Schmerz. Kindgerechte Schmerztherapie

Ähnliche Dokumente
Nichtmedikamentöse Kopfschmerztherapie bei Kindern und. Folie 1. Psychotherapeuten bei der Kopfschmerztherapie? Folie 2

Sumatriptan Antrag auf Freistellung von der Verschreibungspflicht mit Beschränkungen

Stopp den Kopfschmerz

Fragebogen Kopfschmerzen

RSV. RSV kennen. Das Virus, das Eltern kennen sollten. Informationen. Kinder schützen

Deutsches Rotes Kreuz. Kopfschmerztagebuch von:

Schmerz warnt uns! Der Kopfschmerztyp Migräne. Was sind typische Merkmale des Migränekopfschmerzes?

WAS IST FIEBER? Ein Symptom verstehen hilft richtig damit umzugehen!!!!!!!!!!!! Wie/wo misst man Fieber Fieber und Alter des Kindes Fieberkrampf

zu Euer Wahl.. dass Ihr Eure eigene Praxis haben wollt an forderster Front mit den Menschen und ich hoffe, dass Ihr Eure Chance nutzt, denn..

I N S T I T U T F Ü R D E M O S K O P I E A L L E N S B A C H

Osteoporose. Ein echtes Volksleiden. Schon jetzt zählen die Osteoporose und die damit verbundene erhöhte Brüchigkeit der Knochen

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Klinik für Kinder und Jugendliche

KinderPlus. Mit KinderPlus wird Ihr Kind zum Privatpatienten im Krankenhaus.

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Trockenes Auge. Haben Sie Trockene Augen?

FRAGEBOGEN ANWENDUNG DES ECOPROWINE SELBSTBEWERTUNG-TOOLS

Anamnesebogen für Kopfschmerzen

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Reizdarmsyndrom lindern

Medizinische Rehabilitation bei Epilepsie

Diese Broschüre fasst die wichtigsten Informationen zusammen, damit Sie einen Entscheid treffen können.

KOPFSCHMERZEN. Mit heraustrennbarem Kopfschmerztagebuch. Bereich Gesundheitsdienste. Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt

Matthias Keidel Migräne Ursachen Formen Therapie

Sie haben uns kontaktiert, weil Ihre Tochter / Ihr Sohn immer wieder Kopfschmerzen hat.

Patientenverfügung. Was versteht man genau unter einer Patientenverfügung? Meine persönliche Patientenverfügung

Dr.rer.nat. Aleksandra Heitland

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

Diabetes mellitus : Folgeschäden

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Gesundheitsvorsorge in der Schule

Chronische Verstopfung. Patienten-Ratgeber

Uveitis-Fragebogen Neupatient

Kinder erhalten ca. 1/8 der Erwachsenenäquivalenzdosen. Schulkinder > Kleinkinder > Säuglinge

Was bedeutet Inklusion für Geschwisterkinder? Ein Meinungsbild. Irene von Drigalski Geschäftsführerin Novartis Stiftung FamilienBande.

Besser leben mit Gicht. Seite 3 Seite 4 Seite 5 Seite 6. Zu starke Schweißbildung. besser natürlich behandeln. Gicht-Telegramm

Darum geht es in diesem Heft

Fall 11. Sprechstunde wegen wegen immer wiederkehrenden. die Lehrerin nicht so gern mag.

Wenn Sie am Grauen Star leiden, haben wir die Linse für Sie mit der Sie wieder ohne Brille in die Ferne UND Nähe sehen können!

Situa?onsbeschreibung aus Sicht einer Gemeinde

Kreativ visualisieren

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Fragebogen Weisse Liste-Ärzte

Zu dieser Folie: Schulungsziel: TN kennen wesentliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Harnund Stuhlinkontinenz

Bitte lächeln! Invisalign. teen. Invisalign Teen ist da* Invisalign Teen TM. Die ideale Alternative zur Zahnspange für Teeneger - Patienten von heute!

Elternzeit Was ist das?

Hautkrebsscreening. 49 Prozent meinen, Hautkrebs sei kein Thema, das sie besorgt. Thema Hautkrebs. Ist Hautkrebs für Sie ein Thema, das Sie besorgt?

22. Implantate und Invisalign

Der BeB und die Diakonie Deutschland fordern: Gesundheit und Reha müssen besser werden. So ist es jetzt:

Fernausbildung Fachberater/in für holistische Gesundheit. Modul 6

Gut schlafen - das Geheimnis für Vitalität & Gesundheit

Cytomegalie & Co. Häufige Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Deutsches Grünes Kreuz e.v.

Trainingsplan 16-wöchiger Trainingsplan für einen Triathlon (Volkstriathlon), Einsteiger

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

10 Antworten zum Thema Generika

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Selbstcheck: Praktiziere ich einen gesundheitsförderlichen Führungsstil?

Statuten in leichter Sprache

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen

Kleine Anfrage mit Antwort

Sichere Anleitung Zertifikate / Schlüssel für Kunden der Sparkasse Germersheim-Kandel. Sichere . der

Informationsveranstaltung für Eltern. lese-rechtschreibschwacher Kinder

Wir machen uns stark! Parlament der Ausgegrenzten

1. TEIL (3 5 Fragen) Freizeit, Unterhaltung 2,5 Min.

Vertrag zwischen. der AOK Berlin - Die Gesundheitskasse - und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV)

Demo-Version: FGLplus - Fragebogen

Die Bedeutung der Kinder für ihre alkoholabhängigen Mütter

Management Summary. Was macht Führung zukunftsfähig? Stuttgart, den 21. April 2016

Schuldenbarometer 1. Q. 2009

Epilepsie im Kindergarten. Dr. Oliver Schneider

Gesundheits-Coaching I Akut-Programme bei Erschöpfung I Gesunder Schlaf I Ernährungs-Umstellung I Mentale Stärke I Gutes Körpergefühl

Welche Bereiche gibt es auf der Internetseite vom Bundes-Aufsichtsamt für Flugsicherung?

1. Einführung. 1.1 Tourenplanung als Teilbereich der Logistik

Bericht für Menschen mit Gehbehinderung und Rollstuhlfahrer

Mobile Intranet in Unternehmen

Implantate Anwendung in unserer Praxis

SHG INVEST DAS SOLLTEN SIE UNBEDINGT. lesen, bevor Sie selbst verkaufen...

Anleitung für die Online-Bewerbung über LSF auf Lehrveranstaltungen aller Lehramtsstudiengänge

Alltag mit dem Android Smartphone

PhysioPlus: Ihr gratis Gesundheits-Check.

Lebenserwartung nach Sterbetafel 2003/2005

Meinungen zur Altersvorsorge

Fragebogen zur Erhebung der Zufriedenheit und Kooperation der Ausbildungsbetriebe mit unserer Schule

krankenversicherung Kooperation der Knappschaft mit dem Grönemeyer Institut für MikroTherapie in Berlin

Um Ihre Ziele durchzusetzen! Um Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen! Um in Begegnungen mit anderen Ihre Selbstachtung zu wahren!

SWOT Analyse zur Unterstützung des Projektmonitorings

Migräne- und Kopfschmerzbehandlung durch Augenlaserakupunktur

Kopfschmerzen, Migräne und Ohrgeräusche

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Das Werk einschließlich aller seiner Texte ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts

Lichtbrechung an Linsen

Transkript:

Schmerz Kindgerechte Schmerztherapie Schmerzen kommen bei Kindern und Jugendlichen zunehmend öfter vor. Am häufigsten sind Kopf- und Bauchschmerzen. Die Therapie kann bei diesen jungen Patienten eine Herausforderung sein. Daten des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigen, dass die Prävalenz von Schmerzen bei Kindern in den letzten 20 Jahren einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen hat. So liegt die 3-Monats-Prävalenz für Kopfschmerzen bei Kindern mittlerweile bei über 70 %. Werden Kinder und Jugendliche nicht adäquat behandelt und begleitet, kommt es neben akuten Stressreaktionen zu Sensibilisierungsvorgängen wie zum Beispiel einer erniedrigten Schmerzschwelle bis hin zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses. Zudem sind die persönlichen und volkswirtschaftlichen Aus wirkungen, z. B. im Rahmen von Schulfehltagen mit verpassten Bildungsabschlüssen und Einschränkungen in der persönlichen Lebensgestaltung, nicht zu unterschätzen. Privatdozent Dr. med. Sven Gottschling Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, E-Mail: sven. gottschling@uks.eu 38

Tab. 1: Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS) Beobachtung Bewertung Punkte Weinen Gar nicht 0 Stöhnen, Jammern, Wimmern 1 Schreien 2 Gesichtsausdruck Entspannt, lächelnd 0 Mund verzerrt 1 Mund und Augen grimassieren 2 Rumpfhaltung Neutral 0 Unstet 1 Aufbäumen, Krümmen 2 Beinhaltung Neutral 0 Strampelnd, tretend 1 An den Körper gezogen 2 Motorische Nicht vorhanden 0 Unruhe Mäßig 1 Ruhelos 2 nach Büttner et al. Für Neugeborene und Kleinkinder bis zum vollendeten 4. Lebensjahr. Die Beobachtungsdauer beträgt 15 Sekunden. Ab 4 Punkten besteht Analgetikabedarf. Fotos: Dragon 30 / photocase, fpushinka11 / Fotolia Bis vor 20 Jahren war es die gängige Lehrmeinung, dass Neugeborene und insbesondere Frühgeborene, nicht vollständig schmerzwahrnehmungs- bzw. schmerzempfindungsfähig sind. Heutzutage ist bekannt, dass die neurophysiologische Basis für die Schmerzwahrnehmung bereits spätestens ab der 22. Schwangerschaftswoche vorhanden ist, wichtige schmerzhemmende Systeme jedoch bis zu den ersten Wochen nach der Geburt noch nicht ausgereift sind. Daher sind diese Patienten besonders vulnerabel und weisen insbesondere bei häufigen und nicht adäquat schmerztherapeutisch begleiteten schmerzhaften Maßnahmen nachweisliche kognitive und motorische Entwicklungsdefizite auf. Kopfschmerzen Unter den chronischen Schmerzen nehmen Kopfschmerzen die mit Abstand führende Rolle bei Kindern und Jugendlichen ein. 30 % aller Jugendlichen beklagen mehr als einmal pro Woche Kopfschmerzen. Bis auf wenige Ausreißer handelt es sich meist um Migräne mit/ohne Aura, um Kopfschmerzen vom Spannungstyp oder um Mischformen dieser beiden Typen. Der Hauptschwerpunkt der Diagnostik kindlicher Kopfschmerzen sollte auf der Anamnese und einer gründlichen körperlichen Untersuchung liegen. Anamnese: Wichtig sind der Zeitpunkt des ersten Auftretens, die Häufigkeit, die Attackendauer und das tageszeitliche Auftreten der Kopfschmerzen. Treten die Kopfschmerzen eher an Schultagen auf, an Wochenenden oder in den Ferien? Gibt es Triggerfaktoren, z. B. schulischer Stress, körperliche Anstrengung oder bestimmte Nahrungsmittel? Es sollten immer auch familiäre Belastungsfaktoren wie Trennung oder Konfliktsituationen, auch im Freundeskreis, erfragt werden. Außerdem ist die Medikamentenanamnese zum Ausschluss eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes wichtig. Der Patient sollte die Schmerzqualität beschreiben und die Schmerzstärke angeben. Begleitphänomene die eher in Richtung einer Migräne deuten (z. B. Übelkeit/ Erbrechen, Licht- und/oder Geräuschempfindlichkeit sowie darüber hinausgehende Aurasymptome) sollten gezielt erfragt werden. Bedeutend ist auch das Verhalten des Kindes: Kann es im Rahmen der Attacken bedingt abgelenkt werden oder zieht es sich in einen dunklen ruhigen Raum zurück? Der Hausarzt 13/2014 39

Alarmzeichen bei Kopfschmerzen Plötzliche starke Schmerzen mit völlig ungewöhnlicher Intensität Stetig zunehmende Schmerzen Kopfschmerzen, die nachts oder bei Drucksteigerung beginnen Nüchternerbrechen Epileptische Anfälle Neurologische Auffälligkeiten Wenn die Angst der Familie einen adäquaten Umgang mit den Kopfschmerzen verhindert Sehr hilfreich ist es, für kurze Zeit einen kindgerechten Kopfschmerzkalender zu führen, in dem Dauer, Intensität, Begleitsymptome, Einschränkungen und verabreichte Medikamente eingetragen werden können. Dies sollte jedoch nicht langfristig geschehen, da im Verlauf eine Fixierung auf die Beschwerdesymptomatik durch den Kopfschmerzkalender vermieden werden soll. Die körperliche Untersuchung sollte eine vollständige pädiatrisch-internistische sowie neurologische Untersuchung beinhalten, die durch anthropometrische Daten komplettiert wird. Zudem soll im Rahmen einer erstmaligen Kopfschmerzabklärung immer auch ein augenärztlicher Status erhoben werden. Eine weiterführende Diagnostik ist nur dann sinnvoll und gerechtfertigt, wenn in der Anamnese oder in der körperlichen Untersuchung klare Auffälligkeiten gefunden werden. Routine-Blut- oder Liquoruntersuchungen, EEG-Diagnostik und zerebrale Bildgebung sind teuer, für das Kind belastend und nicht sinnvoll. Bauchschmerzen Die Prävalenz von chronischen funktionellen Bauchschmerzen bei Kindern liegt bei bis zu 25 %. Wesentlich ist bei funktionellen Bauchschmerzen analog zu Kopfschmerzen, dass die körperliche Untersuchung unauffällig ist. Auch hier sollte insbesondere mit einem Hinweis auf die Gutartigkeit der Erkrankung versucht werden, positiv auf das Erkrankungsgeschehen einzuwirken. Herausforderungen bei Kindern In der Schmerztherapie bei Kindern können besondere Herausforderungen bestehen: Kommunikationsschwierigkeiten: z. B. wenn das Kind sehr jung oder unkooperativ ist oder aus Angst vor unklaren diagnostischen Maßnahmen/unbekannter Therapie dissimuliert. Keine geeigneten Medikamenten-Darreichungsformen: Die Dosierungen der meisten Schmerzmedikamente sind auf 70 bis 80 kg schwere Erwachsene ausgerichtet. Off-Label-Use: Abgesehen von nicht verfügbaren Darreichungsgrößen sind die meisten für eine adäquate Schmerztherapie notwendigen Medikamente für die Behandlung von Kindern nicht zugelassen. Schmerzmessung Niemand käme auf die Idee, ohne Blutzuckermessungen eine Insulintherapie zu steuern. Das gilt auch für die Schmerztherapie. Eine sorgfältige Schmerzmessung sollte bei Kindern jedweden Alters eine absolute Selbstverständlichkeit sein. Bei Neugeborenen, Kleinkindern und nicht mitteilungsfähigen Patienten (z. B. behinderten Kindern) müssen Fremdbeobachtungsskalen zur Schmerzmessung eingesetzt werden. Gut handhabbare und validierte Schmerzskalen sind zum Beispiel die kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS) nach Büttner (Tab. 1), die Faces-Pain-Scale (Abb. 1) sowie die FLACC-Skala in ihrer revidierten Version. Alarmzeichen bei Bauchschmerzen Anhaltende Schmerzen im rechten oberen oder rechten unteren Quadranten Schmerzen, die das Kind aus dem Schlaf erwecken Dysphagie Arthritis Anhaltendes Erbrechen Perianale Erkrankungen Gastrointestinaler Blutverlust Ungewollter Gewichtsverlust Familienanamnese mit entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie oder peptischen Geschwüren Verzögerte Pubertät Unerklärtes Fieber Dauer der Schmerzen über 12 Stunden, deutlich periodischer Verlauf Schmerztherapie Grundsätzlich sollte sowohl bei Kopf- als auch bei Bauchschmerzen versucht werden, intensiv mit Edukation und aktiven Schmerzbewältigungstechniken zu arbeiten. Darüber hinaus ist der Einsatz von Entspannungsverfahren, z. B. progressive Muskelrelaxation, sinnvoll. Ein vernünftiger Tagesrhythmus, eine ausreichende Trinkmenge sowie Sport sind ebenfalls hilfreich. Eine medikamentöse Therapie sollte, au 40 Der Hausarzt 13/2014

Tab. 2: Dosierungsempfehlungen für Paracetamol Alter Einzeldosis bei Folgedosis (mg/kg) Therapiebeginn (mg/kg) oral rektal oral rektal Dosierungsintervall Tageshöchstdosis Neugeborene und 20 30 20 15 8 60 Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat Säuglinge nach dem 30 40 10 20 15 20 6 60 6. Lebensmonat Kleinkinder > 1 Jahr 30 40 15 15 20 6 60 Kinder > 6 Jahre 30 40 15 15 29 6 60 (absolut: 4 000 mg/d) Tab. 3: Dosierungsempfehlungen für Ibuprofen und Metamizol Substanz Applikationsweg Einzeldosis (mg/kg) Dosierungsintervall Tages höchstdosis Ibuprofen oral/rektal 10 8 40 (absolut: 2 400 mg/d) Metamizol oral/rektal/kurzinfusion/ Dauertropfinfusion 10 15 4 6 60 75 (absolut: 5 000 mg/d) Tab. 4: Opioid-Startdosen für opioidnaive Kinder und Jugendliche Substanz Applikationsweg Einzeldosis (mg/kg) Dosierungsintervall Tramadol intravenös Bolus 1 (max. 50) 4 PCA-Bolus 0,3 (max. 10) Dauertropfinfusion 0,3/h (max. 10) oral unretardiert 1 (max. 50) 4 retardiert 2 (max. 100) 8 Tilidin/ oral unretardiert 1 (max. 50) 4 10 Naloxon retardiert 2 (max. 100) 8 Morphin intravenös / subkutan Bolus PCA-Bolus 0,05 (max. 3) 0,02 (max. 2) 3 Dauertropfinfusion 0,02/h (max. 0,5/h) oral unretardiert 0,2 (max. 5) 4 retardiert 0,4 (max. 10) 8 Tageshöchstdosis 10 (absolut: 600 mg/d) (absolut: 600 mg/d) Keine Höchstdosis, Dosierung nach Wirkung! Foto: Robert Kneschke / Fotolia ßer bei akuten Migräneanfällen, nur äußerst zurückhaltend eingesetzt werden. Bei Spannungskopfschmerzen und Bauchschmerzen sollte man versuchen, nicht über 5 Tage mit Medikamenteneinnahme/Monat zu kommen. Als Medikament der 1. Wahl kann hier Metamizol angesehen werden. Die folgende Auflistung gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten bzw. gebräuchlichsten Schmerzmedikamente (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Der Hausarzt 13/2014 41

Abb. 1: Faces Pain Scale-Revised (FPS-R) Das Kind soll auf das Gesicht zeigen, dass am besten widerspiegelt, wie es ihm hinsichtlich seiner Schmerzen gerade geht. Der Patient zeigt auf ein Bild, nicht der Gesichtsausdruck des Patienten wird bewertet. Linkes Gesicht: Schmerzstärke = 0, rechtes Gesicht: Schmerzstärke 10 von 10. Nichtopioide Paracetamol: Ab der Geburt zugelassen, geringe analgetische Potenz. Insbesondere im Bereich der Neonatologie belegen Studien keinen Vorteil gegenüber Placebo, selbst bei hohen Einzeldosen. Cyclooxygenasehemmer: z. B. Ibuprofen. Bei einer Einnahmedauer über einige wenige Tage treten perfusionsbedingte Nierenschäden und gastrointestinale Schleimhautschäden selten auf. Das analgetische Potenzial von Ibuprofen ist als gut einzuschätzen, insbesondere bei Entzündungsschmerzen. Metamizol: Potentestes Nichtopioid-Analgetikum ohne antientzündliche Wirkung, jedoch mit guter Wirksamkeit bei krampfartigen Schmerzen. Entgegen anders lautenden Berichten gibt es keinen einzigen wirklich zweifelsfrei gesicherten Fall einer Metamizol-assoziierten Agranulozytose bei einem Kind. Darüber hinaus gab es in den letzten 20 Jahren keinen einzigen Metamizol-assoziierten Agranulozytosebedingten Todesfall in Deutschland. Fazit (nach Hicks et al., IASP). Kopf- und Bauchschmerzen bei Kindern sind häufig. Sie sind typische Kinderkrankheiten. Die Grundpfeiler zur Diagnostik kindlicher Kopf- und Bauchschmerzen sind eine gründliche Anamnese sowie eine vollständige körperliche Untersuchung. Gerade Kinder sollten ein Anrecht auf eine möglichst qualifizierte Schmerztherapie haben. Keine Schmerztherapie ohne Schmerzmessung. Es stehen standardisierte, gut evaluierte Instrumente zur Verfügung, die unbedingt angewandt werden sollten. Opioide Generell gilt bei Kindern wie bei Erwachsenen, dass Opioide die einzigen Analgetika sind, die auch in der Langzeitanwendung keinerlei Organtoxizität verursachen. Allerdings reagieren Früh- und Neugeborene sowie Kinder mit zerebraler Vorschädigung erfahrungsgemäß besonders sensitiv auf Opioide. Hier sind viel Erfahrung und eine behutsame Dosistitration erforderlich. Tramadol: Grundsätzlich sichere Substanz, insbesondere im Hinblick auf das Risiko der Entwicklung einer Atemdepression. Durch die serotoninerge Wirkung ist Tramadol jedoch sehr stark emetogen. Die Verträglichkeit ist bei Kindern jedoch etwas besser als bei Erwachsenen. Tilidin/Naloxon: Für Kinder ab 2 Jahren geeignet, insbesondere bei vorbestehender Obstipationsproblematik, da durch die Naloxon- Wirkung an den Opioidrezeptoren im Darm ein geringeres Obstipationsrisiko besteht. Morphin: Gilt immer noch als Goldstandard in der Pädiatrie, da hier mit Abstand die meisten Erfahrungen bestehen. Außerdem gibt es ein Präparat (MST Retard Granulat), das auch bei einem opioidnaiven Kleinkind problemlos milligrammweise eintitriert werden kann. Weitere Opioide: Opioide mit einem prinzipiell günstigeren Nebenwirkungsprofil, z. B. Hydromorphon, liegen nicht in geeigneten Darreichungsformen für Kinder vor. Bei den transdermalen Systemen ist zu beachten, dass das Fentanyl-Pflaster mit der Dosierung 12 µg/stunde immerhin noch eine Äquivalenzdosis von rund 30 mg Morphin pro 24 Stunden enthält. Eine durchaus interessante Alternative ist der Einsatz eines Buprenorphin-Pflasters. Hier kann man mit einer Dosierung von 5 µg/stunde arbeiten (ca. 8 10 mg orales Morphin-Äquivalant pro 24 Stunden). Darüber hinaus kann dieses Pflaster auch zerschnitten werden (off label), und es ist möglich, mit entsprechend niedrigen Dosen transdermal eine Basistherapie zu etablieren. Literatur beim Verfasser Interessenkonflikte: keine 42 Der Hausarzt 13/2014