Nachhaltige Sanierung von Teerölaltlasten ohne (teilweise) Dekontamination möglich?
Gliederung des Vortrags Was ist Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit im Kontext der ltlastensanierung Nachhaltigkeits-relevante Randbedingungen bei der Sanierung von Teerölaltlasten Blick in die Praxis: Zwei Fallbeispiele Resümé (aber natürlich keine abschließende ntwort!) 2
Was ist Nachhaltigkeit (1)? Brundtland-Bericht: Our common future, 1987: Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation sichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens erhält. bschlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags Schutz des Menschen und der Umwelt Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, 1998: Drei-Säulen-Modell einer nachhaltigen Entwicklung, bei der ökologische, ökonomische und soziale Ziele vereint werden müssen. 3
Was ist Nachhaltigkeit (2)? Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung: Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. http://www.nachhaltigkeitsrat.de/nachhaltigkeit/ (07.11.2012) us diesen Definitionen von Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung folgt, dass ökologische, ökonomische und soziale Ziele aktuell und für die Zukunft in Einklang gebracht werden müssen: Nachhaltige Entwicklung = Optimierung der Drei-Säulen in der Zeit! 4
Was ist Nachhaltigkeit (3)? Bilder aus http://www.oikopolis.lu/de/bild/650/ (links) und http://www.sein.de/uploads/nachhaltigkeit.jpg (rechts) 5
Nachhaltigkeit im Kontext der ltlastensanierung (1) ls erstes die Frage: Trägt die Sanierung von ltlasten nicht per se zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, weil Umweltschäden aus der Vergangenheit beseitigt werden? Und erfolgt bei der Sanierungsuntersuchung, bei der nach der BBodSchV, nhang 3 insbesondere die Eignung, Durchführbarkeit, Wirksamkeit und Wirkungsdauer, das Verhältnis von Kosten und Wirksamkeit, die uswirkungen auf die Betroffenen und die Umwelt, die Entstehung, Verwertung und Beseitigung von bfällen und der rbeitsschutz, zu berücksichtigen sind, nicht zumindest eine teilweise Nachhaltigkeitsbetrachtung? Im Prinzip ja, aber 6
Nachhaltigkeit im Kontext der ltlastensanierung (2) wir wissen viel zu wenig über die Ökobilanz der unterschiedlichen Sanierungsverfahren und erst recht können wir diese bisher (noch) nicht für einzelne Sanierungsmaßnahmen erstellen. Ökobilanzen für Sanierungsverfahren werden aktuell im angelsächsischen Raum diskutiert, siehe z. B.: Green remediation http://www.epa.gov/superfund/greenremediation/ SURF : Sustainable Remediation Forum http://www.sustainableremediation.org/ Problematisch ist auch die Bewertung der wirtschaftlichen spekte, wenn Prognosen über sehr lange Zeiträume erfolgen müssen. Darüber hinaus muss ja auch eine Betrachtung der sozialen bzw. gesellschaftlichen spekte der ltlastensanierung erfolgen, was bisher in diesem Kontext nicht erfolgt. 7
Nachhaltigkeit im Kontext der ltlastensanierung (3) Im Koalitionsvertrag 2012 2017 von NRWSPD und Bündnis 90/Die Grünen heißt es: Wir werden ein nachhaltiges Beschaffungswesen für das Land verbindlich einführen, einen Nachhaltigkeitscheck für alle Landesprogramme verankern sowie eine Ökoauditierung der gesamten Landesverwaltung durchführen. Zu erwarten ist daher, dass eher früher als später in Landesförderprogrammen für die ltlastensanierung, aber auch in V-Projekten die Frage nach der Nachhaltigkeit von Sanierungsmaßnahmen gestellt werden wird und ökobilanzielle Betrachtungen in der Sanierungsuntersuchung durchgeführt werden müssen! 8
Nachhaltigkeits-relevante Randbedingungen bei der Sanierung von Teerölaltlasten (1) Extreme Langlebigkeit der Teerölphasenkörper ( Pools ) von 100 1.000 a und Langlebigkeit von fein verteilter, residualer Teerölphase ( Blobs ) und sorbierten Teerölen von 10-100 a (Grathwohl 2001). Nahezu konstante Emission der Pools über ihre gesamte Lebensdauer, während die Emission der Blobs und insbesondere der sorbierten Teerölen über ihre Lebensdauer abnimmt (Grathwohl 2001). Bei Verzicht auf eine Dekontamination oder Sicherung, aber der Notwendigkeit einer Fahnensanierung, müssen Pump & Treat oder passive Verfahren (z. B. Funnel & Gate) über die gesamte Lebensdauer der Schadstoffherde betrieben werden. ls Dekontaminationsverfahren steht derzeit als erprobtes und technisch sicheres Verfahren nur uskoffern mit externer Entsorgung und / oder Umlagerung an. Hieraus resultieren i. d. R. sehr hohe investive Kosten und vergleichsweise geringe Nachsorgekosten. 9
Nachhaltigkeits-relevante Randbedingungen bei der Sanierung von Teerölaltlasten (2) Sicherungsmaßnahmen haben in aller Regel eine technische Lebensdauer, die sehr viel kleiner ist als die (durch die Sicherungsmaßnahme noch stark verlängerte) Lebensdauer der Teerölaltlasten. In Fällen hochwertig nachgenutzter Teerölaltlasten wird eine Dekontamination bis zur ufgabe dieser Nutzung aus wirtschaftlichen, ggf. aber auch aus sozialen Gründen i. d. R. nicht in Betracht kommen. 10
Nachhaltigkeits-relevante Randbedingungen bei der Sanierung von Teerölaltlasten (3) im Ruhrgebiet uf den Standorten mit Teerölaltlasten besteht i. d. R. eine (meist gewerblich-industrielle) Nachnutzung, z. T. in der zweiten oder dritten Generation. Im Hinblick auf MN-Strategien ist festzustellen, dass im Ruhrgebiet die zeitliche Verfügbarkeit von Elektronenakzeptoren (i. W. Sulfat aus Bergehalden und großflächigen mineralischen uffüllungen) wahrscheinlich generell geringer ist als die Lebensdauer der Teerölphasenkörper. Die generell weiter zunehmende Versiegelung im Zuge der verstärkten (und wünschenswerten!) Neunutzung von aufgegebenen Standorten der Montanindustrie reduziert die Nachlieferung von Elektronenakzeptoren. Durch neue Umweltqualitätsziele (Gewässerrenaturierung, WRRL, Emscherumbau) entsteht auch neuer Handlungsbedarf, da die durch Teerölaltlasten verursachten lokalen Oberflächen- und Grundwasser-Belastungen z. T. nicht mehr toleriert werden können. 11
100 m 1856: Beginn des bteufens Schacht Prosper I 1863: Beginn der Kohleförderung 1890-1928: Betrieb einer Kokerei 1928: Erste Stilllegung der Zechenanlage 1938: Wiederaufnahme der Förderung 1956: Endgültige Stilllegung Mitte der 1970iger Jahre - 1980: Rückbau der Zechenanlage Seitdem gewerbliche Nutzung 12
Heute: Gewerbegebiet Prosper I (Logistikstandort) im Süden und teilweise Brachfläche im Bereich der ehemaligen Bergehalde 14
und angrenzend an den Standort die Emscher 15
Grundwassergleichenplan 1. Stockwerk (quartäre Lockergesteine) Emscherufer Ehemalige Bergehalde xxxxxxx Teerölphasenkörper 16
Konzentrationsverlauf PK und Sulfat (Januar 2009) Teerölphasenkörper Ehemalige Bergehalde Emscherufer 17
Sulfateinträge in das Grundwasser mit frischem Sickerwasser L L e e g 0 7 0 7 0 7 0 7 0 7 0 7 0 8 0 8 0 8 0 8 0 8 0 8 0 8 0 8 0 8 2 0 2 0 2 0 2 0 2 0 2 0 20 40 60 November 2010 Februar 2011 20 40 60 80 80 L e g L e 0 7 0 7 0 7 0 7 0 7 0 7 0 8 0 8 0 8 0 8 60 0 8 0 8 40 8 0 8 0 20 8 2 0 2 0 Mg SO4 2 0 2 0 2 0 80 80 80 2 0 80 60 40 20 Mg 60 40 40 20 20 40 20 60 80 80 60 20 40 20 40 SO4 60 60 40 20 80 Sulfat [mg/l] Messstelle Nov 10 Feb 11 0765-08 320 364 0765-10 112 623 0765-15 152 416 0765-31 148 525 0865-03 161 348 80 60 40 20 20 40 80 60 60 Ca Na+K HCO3 Ca C Na+K HCO3 C 80 18
Schlussfolgerungen für den Standort Prosper I Die Grundwasserbelastung, die von der Teerölbelastung in der ungesättigten und gesättigten Zone ausgeht, unterliegt derzeit und für die überschaubare Zukunft natürlichen bbauprozessen entlang des Fließwegs, so dass nach einer Fließstrecke von wenigen Hundert Metern BTEX und PK nur noch in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar sind. Sulfat als ein Elektronenakzeptor für den natürlichen bbau von Teeröl steht aktuell und für die überschaubare Zukunft auf Grund der flächendeckend vorhandenen uffüllungen mit Bauschutt und Bergematerial in großen Mengen zur Verfügung und wird mit der Grundwasserneubildung nachgeliefert. Für die überschaubare Zukunft ist für den Standort MN als Handlungsstrategie geeignet und die aktuell nachhaltigste Strategie, da eine Dekontamination unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Gewerbegebiet!) derzeit nicht vertretbar ist. 19
Pumpwerk 100 m Historie 1895 bteufen Schacht III 1898 Errichtung der Kokerei 1914 Errichtung Benzolfabrik 1919 Errichtung weiterer Nebengewinnungsanlagen 1925 Stilllegung 1935 weitgehender bbruch erfolgt 1935 1945: Nordteil: Nutzung durch die Reichsluftwaffe 1950er Nutzung des Gesamtgeländes durch die Bundeswehr 1970er heute: Gewerbliche Nutzung des Südteils heute: Gewerbliche Nutzung des Gesamtgeländes 20
Heute gewerbliche Nutzung (z. T. extensiv ) 21
Bergsenkungswanne nördlich der ehem. Zeche u. Kokerei Pumpwerk 22
Pumpwerk in der Bergsenkungswanne geplante bleitung des geförderten Wassers in ein renaturiertes Gewässer! 23
Grundwassergleichenplan 1. Stockwerk (quartäre Lockergesteine) Pumpwerk 24
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Konzentrationsprofile für kokereispezifische Schadstoffe entlang von Stromlinien (zentraler Teil des Geländes) PB21 PB14 PB18 Entfernung zu PB21 0 51 125 entlang Stromlinie [m] Fließdauer [Jahre] 0 0,4 2,6 1,0 6,25 mmonium [mg/l] 120 53 11 Summe BTEX [µg/l] 1.800 76 <5 Naphthalin [µg/l] 2.600 45 <0,01 PK 15 [µg/l] 1.000 29 <0,14 NSO-Het. [µg/l] 3.161 45 0,44 Entfernung zu PB19 entlang Stromlinie [m] PB19 PB24 PB25 0 51 110 Fließdauer [Jahre] 0 0,4 2,6 0,9 5,5 mmonium [mg/l] 2,3 0,95 <0,05 Summe BTEX [µg/l] 2.600 <5 <5 Naphthalin [µg/l] 2.500 0,16 2,5 PK 15 [µg/l] 800 26 2,6 Deutliche N und keine sensible Nutzung im Reaktionsraum. Daher MN grundsätzlich möglich! 26
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Konzentrationsprofil für kokereispezifische Schadstoffe entlang von Stromlinien im Nordteil PB12 PB16 Summe BTEX [µg/l] < 5 760 Summe PK 16 [µg/l] 3,2 3.400 Sehr starker Wieder- nstieg wegen Vorhandenseins eines weiteren Schadensherdes! Die Fließstrecke bis zur Wasserfassung des Pumpwerks reicht nicht für einen ausreichenden PK- bbau aus. Daher ist hier MN nicht geeignet! 28
Sanierungszonen (Nordteil) 29
Schlussfolgerungen für den Standort Massen III/IV Für den Schadensherd im Südteil des Standortes ist für die überschaubare Zukunft MN als Handlungsstrategie geeignet und die aktuell nachhaltigste Strategie, da eine Dekontamination unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Gewerbliche Nutzung) derzeit nicht vertretbar ist. Es müssen allerdings Reserveflächen für EN baurechtlich gesichert werden, da das Elektronenakzeptor-Potential endlich ist. Für den (kleineren!) Schadensherd im Nordteil besteht Sanierungsbedarf, da hier PK im Pumpwerk, dessen Wasser aus zwingenden abwassertechnischen Gründen zukünftig in ein renaturiertes Gewässer abgeleitet werden soll, in relevanten Konzentrationen nachweisbar sind. Da Maßnahmen zur Fassung und Behandlung des belasteten Teilstroms Grundwasser auf ewig betrieben werden müssten, werden derzeit Möglichkeiten der Dekontamination und Sicherung geprüft, um den Zeitraum für Pump & Treat zu verkürzen. 30
Resümé (1) Handlungs- und Sanierungsstrategien bei Teerölaltlasten, die nicht auf eine Dekontamination des Schadensherdes zielen, führen dazu, dass über Zeiträume von > 100 1.000 a mit diesen ltlasten umgegangen werden muss. Unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit als gesellschaftlichem bzw. sozialen Kriterium der Nachhaltigkeit ist das ufbürden von Verpflichtungen auf kommende Generationen als kritisch zu bewerten. nzumerken ist dabei aber, dass insbesondere Teerölaltlasten bereits der heutigen Generation von den vorausgegangen drei bis fünf Generationen aufgebürdet worden sind. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die heutigen Generationen an dem Wohlstand partizipieren, der durch die Industrialisierung geschaffen wurde! 31
Resümé (2) Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, insbesondere dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit, ist daher bei den generell langlebigen Teerölaltlasten eine Dekontamination (wieder) verstärkt in Betracht zu ziehen. Externe Entsorgungsmaßnahmen ohne stoffliche Beseitigung der Teeröle (Deponierung) und die Umlagerung in Sicherungsbauwerke auf dem Standort sind wegen der Langlebigkeit der Teeröle im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit als kritisch zu bewerten. Da externe Entsorgungsmaßnahmen mit stofflicher Beseitigung sehr hohe Kosten verursachen, erscheint die Entwicklung von hoffentlich langfristig kostengünstigeren In-Situ-Verfahren zur zumindest teilweisen Dekontamination von Teerölaltlasten wünschenswert. 32
Resümé (3) MN wird in vielen Fällen wegen des begrenzten Potentials an Elektronenakzeptoren nur eine mittel- bis langfristige Zwischenlösung darstellen, die so lange betrieben werden kann, wie die natürlichen bbauprozesse ohne menschliches Zutun funktionieren. MN bedeutet gleichzeitig, dass in erheblichem Umfang über lange Zeiträume personelle Ressourcen in der Überwachung gebunden sind. Um Handlungsoptionen in der weiteren Zukunft offen zu halten, erscheint es sinnvoll, geeignete Reserveflächen für EN- Maßnahmen von einer (dauerhaften) Bebauung freizuhalten. Die fortschreitende Gewässerrenaturierung im Emscher- und Lippegebiet und dies gilt sicherlich auch für andere ehemalige Montanindustrie-Regionen schafft Handlungsbedarf auch in Bezug auf Teerölaltlasten und engt die nwendbarkeit von MN ein. 33
Resümé (4) Teildekontaminationsmaßnahmen sollten in die Handlungsstrategien für Teerölaltlasten einbezogen werden, da vor dem Hintergrund der sehr hohen Kosten einer (vollständigen) Dekontamination, der begrenzten Lebensdauer von Sicherungsmaßnahmen und der Ewigkeitskosten bei einer Fahnensanierung solche Maßnahmen ggf. nicht nachhaltig sind. Solche Teildekontaminationsmaßnahmen lassen nach theoretischen Betrachtungen erwarten, dass damit Entlastungseffekte an den kritischen Punkten (z. B. im Hinblick auf die Gewässerrenaturierung) erreicht werden können. llerdings liegen bisher keine ausreichend dokumentierten Erfahrungen, welche uswirkungen eine Teildekontamination bei Teerölaltlasten auf die Grundwasserbelastung hatte bzw. hat, vor. Wünschenswert ist daher mehr Monitoring im nschluss an durchgeführte Dekontaminationsmaßnahmen (nicht nur) bei Teerölaltlasten! 34
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