Inhaltsverzeichnis Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des nachehelichen Unterhaltes



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Inhaltsverzeichnis Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des nachehelichen Unterhaltes A) Alte Rechtsprechung des BGH B) Situation nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH C) Grundgedanke der neuen Rechtsprechung D) Typische Anwendungsfälle E) Behandlung von Altfällen 1.) Inhaltliche Auswirkungen auf Altfälle 2.) Prozessuale Problematik F) Vertrauensschutz des Unterhaltspflichtigen 1

Unterhaltsberechnung nach Neuem Rechtsstand Im Jahr 2001 gab es für die Unterhaltsberechnung in der Praxis eine wesentliche Änderungen. Diese heute noch sehr relevante Änderung wurde ausgelöst durch das Urteil des BGH vom 13.06.2001 zur Berechnung des nachehelichen Unterhaltes. Diese Änderungen soll hier zuerst bezüglich ihres systematischen Grundgedankens dargestellt und im zweiten Schritt anhand konkreter Beispiele erörtert werden. Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des nachehelichen Unterhaltes durch das Urteil vom 13.06.2001 A) Alte Rechtsprechung des BGH Die Änderung der Rechtsprechung des BGH bezieht sich auf die Situation, dass nach der Ehescheidung der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Bisher wurden diese Fälle wie folgt gelöst: Zuerst wurde das bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten berechnet. Dieses ergab sich aus dem durchschnittlichen Nettoeinkommen eines Jahres einschließlich aller besonderen Zuwendung wie zum Beispiel Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Hiervon abgezogen wurde der gegebenenfalls zu leistende Kindesunterhalt sowie berufsbedingte Aufwendungen. Weiterhin musste von dem so erhaltenen Nettoeinkommen 1/7 sog. Erwerbstätigenbonus in Abzug gebracht werden. Im nächsten Schritt war die Differenz zwischen dem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten und des Unterhaltsberechtigten zu ermitteln. Sollte in der klassischen Situation der Alleinverdienerehe die Ehefrau kein Einkommen bezogen haben, stellte also das bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes gleichzeitig die Differenzensumme dar. Diese Differenz war durch den bessergestellten Unterhaltspflichtigen in halber Höhe an den Unterhaltsberechtigten auszugleichen. Nahm der Unterhaltsberechtigte nach Rechtskraft der Scheidung nunmehr eine Erwerbstätigkeit auf, oder weitete er die bereits während der Ehe aufgenommene Erwerbstätigkeit aus, so wurde dieser hinzutretende Verdienst vollständig von seinem Unterhaltsanspruch abgerechnet. Beispiel: Der Ehemann erzielte während der Ehe ein bereits um den Erwerbstätigenbonus bereinigtes Nettoeinkommen von 3.000,00. Seine Ehefrau verdiente bereits bereinigte 300,00 hinzu. Die Differenz der Einkommen betrug somit 2.700,00. Folglich hatte die Ehefrau gegen den Ehemann ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.350,00. Weitet die Ehefrau nach der Scheidung nunmehr ihre Erwerbstätigkeit aus und verdiente somit 800,00, erhöhte sich ihr Einkommen also um 500,00. Dies führte dazu, dass ihr Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann um diese 500,00 zu kürzen war. Es verblieben also 1.350,00 500,00, also 850,00 Unterhaltsanspruch. 2

Unterhaltsrelevantes Einkommen während der 3.000 300 Ehezeit: Differenz der Einkommen 2.700 Unterhaltsanspruch: 1.350 nach Ausweitung der Erwerbstätigkeit Unterhaltsrelevantes Einkommen: 3.000 300 Differenz der Einkommen 2.700 Unterhaltsanspruch 1.350 Anzurechnendes Einkommen 500 Unterhaltsanspruch 850 B) Situation nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH Nach der Neuen Rechtsprechung des BGH wird das erlangte Mehreinkommen des Unterhaltsberechtigten nicht mehr vollständig von seinem Unterhaltsanspruch abgezogen, sondern mit in die Verteilungsmasse aufgenommen. Beispiel: Die Ausgangssituation ist mit der obigen identisch. Somit ergibt sich folgende Berechnung: Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 800 Differenz der Einkommen 2.200 Unterhaltsanspruch: 1.100 Somit führt der Wechsel der Rechtsprechung des BGH in diesem Beispielsfall zu einer Erhöhung des Anspruches auf nachehelichen Unterhalt der um 250. C) Grundgedanke Die Neue Rechtsprechung des BGH führt somit, was dieser allerdings in seiner Urteilsbegründung nicht ausdrücklich ausführt, zu einer erhöhten Motivation des Unterhaltsberechtigten, auch nach der Scheidung der Ehe eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. eine bestehende Erwerbstätigkeit auszuweiten. Die vom BGH ausdrücklich formulierte Motivation dieser Änderung der Rechtsprechung ergibt sich jedoch aus einem anderen Gedanken. Der BGH geht davon aus, dass die ehelichen Lebensverhältnisse, die Grundlage der Bemessung des nachehelichen Unterhaltes sind, nicht nur durch die geldwerte Erwerbstätigkeit geprägt werden, sondern auch durch die Haushaltsführung des nicht oder weniger erwerbstätigen Ehegatten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Haushaltsführung während der Ehe mit der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten als gleichwertig anzusehen ist. Hierbei handelt es sich also um ein quasi finanziell 3

nicht zu erkennendes Einkommen. Nimmt nun der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf, stellt diese also ein Surrogat der vorher erfolgten Haushaltsführung dar. Somit verwirklicht sich damit finanziell nur eine Tätigkeit die schon zuvor die ehelichen Lebensverhältnisse prägte. Somit ist der nun ersetzte Wert der Haushaltsführung bei der Bestimmung der Verteilungsmasse des Einkommens zu berücksichtigen. Hiermit wird auch das Ziel des nachehelichen Unterhaltes erreicht, auch nach Scheidung der Ehe für beide Ehepartner den ehegeprägten Lebensstandard zu erhalten. D) Anwendungsfälle Bei den folgenden Beispielsfällen soll der Verständlichkeit halber vom klassischen Fall ausgegangen werden, dass der Ehemann während der Ehezeit entweder Alleinverdiener ist oder das höhere Einkommen bezieht. Das bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes soll 3.000 betragen. D.h. vorweg wurden sämtliche unterhaltsrelevanten Posten bereits abgezogen zzgl. des dem Ehemann zustehenden 1/7 Erwerbstätigenbonus. Falls durch den Ehemann Kindesunterhalt zu leisten sein sollte, wird dieser als bereits vorweg vom Einkommen des es abgezogen vorausgesetzt. 1.) Die Ehefrau übte während der Ehe keine Erwerbstätigkeit aus und nahm eine solche erst nach der Rechtskraft der Scheidung auf. Ihr ebenfalls um 1/7 Erwerbstätigenbonus bereinigtes Nettoeinkommen beträgt 800. Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 0 Differenz der Einkommen 3.000 Unterhaltsanspruch: 1.500 Nimmt die nunmehr ihre Tätigkeit auf, ergibt sich folgende Berechnung: Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 800 Differenz der Einkommen 2.200 Unterhaltsanspruch: 1.100 2.) Die Ehefrau übte bereits während der Ehe eine Tätigkeit aus, weitete diese Erwerbstätigkeit jedoch nach Rechtskraft der Scheidung aus. Ihr Einkommen während der Ehe betrug 500, ihr Einkommen nach der Ehescheidung betrug 800. Demnach ergibt sich folgende Berechnung: Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 500 Differenz der Einkommen 2.500 Unterhaltsanspruch: 1.250 4

Nach Erweiterung der Erwerbstätigkeit: Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 800 Differenz der Einkommen 2.200 Unterhaltsanspruch: 1.100 2.) Die Ehefrau übte bereits während der Ehe eine Nebentätigkeit aus, bei der sie ein bereinigtes Nettoeinkommen von 500 monatlich erzielte. Nach der Rechtskraft der Scheidung trat für die Ehefrau eine Erwerbsobliegenheit in Höhe weiterer 1.000, also insgesamt 1.500 ein. Diese Erwerbsobliegenheit kann die z.b. in dem Fall treffen, dass die durch sie zu betreuenden Kinder das Mindestalter erreichen, indem von einer erweiterten Erwerbsobliegenheit der Ehefrau auszugehen ist. Nimmt sie in diesem Fall keine Erwerbstätigkeit auf, ist ihr das somit versäumte Einkommen als fiktives Einkommen zuzurechnen. Dieses fiktive Einkommen betrage in diesem Fall bereits nach Bereinigung, auch bezüglich des auf dieses anzuwendenden 1/7 Erwerbstätigenbonus, 1.000. Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 500 Differenz der Einkommen 2.500 Unterhaltsanspruch: 1.250 Nach Eintritt der Erwerbsobliegenheit: Unterhaltsrelevantes Einkommen : 3.000 500+1.000 Differenz der Einkommen 1.500 Unterhaltsanspruch: 750 E) Behandlung von Altfällen Unter einem Altfall ist die Problematik zu verstehen, dass sich die neue Rechtsprechung des BGH auch auf solche Fälle bezieht, bei denen der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung vor dem Urteil des BGH lag. Hierbei sind zwei Perspektiven zu differenzieren. Zum einen die Frage, ob sich inhaltlich die Entscheidung des BGH auch auf diese Unterhaltsansprüche auswirkt und zum anderen die Frage, wie diese veränderten Unterhaltsansprüche prozessual geltend gemacht werden können. 1.) Inhaltliche Auswirkung der BGH - Rechtsprechung auf Altfälle Hierbei sind inhaltlich wiederum zwei Perspektiven zu unterscheiden. Zum einen die Fälle, in denen vor der Änderung der Rechtsprechung ein geringerer Unterhaltsanspruch bestand und zum anderen solche Fälle in denen nach der alten Rechtsprechung des BGH kein Unterhaltsanpruch bestand. 5

a) Geringerer Anspruch Bestand nach der alten Rechtsprechung des BGH nur ein geringerer Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, so führt die Rechtsprechung des BGH dazu, dass diese Unterhaltsansprüche neu zu berechnen sind. Demnach ist auch hier im Regelfall von der Erhöhung dieser Unterhaltsansprüche auszugehen. b) Kein Anspruch In diesen Fällen stellt sich ein besonderes Problem. Nachehelicher Unterhalt besteht grundsätzlich nur, solange eine ununterbrochene Unterhaltskette gegeben ist. Das bedeutet, dass ein vorübergehendes Nichtmehrbestehen eines Unterhaltsanspruches dazu führt, dass weitere Unterhaltsansprüche nicht mehr zu einer Unterhaltspflicht führen. Hieraus könnte auf den ersten Blick geschlossen werden, dass wenn aufgrund der alten Rechtsprechung des BGH kein Unterhaltsanspruch bestand, nunmehr auch kein neu auflebender Unterhaltsanspruch mehr geltend gemacht werden kann. Dem ist jedoch nicht so. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH bestand latent bereits ein Unterhaltsanspruch, da durch die Aufnahme einer Tätigkeit nach dem BGH nur der Geldwert der vorher erbrachten Haushaltsleistung realisiert wird. Kurz gesagt bedeutet das, dass während der Anwendung der alten BGH - Rechtsprechung der Unterhaltsanspruch nach der neuen BGH - Rechtsprechung bereits bestand, jedoch nicht geltend gemacht werden konnte. Diese Nichtforderung des bestehenden Unterhaltsanspruches führt jedoch nicht zu einer Durchbrechung der oben angeführten Unterhaltskette. Somit können inhaltlich auch in diesen Fällen die erhöhten Ansprüche aufgrund der neuen Rechtsprechung geltend gemacht werden. 2.) Prozessuale Problematik Fraglich ist jedoch, wie diese erhöhten Unterhaltsansprüche nunmehr prozessual geltend gemacht werden können. Auch zu dieser Fragestellung sind vorweg verschiedene Problemstellungen zu differenzieren: 1. Für den nachehelichen Unterhalt liegt ein rechtskräftiges Urteil auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH vor 2. Es liegt ein Prozessvergleich oder eine sonstige Vereinbarung im Sinne des 794 I Nr. 1 ZPO auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH vor 3. Es liegt ein rechtskräftiges Urteil zum Trennungsunterhalt aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BGH vor 4. Die Änderung der Rechtsprechung fällt zeitlich in ein laufendes Verfahren zum nachehelichen Unterhalt 6

Zu 1. Hier dürfte grundsätzlich eine Abänderungsklage nach 323 ZPO in Betracht kommen. Eine solche Anpassung des Urteils kommt nach der Rechtsprechung des BGH in Betracht, da entweder - die Neubewertung der Haushaltstätigkeit eine einer Gesetzesänderung vergleichbare Neuinterpretation des Begriffs der ehelichen Lebensverhältnisse darstellt oder - eine ganz außergewöhnliche Entwicklung durch diesen früher außer acht gelassenen Umstand ein solches Gewicht gewonnen hat, dass ansonsten untragbare Ergebnisse drohen. Zu beachten ist hierbei, dass eine Änderung des Urteils gemäß 323 III ZPO grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft möglich ist. Zu 2. Auch hier dürfte grundsätzlich eine Abänderungsklage nach 323 ZPO in Betracht kommen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH führen Änderungen einer gefestigten Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Leistungen, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Zu 3. Da Trennungs- und nachehelicher Unterhalt nicht identisch sind, ist dieser Fall unproblematisch. Bei einer Klage auf nachehelichen Unterhalt ist somit die neue Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, ohne dass das Urteil zum Trennungsunterhalt hierauf Einfluß hat. Zu 4. In bereits laufenden Verfahren ist es möglich, den Klageantrag anzupassen. Sollte schon ein Urteil zum nachehelichen Unterhalt ergangen sein, welches jedoch noch nicht rechtskräftig ist, besteht die Möglichkeit der Berufung. Da die Berufung eine neue Sachinstanz darstellt, ist in dieser dann die neue Rechtsprechung zu berücksichtigen. F) Schutz des Pflichtigen Abschließend stellt sich jedoch die Frage nach dem Schutz des Unterhaltspflichtigen. Dieser konnte nach der alten Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auf die einmal festgestellte Unterhaltshöhe vertrauen. Wie gezeigt unterliegen aber selbst diesbezügliche Urteile der Möglichkeit der Abänderung. Ein Vertrauensschutz des Pflichtigen kann jedoch dadurch gewahrt werden, dass auf Grundlage seines Vertrauens in die alte Rechtsprechung vorgenommene wirtschaftliche Dispositionen bei der Unterhaltsbestimmung berücksichtigt werden. Dies führt zur Verringerung seiner Leistungsfähigkeit und damit auch seiner Unterhaltspflicht. 7