Handout zum Thema Sprachverständnistherapie



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Transkript:

Handout zum Thema Sprachverständnistherapie Autorin: Marianne Hagen, Lehrlogopädin B.A. 02.09.2015 Die Bedeutung von Sprache Sprache gilt als eines der wichtigsten Mittel, um Denk-, Gefühls- und Verhaltensweisen anzuregen und miteinander zu verbinden. Die gesamte sprachliche Leistung ist für den schulischen Erfolg und in Folge dessen der beruflichen Karriere grundlegend. 1 Sprache ermöglicht uns, Ideen weiterzuentwickeln, Wissen zu vermitteln, sich auf gemeinsame Werte und Regeln zu einigen und miteinander zu kooperieren. In diesem Sinne stellt Sprache eine Grundlagen für menschliches Miteinander dar. 2 Sprache ist eine Voraussetzung und ein Medium des Denkens. Denken und Sprache sind zwei kognitive Fähigkeiten des Menschen, die mit Intelligenz und Kommunikationskreativität, Reflexionsvermögen sowie mit Kultur verbunden sind. Dabei besteht eine enge Verbindung mit anderen Funktionen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis, Motivation und Emotion. Denken bezeichnet dabei Prozesse, bei denen mentale, also innere Vorstellungen, neu kombiniert und anschließend formuliert werden. Der Prozess des Denkens gilt als begrenzt rational, da wir nur eingeschränkt viele Informationen aufnehmen, integrieren und im Arbeitsspeicher aktiv halten können. Sprache hingegen ist generativ, da sie aus den Grundbausteinen beliebig viele und neue Sätze zu bilden vermag. Sie ist systematisch und zugleich situationsunabhängig, da man mit ihr Dinge ausdrücken kann, die nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben, (z.b. Vergangenes oder Fiktives). Sie ändert ihre Bedeutung im Zusammenhang mit anderen Wörtern (z.b. Schloss als Bauwerk und Schloss als Türschloss. 3. Wir erschließen uns das Denken also über die Sprache. 4 1 Vgl. Bernstein, Basil, Studien zur sprachlichen Sozialisation, Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf, 1972, Band 7, 1.Auflage, S.117-121. 2 Vgl. Beller, Sieghard, Bender, Andrea, Allgemeine Psychologie, Denken und Sprache, Hogrefe Verlag, Göttingen, 2010, S.168-170. 3 Vgl. Beller, Sieghard, Bender, Andrea, Allgemeine Psychologie, Denken und Sprache, Hogrefe Verlag, Göttingen, 2010, S.14-17. 4 Vgl. Rauscher, Josef, Sprache und Ethik, Königshausen&Neumann Verlag, Würzburg, 2001, S.40-153. 1

Sprachentwicklung Zunächst sind Schreien, Lächeln, Blickkontakt und Abwehrgesten als frühe kommunikative sprachliche Zeichen anzusehen 5. Betrachtet man von diesem Standpunkt ausgehend die Sprachentwicklung, wird deutlich, das die Entwicklung des Sprachverständnisses, also das Verstehen der Sprachbedeutung als basale Fähigkeit notwendig ist, um die weitere Entwicklung (z.b. Wortschatz, Artikulation, morphologisch-syntaktisches Verständnis usw.) zu ermöglichen. Gehirne sind Regelextraktionsmaschinen. Neuronen sind so aufgebaut, dass sich ihre synaptischen Verbindungen langsam ändern. Immer dann, wenn Lernen stattfindet, ändern sich die Stärken einiger Synapsen. Für den Spracherwerb ist es demnach wichtig, dass Kinder nicht nur einzelne Wörter lernen, sondern Regeln und Prinzipien erfassen. Nur dann geht das Wissen von explizitem, eher flüchtigem Wissen in Können und Handeln über. 6 Die Ergebnisse von kognitiven Prozessen wie Sprache oder Denken, welche abstrakt und willkürlich sind, werden in motorische Aktivitäten und Handlungen umgesetzt, wenn das Kind den Bezug zwischen Sprache und Handlung erfasst und verstanden hat 7 Im Spracherwerbsprozess werden der Umwelt auslösende Funktionen zugeschrieben, die durch sprachlichen Input einen genetisch vorgegebenen Reifungsprozess unterstützen, in welchem die noch unspezifizierten grammatikalischen Prinzipien der Sprache wie syntaktische Strukturen, Genus-/Kasusmarkierungen usw. festlegt werden. 8 Sprachverständnis Wir brauchen Symbole, um über Dinge, Handlungen und Gefühle zu berichten, die nicht sichtbar, hörbar oder fassbar sind. Wir können uns z.b. mit Hilfe von Sprache eine ganz bestimmte Situation oder ein spezielles Gefühl vorstellen. Manche Kinder können nur schwer Vorstellungen und Bilder im Kopf entwickeln, wenn wir ihnen etwas erzählen. Sie haben Schwierigkeiten, an Dinge, Handlungen und Gefühle zu 5 Vgl. Adamzik, Kirsten, Sprache: Wege zum Verstehen, UTB Verlag, Tübingen, 2004, 2.Auflage, S.27. 6 Vgl. Spitzer Manfred, Lernen, Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Springer Verlag, Heidelberg, 2007, S.74-106. 7 Vgl. Beller, Sieghard, Bender, Andrea, Allgemeine Psychologie, Denken und Sprache, Hogrefe Verlag, Göttingen, 2010, S.18-175. 8 Vgl. Marx, Edeltrud, Profitiert das kindliche Sprachsystem von anderen kognitiven Entwicklungsbereichen, Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, Hogrefe Verlag, Göttingen, 2006, Heft 38(3), S. 139-145. 2

denken. Als Folge davon können sie sich nur ungenügend mitteilen und ausdrücken. Nur durch Sprache kann Ihnen Ihr Kind etwas von den Erlebnissen im Kindergarten oder bei seiner Oma mitteilen. Kinder, die nur ungenügende Vorstellungen und Bilder im Kopf entwickeln können, haben oft nur wenige Spielideen und können so nicht richtig spielen. Als Folge wird sich auch das Sprechen nicht korrekt weiterentwickeln. Bei diesen Kindern fällt auch auf, dass sie sich nicht gerne ein Buch vorlesen lassen, bzw. dieses für sie ist wie Radio hören o. Vogelgezwitscher. Sie erkennen die Stimme, erfassen jedoch nicht die Bedeutung des Gehörten. In der Beurteilung des Sprachverständnisses unterscheidet man das Verstehen von Wörtern und Sätzen sowie das grammatische Verständnis. Um eine Äußerung verstehen zu können, sind vier grundlegende Aufgaben zu bewältigen: - das Gesprochene muss wahrgenommen und phonematisch analysiert werden - die verwendeten Wörter müssen durch lexikalischen Zugriff identifiziert werden - sie müssen über das Parsing syntaktisch zueinander in Beziehung gesetzt werden und - das Gesamtgefüge muss semantisch interpretiert werden Der Prozess beginnt damit, dem Lautstrom in Wörter zu segmentieren. Die kategoriale Wahrnehmung unterstützt die phonematische Analyse. Die Bedeutungen von Wörtern, auf die wir im Sprachverstehen automatisch zugreifen, erfassen wir mit beeindruckender Geschwindigkeit. Wie schnell ein Wort erkannt wird, hängt davon ab, wie lang ein Wort ist, wie häufig es auftritt, und ob es konkrete oder abstrakte Begriffe bezeichnet. Die Wortbedeutung wird dann aus dem mentalen Lexikon abgerufen. 9 Zur Sprachwahrnehmung nutzen Kinder primär auditive Informationen. Ihre Fähigkeit zur perzeptiven Analyse ist hierbei Voraussetzung für den Aufbau und Abruf von Einträgen im mentalen Lexikon. 10 Einschränkungen im Bereich des Sprachverständnisses führen häufig zu weiteren Störungen, z.b. in der Grammatik, beim Lesen und/oder Schreiben. Das Sprachverständnis ist demnach eine Basiskompetenz, auf die die gesamte Sprachentwicklung aufbaut. Demnach erscheint es nicht als sinnvoll innerhalb einer logopädischen Therapie mit der Verbesserung der Artikulation o.ä. zu beginnen. 9 Vgl. Beller, Sieghard, Bender, Andrea, Allgemeine Psychologie, Denken und Sprache, Hogrefe Verlag, Göttingen, 2010, S. 211-228. 10 Vgl. Fox, Annette V., Kindliche Aussprachestörungen, Schulz-Kirchner Verlag, Idstein, 2005, 3.Auflage, S. 97. 3

Eine Abklärung der Fähigkeiten im Bereich Sprachverständnis ist daher vor Beginn jeder Therapie unerlässlich. Zur Überprüfung des Sprachverständnisses existieren verschiedene standarisierte Testverfahren. Je nach Alter des Kindes kann man z.b. zwischen dem SETK 2, bzw.3-5, dem PDSS oder dem Trog-D wählen. Eine Abklärung der Sprachverständnisfähigkeit jedes Kindes ist vor Beginn jeder logopädischen Behandlung unerlässlich, da sich daraus die Therapieschwerpunkte ableiten. Voraussetzung für eine Sprachverständnistherapie Die Basis jeder Sprachverständnistherapie ist die Verknüpfung von Handlung und deren Bedeutung mit Sprache. Die Voraussetzung für ein Gelingen dieser Verknüpfung ist die Triangulierung, sowie das Interesse des Kindes am Gegenstand, bzw. an der Handlung, sowie die Fähigkeit zur Konzentrationslenkung u. gemeinsamen Aufmerksamkeit (joint attention). Außerdem sind feinmotorische Fähigkeiten von Vorteil. Behandlungsmöglichkeiten und Therapiekonzepte für logopädische Therapien bei Sprachverständniseinschränkungen Es existieren eine Reihe verschiedener Therapiemethoden, die in der Logopädie eingesetzt werden. Drei verbreitete Ansätze, die in der Behandlung zur Verbesserung des Sprachverständnisses verwendet werden sind, der Ansatz von Barbara Zollinger, HOT und ein Mischkonzept aus verschiedenen Zielstrukturen von Kannengießer/ Baur / Schmitz / Amorosa u.w., welche im Folgenden genauer vorgestellt werden: Zollinger: Das Konzept von Barbara Zollinger ist für Kinder im 3. Lebensjahr entwickelt worden, die noch nicht zu sprechen begonnen haben (Late Talker) oder nur sehr wenige Wörter sprechen (weniger als 50 Wörter), keine Zwei-Wort-Kombinationen bilden, ein auffälliges Verhalten zeigen (z.b. aggressiv oder sehr zurückgezogen). Außerdem ist 4

es anwendbar für Kinder im Kindergartenalter, deren Wortschatz stark eingeschränkt ist, die Schwierigkeiten bei der korrekten Satzbildung haben, die sehr schwer verständlich sprechen, die nicht alleine spielen können (z.b. sprunghaftes, oberflächliches Spielen oder gar keine eigenen Spielideen haben). Die Zollinger-Therapie wird ganz individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt. Dabei wird das Kind nicht an seinen Defiziten gemessen, sondern an seinen Stärken, an denen das gemeinsame Spielen anknüpft. Im Mittelpunkt der Therapie steht die Kommunikation von Kind und Therapeutin, das verbindende Element zwischen beiden ist das therapeutische Spiel. Dabei wird vielfältiges Spielmaterial genutzt wie z.b. Kochgeschirr, Züge, Puppen, Bauklötze oder Fahrzeuge. Die Kinder sollen diese Dinge live sehen, hören und anfassen können und nicht nur in Abbildungen betrachten. Erst so kann es in einem späteren Schritt verstehen, dass die Dinge auch existieren, wenn sie gerade nicht zu sehen sind. Das Kind kann selbst aussuchen, womit es spielen will, da Interesse eine Voraussetzung für ein Gelingen der Therapie bedeutet. Im letzten Schritt soll das Kind dann verstehen, dass die nicht anwesenden Dinge durch Wörter repräsentiert werden können. Die Zollinger-Therapie spielt sich hauptsächlich auf dem Boden oder am Kindertisch ab. So kann sich das Kind abwechselnd Blickkontakt zwischen dem aktuellen Spielzeug und der Logopädin aufnehmen (Triangulierung), was ein wesentliches Element der Sprachverständnisentwicklung ist. Bei dieser Arbeit geht es darum, dem Kind zu zeigen: Was du tust, hat für mich eine Bedeutung. Außerdem soll das Kind in der Therapie seine eigenen Gefühle und Absichten kennenlernen. Zollinger hat die Ziele der Therapie dafür in 3 Ebenen aufgeteilt: 1. Handlungsebene Ziel: Übergang zum Symbolspiel / Erweiterung des Symbolspieles 2. Interaktionsebene Ziel: Den Patienten ins Spiel integrieren 3. Sprachebene Ziel: Sprachverständnis erweitern HOT: HOT = handlungsorientierter Therapieansatz von Irina Weigl und Marianne Reddemann-Tschaikner wurde konzipiert für Kinder mit Sprachentwicklungs- 5

störungen. Sprache wird dabei im Zusammenspiel mit kognitiven, sensorischen, motorischen und emotionalen Entwicklungsbereichen behandelt. Die Handlungsinhalte und deren Struktur gewährleisten die Entwicklung kognitiver Prozesse in erkennbarem sprachlichen Zusammenhang. Das gezielte Angebot von Sprache wird dabei in das Handlungsgeschehen integriert. Somit werden das Sprachverstehen und die Sprachproduktion gefördert. HOT ist ein multidimensionaler Ansatz und ist sehr flexibel anwendbar, da er auf die Bedürfnisse/Individualität des Kindes jeden Alters angepasst werden kann und strukturiert auf mehreren Ebenen arbeitet. Der rote Faden bei HOT besteht aus einer systematischen, für die Zielstellung adäquat aufgebauten Handlungsfolge. Diese Handlung wird durch eine einfache Sprache begleitet. Präzise, theoretisch fundierte methodische Schritte unterstützen die Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung des Inputs von Handlung und Sprache. Die Inhalte der Handlungen im HOT sind aus der Umgebung und dem Familienalltag der Kinder gewählt. Es sind sogenannte Skripts, schematisierte, kulturell standardisierte Drehbücher für alltägliche Handlungen (z.b. Fruchtcocktail herstellen o. ä.). Skripts arbeiten auf 3 Ebenen: auf der konkret gegenständlichen Ebene, der bildhaften Ebene und der symbolischen, d.h. sprachliche Ebene. Die Funktion der Gegenstände und die Reihenfolge der Handlungssequenzen liegen weitgehend fest. Die Serialität und der hierarchische Aufbau tragen dazu bei, die Handlung leichter zu verinnerlichen. Der oft entstehenden Alltagsfrustration dieser Kinder wird entgegengewirkt, da sie sich über das Resultat der Handlung freuen. Im Alltag sind dadurch häufige Wiederholungen möglich. Im methodischen Vorgehen sind fünf Therapiephasen vorgesehen: 1. Vorstellung der Zutaten/Materialien und Geräte 2. Übertragung der Begriffe auf Bildebene 3. Handlungsplanung 4. Durchführung der Handlung 5. Versprachlichung der Handlung und Darstellung der Handlungssequenz auf Bildebene Diese Therapiephasen sind noch einmal unterteilt in zwei Teile: 1. Kategorialer Teil: (Phase 1 & 2) 6

Ziel: Wortschatzerweiterung, Begriffskategorisierung, Systematisierung des sprachlichen Wissens, Aufbau semantischer Netzwerke und Taxonomien, semantische Beziehungen, Vorstufe antizipatorischer Planung 2. Serialer Teil: (Phase 3, 4 & 5) Ziel: Seriale Anordnung (Regelhaftigkeit und Systematik) mit hierarchischem Aufbau, Entwicklung semantischer Beziehungen, sprachliche Modellierung Mischkonzepte in Anwendung allgemeiner Techniken: Zielstrukturen der Sprachverständnistherapie nach Kannengieser: Kannengiesers Therapie lässt sich in unterschiedliche Ebenen einteilen, die hierarchisch aufeinander aufbauen. Jede der insgesamt sieben Ebenen besteht aus verschiedenen Bereichen unterschiedlicher Komplexität, an denen gezielt gearbeitet werden kann. Je nach Störungsbild setzt man an einer der unteren (einfachste) Ebenen an. Wenn diese beherrscht wird, beginnt die Therapie der nächsten Stufe: 1. Wortbedeutungsverstehen: Wörter mit abstraktem Bedeutungsgehalt, Oberbegriffe 2. Wortverstehen für bestimmte Wortarten: Verben, Präpositionen, Fragewörter, Pronomina 3. Satzverstehen: Attributive Erweiterung, Satz mit zwei/drei Konstituenten, Satzvorfeld, Koordinationen, Subordinationen 4. Verstehen der Prädikatsstruktur im Satz: Tempus, Negation, Passiv 5. Verstehen morphologischer Markierungen: Plural, Kasus, Komparativ, Superlativ 6. Textverstehen: Schilderungen, Geschichten 7. Kommunikatives Verstehen: Sprechhandlungen Monitoring des Sprachverstehens nach Schmitz/ Diem: Das Monitoringkonzept von Schmitz und Diem überprüfen die Reaktionen auf nicht verstandene Äußerungen. Ziele der Therapie ist dabei das Identifizieren, Benennen und Anwenden von effektivem Zuhören, das Erkennen, warum eine Äußerung nicht verstanden wurde (akustisch, inhaltlich, Äußerung zu komplex) und das Erlernen adäquater Reaktionen auf nicht Verstandenes (z.b. Nachfragen). Der Aufbau der 7

Therapie ist in 4 Basismodulen und 3 Aufbaumodulen mit jeweils kleinschrittigem Vorgehen aufgeteilt: 1. Methode: Arbeiten mit nicht verständlichem Material (Störgeräusche, semantisch inkohärente, sachlich falsche Information, zu ungenaue/komplexe/lange Äußerungen und Erstellen von Video- oder Audiosequenzen 2. Effektivität: Diese wurde sowohl für Einzel- als auch für Gruppentherapie nachgewiesen. Sie beinhaltet die Verständnissicherung in der Kommunikation durch Eigenverantwortung und eine Sprachverstehenskontrolle als Strategie 3. Reflexion: Das Kind soll lernen seine Sprachverständnisprobleme wahrzunehmen und darauf adäquat zu reagieren. Therapie kindlicher Sprachverständnisstörungen nach Baur/ Endres: Dieser Ansatz basiert auf einer allgemeinen Förderung des sprachlichen Verhaltens und ist in drei Phasen unterteilt: 1. Aufmerksamkeit sichern 2. Modellieren der eigenen Sprache durch: - kurze, einfache Sätze - Informationen in der Reihenfolge wiedergeben, in der sie geplant sind oder ablaufen - langsam und deutlich sprechen - Signalwörter betonen - Mimik und Gestik bewusst verwenden - Hilfen geben über den visuellen Kanal 3. Überprüfen, ob das Kind verstanden hat, indem man gezielt nachfragt: wann, wie viel, wohin und die Reaktionen des Kindes genau beobachten Therapieansatz von Amorosa & Noterdaeme: Die Grundelemente der SV-Therapie nach Amorosa sind das Bewusstsein und Wissen des Kindes über die Funktion der Sprache, mit dem Ziel diese zu erweitern. Die Therapie soll vermitteln, dass Sprache ein Informationsträger ist und als Kommunikationsmittel dient (role-taking). In einer Therapie werden Situationen geschaffen, die Verstehen von Sprache durch Handlungen in den Mittelpunkt setzen und andere Bereiche (Weltwissen, Situationsverständnis, usw.) ausblenden. Die 8

Besonderheit an diesem Ansatz: ist der Einsatz von Gebärden und Schriftsprache. Die lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) werden v.a. bei schweren SV-Störungen parallel zu Lautsprache eingesetzt. Dabei werden nur wichtige Inhaltswörter (Signalwörter) gebärden (heißt es nicht gebärdet?). Diese werden dann nach und nach wieder aufgebaut, sobald das Kind die Strukturen (Wörter, Sätze) erfasst hat. Multimodales SV-Therapiekonzept von KUBSS, Hartmann/ Keller/ Meyer-Endres: Dieses Konzept basiert auf 5 Säulen: 1. Kommunikation 2. Umfeld 3. Bewältigung 4. Strategien 5. Sprachsystem Ziel dabei ist es, die Basiskompetenzen zur Kommunikation mit Sprache als differenziertes Kommunikationsmittel zu vermitteln. Die Therapieinhalte beziehen sich auf die Förderung basaler Kommunikationskompetenzen (joint attention, turntaking, triangulärer Blickkontakt usw.) und das Erleben der kommunikativen Funktionen von Sprache (Kontakt zu Mitmenschen, Informationsaustausch, beim Gegenüber etwas bewirken können). Was bei diesem Therapieansatz besondere Berücksichtigung erfährt, ist die Optimierung des Umfeldes in Bezug auf günstige Sprachangebote und Kommunikationsstrukturen der Eltern und Bezugspersonen, mit dem Ziel einer verbesserten Interaktion. Dies geschieht durch die Sensibilisierung der beteiligten Personen für Verständnisprobleme des Kindes und einer Beratung, um die nonverbale Anteile in der Kommunikation (Melodie, Mimik, Gestik, ) zu erhöhen, sowie eine Anpassung des Sprechens (z.b. Deutlichkeit, Tempo, Pausen, Betonung) und positive Korrekturstrategien (Korrektives Feedback). 9

Weiterführende Literatur: Amorosa, H. & Noterdaeme, M. (2003). Rezeptive Sprachstörungen. Göttingen [u.a.]: Hogrefe, Verl. für Psychologie Baur, S. & Endres, R. (1999). Kindliche Sprachverständnisstörungen. Der Umgang im Alltag und in spezifischen Fördersituationen. Die Sprachheilarbeit 44 Hartmann, K.; Keller, A. & Meyer-Endres, R. (2008). Therapie von Sprachverständnisstörungen im kindes- und jugendpsychiatrischen Kontext. Forum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (3) Kannengieser, S. (2009). Sprachentwicklungsstörungen Grundlagen, Diagnostik und Therapie. Kapitel 7: Entwicklung des Sprachverständnisses und Sprachverständnisstörungen. München: Urban & Fischer Schönauer-Schneider, W. (2008). Monitoring des Sprachverstehens (MSV), comprehension monitoring Welche Bedeutung hat es für Kinder mit rezeptiven Sprachstörungen?, Die Sprachheilarbeit 53 (2) Weigl, I. & Reddemann Tschaikner, M. (2002). HOT ein handlungsorientierter Therapieansatz bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Stuttgart: Thieme Verlag. Weigl, I. (2008). Theoretisches und methodisches Vorgehen im HOT: Interaktive Interventionsstrategien. In: Forum Logopädie, Heft 3 (22) Zollinger, Barbara (1991). Spracherwerbsstörungen Grundlagen zur Früherfassung und Frühtherapie. Stuttgart: Haupt Verlag. 10