Gesundheit in Entwicklungsländern



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Transkript:

Gesundheit in Entwicklungsländern Handlungsempfehlungen aus Anlass der Bundestagswahl 2009

Berlin/Bonn, April 2009 Kontakt: Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) Evangelische Geschäftsstelle Jürgen Hambrink Charlottenstr. 53/54, 10117 Berlin Tel. 030 / 203 55-307, Fax 030 / 203 55-250 Email: j.hambrink@gkke.org vfa. Die forschenden Pharma-Unternehmen Norbert Schellberg Hausvogteiplatz 13, 10117 Berlin Tel. 030 / 206 04-125, Fax 030 / 206 04-502 Email: n.schellberg@vfa.de

Die Gesundheitskrise in Entwicklungsländern darf nicht in Vergessenheit geraten. Sie stellt eine besondere Herausforderung an die Entwicklungspolitik dar. Viel zu viele Menschen sind aufgrund von Krankheiten daran gehindert, ein erfülltes Leben zu führen, für sich und ihre Familien zu sorgen und an der Gestaltung ihrer Gesellschaften mitzuwirken. Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für gelingendes individuelles und gemeinschaftliches Leben. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) und der vfa, der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen nehmen die Bundestagswahl 2009 zum Anlass, Eckpunkte für eine effektive Politik zur Verbesserung der Gesundheitssituation in Entwicklungsländern vorzulegen. Die Empfehlungen stützen sich auf gemeinsame Einschätzungen, die Kirchen und Pharmaindustrie trotz aller Unterschiede in einem mehrjährigen Dialog gewonnen haben. Der Dialog wird im Bewusstsein geführt, dass es nicht weiterführt, sich gegenseitig nur Vorwürfe zu machen oder gar zu befehden, sondern dass es darauf ankommt, über partikulare Interessen und Möglichkeiten hinaus gemeinsame Handlungsperspektiven zu gewinnen und Verantwortung zu gestalten. Bisherige Ergebnisse dieses Dialogs zeigen sich in gemeinsamen Stellungnahmen zur Arzneimittelversorgung in der Dritten Welt (1999), zu den Grundlagen für konzertierte Maßnahmen gegen die HIV/AIDS-Pandemie (2001) und zur Bekämpfung tropischer Armutskrankheiten (2006). Dabei haben GKKE und vfa auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es einer breiten Allianz unter Einschluss der Politik bedarf, um zu nachhaltigen Lösungen der Gesundheitskrise in Entwicklungsländern zu kommen.

1. Gesundheit und Medikamentenversorgung in Entwicklungsländern Um Hunger, Armut und Krankheit weltweit zu bekämpfen, hat die internationale Gemeinschaft im Jahr 2000 mit der Millenniumserklärung einen breiten politischen Konsens herbeigeführt und sich in den Millenniumsentwicklungszielen dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2015 drei gesundheitsbezogene Ziele zu verwirklichen: die Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel, die Senkung der Müttersterblichkeit um drei Viertel sowie die Eindämmung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose sowie anderer Infektionskrankheiten. Beschlossen wurde auch, durch eine globale Partnerschaft den Zugang zu Arzneimitteln weltweit zu verbessern. Diese Beschlüsse sind nicht ohne Wirkung geblieben: Die Zahl der HIV-positiven Menschen in den Entwicklungsländern, die die lebensnotwendigen antiretroviralen Medikamente zur Aids-Behandlung erhalten, ist auf 3 Millionen Menschen angestiegen (Stand 2007). Auch in der Bekämpfung von Malaria, Masern, lymphatischer Filariose, Lepra und Polio und im Ausbau der Gesundheitssysteme sind gewisse Fortschritte zu verzeichnen. Sie reichen jedoch bei Weitem nicht aus, eine positive Zwischenbilanz zu ziehen und die Hoffnung zu stärken, dass die Ziele erreicht werden. Weltweit ist das Recht auf Gesundheit nicht gewährleistet und damit nachhaltige Entwicklung behindert. Millionen Menschen sind krank, weil keine qualitativ gute Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht, weil sie unter krankmachenden Bedingungen leben und arbeiten und weil sie mangelernährt sind. Zu dieser Situation trägt auch der mangelhafte Zugang zu essenziellen Arzneimitteln bei. Weltweit haben schätzungsweise 1,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu essenziellen lebensnotwendigen Medikamenten, in Afrika sind es 50 % der Bevölkerung. Noch immer sterben jedes Jahr sechs Millionen Menschen an Infektionskrankheiten wie HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Immer noch haben 70 % der HIV-Infizierten keinen Zugang zu Behandlung. Das Ziel des

Universellen Zugangs zu Prävention und Behandlung für alle Menschen mit HIV/Aids bis zum Jahr 2010, auf das sich die Staatengemeinschaft auf der United Nations General Assembly Special Session on HIV and AIDS (UNGASS) verpflichtet hat, kann bei dem derzeitigen Tempo der Ausweitung von Behandlungsprogrammen nicht erreicht werden. Und auch die tropischen Armutserkrankungen wie die Schlafkrankheit kosten jedes Jahr 500.000 Menschen das Leben. Daher sind weitere energische Anstrengungen unabweisbar, um die Gesundheitslage in den Entwicklungsländern zu verbessern. 2. Beiträge der deutschen Entwicklungspolitik Der Beitrag der deutschen Entwicklungspolitik zur Verbesserung der Gesundheitssituation in Entwicklungsländern findet zunehmend Aufmerksamkeit in der entwicklungspolitischen Debatte. Die Bundesregierung hat dieses Thema nicht zuletzt während ihrer EU-Präsidentschaft und im Rahmen ihres G8- Vorsitzes 2007 wiederholt nach vorn gebracht. Sie hat für die Behandlung des Themas HIV/Aids in Osteuropa und in Entwicklungsländern gesorgt und ihr Engagement im Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria erweitert. Im Verein der G8-Regierungen hat sich die Bundesregierung zu einer Erhöhung der Ressourcen für den Gesundheitssektor und speziell zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten in Afrika bekannt und ihre Absicht bekundet, zur Stärkung der Gesundheitssysteme afrikanischer Länder beitragen zu wollen. Auf dem G8-Gipfel im Jahr 2008 hat sie zugesagt, dass Deutschland 500 Millionen Euro pro Jahr für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten zur Verfügung stellen will. Dieses Engagement und die Mittelbereitstellung sind jedoch angesichts der benötigten Ressourcen nicht ausreichend. Zudem ist aufgrund der Vielzahl von nicht aufeinander bezogenen Ankündigungen nicht deutlich, welchen Rahmen der deutsche Beitrag wirklich umfasst. Auch ist es fraglich, ob die Etatsteigerungen der Jahre 2008 und 2009 in den nächsten Jahren eine Fortsetzung finden werden. Da die Finanzkrise jedoch auch gravierende negative Auswirkungen auf die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten der Entwicklungsländer haben wird, sind verlässliche Beiträge der Entwicklungszusammenarbeit umso notwendiger.

Verdienstvoll ist das Engagement der Bundesregierung, eine Änderung des TRIPS-Abkommens zu erreichen, die es Ländern erlaubt, Zwangslizenzen für den Export in Länder, in denen eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit besteht, zu erteilen. Trotz bleibender Vorbehalte im Hinblick auf die Praktikabilität der gefundenen Regelung ist diese Ergänzung des TRIPS-Abkommens ein wichtiger Schritt nach vorn. Zustimmung verdient auch die Entscheidung der Bundesregierung, die International Health Partnership sowie die internationale Initiative Providing for Health mitzutragen, die sich auf eine bessere Koordinierung der Hilfe richten bzw. mit ihrer Konzentration auf soziale Sicherung ein breiter gefasstes Verständnis von Gesundheitsarbeit widerspiegeln. Generell sehen GKKE und vfa einen Zugewinn in der entwicklungspolitischen Diskussion darin, Gesundheit nicht nur als ein Ergebnis von Entwicklung, sondern auch und vor allem, als eine ihrer Voraussetzungen zu verstehen. Zunehmend hat diese Sichtweise in der deutschen Politik in den letzten Jahren an Raum gewonnen. Vor allem die Gründung der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe Gesundheit in Entwicklungsländern im Deutschen Bundestag ist Ausdruck dieser Entwicklung. 3. Handlungsempfehlungen Die Kirchen und die pharmazeutische Industrie begreifen die fehlende bzw. unzureichende Gesundheits- und Arzneimittelversorgung in den Entwicklungsländern als eine ethisch-moralische Katastrophe und sehen erheblichen Handlungsbedarf, diesen Zustand zu überwinden. Als Eckpunkte einer verantwortlichen Politik für die Verbesserung der Gesundheitssituation in Entwicklungsländern geben vfa und GKKE die folgenden Empfehlungen.

Mehr politische Verantwortung 1. Die Gesundheitsförderung hat in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit trotz einiger in den letzten Jahren gemachten Fortschritte noch nicht die Bedeutung, die ihr zukommt. vfa und GKKE erwarten, dass die von der Bundesregierung im Rahmen des Millenniumsgipfels, der HIV/Aids-Verpflichtungserklärungen der Vereinten Nationen und der Erklärungen der G8 eingegangenen Verpflichtungen tatsächlich umgesetzt werden und dass eine künftige Bundesregierung sich noch stärker engagiert, die gesundheitsbezogenen Millenniumsziele zu erreichen. Eine transparente Haushaltsgestaltung, die die Gesamtzusagen offen legt und insbesondere für den Bereich der globalen Gesundheit transparent macht, aus welchen Zusagen die jeweiligen Mittel stammen, ist dafür eine wichtige Voraussetzung. 2. Verbesserungsbedürftig ist die Koordinierung der mit Gesundheitsfragen zusammenhängenden Aufgaben innerhalb der Ressorts für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Gesundheit sowie Bildung und Forschung der Bundesregierung. Empfohlen wird die Einrichtung einer hochrangig angesiedelten Koordinierungsstelle, die die Aktivitäten der Ministerien im Bereich Gesundheit koordiniert und den Kirchen, der Industrie und der Zivilgesellschaft als Ansprechpartnerin dient. 3. Es sollte angestrebt werden, einen Rahmenplan für die in Heiligendamm angekündigte Förderung von Gesundheitssystemen in Entwicklungsländern zu erarbeiten, der abgestimmte Kooperationen der verschiedenen Akteure erleichtert. Wichtig ist die Beteiligung des Privatsektors und der Zivilgesellschaft und deren spezifischer Wirkungsweisen. Die Kirchen und die pharmazeutische Industrie haben vielfältige Ressourcen, die sie bei der Lösung von Gesundheitsproblemen einbringen können. Diese bislang vorwiegend in internationalen Organisationen geübte Zusammenarbeit sollte eine nationale Entsprechung finden. 4. Um der Bedeutung des Themas Gesundheit für die Entwicklungsländer und auch für die Länder Osteuropa Rechnung zu tragen, wäre es wünschenswert, im

Bundestag einen Unterausschuss für internationale Gesundheit einzurichten. Darüber hinaus wird angeregt, im Interesse von mehr Kohärenz der Politikfelder, den Austausch zwischen den involvierten BT-Ausschüssen zu intensivieren und vermehrt gemeinsame Sitzungen und öffentliche Anhörungen durchzuführen. 5. In ihrer Entwicklungszusammenarbeit sollte die Bundesregierung vor allem der personellen Ausstattung von Einrichtungen des Gesundheitswesens verstärkte Aufmerksamkeit schenken. Dazu sollte die Regierung die betroffenen Länder darin unterstützen, ausreichend qualifiziertes Personal auszubilden und zu halten sowie sich im Verein mit den Regierungen anderer Geberländer zu einer ethischen Rekrutierung von Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern verpflichten. Die Bundesregierung sollte zudem bei den Partnerländern in der Entwicklungszusammenarbeit darauf hinwirken, dass diese der Verbesserung des Gesundheitswesens ihrer Länder Priorität einräumen und diesbezüglich gegebene Zusagen, etwa über den Anteil des Bruttoinlandsprodukts, der dafür aufgewendet werden soll, auch tatsächlich einhalten. Mehr Wirksamkeit der Zusammenarbeit 6. Die im Jahr 2005 verabschiedete und 2008 in Accra weiter präzisierte Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit sollte auch im Bereich der Gesundheitsförderung verstärkt beachtet werden. Ihre Prinzipien von Eigenverantwortung und Partnerausrichtung verlangen konkret nach einer auf die Bedürfnisse des Partnerlandes abgestimmten Kooperation, die sich im Verbund der Geber ausweisen muss. Die Bundesregierung sollte daher den Aufbau und die Stärkung von Gesundheitssystemen auch im Rahmen internationaler Initiativen wie der Revitalisation of Primary Health Care der Weltgesundheitsorganisation unterstützen. Dabei ist es unumgänglich, dass nicht nur staatliche Systeme, sondern auch Einsatz und Einrichtungen der Zivilgesellschaft, der Kirchen und der Privatwirtschaft gefördert werden. 7. Der Zugang zu Medikamenten, Diagnostika und Prävention ist lebensrettend. In vielen Fällen kann die generische Produktion von Arzneimitteln die Kosten senken und den Zugang erleichtern. Verstärkt zum Tragen kommen sollte die möglichst einfache und schnelle Erteilung freiwilliger Lizenzen für eine

kostengünstigere Versorgung von Entwicklungsländern, wenn eine wirksame Sicherung der Qualität gegeben ist. 8. Eine wichtige Maßnahme für eine verbesserte Medikamentenversorgung kann der Aufbau eigener Kapazitäten für Forschung, Entwicklung und Produktion von Medikamenten in Schwellen- und Entwicklungsländern sein. Die Bundesregierung wird aufgefordert, durch gesetzliche Vorgaben und finanzielle Anreize ein entsprechendes Umfeld zu fördern, damit die Produktion von qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Arzneimitteln dort, wo dies wirtschaftlich sinnvoll ist, möglich wird. Die pharmazeutische Industrie ist bereit, an geeigneten innovativen Projekten mitzuwirken und sieht hierin auch eine Möglichkeit, im Rahmen von Partnerschaften Kapazitäten zu stärken. 9. Ein großes Hindernis für eine ausreichende und kostengünstige Arzneimittelversorgung in den Entwicklungsländern ist jedoch deren unzureichende Infrastruktur. Mangelhafte Bedarfsermittlung, Einfuhrzölle, Steuern auf importierte Medikamente und hohe Handelsspannen verteuern unnötig Arzneimittel. Die Logistik also die Beschaffung, Lagerung und Verteilung von Medikamenten ist von vielfältigen Reibungsverlusten geprägt. In der Entwicklungszusammenarbeit sollte darauf hingearbeitet werden, diese Probleme zu verkleinern. Das Schwerpunktthema Health-Systems- Strengthening der deutschen Mitgliedschaft im Exekutivrat der WHO kann hier zu weitergehenden Lösungen beitragen. 10. Um in armen Ländern auftretende Krankheiten zu überwinden, bieten die Ergebnisse medizinischer Grundlagenforschung ein Potenzial, das zur Entwicklung neuer Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika führen kann. Forschung und Entwicklung für Arzneimittel und Diagnostika für Diagnose und Behandlung dieser Krankheiten reichen aber nicht aus. Die Bundesregierung wird aufgefordert, aktiv an der Umsetzung der von der WHO angenommenen Globalen Strategie zu Public Health, Innovationen und Geistigem Eigentum (Global Strategy on Public Health, Innovation and Intellectual Property) mitzuarbeiten, die den Zugang zu Medikamenten durch Förderung von Innovationen erhöhen soll. Die Strategie ruft dazu auf, Vorschläge zu entwickeln,

wie die Gesundheitsbedürfnisse der Entwicklungsländer in der Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln noch stärker berücksichtigt werden können. 11. Die Bundesregierung sollte die Bedeutung hoher Qualitätsstandards bei allen Maßnahmen, die auf die Gesundheitsversorgung abzielen, anerkennen und auf ihrer Durchsetzung beharren. Zentrale Aufgaben sind die Zulassung und der ausschließliche Einsatz von qualitativ hochwertigen Präparaten. Dazu sind die Stärkung der Arbeit der Weltgesundheitsorganisation in der Präqualifikation von Arzneimitteln und die Qualifizierung der lokalen Zulassungsbehörden notwendig. Um die Prozeduren effizienter zu gestalten, ist eine Vernetzung mit den großen Zulassungsbehörden FDA (USA) und EMEA (EU) zu prüfen. 12. Das Thema "sexuelle und reproduktive Gesundheit" (Familienplanung, Müttergesundheit u. a.) ist von der derzeitigen Bundesregierung u. a. durch einen eigenen Haushaltstitel im BMZ gewürdigt worden. Die gemeinsame Arbeitsgruppe empfiehlt die weitere Aufwertung in der bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Bessere finanzielle Ausstattung 13. GKKE und vfa erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Mittel für Gesundheitsförderung in der EZ weiterhin erhöht und damit sicherstellt, dass Deutschland einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit in Entwicklungsländern leistet. Die Erhöhung der Mittel für Gesundheit sollte jedoch nicht zulasten anderer Sektoren gehen; vielmehr muss der EU-Stufenplan zur schrittweisen Erhöhung der Mittel auf 0,51 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2010 und 0,7 Prozent bis 2015 weiterhin eingehalten werden. 14. Die Bundesregierung sollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere UN-Organisationen, die sich mit globaler Gesundheit befassen, wie UNAIDS und UNFPA, finanziell und personell angemessen unterstützen, zum Beispiel die Tropical Diseases Research Unit. Außerdem soll inhaltlich qualifizierte Unterstützung zum Beispiel von Projekten zum Aufbau von medizinischer Infrastruktur und der Zusammenarbeit der dort tätigen Institutionen geleistet

werden. 15. Besondere Bedeutung kommt der Umsetzung und Weiterentwicklung des Instruments der Public-Private Partnerships (PPP) zu. Dies sind Partnerschaften von öffentlichen Institutionen, pharmazeutischen Firmen und Nicht-Regierungs- Organisationen, die als Product-Development-Partnerships in der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Diagnostika kooperieren. Besonders erfolgreiche Beispiele sind die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi) und das Medicines for Malaria Venture (MMV), die den Zugang zu einem Malariamedikament wesentlich verbessert und eine Reihe von Projekten zur Entwicklung neuer Medikamente auf den Weg gebracht haben. Die Einrichtung von Patentpools, wie sie jüngst vonseiten einiger pharmazeutischer Unternehmen ins Gespräch gebracht wurde, sowie andere innovative Ansätze verdienen größte Aufmerksamkeit. Es wird zudem empfohlen, dass sich die Bundesregierung konstruktiv mit dem Modell der Advanced Market Commitments auseinandersetzt, bei dem Arzneimittelunternehmen ein Anreiz geliefert wird, in die Erforschung und Entwicklung dringend benötigter Medikamente zu investieren, indem für neu zu entwickelnde Medikamente durch entsprechende Zusagen von Geberländern ein Markt geschaffen wird. 4. Fazit Zu Beginn des 21. Jahrhunderts treten weltumspannende Systemkrisen deutlicher hervor als zuvor. Auch die Gesundheitskrise ist eine schwere Hypothek für das Schicksal zahlloser Menschen in Entwicklungsländern. Die gesundheitsbezogenen Millenniumsentwicklungsziele verdienen weiterhin alle Aufmerksamkeit, die nicht durch den ausschließlichen Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise beeinträchtigt werden darf. Zudem sind die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels noch kaum abzusehen; sie werden durch Ausbreitung von Infektionskrankheiten in der Folge von Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen usw. erheblich sein. Kirchen und pharmazeutische Industrie werden mit ihren Möglichkeiten darauf hinwirken, der drohenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse in

Entwicklungsländern zu begegnen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Kirchen und kirchliche Fachorganisationen in Deutschland fördern Ortskirchen, Selbsthilfeinitiativen, Kooperativen, Menschenrechtsgruppen und andere nichtstaatliche Einrichtungen in Entwicklungsländern. Diese erreichen mit ihren Programmen Millionen von Menschen weltweit. In vielen Ländern Afrikas leisten Partner der kirchlichen Entwicklungswerke bis zu 40 Prozent der landesweiten Gesundheitsversorgung; vor allem im ländlichen Raum tragen sie zur Versorgung der Menschen bei. Sie betrachten eine umfassende und qualitativ gute Gesundheitsversorgung als Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit, zu dessen Durchsetzung sie beitragen. Die Mitglieder des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes. Die forschenden Pharma-Unternehmen haben in den vergangenen Jahren viele Anstrengungen unternommen, um die Medikamentenversorgung in Entwicklungsländern zu verbessern. Dazu gehören eine differenzierte Preisgestaltung mit Verzicht auf Profite in ärmeren Ländern, Medikamentenspendenprogramme und die freiwillige Vergabe von Lizenzen patentgeschützter Medikamente an geeignete Nachahmerhersteller. Sie beteiligen sich auch an sog. Product Development Partnerships zur Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente gegen tropische Armutskrankheiten, Tuberkulose und Malaria.

Anhang: Über uns Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) ist eine ökumenische, evangelisch-katholische Einrichtung zur Entwicklungspolitik. Sie erarbeitet Stellungnahmen und führt Dialoge mit Parlament, Regierung und gesellschaftlichen Organisationen. Träger sind der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und die Deutsche Kommission Justitia et Pax. Den Vorsitz der GKKE haben die Repräsentanten der Evangelischen und der Katholischen Kirche am Sitz der Bundesrepublik Deutschland inne. Der vfa vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen von 47 führenden international tätigen forschenden Pharma-Unternehmen. Er führt zu Fragen der globalen Gesundheit einen intensiven Dialog mit den Kirchen und anderen Nicht- Regierungs-Organisationen. In der gemeinsamen Arbeitsgruppe Kirchen/Pharmaindustrie arbeiten mit: Kirchen: Prof. Dr. Klaus Fleischer, Missionsärztliches Institut Würzburg Dr. Jürgen Hambrink, GKKE Ev. Geschäftsstelle Karl-Heinz Hein-Rothenbücher, Missionsärztliches Institut, Würzburg Prof. Dr. Dr. Alexander Lohner, Misereor, Aachen Bernd Pastors, action medeor, Tönisvorst Dr. Gisela Schneider, DIFÄM, Tübingen Dr. Hans Steubing, Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt Dr. Sonja Weinreich, Ev. Entwicklungsdienst, Bonn Industrie: Sven Jansen, MSD, Haar Dr. Jürgen Knackmuss, Merck, Darmstadt Dr. Ulrich Madeja, Bayer-Schering, Berlin (Vorsitz) Florian Martius, GSK, München Dr. Wilhelm Ott, Merck, Darmstadt Dr. Michael Rabbow, Boehringer, Ingelheim Dr. Thomas Weber, Sanofi-Aventis, Frankfurt Norbert Schellberg, vfa, Berlin Harald Zimmer, vfa, Berlin