1. Vorbemerkungen 1. 2. Liberale Parteien vor 1945 1



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Transkript:

DIE GRÜNDUNG DER FDP Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 1 2. Liberale Parteien vor 1945 1 2.1. Liberale Parteien im deutschen Kaiserreich 1 2.2. Liberale Parteien in der Weimarer Republik 3 2.3. Liberale Exilvereinigungen während der Zeit des Nationalsozialismus 4 3. Organisatorische Entwicklung der FDP 4 3.1. Die Ausgangslage 1945 und Gründung erster liberaler Kreisverbände 4 3.2. Entstehung liberaler Landesparteien 6 3.3. Zonale Formierung der liberalen Parteien 7 3.4. Die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone 9 3.5. Bildung überzonaler Organisationen 9 4. Programmatik der FDP 11 4.1. Deutschlandpolitik 11 4.2. Gesellschaftspolitik 13 5. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Wahlkampfführung 16 6. Parlaments- und Regierungsbeteiligung 17 7. Zusammenfassung und Ausblick 18 8. Literaturverzeichnis 20 9. Anhang 22

1. Vorbemerkungen Bei der Behandlung der Thematik erscheinen einige Punkte wichtig. So beginnt die Ausarbeitung mit der Darstellung des organisierten Liberalismus in Deutschland vor 1945, da diese Kenntnisse eine Voraussetzung für das Verstehen der Ereignisse von 1945 bis 1948/49 sind. Schwerpunkte stellen dann zum einen die organisatorische Entwicklung bis zur Gründung der FDP am 11./12.12.1948 und zum anderen die Programmatik der liberalen Parteien der frühen Nachkriegsjahre dar. Auch ein kurzer Einblick in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Wahlkampfführung wird gegeben. Schließlich darf die Abhandlung der Regierungs- und Parlamentsbeteiligungen im genannten Zeitraum ebensowenig fehlen wie ein kleiner Ausblick über die Gründungsphase hinaus, um dem Leser das Ergebnis der FDP- Gründung aufzuzeigen. 2. Liberale Parteien vor 1945 2.1. Liberale Parteien im deutschen Kaiserreich Für den Liberalismus im Kaiserreich waren diverse Spaltungen und Fusionierungen der Parteien, insbesondere im linksliberalen Spektrum, kennzeichnend. Es lassen sich jedoch zwei große Lager unterscheiden, zum einen das linksliberale und zum anderen das nationalliberale Lager. 1861 wurde die erste linksliberale Partei, die Deutsche Fortschrittspartei, gegründet, 1866 kam in Württemberg die Deutsche Volkspartei hinzu. 1 2 Durch die Gründung der Nationalliberalen Partei (NLP) im Jahre 1867 wurde die Teilung des deutschen Liberalismus, die bis zur Gründungsphase der Bundesrepublik andauern sollte, besiegelt. 3 Die liberalen Vereinigungen hatten zunächst im Reichstag des Norddeutschen Bundes wie auch später im deutschen Reichstag eine starke Position inne, im preußischen Abgeordnetenhaus - dort auch begünstigt durch das 1 Bergsträsser 1965, S. 97-100 2 Noch heute erinnert das jährliche Dreikönigstreffen der FDP-Spitzenpolitiker an die Gründung der Deutschen Volkspartei am 6.1.1866. (Dittberner 1984, S. 1313) 3 Padtberg 1988, S. 57-58 1

Dreiklassenwahlrecht - verfügten sie sogar lange über die Mehrheit der Sitze. 4 Inhaltlich unterschieden sich beide Lager zunächst kaum. Mit der Reichsgründung 1871 kam es dann aber auch zu einer inhaltlichen Spaltung. Die Linksliberalen traten zunächst für eine umfassende Abstinenz des Staates in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein, korrigierten aber auf ihrem wegweisenden Parteitag in Eisenach 1894 diese These und traten fortan für einen behutsamen Eingriff zum allgemeinen Wohl des Volkes ein. Andere Schwerpunkte der Linksliberalen waren die Bildung, die Familienpolitik, die Steuerpolitik, die Außen- und Militärpolitik, die demokratische Ausgestaltung von Staat und Gesellschaft sowie die Trennung von Kirche und Staat. In den Jahren 1881 bis 1890 war das liberaldemokratische Spektrum mit einem Stimmenanteil von um die 20% im Reichstag am erfolgreichsten. Anschließend ging es dann aber kontinuierlich bergab, auch die Vereinigung der in mehreren Parteien - u.a. Nachfolgeparteien der Deutschen Fortschrittspartei - organisierten Linksliberalen zur Fortschrittlichen Volkspartei 1910 konnte den Niedergang letztendlich nicht aufhalten. 5 Die Nationalliberale Partei setzte ihre liberalen Wertvorstellungen schon frühzeitig anders als das liberaldemokratische Spektrum, während sich noch das Gründungsprogramm nur unwesentlich von dem der Deutschen Fortschrittspartei unterschieden hatte. Bei ihr hatte die Stärkung des Reiches nach innen und außen Priorität vor dem Ausbau des liberalen Verfassungsstaates. Aus machtpolitischen Gründen schloß sie sich dem wirtschaftlichen Protektionismus und der staatlichen Sozialpolitik Bismarcks an und erreichte dadurch auch konservative Wählerschichten. So trug die Nationalliberale Partei beispielsweise das Kulturkampfund das Sozialistengesetz mit. Schon Ende der siebziger Jahre sank der Einfluß wieder, da Bismarck zunehmend auf andere politische Gruppierungen zurückgreifen konnte. Erreichte die NLP in der ersten Reichtstagswahl noch über 30% der Stimmen, waren es ab 1881 meist nur noch um die 15%. Durch Abspaltungen des linken Flügels wanderte die Nationalliberale Partei immer weiter nach rechts, unterstützte nachdrücklich den preußischen Militarismus und verblieb in unverbrüchliche[r] Treue zu Kaiser und Reich. 6 7 4 Tormin 1968, S. 52 5 Hofmann 1993, S. 30-42 6 zit. nach Padtberg 1988, S. 83 7 Hofmann 1993, S. 42-53 2

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die liberalen Parteien zum Ende des Kaiserreiches hin immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Ihr politisches Profil wurde von beiden Seiten eingeschränkt, einerseits von den Sozialdemokraten, andererseits von den Konservativen und der Zentrumspartei. Wichtige Persönlichkeiten des deutschen Liberalismus spielten jedoch auch nach dem Ersten Weltkrieg eine bedeutende Rolle, zum einen Friedrich Naumann, ein evangelischer Theologe aus dem sozialliberalen Lager, und zum anderen Gustav Stresemann von der Nationalliberalen Partei. 8 2.2. Liberale Parteien in der Weimarer Republik Die Zweiteilung des liberalen Spektrums setzte sich auch in der Weimarer Republik fort. Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) bildete sich unter der Führung Friedrich Naumanns Ende 1918 aus Mitgliedern der Fortschrittlichen Volkspartei, des linken Flügels der Nationalliberalen Partei und einer Gruppe von Jungliberalen. Ebenfalls noch 1918 wurde einen Monat später die Deutsche Volkspartei (DVP) gegründet, welche in der Tradition der Nationalliberalen Partei stand. Ihre zentrale Figur wurde Gustav Stresemann. 9 Die DDP errang in der ersten Wahl zur Nationalversammlung 18,6% der Stimmen und stellte zusammen mit SPD und Zentrum die erste Regierung. Sie war bis 1930 an fast allen Regierungen beteiligt und versuchte bis zuletzt, die Demokratie zu festigen. Sie hatte schon aufgrund des geringen Stimmenanteils wenig Einfluß und dieser nahm zum Ende hin immer weiter ab, zuletzt mußte die Partei gar einen Rückgang auf weniger als 1% der Stimmen hinnehmen, welches auch ein Rechtsruck durch Gründung der Deutschen Staatspartei 1930 nicht verhindern konnte. Sie konnte letztendlich nicht in der Konkurrenz zur SPD und KPD sowie zur DVP, DNVP und später auch NSDAP bestehen. 10 Auch die DVP stand schnell in der Regierungsverantwortung, und 1923 wurde Stresemann sogar für eine kurze Zeit Kanzler. Bis zu seinem Tode 1929 blieb er Außenminister und sicherte seiner Partei damit eine recht stabile und einflußreiche Rolle in der Weimarer Republik. Wie die DDP trat die DVP für eine wirtschaftliche 8 Tormin 1968, S. 108-116 9 Bergsträsser 1965, S. 201 10 Hofmann 1993, S. 118-125 3

und rechtliche Gleichstellung der Frau, Förderung des Genossenschaftswesens, Schutz der Familie, der Landwirtschaft, des Handwerks und der freien Berufe, für Grundrechte, Privateigentum und Wirtschaftsfreiheit ein, forderte zudem aber einen starken Staat, die Wiederherstellung der deutschen Ehre und der ruhmreichen schwarz-weiß-roten Reichsfarben. Zum Ende hin gewannen Schwerindustrielle immer größeren Einfluß, aber auch trotz des finanziellen Rückhaltes konnte sich die DVP mangels ausreichender Verankerung im Volk unter der Konkurrenz der DNVP und der NSDAP nicht behaupten. Sie sank in den dreißiger Jahren in die Bedeutungslosigkeit ab und teilte damit das Schicksal der anderen liberalen Partei. Beide lösten sich Anfang Juli 1933 selbst auf, um dem von Hitler erteilten Verbot aller Parteien zu entgehen. 11 2.3. Liberale Exilvereinigungen während der Zeit des Nationalsozialismus 1937 wurde die Deutsche Freiheitspartei von liberalen Emigranten - auch Mitgliedern der DDP - gegründet. Unter dem Einsatz verschiedener Medien wurde versucht, die deutsche Bevölkerung zu informieren. Konkret erschienen die Zeitschrift Das wahre Deutschland sowie Flugblätter mit dem Namen Deutsche Freiheitsbriefe, zudem wurde der Deutsche Freiheitssender betrieben. 12 3. Organisatorische Entwicklung der FDP 3.1. Die Ausgangslage 1945 und Gründung erster liberaler Kreisverbände Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges kam es in vielen einzelnen Städten und Kreisen schnell zu liberalen Parteigründungen auf kommunaler Ebene. Von Anfang an war klar, daß diese Parteigründungen darauf ausgerichtet waren, eine neue, einheitliche liberale Parteiorganisation zu etablieren und sich nicht in der Tradition der liberalen Parteien der Weimarer Republik zu sehen. Es sollte vermieden werden, 11 Hofmann 1993, S. 125-130 12 Padtberg 1988, S. 137 4

wieder zwei konkurrierende Parteien zu schaffen, wie sie im Kaiserreich und der Weimarer Republik lange bestanden hatten. 13 Selbstverständlich begannen auch die Liberalen nicht bei Null, vielmehr waren viele der Gründungsväter ehemalige Mitglieder der Deutschen Demokratischen Partei. Bedeutende Persönlichkeiten der neuen liberalen Parteien waren schon in der Weimarer Republik in herausragenden politischen Funktionen tätig gewesen, denkt man an die Mitglieder des Reichstages Theodor Heuss und Reinhold Maier sowie die ehemaligen Reichsminister Wilhelm Külz und Eugen Schiffer. Die liberalen Parteien konnten jedoch nicht wie eine christlich-konservative, sozialistische oder kommunistische Partei an alte Organisationsstrukturen anknüpfen. Der ohnehin schwache Parteiapparat war nahezu vollständig zerstört worden. 14 Zudem wurden sie von der alliierten Militärregierung - im Gegensatz etwa zu den Christ- und Sozialdemokraten - in keinster Weise gefördert, wodurch auch verständlich wird, daß sich der deutsche Liberalismus erst spät im Jahre 1948 bundesweit organisieren konnte. Erste Parteigründungen auf Kreisebene gab es trotz der Schwierigkeiten mit den alliierten Behörden 1945 sehr zahlreich. In Bayern waren Schwerpunkte in Nürnberg unter Fritz Linnert, in München unter Otto Bezold und in Coburg, insgesamt waren bis Ende November 62 bayerische Kreisparteien registriert. 15 Die Namen der liberalen Vereinigungen waren - ebenso wie die Parteiinhalte unterschiedlich waren - keineswegs identisch, sondern es existierten zahlreiche Parteibezeichnungen. Wichtige neugegründete Ortsverbände neben den bereits erwähnten waren die Demokratische Volkspartei in Stuttgart unter Wolfgang Haussmann, Reinhold Maier und Theodor Heuss, die Partei Freier Demokraten in Hamburg mit Beteiligung von Willy Max Rademacher und Hermann Schäfer sowie die liberaldemokratische Gruppe in Frankfurt unter Georg-Ludwig Fertsch. Nennnnenswert sind auch die Gründungen in Bremen unter Theodor Spitta und in Hannover unter Fritz Henkel sowie in Nordrhein-Westfalen die der Sozialliberalen Partei in Mönchengladbach durch Wilhelm Hermes, die der Deutschen Aufbaupartei unter Friedrich Middelhauve in Opladen und die einer Liberaldemokratischen Partei in Essen mit 13 Es bestand jedoch in der Anfangszeit auch weiterhin das ungelöste Problem der Dichotomie im deutschen Liberalismus, bestehend aus national-liberalem und liberal-demokratischem Flügel. (Kaack 1976, S. 11-13) 14 In einigen vereinzelten Regionen, so in den norddeutschen Hansestädten, in den liberalen badenwürttembergischen Traditionsgebieten, in Teilen Mittelfrankens und Thüringens sowie im östlichen Sachsen waren aufgrund des dort ausgeprägten alten liberalen Honoratiorentums noch Bindungen zu bürgerlichen Schichten erhalten geblieben, welches dort den Aufbau enorm erleichterte. (Lösche 1996, S. 24f) 15 Olzog 1988, S. 94f 5

Franz Blücher und Hans-Wolfgang Rubin. Diese Beispiele stehen für insgesamt zahlreich vorhandene liberale Parteigründungen. 16 3.2. Entstehung liberaler Landesparteien Nach Bildung der einzelnen liberalen Verbindungen auf Kreisebene war die Gründung von Landesverbänden der nächste Schritt. In den Westzonen - auf die sowjetisch besetzte Zone wird in Kapitel 2.4. gesondert eingegangen werden - bildete sich zunächst in Württemberg am 18.9.1945 die Demokratische Volkspartei (DVP) unter Reinhold Maier. In Bayern schlossen sich die erwähnten 62 Kreisparteien im Mai 1946 zur Freien Demokratischen Partei (FDP) unter Thomas Dehler zusammen. In Hessen konstituierte sich eine Liberaldemokratische Partei (LDP) im Juni 1946 unter wesentlicher Mitwirkung von August Martin Euler, der nach kurzer Zeit auch zum Landesvorsitzenden gewählt wurde. In Bremen schließlich, dem vierten Bundesland der amerikanischen Zone, kam es am 28.10.1945 zur Gründung der Bremer Demokratischen Volkspartei (BDV), die sich allerdings durch den Übertritt einiger Anhänger zur CDU spaltete und im Juni 1946 zudem eine FDP 17 18 entstehen ließ. BDV und FDP fusionierten später wieder. Auch in der britischen Zone konstituierten sich bald liberale Landesverbände. In Nordrhein-Westfalen kam es zur Bildung zweier Landesverbände. Im Rheinland gründete sich im Frühjahr 1946 eine FDP unter dem Vorsitz Friedrich Middelhauves und in Westfalen wiederum eine LDP unter der Führung Gustav Altenhains. Diese vereinigten sich am 27.5.1947 zum FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen. Erster Vorsitzender wurde zunächst Altenhain, sein baldiger Nachfolger war Middelhauve. In Niedersachsen entstanden unter dem Namen Demokratische Union gleich drei Landesverbände, in Oldenburg unter Theodor Tantzen, in Braunschweig unter Oskar Berber und in Hannover unter Franz Henkel. Letzterer wurde auch Vorsitzender des Zusammenschlusses der drei Landesverbände zum FDP-Landesverband Niedersachsen am 28.5.1947. In Schleswig-Holstein bildete sich am 28.3.1946 unter Führung von Peter Christel Asmussen ein FDP-Landesverband, und in Hamburg konstituierte sich am 20.9.1945 eine Partei Freier Demokraten, die sich ab dem 16 Henning 1982, S. 20f 17 Dittberner 1984, S. 1314 18 Potthoff 1983, S. 282-285 6

21.11.1945 als FDP bezeichnete. Vorsitzender wurde zunächst Christian Koch, der im Juli 1946 von Willy Max Rademacher abgelöst wurde. 19 In der französischen Besatzungszone konnten sich aufgrund restriktiver Lizenzierungspolitik die Parteien erst später gründen als in den anderen Westzonen. In Rheinland-Pfalz bildeten sich zunächst zwei liberale Parteien. In der Pfalz wurde am 11.5.1946 der Soziale Volksbund unter Leitung von Franz Zapf zugelassen, in Rheinhessen gründete sich unter Führung von Wilhelm Rautenstrauch und Josef Dohr die Liberale Partei. Beide schlossen sich am 21.4.1947 zur Demokratischen Partei zusammen, Erster Vorsitzender wurde Rautenstrauch. Paul Waeldin leitete die Demokratische Partei in Süd- und Mittelbaden, die im Mai 1946 lizenziert wurde. Im März 1949 benannte sie sich in FDP um. Im dritten Bundesland der französischen Zone, Württemberg-Hohenzollern, konstituierte sich am 17.8.1946 die Demokratische Volkspartei in Süd-Württemberg, die auch den Kreis Lindau umfaßte. Sie nahm im Oktober 1949 den Namen FDP an, Wilhelm Wirthle wurde Erster Vorsitzender. 20 In Berlin gründete sich am 21.9.1945 ein Landesverband der Liberaldemokratischen Partei unter Leitung von August Stritte, Nachfolger war Carl-Hubert Schwennicke. Nach dem Ausschluß am 10.2.1948 aus der Gesamt-LDP bezeichnete sie sich ab März 1948 als Freie Demokratische Partei. Im Saarland gab es zwei konkurrierende liberale Vereinigungen. Die Demokratische Partei Saar wurde am 4.12.1945 zugelassen, im März folgte die Demokratische Volkspartei (DVP). Zwischen dem April 1946 und Februar 1947 erfolgte unter verschiedenen Bezeichnungen die Genehmigung einer neuen liberalen Partei, die schließlich unter dem Namen Demokratische Partei des Saarlandes (DPS) Bestand hatte. 21 3.3. Zonale Formierung der liberalen Parteien In der britischen Zone schlossen sich die liberalen Landesverbände zuerst zusammen. Am 7./8.1.1946 kam es auf einer Tagung in Opladen, dem Heimatort von Middelhauve, der diese Gründungsversammlung maßgeblich initiierte, zur Gründung der Freien Demokratischen Partei der britischen Zone, an der sich alle liberalen 19 ebenda, S. 286-291 20 ebenda, S. 293f 21 ebenda, S. 295f 7

Landesverbände, die sich bis dahin konstituiert hatten, beteiligten. Auf den Namen, der vom Hamburgischen Landesverband übernommen wurde, einigte man sich erst nach langer Diskussion. Den ersten sogenannten Syker Vorstand leitete geschäftsführend Wilhelm Heile, auf dem ersten Parteitag am 18./20.5.1946 in Bad Pyrmont wurde dieser zum ersten Präsidenten und Franz Blücher zum ersten Vorsitzenden bestimmt. 22 Generalsekretär wurde Wilhelm Hermes. Dominierend war zunächst Heile, der dann aber aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten mit den jüngeren Parteimitgliedern um Blücher bald kürzer trat. 23 Blücher wurde im Juni 1947 in seinem Amt bestätigt und hatte somit nach dem Vorsitz im sogenannten Pyrmonter Vorstand auch den im sogenannten Bielefelder Vorstand inne. Zahlreiche Ausschüsse wurden gebildet, die nahezu alle politischen Felder abdeckten. 24 Auch in der amerikanischen Zone kam es recht zügig zu einer überregionalen Zusammenarbeit. Bereits im März 1946 wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, am 29.9.1946 kam es dann auf einer Gründungsversammlung in Stuttgart zum Zusammenschluß der liberalen Parteien der Länder innerhalb der amerikanischen Zone mit Ausnahme Bremens, welches sich aber im März 1947 anschloß. Der Name Demokratische Volkspartei der amerikanischen Zone wurde ausgewählt, allerdings behielten die einzelnen Landesverbände im Gegensatz zu denen der britischen Zone ihre ursprünglichen Namen. Dementsprechend fungierte diese zonale Partei eher als lockerere Dachorganisation unabhängiger Mitglieder denn als straffer Zonenverband. Aber auch hier wurden in Fachausschüssen zu einzelnen Politikfeldern Positionspapiere verfaßt. 25 Erster Vorsitzender wurde Heuss aus Württemberg- Baden, aber auch die Landesvorsitzenden Bayerns und Hessens wurden in den Vorstand aufgenommen. Die Geschäftsführung hatte ihren Sitz entsprechend der Federführung der Demokratischen Volkspartei Württemberg-Badens innerhalb der zonalen Organisation in Stuttgart. 26 In der französischen Zone konstituierte sich am 4.1.1947 zwar eine Arbeitsgemeinschaft der Demokratischen Parteien in der französischen Zone, dessen Mitglieder die Demokratische Partei Süd- und Mittelbadens, die Demokratische Volkspartei in Südwürttemberg mit Kreis Lindau, die Liberale 22 Wilhelm Heile wohnte in Syke/Niedersachsen. 23 Henning 1982, S. 23 24 Potthoff 1983, S. 291f 25 Henning 1982, S. 24 26 Potthoff 1983, S. 285 8

Partei und der Soziale Volksbund Pfalz waren, jedoch genehmigte die französische Militärregierung diese nicht. 27 3.4. Die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone Bereits am 16.6.1945 wurde eine Deutsche Demokratische Partei in Berlin gegründet, welche am 10. 7.1945 unter dem Namen Liberaldemokratische Partei für Berlin und die gesamte sowjetische Zone zugelassen wurde. Der erste Vorsitzende Waldemar Koch wurde schon im November von Wilhelm Külz abgelöst. Die LDP empfand sich dabei keineswegs nur als Partei für die sowjetische Zone, sondern wollte eine Reichspartei sein. Dieser Führungsanspruch wurde zunächst auch von den westdeutschen LDP- und FDP-Parteien weitestgehend respektiert. Dementsprechend nannte sich der Vorstand auch Reichsparteileitung und der Vorsitzende Reichsvorsitzender, zudem wurden Reichsparteitage abgehalten. 28 3.5. Bildung überzonaler Organisationen Die liberalen Parteiführer erkannten schon früh die Notwendigkeit der Bildung einer liberalen Gesamtpartei und waren daher bemüht, eine solche aufzubauen. Allerdings wollte man dies nicht unter dem Dach der LDP in Berlin erreichen, da man den kommunistischen Einfluß, dem die LDP schon mehrfach erlegen war, abhalten wollte. Auf dem ersten Parteitag der FDP der britischen Zone im Mai 1946 kam es nach Gesprächen hochrangiger Vertreter der FDP und der LDP der sowjetischen Besatzungszone zur Bildung eines Koordinationsauschusses, dem sich später auch Vertreter aus der amerikanischen und französischen Besatzungszone anschlossen. Nach Sitzungen im September 1946 in Nürnberg und Stuttgart erfolgte am 8./9.11.1946 das Koordinierungstreffen in Coburg, bei dem allerdings die Vertreter der britischen und sowjetischen Zone bestimmend waren und es zu einigen Verstimmungen kam. 29 Auf einer Konferenz in Rothenburg ob der Tauber am 27 ebenda, S. 294f 28 ebenda, S. 296f 29 Der zentralistisch und national-liberal orientierte Einfluß des Zonenverbandes der britischen Zone und der LDP der sowjetischen Zone sorgte bei den süddeutschen Liberalen für Befremden, die verabschiedeten Bestandteile eines späteren Reichsparteiprogrammes fanden bei ihnen keine Zustimmung. (Gutscher 1984, S. 27) 9

17.3.1947 wurde ein Zusammenschluß der Zonenverbände zur Demokratischen Partei Deutschlands (DPD) vereinbart. Die Namen der einzelnen Zonenverbände sollten jedoch beibehalten werden, ein Faktum, welches deutlich macht, daß die DPD lediglich eine lose Dachorganisation war. Zu gleichberechtigten Vorsitzenden wurden Wilhelm Külz und Theodor Heuss bestellt, alle Landesparteien schickten mindestens einen Vertreter in den Vorstand. 30 Auf einer Vorstandssitzung am 9.7.1947 wurden die Parteigrundsätze beschlossen. Schon hier kam es allerdings zu einem gegenseitigem Abwenden zwischen der LDP der sowjetischen Zone und den westdeutschen Liberalen, welches sich immer mehr steigerte. Zwar wurde im November 1947 noch eine Verfassungskommission gebildet, die einen Verfassungsentwurf für ganz Deutschland ausarbeiten sollte, durch die Teilnahme der Ost-LDP am kommunistischen Volkskongreß in Berlin kam es dann aber zum endgültigen Bruch. Die DPD wurde am 18.1.1948 in Frankfurt am Main ohne Beisein 31 32 von Külz durch Beschluß des Vorstandes aufgelöst. Somit blieb den westdeutschen Liberalen nur noch die Möglichkeit, den Zusammenschluß ohne die Liberalen der sowjetischen Zone weiter fortzusetzen. Im Laufe des Jahres 1948 gab es zahlreiche Koordinierungstreffen, die schließlich zu einer Delegiertentagung aller westlichen Landesverbände führten, welche am 11./12.12.1948 in Heppenheim an der Bergstraße stattfand. 33 Die sogenannte Heppenheimer Proklamation wurde verabschiedet, die bis zum Berliner Bundesparteitag 1957 das einzige Grundsatzprogramm der neuen Partei bleiben sollte. 34 Der Name Freie Demokratische Partei (FDP) wurde mit großer Mehrheit beschlossen. 35 36 Der Begriff liberal wurde vermieden, da man fürchtete, daß diese Bezeichnung Anstoß in der bäuerlichen Bevölkerung sowie kirchlichen Kreisen 30 Die Namen finden sich bei Potthoff 1983, S. 297. 31 Daraufhin kam es zu Konflikten zwischen der Gesamt-LDP und dem LDP-Landesverband Berlin. Aufgrund einseitiger Beschlüsse der Gesamt-LDP sprach die Berliner LDP Külz das Mißtrauen aus, es kam zum Ausschluß des Berliner Landesverbandes aus der LDP. Die Liberalen der sowjetischen Besatzungszone in Berlin wurden aufgefordert, sich der dort neugegründeten Landesgruppe anzuschließen. Damit war der Bruch endgültig. 32 Gutscher 1984, S. 26-31 33 Der Ort wurde in Erinnerung an die 100 Jahre zuvor stattgefundene entscheidende Tagung der Liberalen am Vorabend der Frankfurter Nationalversammlung bewußt gewählt. (Frölich 1990, S. 7) 34 Der genaue Wortlaut der Heppenheimer Proklamation findet sich bei Juling 1977, S. 56f. 35 Die Landesverbände durften ihre Bezeichnungen behalten, bis auf zwei Ausnahmen schlossen sich jedoch alle spätestens zum Zeitpunkt der zweiten Landtagswahlen der Bezeichnung der Bundespartei an. Nur der Landesverband Baden-Württemberg (FDP/DVP) und der des Saarlandes (DPS) behielten ihre eigenständigen Namen. (Gutscher 1984, S. 31) 36 Die Punkte zwischen den Buchstaben F, D und P wurden als wahltaktisches Unterscheidungsmittel zu den anderen Parteien erst 1969 eingeführt. (Henning 1982, S. 132f) Daher wird in dieser Arbeit die heute übliche Schreibweise F.D.P. nicht verwandt. 10

erregen würde. Somit war endlich eine liberale Bundespartei gegründet worden, die noch bis heute Bestand hat. 37 Erster Vorsitzender wurde Heuss, sein Stellvertreter Franz Blücher. Zudem wurden in den engeren Vorstand Thomas Dehler, August Martin Euler, Carl-Hubert Schwennicke, Hermann Schäfer, Eberhard Wildermuth und Fritz Oellers gewählt. 38 Auf dem ersten Parteitag in Bremen am 11./12.6.1949 wurden alle Vorstandsmitglieder bis auf Oellers, der durch Karl Theodor Bleek abgelöst wurde, bestätigt. 39 4. Programmatik der FDP 4.1. Deutschlandpolitik Die Deutschlandpolitik war in der Nachkriegszeit naturgemäß das beherrschende Thema, nicht nur bei den Liberalen. Schon einige der frühen auf kommunaler Ebene gegründeten Parteien erstellten eigene Programme, welche meist noch deutlich unter dem Eindruck des gerade erst vergangenen Nationalsozialismus entstanden. Die FDP Bayerns und die DVP Württemberg-Badens verlangten schon bald die Zusammenarbeit des deutschen Volkes mit allen Völkern zur Bewahrung des Weltfriedens. Die westdeutschen Liberalen gingen von dieser Weltfriedensordnung als einer liberalen aus, die auf den vier Freiheiten Roosevelts aufbaute, und hofften, daß sich diese auch durchsetzen würde, indem sich alle Völker in einer überstaatlichen Organisation darauf festlegten. 40 Das erste überregional bedeutsame Programm der Liberalen, die Syker Programmatischen Richtlinien der Freien Demokratischen Partei in der britischen Zone, befaßte sich gleich in der ersten Richtlinie mit der Frage der Wiederherstellung des deutschen Reiches. So heißt es dort, in der festen Zuversicht, daß der demokratische Gedanke, wie überall auf Erden so auch im Herzen Europas, die Zuversicht der Nationen bestimmen wird, wirkt die Freie Demokratische Partei für die Wiederherstellung eines Deutschen Reiches. 41 Direkt 37 siehe auch Plakat im Anhang, S. 14 Abb. 1 38 Potthoff 1983, S. 298 39 Gutscher 1984, S. 31f 40 Roosevelt verkündete 1941 die Freiheit der Rede und Meinung, des Glaubens und die Freiheit von Not und Furcht. 41 zit. nach Juling 1977, S. 70f 11

folgend in der zweiten Richtlinie wird die Integration des deutschen Territoriums in die Staatengemeinschaft eingefordert: Das neue Reich des deutschen Volkes soll sobald wie möglich in die werdende Organisation der Menschheit eingegliedert werden." 42 Bei der Erstellung dieser Thesen wirkte noch Heile führend mit, sein Einfluß schwand allerdings bald, und Blücher und seine Parteifreunde übernahmen die Meinungsführung innerhalb der FDP der britischen Zone. 43 Diese waren weniger Richtung Westen respektive Vereinigte Staaten ausgerichtet, sondern bemühten sich um Einbeziehung der Ost-LDP unter Külz, ganz im Gegensatz zu den schwäbischen Liberalen beispielsweise, die spätestens seit der Teilnahme der Ost-LDP am Volkskongreß die Einheit ohne die sowjetisch besetzte Zone anstrebten und für den Weststaat plädierten. Blücher lenkte erst spät, als er von der Entwicklung fast überrollt wurde, ein, blieb jedoch bei seiner grundsätzlichen Haltung und sagte auch das Scheitern der Magnettheorie voraus. Führende Liberale lenkten daraufhin ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf die Gesellschaftspolitik. 44 Trotz dieses Zurückziehens von der Deutschlandpolitik seitens der FDP- Spitzenpolitiker um Blücher waren die Jahre 1948/49 die des nationalliberalen Flügels. Waren in den ersten beiden Nachkriegsjahren noch die Linksliberalen aus dem heutigen Baden-Württemberg und den Hansestädten tonangebend, änderte sich dies in den späten vierziger Jahren. Der rechte Flügel gewann auch durch den Zustrom von heimkehrenden Soldaten, Flüchtlingen und Vertriebenen, die geschickt von den Nationalliberalen angesprochen wurden, an Einfluß, vor allem in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Die Deutschnationalen hielten am Stolz auf die eigene Nation fest, verurteilten die Alliierten wegen ihrer Besatzungspolitik und sprachen das Unrecht der Vertreibung vehement an. Dieses Gedankengut manifestierte sich auch in den Ansichten über die neue Bundesflagge und -hymne. So wurden ab dem Bremer Parteitag von 1949 sowohl die schwarz-rotgoldene Flagge wie auch die schwarz-weiß-rote des Kaiserreiches gehißt. Zudem wurden alle drei Strophen des Deutschlandliedes gespielt, welche die Nationalliberalen auch alle mitsangen, während die Linksliberalen erst zur dritten Strophe mit einstimmten. 45 42 zit. nach ebenda, S. 71 43 Heile gründete später zusammen mit Hermes die Europa-Union und saß dann für die Deutsche Partei im Wirtschaftsrat. (Rütten 1984, S. 45) 44 Rütten 1984, S. 35-69 45 Lösche 1996, S. 24-31 12

Die Deutschlandpolitik spielte für die LDP in der sowjetischen Zone eine sehr bedeutende Rolle. Ihre großen Erfolge bei den Wahlen verdankte die Partei nicht zuletzt ihrer engagierten Politik in Bezug auf eine Einheit aller vier Besatzungszonen. Diese Politik wurde stark in der Person von Külz verkörpert, der in beiden Teilen Deutschlands für seine Bemühungen zur Wiederherstellung der Einheit respektiert wurde. So steht noch im Text des Eisenacher Programmes von 1949 - Külz war schon im Jahr zuvor verstorben -: Die Liberal-Demokratische Partei wird [...] mitarbeiten, einen neuen deutschen Staat zu schaffen, einen Staat der Einheit und des Rechts, des Friedens und der Freiheit, der Menschlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit. 46 Külz großes Verdienst war das Aufzeigen eines Weges zwischen nationalliberalem und demokratischem Gedankengut. 47 Auch wenn er letztendlich scheiterte und sich die LDP dem kommunistischen Druck auf Dauer nicht entziehen konnte, war doch das Renommee der LDP als Wiedervereinigungspartei unbestritten. 48 4.2. Gesellschaftspolitik Auch auf dem weitläufigem Feld der Gesellschaftspolitik entwickelten die Liberalen schon frühzeitig Positionen, die sie von allen anderen Parteien abgrenzten. Auch wenn zahlreiche Parteiprogramme erstellt wurden und dies naturgemäß zu einer gewissen Divergenz führte, gab es doch in vielen Punkten eine einhellige Meinung. So traten die Liberalen für gleiche Grundrechte für alle in einem Rechtsstaat ein. Dazu heißt es in den Programmatischen Richtlinien der FDP der britischen Zone 1946: Es soll nur ein Recht geben, ein gleiches Recht für alle, ohne Ansehen der Person, des Standes, der Konfession, der Rasse und des Geschlechts. 49 Auch wurde für eine demokratische Staatsordnung plädiert, die Staatsgewalt im neuen Deutschland muß allein vom Volke ausgehen lautet es im Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei in Württemberg-Baden von 1946. 50 Es stand allerdings außer Frage, daß dieser demokratische Staat nicht wie die Weimarer Republik von 46 zit. nach Frölich 1990, S. 35 47 Rütten 1984, S. 137 48 Rütten 1984, S. 91-138 49 zit. nach Juling 1977, S. 71 50 zit. nach Gutscher 1984, S. 338 13

zentralistischer Art sein sollte, sondern die föderalen Elemente betonte. 51 Zudem wurde ein Menschenrecht auf persönliche Freiheit sowie auf Bildung und Erziehung in die Grundsätze der DPD im Juli 1947 aufgenommen. 52 Mehr Profilierung erfuhren die Liberalen jedoch durch konsequente Unterstützung der freien und sozialen Marktwirtschaft. Insbesondere in der Ära Blücher konzentrierte sich die FDP auf diesen Punkt. Damit hob sie sich deutlich von den Sozialdemokraten, aber auch von Teilen der Union ab. Das Ende der in den Nachkriegsjahren herrschenden Bewirtschaftung wurde gefordert. 53 Vehement traten die Liberalen - insbesondere die aus der britischen Zone - für ihre Ziele ein. In Nordrhein-Westfalen wie auch in Niedersachsen kam es mit der SPD in einzelnen Teilen der Wirtschaftspolitik zu grundlegenden Differenzen, beispielsweise wegen der Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwirtschaftlicher Industrieunternehmen. Auch im Frankfurter Wirtschaftsrat vertraten die liberalen Vertreter ein eindeutiges Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft. Zuweilen standen sich dort die FDP auf der eine Seite und CDU/CSU und SPD auf der anderen gegenüber. So wurde das erste Lastenausgleichsgesetz, in dem die Kriegslasten gleichmäßig verteilt werden sollten, gegen die Stimmen der FDP verabschiedet. Meist aber stand die FDP der Union recht nahe. Nur durch die Stimmen der FDP-Abgeordneten konnte Ludwig Erhard, ein Anhänger der neoliberalen Marktwirtschaftslehre, zum Verwaltungsdirektor für Wirtschaftsfragen gewählt werden. So wurde dann auch die von Erhard durchgeführte Währungsreform vom Juni 1948 unterstützt, was die Vorentscheidung zur Verankerung der Marktwirtschaft in Westdeutschland bedeutete. Im Wangerooger Programm der FDP der britischen Zone, welches auch als Entgegnung auf das Ahlener Programm der CDU gedacht war, wurde ausdrücklich die staatlich gelenkte Planwirtschaft erneut als unvereinbar mit den demokratischen Grundrechten des Staatsbürgers abgelehnt und jegliche Sozialisierung mißbilligt. 54 Entsprechend wurden auch Gewerkschaften wie der DGB und die christlich geprägten mit großem Mißtrauen betrachtet, vereinzelt wurde gar über die Gründung einer eigenen liberalen Gewerkschaft nachgedacht. 55 Die Frage des Eigentums stellte einen weiteren Bereich dar, indem die Liberalen sich profilierten und ganz konsequent als 51 vgl. Punkt IV. Demokratie von unten im Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei in Württemberg- Baden von 1946 (Gutscher 1984, S. 338) 52 Padtberg 1988, S. 146 53 siehe auch Wahlkampfplakat im Anhang, S. 15 Abb. 3 54 Schon in der 5. Richtlinie des Syker Programms von 1946 wurde die Planwirtschaft abgelehnt (Juling 1977, S. 71) 55 Blücher war beispielsweise dieser Ansicht. (Rütten 1984, S. 71) 14

Verfechter der Sicherung des Privatbesitzes eintraten. Das galt auch für die industriellen Komplexe, in die die Liberalen keine Eingriffe des Staates zulassen wollten. Die Bodenreform wurde nicht vorbehaltlos unterstützt, letztendlich stellte man sich ihr aber auch nicht entgegen. 56 Fast alle liberalen Landesparteien forderten auch die strikte Trennung von Kirche und Staat. Zumindest wandten sie sich aber gegen eine Einmischung der Kirche in die Politik. Damit hoben sich die Liberalen von den Christdemokraten ab. 57 In der Heppenheimer Proklamation wurde zudem die Einrichtung eines Flüchtlingsamtes und die Anerkennung des Berufsbeamtentums gefordert. 58 Es bleibt festzuhalten, daß die fundamentale Übereinstimmung in der Wirtschaftsund Sozialpolitik die sich in den Anfangsjahren immer mehr herauskristallisierende Dichotomie der Liberalen überwinden konnte. Durch das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und die Ablehnung jeglicher Sozialisierung wurden sie zusammengehalten. 59 In der Ost-LDP trat die Gesellschaftspolitik zunächst hinter die Deutschlandpolitik zurück. Im Gründungsaufruf vom 5.7.1945 waren noch starke Parallelen zu den westdeutschen Demokraten festzustellen. 60 Einige Forderungen, die von denen der westdeutschen Linksliberalen abwichen, sollen kurz vorgestellt werden. So verlangte die LDP in ihrem Eisenacher Parteiprogramm von 1949, in dem die sozialistische Färbung schon unverkennbar war, eine Gleichstellung nicht nur von Mann und Frau, sondern auch von Hausfrau und berufstätiger Frau. 61 Auch wurde ausdrücklich nicht nur das Recht auf Bildung gefordert, wie das schon westdeutsche Landesparteien zuvor getan hatten, sondern zudem die Schulgeldfreiheit und die grundsätzliche Öffentlichkeit des Schulwesens. 62 Der wirtschaftlichen Freiheit sollten durch das Gemeinwohl enge Grenzen gesetzt werden, auch wurde eine zweck- und sinnvolle Lenkung der volkswirtschaftlichen Erzeugung und Verteilung als absolut erforderlich angesehen. 63 Der Schutz des Eigentums wurde zwar grundsätzlich anerkannt, doch sollte durch Aufteilung des Großgrundbesitzes die Ausnutzung von Grund und Boden 56 Rütten 1984, S. 69-90 57 Henning 1982, S. 97 58 Juling 1977, S. 57 59 Vorländer 1986, S. 194-197 60 Der Gründungsaufruf der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands von 1945 und der Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei in Württemberg-Baden von 1946 finden sich bei Frölich 1990, S. 25f bzw. Gutscher 1984, S. 337-340. 61 So finden sich in Abschnitt III Absatz 2 des Eisenacher Parteiprogrammes die Vokabeln Ausbeutung und Klassenkampf, die bislang nicht in liberalen Parteiprogrammen zu finden waren. (Frölich 1990, S. 34) 62 ebenda, S. 35 15

gesteigert werden. Von Teilen der LDP wurde die erste Sequestrierungswelle, in der Produktionsstätten vor allem im schwerindustriellen Bereich beschlagnahmt wurden, gutgeheißen. Auch der Sperrung von Guthaben wurde eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen. Keineswegs sprachen sich immer alle Flügel innerhalb der LDP für diese Maßnahmen aus, vielmehr war eine ausgesprochene Fraktionierung festzustellen, wobei sich die Anhänger des linken Spektrums in der Regel durchsetzen konnten. 64 5. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Wahlkampfführung Für die Gründung der liberalen Parteien waren Presseorgane - anders als in der Weimarer Republik bei DDP und DVP - ohne Bedeutung. Damit wurde es den jungen Landesverbänden schwer gemacht, sich ihr eigenes Pressewesen aufzubauen. Zunächst wurden monatlich erscheinende Informationszeitschriften herausgegeben. Um den Jahreswechsel 1946/47 wurden dann von den Westallierten auch täglich oder zweitäglich erscheinende liberale Zeitungen genehmigt. Diese waren jedoch lediglich regional verbreitet. Fast alle Zeitungen überlebten die Währungsreform nicht. 65 Die Wahlkampfführung war zunächst auf die jeweilige Region eingeschränkt, wobei es innerhalb einer Zone durchaus Absprachen mit den anderen Landesverbänden gab. Sogar zur interzonalen Zusammenarbeit kam es in einem gewissen Rahmen. Spitzenpolitiker wie Theodor Heuss, Wilhelm Külz und Franz Blücher hielten Wahlkampfreden in anderen Zonen. Ansonsten beschränkte sich der Wahlkampf auf den Einsatz von Presse, Wahlplakaten und Versammlungen. 66 Rundfunk und Fernsehen wurden nur in sehr geringem Maße verwandt. 67 In Ostdeutschland war der Organisationsgrad ungleich höher, so daß trotz der Behinderung seitens der sowjetischen Militärregierung weit über 100.000 Mitglieder - Mitte 1947 sogar 170.000 - gewonnen werden konnten. Zudem existierte ein gut 63 ebenda, S. 34 64 Rütten 1984, S. 138-166 65 Henning 1982, S. 118f 66 Eine kleine Auswahl an Wahlkampfplakaten findet sich im Anhang, S. 14f 67 Henning 1982, S. 129-131 16

ausgebautes Parteipressewesen, an dessen Spitze der in Berlin erscheinende Morgen stand. 68 6. Parlaments- und Regierungsbeteiligung Die Liberalen konnten bei den Wahlen zu den Länderparlamenten zum Teil beachtliche Erfolge erzielen. Sie erlangten in zehn von elf Volksvertretungen Mandate, nur in Schleswig-Holstein reichte es nicht. 69 In den drei Ländern des heutigen Baden-Württembergs, in den Hansestädten Bremen und Hamburg sowie in Hessen wurden besonders gute Ergebnisse erzielt, zum Teil wurden annähernd 20% der Stimmen erreicht. Die LDP erreichte in der sowjetischen Besatzungszone mit 21% der Stimmen bei den Gemeinderatswahlen und mit 25% bei den Land- und Kreistagswahlen 1946 noch bessere Resultate und lag damit dort vor der CDU und hinter der SED an zweiter Position. 70 Dagegen schnitten die Liberalen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit weniger als 6% der Stimmen unterdurchschnittlich ab, so daß die liberalen Landesparteien im Mittel 9% der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten. Damit lagen sie noch knapp hinter den Kommunisten an vierter Stelle, Union und SPD führten gemeinsam mit je 35%. 71 Entsprechend ihres jeweiligen Wahlerfolges waren die liberalen Landesparteien auch an den Landesregierungen beteiligt. Dabei ergaben sich unterschiedliche Konstellationen. In einigen Ländern, so in Bremen und Hamburg, regierten sie allein mit der SPD, in anderen waren sie an einer Allparteienregierung unter Einschluß der beiden großen Volksparteien CDU und SPD beteiligt. Dies galt für Württemberg- Baden, Württemberg-Hohenzollern und für Westberlin seit Anfang 1949. Die Liberalen konnten drei Ministerpräsidenten stellen. In Württemberg-Baden wurde Reinhold Maier noch 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht zum Ministerpräsidenten ernannt, Theodor Heuss wurde Kultusminister. In Oldenburg war es Theodor Tantzen, der Ministerpräsident wurde. In Sachsen-Anhalt schließlich konnte die LDP mit Karl Hübener ebenfalls diesen Posten besetzen. Im Frankfurter Wirtschaftsrat waren zunächst vier, nach seiner Erweiterung im Februar 1948 acht liberale Abgeordnete vertreten. Die liberalen Vertreter, je einer - 68 Frölich 1990, S. 6 69 Die genaue Verteilung der Stimmen und Mandate findet sich bei Potthoff 1983, S. 333-345. 70 Frölich 1990, S. 6 17

später zwei - aus Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Württemberg-Baden, schlossen sich unter dem Vorsitz Franz Blüchers zur FDP-Fraktion im Wirtschaftsrat zusammen. Meist stimmten sie zusammen mit CDU, CSU und DP und standen den Sozialdemokraten entgegen. So konnte die Union nur dank der Hilfe der liberalen Abgeordneten alle fünf Direktorenposten besetzen. Im Wirtschaftsrat wurden bereits frühzeitig die Weichen für eine spätere bürgerliche Koalitionsregierung gestellt. In den Parlamentarischen Rat entsandten die Liberalen fünf Abgeordnete. Es waren Thomas Dehler aus Bayern, Theodor Heuss aus Württemberg-Baden, Max Becker aus Hessen, Hermann Höpker-Aschoff aus Nordrhein-Westfalen und Hermann Schäfer aus Hamburg. Eine beratende Stimme hatte zudem Hans Reif aus Westberlin. Auch hier wurde eine FDP-Fraktion gebildet, Vorsitzender wurde Heuss. Dieser und Dehler waren die zentralen Figuren innerhalb der liberalen Fraktion, da sie auch dem Hauptausschuß angehörten, in dem die wichtigsten Vorentscheidungen getroffen wurden. Alle Parteien waren um eine breite Mehrheit bemüht, in Konfliktfällen kam es zu wechselnden Mehrheiten, wobei die FDP eher zur SPD tendierte, sich aber immer um Vermittlung zwischen den beiden großen Fraktionen bemühte. Nicht durchsetzen konnte die FDP das Senatsprinzip für die zweite Kammer der Legislative, das Präsidialsystem und das Mehrheitswahlrecht. Sie konnte auch nicht verhindern, daß mit Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes Normen für Sozialisierungs- und Enteignungsmaßnahmen in der Verfassung verankert wurden. Mit Erfolg wurde dagegen ihre Auffassung von der Trennung von Kirche und Staat nach dem Vorbild der Weimarer Verfassung und die von einem konfessionsneutralen Schulwesen durchgesetzt. 72 7. Zusammenfassung und Ausblick Die Gründung der FDP war von nicht immer einfachen Umständen begleitet. Sie erfuhr von alliierter Seite nicht die Unterstützung, wie andere Parteien sie erhielten. Auch erfüllte sich der Traum der Bildung einer liberalen Partei für das ganze Deutschland aufgrund der politischen Umstände nicht. Dafür konnte die FDP bei den Wahlen erstaunliche Erfolge - bedenkt man insbesondere die Situation am Ende der 71 Kaack 1976, S. 13 18

Weimarer Republik - erzielen und ihre programmatischen Ziele sowohl in den Länderparlamenten wie auch im Frankfurter Wirtschaftsrat und im Parlamentarischen Rat einbringen. Die innerparteilichen Spannungen waren gewiß größer als in den anderen Parteien, trotzdem konnte sie sich als eine liberale Partei behaupten und die über 80 Jahre währende Spaltung des Liberalismus überwinden. Im Wahlkampf um die Mandate des ersten Deutschen Bundestags konnte sich die FDP als radikale Verfechterin der freien Marktwirtschaft profilieren und erreichte mit 11,9% der Stimmen ein ausgezeichnetes Ergebnis. 73 Sie ging mit CDU, CSU und DP eine Koalition ein und konnte damit die Geschicke in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik entscheidend mitgestalten. Franz Blücher wurde Vizekanzler und Bundesminister für Europafragen und den Marshallplan, Thomas Dehler übernahm das Justizressort und Eberhard Wildermuth erhielt das Wohnungsbauministerium. Zudem stellten die Liberalen mit Theodor Heuss den ersten Bundespräsidenten. Er erlangte während seiner 10jährigen Amtszeit großes Ansehen im In- und Ausland. Sein Nachfolger als Bundesvorsitzender wurde Blücher. Innerparteilich kam es zu großen Auseinandersetzungen zwischen dem liberaldemokratischen und dem nationalliberalen Flügel. Zwar kam es 1956 zu einigen Austritten prominenter Politiker, eine Spaltung der FDP konnte jedoch vermieden werden. 74 In der DDR gab es eine weniger erfreuliche Entwicklung. Es kam zu Verfolgungen und Verhaftungen. Die LPD stimmte bereits 1950 einem gemeinsamen Wahlprogramm mit der SED zu, 1952 wurde sie dann gleichgeschaltet. Somit konnte sie keine unabhängige liberale Politik mehr betreiben. 75 72 Henning 1982, S. 141-143 73 Nur 1961 mit 12,8% der Stimmen sollte die FDP noch besser abschneiden. 74 Kaack 1976, S. 14-20 75 Frölich 1990, S. 7 19

8. Literaturverzeichnis Bergsträsser, Ludwig: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, in: Mommsen, Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Handbuch der Politik, Bd. 2. München 11 1965 Dittberner, Jürgen: Die Freie Demokratische Partei, in: Stöss, Richard (Hrsg.), 1984: Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980. Bd. II: FDP bis WAV, in: Schriften des Zentralinstitutes für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Bd. 39. Opladen 1984 Frölich, Jürgen: Geschichte und Entwicklung des Liberalismus in Deutschland, in: Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.): Liberalismus in der Bundesrepublik, Heft 3. Sankt Augustin 2 1990 Gutscher, Jörg M.: Die Entwicklung der FDP von ihren Anfängen bis 1961. Königstein/Ts. 2 1984 Henning, Friedrich: F.D.P. Die Liberalen. Portrait einer Partei. München 1982 Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart. München 1993 Juling, Peter: Programmatischer Entwicklung der FDP 1946 bis 1967. Einführung und Dokumente, in: Kaack, Heino (Hrsg.): Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 19. Meisenheim am Glan 1977 Kaack, Heino: Zur Geschichte und Programmatik der Freien Demokratischen Partei. Grundriß und Materialien, in: Kaack, Heino (Hrsg.): Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 18. Meisenheim am Glan 1976 Lösche, Peter/Walter, Franz: Die FDP. Richtungsstreit und Zukunftszweifel. Darmstadt 1996 Olzog, Günter/Liese, Hans-J.: Die politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte - Programmatik - Organisation - Personen - Finanzierung. München 16 1988 Padtberg, Beate-C.: Geschichte des deutschen Liberalismus, in: Friedrich-Naumann- Stiftung (Hrsg.): Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung. Wissenschaftliche Reihe. Königswinter 1988 Potthoff, Heinrich/Wenzel, Rüdiger: Handbuch politischer Institutionen und Organisationen 1945-1949, in: Booms, Hans/Morsey, Rudolf (Hrsg.): 20

Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 1. Düsseldorf 1983 Rütten, Theo: Der deutsche Liberalismus 1945 bis 1955. Deutschland- und Gesellschaftspolitik der ost- und westdeutschen Liberalen in der Entstehungsphase der beiden deutschen Staaten, in: Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.): Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung. Wissenschaftliche Reihe. Baden-Baden 1984 Tormin, Walter: Geschichte der deutschen Parteien seit 1848. Stuttgart 3 1968 Vorländer, Hans: Der soziale Liberalismus der F.D.P. Verlauf, Profil und Scheitern eines soziopolitischen Modernisierungsprozesses, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hrsg.): Sozialer Liberalismus. Göttingen 1986 21

9. Anhang Abb. 1 Nordrhein-Westfalen 1948 (Archiv des deutschen Liberalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung) Abb. 2 Landtagswahl 1946 (Archiv des deutschen Liberalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung) 22

Abb. 3 Bundestagswahl 1949, Baden-Württemberg (Archiv des deutschen Liberalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung) Abb. 4 Bundestagswahl 1949, Bayern (Archiv des deutschen Liberalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung) 23