafbarkeit des sich selbst dopenden Sportlers stehen die Verfasser des Gutachtens aus dem Jahr 1999 auf dem Standpunkt, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen allenfalls in engen Grenzfällen eine Ahndung des Sportlers ermöglichen: Selbst wenn man in dem Verhalten des am Wettkampf teilnehmenden Sportlers 8 eine Irreführung i. S. d. Art. 146 StGB annehmen wollte, was nach Ansicht der Verfasser zweifelhaft sei, so liesse sich der Tatbestand des vollendeten oder versuchten Betruges nur im Zusammenhang mit der Ausschreibung eines Preises und dann auch nur unter bestimmten zusätzlichen (schwer nachweisbaren) Voraussetzungen erfüllen. [Rz 4] Eine Bestrafung nach dem Betäubungsmittelgesetz komme so die Gutachter nur in Betracht, wenn die verwendete Dopingsubstanz unter den Katalog der Betäubungsmittel i. S. von Art. 1 BetMG falle. Auch eine Ahndung nach UWG scheide aus: Zwar liesse sich das Doping des Sportlers unter Art. 2 UWG subsumieren, was 9 jedoch gem. Art. 23 UWG nicht strafbar sei. [Rz 5] Der schweizerische Gesetzgeber hat auf dem Hintergrund des Vorgesagten das Bundesgesetz über die 10 Förderung von Turnen und Sport anlässlich der Gesetzgebungsarbeiten zum Bundesgesetz über Arzneimittel und 11 Medizinprodukte (Heilmittelgesetz ) revidiert. Seit dem 01.01.2002 sind die in einem neuen Kapitel (V b, Art. 11b 12 11f) zusammengefassten Bestimmungen in Kraft. Als «Massnahmen gegen das Doping» werden durch den Gesetzgeber die Dopingprävention, Dopinglisten, verbotene Handlungen, Dopingkontrollen sowie Strafnormen 1 Seite 1 von 5

definiert. Für den hiesigen Beitrag massgeblich ist die als abstraktes Gefährdungsdelikt und Offizialdelikt ausgestaltete Strafbestimmung Art. 11f Abs. 1: «Wer Mittel zu Dopingzwecken herstellt, einführt, vermittelt, vertreibt, verschreibt oder abgibt oder Methoden zu Dopingzwecken an Dritten anwendet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 100.000 Franken bestraft.» [Rz 6] Der schweizerische Gesetzgeber beschränkt sich folglich darauf, das Umfeld des Sportlers strafrechtlich zu 13 erfassen, wobei als geschütztes Rechtsgut der Doping-Strafbestimmung allein die körperliche Integrität der 14 Wettkampfsportler anzusehen ist. [Rz 7] Gegen die Annahme, die Strafbestimmung wolle (auch) die Lauterkeit des sportlichen Wettkampfes schützen, spreche so Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer der Umstand, «dass grundsätzlich die dopenden 15 Sporttreibenden von der Strafbarkeit ausgenommen sind». Wollte die Norm jedoch auch unmittelbar die Lauterkeit des Wettbewerbes schützen, so müsste sie «die eigentlichen Wettbewerber, nämlich die Sporttreibenden selbst, anvisieren», was nicht geschieht. Dem ist beizupflichten. Der sich selbst dopende Sportler bleibt somit in der 16 17 Schweiz, wie in zahlreichen europäischen Staaten auch, straffrei, jedenfalls soweit es den Anwendungsbereich 18 der neuen Artikel im BG über die Förderung von Turnen und Sport angeht. 2. Vorhandene gesetzliche Regelungen in Deutschland 19 [Rz 8] In Deutschland ist das Übereinkommen des Europarats gegen Doping zum 01.06.1994 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat in Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens die Strafvorschriften des Arzneimittelgesetzes ergänzt. 6 a AMG verbietet das Inverkehrbringen, Verschreiben oder Anwenden (bei 20 anderen) von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport und stellt dieses gem. 95 AMG unter Strafe. Hingegen bleibt das eigenverantwortliche Doping des Sportlers, ebenso wie in der Schweiz, von diesen Gesetzesergänzungen unberührt. [Rz 9] Nachdem der Aspekt «Gesundheitsschutz» im juristischen Schrifttum dominierte und auch nicht zu erkennen war, dass die neu geschaffenen Bestimmungen im AMG eine ernsthafte Verbesserung im Kampf gegen das Doping darstellen, befasst sich das jüngere Schrifttum in Deutschland wieder vermehrt mit anderen schützenswerten und 21 durch Doping beeinträchtigten Interessen dem Vermögen sowie dem Sportethos. Dabei richtet sich der Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des dopenden Sportlers selbst. [Rz 10] Bei einer Betrachtung betrugsrelevanter Verhaltensweisen des gedopten Sportlers sind diverse 22 Lebenssachverhalte denkbar, in denen der Sportler einen Betrug i. S. d. 263 StGB begeht : Aufgrund der Wettkampfteilnahme des (gedopten) Sportlers erfolgt eine Täuschung gegenüber dem Mitkonkurrenten, Veranstalter, Preisspender und Zuschauer. Der Sportler spiegelt den Genannten die unwahre Tatsache vor, dass er sich den 23 Dopingbestimmungen gemäss verhält. Durch dieses konkludente Verhalten wird bei dem betroffenen Personenkreis die unrichtige Vorstellung hervorgerufen, der Sportler sei zumindest möglicherweise ungedopt und halte deshalb die Dopingbestimmungen bei seiner Wettkampfteilnahme ein. Dies genügt um Täuschung und Irrtum i. 24 S. d. 263 StGB zu bejahen. [Rz 11] Nicht anders verhält es sich im Anwendungsbereich des Art. 146 StGB. Eine Irreführung der genannten 25 Personen ist in Abweichung zu der Ansicht von Rehberg und Flachsmann auch nach dem schweizerischen Betrugstatbestand zu bejahen. Denn der Sportler, der «einfach in gedoptem Zustand an einer Konkurrenz teilnimmt 26 und nichts weiter unternehmen kann, um den Eindruck eines fairen Teilnehmers zu erwecken», spiegelt genau durch diese Verhaltensweise seinen Mitkonkurrenten vor, sich bei seiner Wettkampfteilnahme den Dopingbestimmungen gemäss zu verhalten. Dies führt zu einer Irreführung i. S. d. Art. 146 StGB. [Rz 12] Dem steht auch nicht der Einwand entgegen, dass sich das Doping im Berufssport zunehmend verbreite, so dass eine Irrtumserregung ausscheide. Verkannt wird hierbei nämlich, dass es für die Frage, wann ein Irrtum trotz bestehender Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Tatsache vorliegt, allein darauf ankommt, ob sich das Opfer durch die Möglichkeit der Wahrheit zu der Vermögensverfügung / Bestimmung zu einer Vermögensdisposition 28 motivieren lässt. Dass die Genannten regelmässig zumindest von der Möglichkeit ausgehen, der Sportler halte die Dopingbestimmungen bei der Teilnahme an dem Wettkampf ein, ist auch auf dem Hintergrund der zunehmenden 27 Seite 2 von 5

Trainings- und Wettkampfkontrollen evident. 29 [Rz 13] Als im Ergebnis Geschädigte und somit Opfer eines Betruges i. S. d. 263 StGB kommen der Preisspender, der Veranstalter eines Wettkampfes sowie in unterschiedlichen Konstellationen auch der Sponsor 30 des Athleten in Betracht. Hingegen scheidet ein Betrug zum Nachteil des Mitkonkurrenten des gedopten Sportlers 31 aus, weil es an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen Vermögensschaden und Vermögensvorteil fehlt. [Rz 14] Da sich aber gerade innerhalb dieses Verhältnisses zwischen dem (wissentlich) gedoptem Sportler und 32 seinem Mitkonkurrenten das «eigentlich Anstössige des Dopings» entfaltet, bedurfte und bedarf es auch weiterhin 33 der Diskussion, ob und mit welchen strafrechtlichen Sanktionsvorschriften ein Schutz des Sportethos, das nicht als Rechtsgut des 263 StGB bzw. des Art. 146 StGB anzusehen ist, geboten ist. 3. Handlungs- und Regelungsbedarf [Rz 15] Anders als die durch Doping betroffenen Rechtsgüter Gesundheit und Vermögen geniesst das Sportethos keinen originären strafrechtlichen Schutz. Bereits die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Wettkampfsports verlangt jedoch nach einer systemgerechten strafrechtlichen Absicherung. Hinzu kommt, dass die Dopingfälle im Spitzensport zunehmend die moralisch-ethisch wertbildende Funktion des Sports, insbes. des Wettkampfsports, 34 gefährden. [Rz 16] Überträgt man die Schablone des Dopings auf den Bereich wirtschaftlicher Betätigung, so zeigt sich sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz sofort die parallele Struktur zum unlauteren Wettbewerb, das im jeweiligen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bestimmte unlautere Verhaltensweisen unter Strafe stellt (Schweiz: Art. 23 UWG; Deutschland: 4 und 6c UWG). Eine Anwendung dieser Strafbestimmungen des 35 UWG auf Doping-Sachverhalte scheidet zwar aus. Gleichwohl darf der sportliche Wettbewerb, der aufgrund der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports längst wirtschaftliche Dimensionen hat, nicht von einer vergleichbaren staatlichen Reaktion ausgenommen werden, zumal eine solche für die sportliche Karriere des Athleten keineswegs einschneidender sein muss, als eine Verbandstrafe. [Rz 17] Da die Einnahme verbotener Mittel von den Sportverbänden nach eigener Einschätzung nicht wirksam unterbunden werden kann, ist auch unter Berücksichtigung des ultima-ratio-gedankens und der als Selbstverpflichtung ausgestalteten Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarats gegen Doping im Sport der Zeitpunkt für ein Eingreifen des Strafgesetzgebers gegeben. 36 [Rz 18] Die Grundlinien eines neuen Dopingtatbestandes, mit dem die Verzerrung des sportlichen Wettbewerbs 37 pönalisiert und das Sportethos im Wettkampfsport geschützt würde, liessen sich wie folgt skizzieren : Schutzsubjekte sind die Mitkonkurrenten, Sponsoren, Veranstalter, Preisspender sowie die Allgemeinheit (öffentliche Mittel). Als Schutzobjekt ist, wie im UWG, der lautere Wettbewerb als Ausprägung des Sportethos anzusehen. Die Tathandlung besteht in dem Bestreiten des Wettkampfes unter Verstoss gegen die für die betroffene Sportart jeweils geltenden Dopingbestimmungen. Massgeblicher Moment der Tathandlung ist die Wettkampfteilnahme, worin auch 38 zeitlich gesehen die parallele Struktur zum strafbaren Verstoss gegen den wirtschaftlichen Wettbewerb liegt. Rechtsanwalt Dr. iur. Rainer Cherkeh ist Partner der Sozietät KERN I CHERKEH in Hannover, ferner Lehrbeauftragter für Sport- und Vereinsrecht an der FH Braunschweig/Wolfenbüttel sowie Dozent an der Führungs-Akademie des Deutschen Sportbundes. Er vertritt und betreut Athleten und Sportverbände u. a. bei Verfahren vor den nationalen u. internationalen Verbands- und Schiedsgerichten sowie vor staatlichen Gerichten. 1 Conseil de l Europe, Rapport explicatif relatif à la Convention contre le Dopage, Strasbourg 1990, S. 21-22; zu Zweck und Inhalt des Übereinkommens vgl. Haas, SpuRt 1996, 107. 2 Fritzweiler, in: Praxishandbuch, 1. Teil, Rn. 10 m w. N. Seite 3 von 5

3 Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Sport (BASPO), Januar 2002, Zu den neuen Dopingbestimmungen, S. 4 m. w. N. 4 hierzu näher: Kamber, Gesetzliche Regelungen zur Dopingbekämpfung in der Schweiz, in: Jusletter 29. März 2004 [Rz 4] m. w. N. 5 Rehberg / Flachsmann, Strafbarkeit von Doping nach geltendem schweizerischen Strafrecht, September 1999, ausschnittsweise (beschränkt auf den Betrugstatbestand) veröffentlicht in SpuRt 2000, 212 ff.; in Auszügen inhaltlich wiedergegeben und besprochen bei Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 5 f. 6 Rehberg / Flachsmann, SpuRt 2000, 212 (217). 7 Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 5 unter Hinweis auf S. 30 der Expertise von Rehberg / Flachsmann (s. o. Fn. 5). 8 Rehberg / Flachsmann, SpuRt 2000, 212 (217); dazu noch abweichend weiter unten 2. 9 Vgl. Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a. a. O., S. 5 f. unter Hinweis auf S. 28 ff. der Expertise von Rehberg / Flachsmann, a.a.o. (s. o. Fn. 5). 10 SR 415.0 11 SR 812.21 12 Zu den neuen gesetzlichen Regelungen zur Dopingbekämpfung vgl. zusammenfassend Kamber, a.a.o., Rz. 5. 13 Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 6. 14 Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 14. 15 Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 14., die ferner darauf hinweisen, dass sich der Sportler, der wissentlich und willentlich ein ihm zu Dopingzwecken abgegebenes Betäubungsmittel konsumiere, nach Art. 19a BetmG strafbar mache (S. 22). 16 Vgl. hierzu Cherkeh / Momsen, Doping als Wettbewerbsverzerrung?, NJW 2001, 1745 (1747). 17 Instruktiv zu dem Anwendungsbereich sowie zu dem geschützten Rechtsgut dieser Strafnorm: Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a.a.o., S. 9 ff. 18 Zur möglichen Anwendbarkeit des Art. 146 StGB auf Dopingsachverhalte siehe noch unten 2. 19 Gesetz v. 02.03.1994, BGBl 1994 II 334. 20 Hierzu Lippert, NJW 1999, 837. 21 Hierzu grundlegend Cherkeh, Betrug ( 263 StGB), verübt durch Doping im Sport, 2000, S. 63 ff. (Vermögen), S. 237 ff. (Sportethos) sowie Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 ff. jeweils m. w. N. 22 Ausführlich hierzu Cherkeh, a.a.o., S. 63 ff. 23 Cherkeh, a.a.o., S. 63 ff.; Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 ff.; so nun auch Tröndle / Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, 263 Rz. 20. 24 Cherkeh, a.a.o., S. 67 ff. (zur Täuschung) sowie S. 110 ff. (zum Irrtum). 25 Rehberg / Flachsmann, SpuRt 2000, 212 (217). 26 So Rehberg / Flachsmann, SpuRt 2000, 212 (217). 27 Rehberg / Flachsmann, SpuRt 2000, 212 (217); vergleichbar argumentieren J. Kühl, in Doping verbotene Arznei, 1992, S. 156 (160); Linck, NJW 1987, 2545 (2551); Turner, MDR 1991, 569 (574); Schild, in: Rechtliche Frage des Dopings, 1986, S. 13 (29). 28 Cherkeh, a.a.o., S. 112 ff. 29 Gleiches gilt wegen der Parallelen im objektiven und subjektiven Tatbestand im Anwendungsbereich des Art. 146 StGB. 30 Ausführlich Cherkeh, a.a.o., S. 63 ff.; Betrugskonstellationen sind insbesondere denkbar: im Zusammenhang mit der Wettkampfteilnahme, bei Vertragsabschluss mit dem Veranstalter, bei und nach Vertragsabschluss mit dem Sponsor. 31 Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1749) m. w. N. 32 Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1750). 33 Seite 4 von 5

Wesenskern des Sportethos, das es verbietet, den Wettkampfbestimmungen zuwider auf den Ausgang einer sportlichen Wettkampfes Einfluss zu nehmen, sind das Fairplay, die Chancengleichheit sowie die Glaubwürdigkeit im Leistungssport; vgl. Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1748) m. w. N. 34 Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1746). 35 Vgl. für das schweizerische UWG Bohnenblust / Haenni / Gross / Studer, a. a. O., S. 6 unter Hinweis auf die Expertise von Rehberg / Flachsmann, a.a.o., S. 29 f. sowie aus deutscher Sicht: Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1750). 36 Dieser könnte beispielsweise in den neu geschaffenen Doping-Abschnitt («Vb. Massnahmen gegen das Doping») des Bundesgesetzes über die Förderung von Turnen und Sport integriert werden. 37 Dazu ausführlich Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1751 f.) sowie Cherkeh, a.a.o., S. 239 ff. 38 Zu Einzelheiten, dem subjektiven Tatbestand, der Versuchsstrafbarkeit sowie zu prozessualen Fragen und der Regelungstechnik eines solchen Delikts vgl. Cherkeh / Momsen, NJW 2001, 1745 (1751 f.). Rechtsgebiet: Sportrecht Erschienen in: Jusletter 6. September 2004 Zitiervorschlag:, in: Jusletter 6. September 2004 Internetadresse: http://www.weblaw.ch/jusletter/artikel.asp?articlenr=3355 Seite 5 von 5