ERASMUS-Erfahrungsbericht von: Lena Zimmermann Gastuniversität: Stendhal 3, Grenoble, Frankreich WS 2013/14
1) Einleitung Als ich mich direkt am Ende des ersten Semesters für das ERASMUS-Programm beworben habe, war ich mir noch nicht ganz sicher, was mich erwarten würde. Jetzt kann ich nur jedem, der mit dem Gedanken spielt ins Ausland zu gehen, empfehlen, dies auch zu tun. Mein Semester in Grenoble war wohl das aufregendste und interessanteste, was ich je erlebt habe. Ich hoffe, dass ich diesem Erfahrungsbericht nicht zu viel verraten werde, denn sonst stehen jedem, der vorhat ins Ausland zu gehen keine Überraschungen mehr bevor! 2) Erfahrungen im Studium und an der Gastuniversität 2.1) Betreuung: Zunächst möchte ich gern auf die Betreuung vor Ort eingehen, die vor allem zu Beginn meines Aufenthalts wichtig war. Die Universität hat alle ERASMUS und sonstigen Austauschschüler zu einer Einführungsveranstaltung eingeladen. Dort haben sich auch direkt die ersten Dozenten mit dem Angebot ihrer Kurse vorgestellt. Das war wirklich sehr hilfreich, denn so konnte man schon einen ersten Überblick erhalten und sich die ersten Gedanken darüber machen, welche Kurse man wählen wird. Da die Veranstaltung fast den ganzen Tag dauerte, wurde danach für alle Austauschstudenten ein kleiner Snack angeboten. So konnte man auch schon direkt Kontakt mit anderen Studenten knüpfen und erste Freundschaften schließen. Außerdem wurde uns auch direkt gesagt, dass wir mit Fragen aller Art immer ins Büro der Relations internationales kommen können. Die Chefin, Mme Skudder, sowie ihre Sekretärinnen waren wirklich immer sehr hilfsbereit und nett. Am Anfang hieß es jedoch schon fast zu oft: In der Schlange warten. Il faut faire la queue. An organisatorischen Fähigkeiten hat es also oft ein wenig gemangelt. So war es auch bei der konkreten Wahl der Kurse. Man muss sich vorstellen, dass sich rund 300 Studenten ihre Stundenpläne zusammenstellen müssen und alle zur gleichen Zeit in einen Raum, in dem vielleicht Platz für höchstens 25 war, passen sollen. Die Betreuung fand durch zwei sehr hilfsbereite Studentinnen statt, die sich sehr darum bemühten jedem zu helfen, der Hilfe brauchte. Dennoch konnte ein kleines Chaos nicht vermieden werden. In die Kurse musste sich schriftlich eingetragen werden, die Wahl übers Internet war nicht möglich. Weiter ausführen möchte ich das hier jetzt nicht, ich kann nur raten: Bringt sehr viel Zeit, Ausdauer und Geduld mit! Während des Semesters habe ich die Betreuung nicht in Anspruch nehmen müssen, wusste aber immer, dass mir geholfen wird, sobald ich Hilfe benötige.
2.2) Lehrveranstaltungen: Da ich in Heidelberg Übersetzungswissenschaften studiere, habe ich größtenteils Kurse in Übersetzen französisch-deutsch gewählt. Das Angebot dazu war sehr groß. Der Vorteil als ERASMUS-Student ist, dass man Kurse aus allen Studienjahren wählen kann, somit habe ich Kurse vom L1 (erstes Bachelorjahr in Frankreich) bis hin zu Masterkursen belegt. Dabei war der Großteil der Kurse Literaturübersetzungen und nur die Masterkurse boten Übersetzungen von Zeitungsartikeln etc. an. Außerdem gab es die Möglichkeit, Kurse zu belegen, bei denen sowohl aus dem französischen, als auch ins französische übersetzt wurde. Die Kurse sind meistens schon kombiniert zu belegen, das heißt, dass der Kurs von 2 Stunden eine Stunde französisch-deutsch und eine Stunde deutsch-französisch Übersetzen beinhaltet. Hier kann ich die Kurse von Frau Geißer sehr empfehlen. Ansonsten ist das Angebot an Kursen für ausschließlich ERASMUS-Studenten sehr hoch. Ich selbst habe einen Grammatikkurs (französisch) und einen Kurs über Frankreich und Europa belegt. Beide Kurse wurden von Herrn Guichard angeboten, die ich ebenfalls sehr empfehlen kann. Das Angebot an Sportkursen ist in Grenoble so groß wie an fast keiner Universität. Grund dafür ist die super Lage und die Nähe zu den Bergen. Man kann sogar jeden Sportkurs auch mit einer Note abschließen und erhält bei bestehen 3 ECTS Punkte. Ich habe das so auch wahrgenommen und Badminton und Tennis gespielt und dann ab Oktober ging es in die Berge zum Skifahren. Sportkurse kann ich nur jedem empfehlen, da man dort auch in Kontakt mit Franzosen kommt. Zudem habe ich auch noch einen kostenlosen Sprachkurs im Maison des Langues belegt. Alle Studenten, die an der Stendhal eingeschrieben sind, steht ein kostenloser Sprachkurs zur Verfügung. Ich habe mich für Italienisch entschieden und es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht.
2.3 Universitärer Alltag: Zu Beginn der Vorlesungszeit hatte ich einige Schwierigkeiten mit den Räumlichkeiten der Stendhal zu Recht zu finden. Obwohl am Anfang eine kleine Führung durch die ganze Universität gemacht wurde, war es schwierig den Überblick zu behalten. Das einzige was hier hilft ist sich früh genug auf den Weg zu machen, sodass man den Raum der Veranstaltung zeitgemäß findet. In der Woche hatte ich 11 Veranstaltungen, wenn man die Sportkurse mit einbezieht. Meistens lagen meine Kurse so, dass ich mein Mittagessen auf dem Campus essen konnte. Hier gibt es wirklich sehr viele Möglichkeiten, seinen Hunger zu stillen und für jeden Geschmack ist etwas dabei. Von Panini-Ständen über Sandwicheries bis hin zu ganz normalen Mensen. Die Mensa ist wohl das preis-leistungsstärkste, denn für 3,15 erhält man eine Vorspeise (z.b. Salat), eine Hauptspeise und ein Dessert (z.b. Früchte, Pudding etc.). Außerdem bietet der Campus auch reichlich Platz zum Arbeiten oder Leute treffen. Sämtliche Cafés und Bars sowie Bibliotheken und Computerräume sind vorhanden. Im Sommer lässt es sich auch super an der frischen Luft lernen. Der Campus ist wirklich sehr schön gestaltet und bietet für Studenten viel Rasenfläche zum Sonne genießen. 2.4. Studienleistung: In Frankreich wird unterschieden zwischen Kursen, die ein Examen final oder mehrere Contrôles continues haben. Der Unterschied liegt darin, dass es bei einigen Kursen nur eine Klausur am Ende des Semesters gibt und bei anderen während des Semesters mehrere kleine Klausuren geschrieben werden. Der Vorteil bei den Contrôles continues ist der, dass schon vor Weihnachten (bei Aufenthalt im WS) die Noten feststehen. Falls man also vorhat schon so früh wie möglich abzureisen, ist dies möglich, wenn man ausschließlich Kurse mit Contrôles continues belegt. Ich habe sowohl die eine, als auch die andere Art von Kursen belegt, weil ich sowieso nach Weihnachten noch einmal nach Grenoble gefahren bin. Des Weiteren hatte ich das Gefühl, dass man als ERASMUS-Student eine Sonderstellung bei vielen Dozenten hat. Meistens verlangen die Dozenten, dass man auf der Klausur bemerkbar macht, dass man ERASMUS-Student ist. Das ist aber nur zum Vorteil, denn die Dozenten wissen so, dass man sich nicht so gut ausdrücken kann, wie die Französischen Muttersprachler.
3. Erfahrungen außerhalb des Studiums: 3.1. Alltag: Die wohl lehrreichste Erfahrung im Alltag in Frankreich war, dass man nie davon ausgehen kann, dass das Wort Organisation wirklich so wahrgenommen wird. Das geht vom langen Anstehen in der Essensschlange der Mensa bis hin zum SEHR langen Anstehen an der Kasse von sämtlichen Großmärkten. So lernt man aber auch, gerade als Deutsche/r, Geduld und Ruhe zu zeigen. Am Anfang kann das aber schon mal sehr nervig sein. Wenn man die Tram in Grenoble nimmt sollte man sich auch nicht wundern, wenn die Fahrer sich kurzfristig dazu entscheiden, zu demonstrieren. Überhaupt werden Demonstrationen in Frankreich sehr groß geschrieben. Hier rate ich jedem zum Metro Vélo. Das sind Fahrräder, die man sich schon für 15 pro Monat ausleihen kann und wirklich sehr hilfreich sind, denn auch nachts fahren die Trams nur bis 1 Uhr, wenn man also mal etwas länger in der Stadt bleiben will, ist ein Fahrrad nur von Vorteil. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, gebrauchte Fahrräder zu kaufen, jedoch habe ich von vielen meiner Kommilitonen gehört, dass diese in einem sehr schlechten Zustand sind und auch schnell kaputt gehen. 3.1. Finanzen: Was die finanzielle Unterstützung angeht, kann man sich als ERASMUS- Student wirklich nicht beschweren, vor allem, wenn man seinen Aufenthalt in Frankreich verbringt. Neben dem Zuschlag aus Deutschland, der 190 betragen hat, erhält man von Frankreich den Zuschlag auf die Wohnungskosten von der CAF. Je höher die Mietkosten in Frankreich, desto höher der Betrag, den man von CAF zurück erstattet bekommt. Deswegen ist es nicht unbedingt nötig, die billigste Unterkunft auszuwählen, denn diese sind auch wirklich mit Abstand die schlechtesten (dazu später mehr). Die Wohnungskosten sind in Frankreich zwar billiger als in Deutschland, jedoch sind die Lebensmittelkosten um einiges höher in Frankreich. Außerdem sollte man das kulturelle Angebot UNBEDINGT nutzen, auch wenn das auch den Einen oder Anderen Euro kostet. Es lohnt sich wirklich und ist auf jeden Fall kein rausgeworfenes Geld (dazu auch später mehr)! Die Lebensmittel sollte man am besten in einem Großmarkt außerhalb der Innenstadt besorgen. Hier bietet sich der Casino Géant in der Nähe des Campus an. Dort findet man wirklich alles und die Preise sind noch vertretbar. In der Stadt selbst sind die Preise nämlich viel zu hoch um Großeinkäufe zu machen.
3.3. Wohnen: Zu allererst ist es wichtig, seine Erwartungen an französische Wohnheime herunterzufahren. Ich selbst habe im Wohnheim La Tronche gewohnt. Am Anfang war ich wirklich sehr geschockt: 9m², alte Möbel, eine Toilette (auf dem Gang) für 11 Personen, 2 Duschen (ebenfalls für 11 Personen) und gerade mal eine Küche, ausgestattet mit 2 Herdplatten für 33 Personen. Es heißt zwar, dass man sich mit der Zeit an alles gewöhnt, aber ich war schon froh, als ich wieder ausgezogen bin. Ich hatte damals bei der Auswahl der Wohnung wohl das falsche angekreuzt, denn so gut wie alle anderen ERASMUS-Studenten wurden entweder im Rabot oder in der Résidence Ouest untergebracht. Natürlich habe ich aber auch am wenigsten bezahlt. Für 150 darf man auch wirklich nicht viel mehr erwarten als das, was ich geboten bekam. Der Nachteil an La Tronche ist auch, dass fast ausschließlich Medizinstudenten dort untergebracht sind, darunter auch ausländische Studenten. Diese verbrachten den ganzen Tag im Krankenhaus und haben so schnell den Kontakt unter sich aufnehmen können. Da ich auf dem Campus studierte, viel es mir sehr schwer, Leute im Wohnheim kennenzulernen. Da ich auch Freunde aus den anderen Wohnheimen hatte, kann ich nur sagen, dass diese von der Ausstattung nicht unbedingt besser waren, jedoch die Offenheit der Studenten dort viel größer war. Über das Rabot habe ich im Vorfeld viel Schlechtes gelesen und wollte dort auf keinen Fall hin. Als ich jedoch selbst dort war, fand ich es gar nicht so schlimm und die Leute, mit denen man dort wohnt, machen schon viel aus. Das Gleiche gilt eigentlich auch für das Ouest. Dort war die Miete zwar mit am höchsten (270 ), jedoch hat man mit dem Zuschuss der CAF nur noch 180 bezahlt. Dort stand einem ein eigenes Badezimmer mit WC und Dusche zur Verfügung. Ich kann also jedem raten, sich um einen Platz in einem dieser Wohnheime zu bewerben. La Tronche war auch eine Erfahrung wert, denn so lernt man auch sehr einfache Dinge wertzuschätzen (z.b. das Leben in einer WG oder eine Toilette mit Klobrille).
3.4. Kulturelles: Das kulturelle Angebot in Grenoble ist wirklich sehr weitreichend. Ich bin mir sicher, dass für jeden etwas dabei ist. Ich rate jedem, sich der Organisation Integre anzuschließen. Neben wöchentlicher Meltin Bar s bietet Integre auch Wochenendausflüge sowie Tagesausflüge in Städte der Umgebung an. Dazu gehört zum Beispiel ein Ausflug zum Mont Blanc, nach Lyon oder auch nach Annecy, dem Venedig von Frankreich. Spaß ist bei den Ausflügen definitiv vorprogrammiert und sogar die Organisation ist ab und an vorhanden! Man lernt hier auch sehr schnell und einfach andere Austauschstudenten kennen, aber auch die Organisatoren (zum Großteil Franzosen) sind sehr hilfsbereit und freundlich. Des Weiteren bietet auch die Universität selbst ein großes kulturelles Angebot. Die ESMUG wandert wöchentlich mit einer Gruppe von 7-10 Leuten in bekannte, schöne Gebiete in der Nähe. Hier muss ein einmaliger Beitrag bezahlt werden und man kann geführte Wanderungen durch die Gebirge des Vercors, der Chartreuse und der Belledonne genießen. Auch die École de Glisse bietet viele Möglichkeiten in die Berge Skifahren zu gehen. Auch für Anfänger super geeignet, da kostenlose Ski- und Snowboardkurse angeboten werden. Ich kann nur jedem empfehlen, so viel wie möglich zu reisen und Kulturangebote wahrzunehmen. 4. Empfehlungen Was das Bewerbungsverfahren betrifft, empfehle ich jedem, sich früh genug darum zu kümmern. Wichtig ist hier zum Beispiel, dass die Bewerbungen für das Winter-und das Sommersemester zur GLEICHEN Zeit abgegeben werden müsse. Einige meiner Kommilitonen wollten zum Sommersemester weg gehen und dachten, die Bewerbungsfrist wäre später, jedoch muss sich dafür auch schon früh beworben werden. Bei der Wohnungswahl empfehle ich jedem die vermeintlich teuren Wohnheime anzukreuzen. Man wird, wie schon erwähnt, auch vom Land Frankreich unterstützt.
Hier noch generelle Empfehlungen, die VOR Antritt der Reise sehr wichtig sind und mir sehr geholfen haben: - 10 Passbilder (mindestens) WICHTIG, da für alle möglichen Arten von Karten Passbilder benötigt werden (z.b. Sport) - Übersetzte Geburtsurkunde (für CAF) - Auslandskrankenversicherung - Haftpflichtversicherung 5) Fazit Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass das ERASMUS-Semester wohl die ereignisreichste Zeit meines Lebens gewesen ist. Neben den vielen Ausflügen, habe ich viele neue Freundschaften geschlossen, die über die ganze Welt reichen. Auch mein Französisch ist deutlich besser geworden und das Interesse für das Land selbst ist nun so groß wie noch nie. Man lernt, neben der französischen Kultur, auch alle anderen möglichen Kulturen kennen, denn das Ziel von ERASMUS ist es auch, Menschen aus allen Ländern Europas zusammen zu bringen und somit voneinander zu lernen.